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Die Sklavenkarawane
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Die Sklavenkarawane

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»Hat die Sonne dir das Gehirn versengt, daß du von Mitleid redest? Sollen wir die Unvorsichtigkeit begehen, acht Zeugen leben zu lassen? Der Fremde steht im Schutze seines Unsul, welcher, wenn er seinen Tod erführe, so lange nach Rache schreien würde, bis man uns ergriffen und getötet hätte.«

»Aber wir würden den Dschelabi doch nicht sagen, wer wir sind!«

»Auch hier reicht dein Verstand nicht aus. Wie nun, wenn sich einer unter ihnen befindet, der einen von uns kennt?«

»Diesen einen könnten wir stumm machen.«

»So müssen wir sie eben alle umbringen, denn mich würden sie selbst in dem Falle erkennen, daß sie mich noch nie gesehen haben. Allah ist, als er meiner Seele den Körper gab, verschwenderischer als sonst gewesen, wofür ich ihm nicht dankbar bin, denn es ist meist sehr verdrießlich, eine Gestalt zu besitzen, welche jedem auffallen muß. Man weiß, daß ich ein Sklavenjäger bin. Das ist schon genug, seit die Franken, über welche die Verdammnis kommen möge, in Chartum es durchgesetzt haben, daß der Sklavenhandel verboten wurde. Nun sitzt selbst hier in Faschodah ein Mudir, welcher kein Sklavenschiff passieren läßt, so daß wir stets ausladen und den langen und beschwerlichen Landweg einschlagen müssen. Dieser Mudir hat sein Auge ganz besonders auf mich gerichtet. Falle ich ihm in die Hände und es befindet sich nur ein einziger Sklave bei mir, so bin ich verloren. Soll er nun auch noch erfahren, daß ich, wenn Allah mir die Gelegenheit sendet, meine Leute in eine Gum verwandle, so ist das Ende meines Lebens nahe, was der Prophet verhindern möge, denn ich habe Lust, den Preis von noch Tausenden von Negern mit euch zu teilen. Diese acht Dschelabi würden, sobald sie mich sähen, augenblicklich wissen, daß ich Abu el Mot bin, und es morgen dem Mudir verraten. Dieser wieder weiß, in welchem Gebiete ich nach Schwarzen jage; ebenso weiß er ungefähr, wenn ich mit meinen Sklaventransporten durch sein Gebiet muß, und so würde er mir mit doppelter Sorgsamkeit auflauern. Ist es schon jetzt schwer, ihm zu entgehen, so würde es nachher unmöglich sein. Nein, die Dschelabi müssen sterben! Wenn du Mitleid mit ihnen hast, so kannst du heimkehren und Durrha essen. Ich brauche keinen Mann, dessen Herz von Wolle ist anstatt von Eisen.«

Dabei zog er sein Messer und spielte in so bedeutungsvoller Weise mit demselben, daß der andre einsah, er werde nicht weit kommen, wenn es ihm einfallen sollte, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Darum antwortete er in begütigendem Tone:

»Hast du mich jemals weinen sehen, wenn mein Messer oder meine Kugel einen Menschen getroffen hatte? Warum soll ich jetzt auf einmal ein Weib geworden sein, da mir einmal ein milder Gedanke kommt? Ich werde der erste von euch sein, welcher sein Messer in das Herz eines dieser Dschelabi senkt.«

»Das hoffe ich auch, damit du die Zweifel zerstreust, zu denen du mir soeben Veranlassung gegeben hast! Ein Sklavenjäger muß ermorden können, ohne mit der Wimper zu zucken. Kann er das nicht, so taugt er nichts für dieses Geschäft. Morgen früh werden die Geier auf den Gerippen von neun Menschen sitzen und sich so dick angefressen haben, daß sie nicht davonfliegen können. Wir aber werden unsre Beute nach Kaka bringen und uns derselben erfreuen.«

»Nach Kaka? So müssen wir nach Nordost gegen den Nil, also zurück. Warum nicht nach Faschodah?«

»Das liegt zwar näher und ist auch ein besserer Handelsplatz; auch kann ich mich getrost dort sehen lassen, wenn ich keine Sklaven bei mir habe; aber ich würde dort keinen Käufer für die Sachen finden, welche wir diesem Giaur abnehmen werden. In Kaka aber habe ich meinen Agenten, welcher die Sammlung gern nach Chartum bringen wird, um sie für mich zu verwerten.«

»Wird man dort nicht Verdacht fassen?«

»Nein, denn der Agent wird so klug sein, den Leuten ein Märchen zu erzählen, welches sie glauben müssen. Dort gibt es Personen, welche den Wert einer solchen Sammlung kennen und einen guten Preis zahlen werden. Wir können sie auf anderm Wege unmöglich an den Mann bringen. Und daß sie viel wert ist, kann man daraus schließen, daß der Christ seine Heimat verlassen hat und sich so großen und vielen Gefahren aussetzt, um diese Pflanzen und Tiere zu holen. Wir werden bald einen zweiten, ähnlichen Fang machen. Der letzte Bote, der mir aus der Seriba Omm et Timsah gesandt wurde, teilte mir mit, daß dort zwei Weiße, ein junger und ein alter, eingetroffen sind, welche Gewächse suchen, um sie zwischen Papierblätter zu legen, und Käfer, Schlangen und allerlei Gewürm fangen, welches sie in Flaschen stecken. Beide haben schwarze Diener bei sich, viele Waffen und Tauschartikel und große, schwere Ballen Zeug, welches, wie ihr wißt, dort die Stelle des Geldes vertritt. Diese Europäer drängen sich mit großer Frechheit in unser Sklavengebiet. Wir dürfen das nicht dulden und werden sie also, sobald wir hinkommen, in die Hölle senden, ihre Sachen aber behalten. Diese Menschen glauben an Isa Ben Marryam, welcher gelehrt hat, daß es keine Sklaven geben dürfe, da auch die Schwarzen Allahs Kinder seien. Wenn wir sie nicht töten, wird diese Lehre überhand nehmen und unsern Handel zu nichte machen. Ich dulde keinen Christen im Bereiche meines Jagdgebietes, am allerwenigsten aber christliche Priester, welche die Schwarzen gegen uns aufwiegeln, indem sie denselben die alberne Lehre von der Liebe bringen. Darum werden diese beiden Weißen sterben wie der Giaur, der jetzt dort am Brunnen lagert.«

»Meinst du nicht, daß er sich verteidigen wird?«

»Nein, denn wir werden ihm keine Zeit dazu lassen. Unser Überfall wird so plötzlich geschehen, daß er gar keine Zeit finden wird, sich seiner Waffen zu bedienen. Wenn der Schech uns nachher aufsucht, wie verabredet worden ist, so werden wir von ihm erfahren, wo der Giaur liegt und wo die Dschelabi schlafen. Wir schleichen uns hinan und werden sie wohl gar im Schlafe töten, so daß sie zur Hölle fahren, ohne vorher zu erwachen. Vielleicht sind die Gewehre noch gar nicht wieder geladen, welche sie vorhin abgeschossen haben, um die Löwen abzuschrecken.«

»Allah ‚l Allah! In welcher Gefahr haben wir da auch uns befunden! Wie leicht konnte der Verderber der Herden auch zu uns kommen!«

»Nein. Er hat seine Wohnung im Osten des Brunnens und ist wieder dorthin zurück. Schliche er sich in unsrer Nähe herum, so würden die Kamele ihn durch ihre Angst verraten. Vorher waren sie unruhig; aber seit die Schüsse gefallen sind, haben sie keine Furcht mehr gezeigt. Der Vater des dicken Kopfes ist also fort. Laßt uns nun nicht mehr sprechen, sondern lieber aufpassen. Der Schech könnte eher kommen, als wir ihn erwarten, und wir müssen dafür sorgen, daß er uns nicht verfehlt.«

Aus diesen Worten war zu schließen, daß die Unterhaltung nun zu Ende sei. Darum hielt Schwarz es für geraten, sich zurückzuziehen. Er kroch so leise und vorsichtig davon, wie er gekommen war. In der Entfernung, in welcher er nicht mehr gesehen werden konnte, erhob er sich aus der kriechenden Stellung, da er nun getrost wieder aufrecht gehen konnte. Erst als er den Felsen erreichte, mußte er wieder vorsichtig verfahren, da die Homr nicht wissen durften, daß er fort gewesen war.

Es gelang ihm, seinen Platz von ihnen unbemerkt zu erreichen. Die Dschelabi hatten Sorge um ihn gehabt, da seine Abwesenheit eine ziemlich lange gewesen war. Er erzählte ihnen, was er gehört hatte und fragte sie, ob ihnen dieser Abu el Mot vielleicht bekannt sei. Sie alle kannten diesen Mann, ohne ihn aber jemals gesehen zu haben. Sie hatten gehört, daß er der eifrigste und unbarmherzigste Sklavenjäger sei, doch wo er sein Jagdgebiet habe, wußten sie nicht.

»Er scheint seine Raubzüge von einer Seriba, welche Omm et Timsah heißt, aus zu unternehmen,« sagte der Deutsche. »Ist euch diese nicht bekannt?«

»Nein,« antwortete der ‚Vater der elf Haare‘. »Ich kenne alle Seriben bis jenseits des Dinka-Landes, aber von einer dieses Namens habe ich noch nie gehört. Doch muß uns das einstweilen gleichgültig sein. Wir müssen an unsre Verteidigung denken. Wir müssen überlegen, wie wir uns am besten wehren können.«

»Da gibt es nicht viel zu überlegen. Die Hauptsache ist, daß der Feind uns nun nicht mehr überraschen kann. Wir wissen, wo er sich befindet.«

»Aber nicht, wann er kommen wird.«

»O doch. Der Schech will die Gum aufsuchen. Er hat also mit Abu el Mot den Überfall schon längst geplant. Es ist da drüben hell, und wir können also leicht sehen, wenn er sich entfernt. Er wird den Räubern sagen, wo und wie wir lagern, und dann werden sie kommen.«

»Wir schießen sie nieder?«

»Nein. Sie sind zwölf Personen und wir nur neun; aber da wir nun sie überraschen und nicht sie uns, so sind wir ihnen überlegen. Wir bleiben natürlich nicht hier liegen, sondern erwarten sie am Beginn der Büsche, zwischen welchen wir uns verstecken können. Sind sie an uns heran, so springen wir auf. Jeder nimmt seinen Mann und schlägt ihn nieder. Ein tüchtiger Hieb auf den Kopf genügt dazu; aber die Kerls müssen so getroffen sein, daß sie gleich zusammenbrechen. Mit den übrigen drei werden wir dann schnell fertig. Fliehen sie, so lassen wir sie laufen; wehren sie sich, nun, so können wir ihr Leben freilich nicht schonen. Die ersteren werden hoffentlich nicht tot sein. Wir nehmen sie gefangen und liefern sie in Faschodah an den Mudir ab.«

»Und was geschieht mit den Homr?«

»Das wird sich ganz nach ihrem Verhalten richten. Ich vermute, daß sie sich nicht direkt an dem Angriffe beteiligen werden; sie dürften das vielmehr der Gum überlassen, welche übrigens, wie ich aus dem Dialekte der Leute vermute, auch aus Homr besteht. Meine bisherigen Begleiter werden beabsichtigen, so lange dort an ihrem Feuer zu bleiben, bis wir getötet worden sind. Sie kommen also bei dem Kampfe zunächst nicht in Betracht. Die Hauptsache ist, daß jeder von uns seinen Mann richtig trifft.«

»Darin soll es bei mir nicht fehlen. Ich kehre meinen Elefantenmörder um und bearbeite den Kerl so, wie ich vorhin die Frau des Löwen erschlagen habe.«

»Und ich,« sagte Hadschi Ali, »habe hier den halben Schaft meines zerbrochenen Spießes. Das gibt eine Keule, mit welcher ich zuschlagen kann. Allah sei demjenigen gnädig, der sie auf den Kopf bekommt!«

In ähnlicher Weise äußerten sich auch die andern. Sie waren damit einverstanden, daß die Feinde nicht getötet werden sollten. Sie dachten an die Genugthuung, die ihnen würde, wenn sie morgen mit ihren Gefangenen in Faschodah einziehen. Wer von ihnen keine zum Zuschlagen passende Waffe besaß, der suchte sich unter den Gepäckstücken einen geeigneten Gegenstand aus.

Die Homr waren überzeugt, daß der Deutsche und die Dschelabi schliefen. Diese hatten nur leise gesprochen, und wäre je ein Wort etwas lauter gewesen, so hätte es doch nicht leicht gehört werden können, da die Kamele und Esel sich noch immer nicht ganz beruhigt hatten. Besonders die letzteren standen keinen Augenblick ruhig, weil die Kadaver der beiden Raubtiere sich in ihrer Nähe befanden. Die Kamele schnaubten ängstlich, mußten aber ruhig liegen, da ihnen die Füße gefesselt waren.

In Erwartung des Kommenden verging allen die Zeit sehr langsam. Endlich erhob sich drüben der Schech.

»Jetzt geht er!« flüsterte Ali.

»Nein,« antwortete der Ungar ebenso leise. »Er kommt erst hierher, um nachzusehen, ob wir wirklich schlafen. Er wird so thun, als ob er sich um die Kamele bekümmern wolle. Regen wir uns nicht!«

Der Schech kam wirklich langsam herbei. Er trat zu den Kamelen, als ob er nach ihnen habe sehen wollen, und blieb da eine kleine Weile stehen. Er lauschte nach den Dschelabi herüber. Als keiner derselben sich bewegte, sagte er, zu ihnen gewendet:

»Die Dschimahl fürchten sich noch immer. Wollen wir nicht die Leichen des Löwen und seiner Sultana fortschaffen?«

Er fragte das natürlich nur, um zu erfahren, ob die Dschelabi fest schliefen. Als er keine Antwort bekam, trat er leise näher und bückte sich zu ihnen nieder. Um ganz sicher zu sein, berührte er den Arm des Deutschen. Als auch darauf nichts erfolgte, war er seiner Sache sicher und schlich weiter, um den Felsen wie vorhin Schwarz.

Dieser richtete sich nach einiger Zeit auf und kroch ihm nach. Er sah ihn in westlicher Richtung davonschreiten und dann im Dunkel der Nacht verschwinden. Zu den Dschemali[Dschelabi] zurückgekehrt, forderte er diese auf:

»Jetzt ist es Zeit. Kommt mit fort, aber leise, damit die Homr es nicht hören!«

Er führte sie bis dahin, wo das Dickicht zu Ende war und sich in einzelne Büsche auflöste. Es war vorauszusehen, daß die Angreifenden da vorüberkommen würden. Jeder steckte sich hinter einen Busch.

Sie warteten wohl eine halbe Stunde und noch länger. Dann hörten sie leise Schritte, und zugleich erkannten sie die Gestalten, welche, eine hinter der andern, langsam herbeikamen. Als sie sich so weit genähert hatten, daß man die einzelnen Personen unterscheiden konnte, sah Schwarz den Schech als Führer an der Spitze. Die lange, schmale Gestalt Abu el Mots schwankte, sich herüber- und hinüberwiegend, am Ende des kleinen Zuges. Sie blieben an der Felswand stehen. Wäre es hier so hell gewesen wie draußen außer dem Bereiche des Schattens, den der Fels warf, so hätten sie die unmittelbar neben ihnen hinter den Büschen kauernden Dschelabi sehen müssen, denn die Sträucher waren nicht dicht und breit genug, einen Mann vollständig zu verbergen.

Schwarz befand sich dem verlassenen Lagerplatze am nächsten. Die Feinde waren nicht bis zu ihm herangekommen. Der Ungar, der am entgegengesetzten Ende kauerte, hatte sie gerade vor sich. Er hörte, daß der Schech sagte:

»So! Bis hieher habe ich euch geführt. Gleich um die Ecke rechts liegen sie im tiefen Schlafe; sie werden sterben ohne zu erwachen. Ich gehe jetzt zu meinen Männern, um ihnen zu sagen, daß der Augenblick gekommen ist.« Er entfernte sich, indem er einige Schritte zurückging, und verschwand an der Westseite des Felsens, an dessen Ostseite die Lagerstelle sich befand.

»Nun vorwärts!« gebot die Grabesstimme Abu el Mots. »Allah möge euern Messern sichern Stoß verleihen!«

Schwarz wollte natürlich warten, bis sie ihn erreicht hatten; aber der kleine Slowak fühlte sich von solcher Kampfeslust ergriffen, daß er den vorteilhaftesten Augenblick nicht erwartete.

»Rauwidschu – schnell, drauf!« rief er aus, indem er aufsprang. Sein Gewehr umkehrend, holte er aus und führte nach dem Nächststehenden einen so gewaltigen Kolbenhieb, daß der Getroffene sofort zusammenbrach und aber auch er selbst niederstürzte.

Die andern brachen auch hervor. Schwarz als der Entfernteste hatte wohl acht oder neun Schritte zurückzulegen, um an die Feinde zu kommen. Er hatte es auf Abu el Mot abgesehen gehabt, welche Absicht aber nun nicht auszuführen war.

Die Männer der Gum waren so erschrocken, daß sie sich für den ersten Augenblick nicht von der Stelle bewegten. Sie wären verloren gewesen, wenn der überhitzige Ungar nur noch drei oder vier Minuten gewartet hätte. So aber fanden sie Zeit, sich einigermaßen zu fassen, doch nicht hinreichend genug, ihre Waffen zu gebrauchen. Einige von ihnen empfingen die ihnen zugedachten Hiebe; andern gelang es, dieselben von sich abzuwehren.

Schwarz hatte die angegebene Entfernung springend zurückgelegt. Er schlug einen Araber mit dem Gewehrkolben nieder und im nächsten Augenblicke einen zweiten. Zornige Flüche er schallten.

»Wer sind diese Teufel?« schrie Abu el Mot. »Drauf auf sie!«

»Rettet euch!« schrie ein andrer. »Wir sind vom Schech verraten!«

Er drängte zurück. Eben wollte Schwarz den dritten niederschlagen, um dann an den Anführer zu kommen. Zu gleicher Zeit holte der »Vater des Gelächters« gegen einen andern aus, welcher an Schwarz vorüberfloh. Er drang hinter diesem drein, glaubte, ihn mit dem Hiebe noch zu erreichen, erhielt aber dabei von einem weiteren Flüchtling einen Stoß und – – schlug dem Deutschen mit seinem halben Lanzenschaft so gegen das Ohr und die Schläfe, daß Schwarz zur Seite taumelte und fast ohne Besinnung niederfiel.

»Allah!« schrie der erschrockene Kleine. »Habe ich dich ermordet, Effendi?«

»Beinahe!« antwortete der Gefragte, indem er sich langsam und nur schwer erhob. »Laßt sie fliehen! Wir dürfen wegen den Homr nicht von hier fort!«

Es funkelte ihm vor den Augen, doch sah er die Leute der Gum fliehen. Er legte an und sandte ihnen zwei Kugeln nach. Dann konnte er nicht widerstehen. Es brauste ihm wie eine Brandung um die Ohren. Er lehnte sich an den Felsen und schloß die Augen.

Kein Dschelabi folgte den Fliehenden. Aber der Ungar rief, als er die Schüsse des Deutschen hörte:

»So ist‘s recht! Gebt ihnen eure Kugeln! Die meinige sollen sie auch haben.«

Er erhob seinen schweren Katil elfil und zielte auf den Flüchtling. Sein Schuß krachte, und der Mann stürzte nieder.

Die Dschelabi standen bei Schwarz, laut klagend über ihn.

»Was ist geschehen?« fragte der Slowak.

»Ich habe den Effendi erschlagen!« jammerte der »Vater des Gelächters«, indem er aus Verzweiflung das lustigste Gesicht der Welt machte.

»Bist du toll?«

»Nein. Ich wurde gestoßen.«

»Dummkopf! Du hast vor lauter Völkern und Dörfern, welche unter deinem Schädel stecken, nicht gesehen, wohin du schlugst! Effendi, Effendi, bist du tot?«

»Nein,« antwortete Schwarz, indem er die ihn überkommene Ohnmacht mit Anstrengung von sich abschüttelte und sein Gewehr, welches ihm entfallen war, aufhob.

»Allah sei Dank! Dieser ‚Vater der hintern Löwenhälfte‘ ist mit Blindheit geschlagen gewesen, und wir müssen – – —«

»Still!« gebot ihm der Deutsche. »Wir haben mehr zu thun. Ich sehe vier Teilnehmer der Gum hier liegen. Das ist weniger als ich dachte. Bindet sie! Wahrscheinlich sind sie nur betäubt.«

Er trat zur Felsenecke, von welcher aus er das Feuer sehen konnte. An demselben standen die Homr, welche nicht wußten, was sie denken sollten. Er nahm an, daß sie dort bleiben würden, bis sie von irgend einer Seite Aufklärung erhielten. Darum fuhr er fort:

»Bleibt hier! Vielleicht kann ich ein Kamel oder mehrere erbeuten.«

Er rannte fort, in der Richtung, in welcher die Araber geflohen waren. Er wußte, wo sie gelagert hatten. Auch ihre Kamele waren gefesselt gewesen, und da diese Tiere nicht schnell zum Aufstehen zu bringen sind, so mußten die Flüchtigen dort jedenfalls länger verweilen, als ihnen lieb war, da sie doch anzunehmen hatten, daß man sie verfolgen werde.

Sein zweites Gewehr hatte er über dem Rücken hängen; das erste lud er im Laufen. Dabei kam er an der Stelle vorüber, wo der von der Kugel des Slowaken Getroffene lag. Dieser regte sich nicht.

Hatte er vorhin, als er vorsichtig sein mußte, über eine Viertelstunde gebraucht, um an die Gum zu kommen, so ging es jetzt schneller. In weniger als zwei Minuten war er der Stelle nahe. Er sah die Gruppe der Männer, welche sich um die Kamele bemühten. Da blieb er stehen und schoß ein-, zweimal auf sie. Jeder von ihnen hatte vor allen Dingen sein eigenes Tier von den Fesseln befreit. Das sollte gerade auch mit den fünf übrigen Kamelen geschehen, als die beiden Schüsse krachten, von denen einer der Araber verwundet wurde.

»Fort!« schrie Abu el Mot, der sich unter den Entkommenen befand. »Laßt die Bestien liegen, denn die Schejatin sind hinter uns her!«

Und als Schwarz nun auch die beiden Schüsse seines andern Gewehres abgab, war kein Halten mehr. Die um fünf Menschen und Tiere verringerte Gum flog davon, in die Nacht hinein.

Schwarz näherte sich vorsichtig den Tieren, da leicht ein Feind hinter denselben sich versteckt haben konnte. Er überzeugte sich jedoch bald, daß dies nicht der Fall war. Die fünf Sättel lagen daneben, ebenso mehrere Kirban und Dattelsäcke.

Da nicht anzunehmen war, daß die Gum zurückkehren werde, so ließ der Deutsche die Tiere samt diesen Gegenständen liegen und eilte dem Felsen wieder zu. Die Folgen des Hiebes, den er kurz zuvor erhalten hatte, waren überwunden und sein Kopf wieder leicht und frei wie vorher.

Die Dschelabi standen bei den vier Gefesselten, welche sich noch nicht regten.

»Sind noch Stricke, Riemen oder Schnüre vorhanden?« fragte Schwarz.

»Genug, Herr,« antwortete der Slowak. »Ein Dschelabi hat deren stets in seinen Taschen.«

»So binden wir jetzt auch die Homr.«

»Wenn sie es sich gefallen lassen!«

»Versuchen wir es.«

Er ging wieder an die Ecke. Die Homr standen noch immer wartend am Feuer. Sie hatten die Schüsse und das Geschrei gehört und sagten sich, daß der Überfall nicht in der gewünschten und auch erwarteten Weise verlaufen sei; aber wie die Angelegenheit stand, das vermochten sie sich nicht zu sagen, da sie nicht hatten sehen können, was geschehen war. Nur das war ihnen gewiß, daß der Deutsche und die Dschelabi nicht geschlafen, sondern sich verteidigt hatten. Wer aber war da Sieger geblieben? Die Klugheit riet ihnen, sich entfernt zu halten und das Kommende abzuwarten.

Sie konnten nicht bis zur zweiten Lagerstätte, wo das Feuer nicht mehr brannte, sehen, doch war alle ihre Aufmerksamkeit nach dieser Gegend gerichtet. Da sahen sie den verhaßten Deutschen von dort herkommen. Er hatte seine Gewehre zurückgelassen. Seine Absicht war, sich zunächst des Schechs zu bemächtigen.

»Habt ihr das Schießen gehört?« fragte er in hastiger Weise.

»Ja,« antwortete der Schech. »Wer ist es gewesen, und was hat es gegeben?«

»Weiß ich es? Ich erwachte von dem Lärm und sah, daß die Dschelabi nicht mehr da waren. Ich suchte nach ihnen und hörte Schüsse im Osten von hier. Ihr seid wach gewesen und müßt also besser als ich wissen, was sich ereignet hat.«

»Nichts wissen wir, gar nichts, Effendi! Wir glaubten die Schüsse kämen aus euren Gewehren und es sei abermals ein Löwe erschienen.«

»Dann müßte er die Dschelabi mit Haut und Haar verschlungen haben, da sie vom Lagerplatze verschwunden sind. Nein, es muß etwas andres gegeben haben. Willst du nicht einmal mit mir nachsehen?«

»Ja, sogleich, ich komme mit.«

Es war gegen alle seine Wünsche, den Deutschen noch am Leben zu sehen. Wo waren die Dschelabi, und wo waren die Männer der Gum? Er brannte vor Begierde, es zu erfahren; darum ging er so bereitwillig auf den Vorschlag des Gelehrten ein.

Die beiden entfernten sich nach der erstgenannten Felsenecke hin. Als sie um dieselbe bogen, erblickte der Schech die Dschelabi, und es entfuhr ihm die unvorsichtige Frage.

»Da sind sie ja! Wo aber ist die Gum?«

»Die Gum?« antwortete Schwarz. »Du gibst also zu, von ihr zu wissen! Für so aufrichtig habe ich dich nicht gehalten.«

»Die Gum – Effendi – die Gum ist – ist – ist – ich habe – – —« stotterte er.

»Schon gut! Bindet ihn!«

Indem er diesen Befehl gab, faßte er ihn mit beiden Händen am Halse und drückte ihm die Kehle so zusammen, daß der Homr keinen Laut ausstoßen konnte. Es wurden demselben sofort Riemen um die Hände und Füße gebunden, worauf man ihn auf die Erde legte.

Jetzt rief Schwarz den erwartungsvoll am Feuer stehenden Homr zu:

»Suef el Abalik soll schnell hierher zum Schech kommen!«

Er kannte die Namen sämtlicher Homr und war überzeugt, daß der Genannte dem Rufe folgen werde. Damit derselbe nicht durch den Schech gewarnt werden könne, kniete der kleine Slowak bei dem letzteren nieder, setzte ihm die Spitze seines Messers auf die Brust und drohte: