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Die Sklavenkarawane
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Die Sklavenkarawane

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»Botanik seinte alles vom Geschöpf menschliches und Affen, tierlichen, bis herrrab zurrr Raupe, insektliche.«

»Abermals umgekehrt! Zoologie ist Tier-, und Botanik ist Pflanzenkunde.«

»Ist abermals nur aus einerrr kleinen Verwechstelung von Wissenschaft meiniger. Jedermann hat gewüßten, daß Latein ungarisches ist das vortreffenstliche von derrr ganze Welt. Ich hab studiumtierte der Horrraz und der Virgill.«

»Was zum Beispiel?«

»Kaiserrr Max österreichischer an der Martinswand von Virgill.«

»Dieses Gedicht ist, glaube ich, nicht von dem Römer Virgil sondern von Anastasius Grün.«

»So hab ich aberrrmals mich nur versehnte aus Wissenschaft meiniger, gründlicher. Ich hab lernen die Astronomie und Mathematigkeit und viel noch mehr.«

»Wie? Auch die Astronomie? Was versteht man darunter?«

»Das Einmaleins und Quadrat viereckiges.«

»Und unter Mathematik?«

»Die milchige Straße am Himmel und der Kommet, um den Mond laufte.«

»Wieder verwechselt. Die Mathematik handelt unter anderm auch vom Vierecke und die Astronomie von der Milchstraße.«

»So hab ich nur vertauschte Milch, himmlische, mit Einmaleins, auswendiges.«

»Sie scheinen immer zu vertauschen und zu verwechseln?«

»Das kann verzeihen wernte. Professor, zerstreuender, hat auch genommte Besen anstatt Regenschirm. Warum soll Gedächtnis meiniges sich mehr anstrengte als Aufmerksamte seinige? Kenntnisse, die ich habe, sind so viel und groß, daß Verwechselung, zufällige, einmal vorkommen kann.«

»Ja, diese Kenntnisse sind um so erstaunlicher, als ich annehmen möchte, daß Sie keine höhere Schule besucht haben.«

»Nein. Ich war nie der in Schule Gewesente. Ich hütete Schafe und Schweine, Vaterige, und hatte nicht Zeit gefinte, in Schule zu gehente. Aber ich hatte geschenkte bekommen eine Tafel, schieferige, und einen Stift, schieferigen, und zuweilen kam der Sohn, nachbariger, um mir zu zeigen, wie wird gelesen und geschreibt. Dann hab ich geborgt von allen Leuten Kalender, unbrauchbare, und habe studiumtierte fleißig weiter. Später bin ich wanderte aus liebe Heimat meiniger und habe besuchte Leihbibliothek überall, wohin ich kommte. Auch habe ich suchte Bekanntschaftlichkeit von Männern gescheite, um nach und nach zu bekommen Kenntnisse diejenigente, welche verleihen Bildung und alle Gelehrsamtekeitigen. Ich habe lernte sogar Mythologie und Pharmalogie!«

»Sie wollen sagen Pharmakologie. Was verstehen Sie darunter?«

»Pharmalogie ist Kenntnis von Jupiter und Proserpina, von Olymp und Donnergott.«

»Und Mythologie?«

»Mythologie ist Bewußtsein, gelehrtes, von Salben und Pflaster, von Silber, schwefelsaurem, und Rheumatismusketten, Geldbergerige, auch von Schweizerpillen, Richardt Brandtige, und Brechweintestein.«

»Das ist wieder eine Verwechselung. Die Mythologie oder Götterlehre ist es, welche uns über den Olymp und dessen Bewohner unterrichtet, und die Pharmakologie lehrt uns in streng wissenschaftlicher Weise die Arzneimittel kennen.«

»So habe ich nur vertauschte Jupiter mit Geist, salmiakigem, was ihm nicht gereichten wird zu Schaden, großartigem.«

»Darüber können Sie sich allerdings beruhigen. Zeus lebt schon längst nicht mehr. Aber wollen Sie sich Ihr halbes Löwenfell nicht auch so präparieren, wie der ‚Vater des Gelächters‘ es mit dem seinigen thut? Es ist das notwendig, wenn es nicht verderben soll.«

»Ja, ich werde Fell auch schabte ab von Fleisch und reibte ein mit Asche. Fell Ihriges ist auch schon in Arbeit.«

Diese letzteren Worte bezogen sich auf die Dschelabi, welche aus Dankbarkeit dafür, daß Schwarz sie von dem Löwen errettet hatte, die Haut desselben in der angegebenen Weise bearbeiteten, um sie für die eigentliche, spätere Präparation vorzubereiten.

Während dieser Arbeit sprachen sie von der Gefahr, in welcher sie sich befunden hatten, und von dem Mute der drei Männer, welche den Raubtieren so kühn entgegengetreten waren. Da gab es viel über die Person und die Eigenheiten des »Herrn mit dem dicken Kopfe« zu hören. Der Bewohner jener Länder umgibt kein Tier mit einem solchen Nimbus wie den Löwen.

»Glaubt doch nicht solche Dinge!« sagte der Ungar. »Der Löwe ist ein Tier wie jedes andre. Wenn er Hunger hat, so frißt er; dürstet ihn, so säuft er, und ist er satt, so schläft er. In ihm wohnt nicht die Seele eines verstorbenen Menschen. Er hat zwar sehr scharfe Sinne, aber was in stundenweiter Entfernung von ihm gesprochen wird, das kann er nicht hören. Und wenn er die Worte auch wirklich hörte, so könnte er sie doch nicht verstehen. Ich kenne das; ich muß das besser wissen als ihr, ich, der ich sogar Latein sprechen kann!«

Sie ließen sich aber nicht irre machen und fuhren fort, sich allerlei haarsträubende Geschichten zu erzählen, in denen natürlich der Löwe die Hauptrolle spielte. Schwarz hörte eifrig zu. Diese Geschichten waren, obgleich die Erzähler selbst an sie glaubten, nur Märchen, aber der Volkscharakter sprach sich in denselben aus. Dies hielt ihn jedoch nicht ab, seine Aufmerksamkeit zu gleicher Zeit auch auf die Homraraber zu richten, welche sich auch sehr eifrig, doch mit leiser Stimme unterhielten.

Er wußte, daß jeder Beduine ein geborener Räuber ist, ferner daß er durch sein kräftiges Auftreten gegen den Schech sich die Feindschaft dieser Leute zugezogen hatte, und konnte endlich den Gedanken an die Hedj nicht los werden, welche er hinter sich hatte fliegen sehen. Selbst der Schech hatte zugeben müssen, daß diese Vögel ein sichres Zeichen von der Anwesenheit einer Karawane seien. Wo befand sich nun dieselbe? Sie hätte schon längst hier an der Quelle eingetroffen sein müssen. Warum kam sie nicht heran, sondern hielt fern von derselben Rast? Etwa weil die zu ihr gehörigen Leute die »Quelle des Löwen« nicht kannten? Dies war nicht anzunehmen. Und selbst wenn es der Fall gewesen wäre, so hätten die Kamele sich geweigert, sich niederzulegen. Diese Tiere riechen das Wasser oder vielmehr die Feuchtigkeit, welche eine Quelle in der Luft verbreitet, aus stundenweiter Entfernung. Sie sind dann nicht anzuhalten und eilen im Galopp, welche Gangart ihnen sonst streng verboten ist, auf den Brunnen zu. Es war anzunehmen, daß die Männer, aus denen die Karawane bestand, ihre Tiere mit Anwendung von Gewalt zurückgehalten hatten. Und warum? Doch nur, weil sie nichts Gutes beabsichtigten. Der Schluß, daß diese Karawane eine Gum sei, lag sehr nahe.

Man unterscheidet nämlich mehrere Arten von Karawanen. Das Wort lautet eigentlich Karwahn oder Kerwahn und bedeutet einen Wanderzug im allgemeinen. Eine Pilgerkarawane im besondern, also ein Zug von Leuten, welche entweder in Mekka, Medina oder Jerusalem anbeten wollen, heißt Hadsch. Eine Handelskarawane wird Kaffila, und in gewissen Gegenden auch Dschelaba genannt, daher Dschelab, der Händler. Eine Karawane aber, deren Teilnehmer auf Raub ausgehen, heißt Gum. Raubzüge sind nichts Seltenes, und es kommt auch vor, daß eine Kaffila oder auch gar eine Hadsch sich gelegentlich in eine Gum verwandelt, um nach vollendetem Raube sich wieder in einen friedlichen Handels- oder Pilgerzug zu verwandeln.

Eine ganz besondere Art der Gum ist die Ghasuah, plural Ghasauaht, welche den besondern Zweck des Menschenraubes hat. Sie kommt nicht in der eigentlichen Wüste vor, sondern in den südlichen Grenzländern derselben, deren Bevölkerung aus Negern besteht, welche man raubt, um sie als Sklaven zu verkaufen. Werden diese Raubzüge zu Wasser unternommen, so heißen sie Bahara, d. i. Flußreisen. Diese letzteren kommen besonders am obern Nile vor, dessen beide Hauptarme sich in so viele Nebenarme verzweigen, daß besonders während des Charif und einige Zeit nach demselben die Gegend nur mittels Schiff bereist werden kann.

Also Schwarz hielt die Karawane, welche er in der Nähe vermuten mußte, für eine Gum. Es war also alle Veranlassung zur Vorsicht und Wachsamkeit vorhanden, zumal er allen Grund hatte, anzunehmen, daß die Homraraber sich mit den Räubern im Einverständnisse befanden. Es war zunächst nichts zu thun, als die Araber zu beobachten und die Dschelabi von der auch ihnen drohenden Gefahr zu benachrichtigen. Er that dies, indem er während einer Pause, welche in der Unterhaltung der Leute eingetreten war, den »Vater der elf Haare« fragte:

»Ihr seid durch das Land der Baggara gekommen. Waren diese Leute friedlich gesinnt?«

»Ja,« antwortete der Slowak. »Es gibt keinen Stamm, welcher uns Dschelabi feindlich behandelt. Man braucht uns ja überall, da wir allein es sind, welche den Leuten bringen, was sie brauchen. Darum sind wir überall willkommen und werden von jedem als Freunde behandelt.«

»Und doch habe ich gehört, daß auch Dschelabi angefallen und ausgeraubt worden sind.«

»Das sind sehr seltene Ausnahmen und geschieht nur von solchen Stämmen, mit denen man nicht verkehrt. Wir sind auch stets so vorsichtig, uns überall genau zu erkundigen, ob vielleicht eine Gum sich unterwegs befindet oder gar gesehen worden ist.«

»Nun, habt ihr vielleicht in letzter Zeit so etwas erfahren?«

»Nein. Die Baggara sind augenblicklich alle daheim, und mit den Schilluk, in deren Lande wir uns jetzt befinden, leben wir in Freundschaft.«

»Kommt ihr auch zu den Homrarabern?«

»Nein. Ihre Dörfer liegen uns zu weit entfernt.«

»So würdet ihr euch unter Umständen vor ihnen wohl nicht ganz sicher fühlen?«

»Wir würden ihnen, wenn es sich thun ließe, aus dem Wege gehen. Heute, da wir ihnen und dir begegneten, war dies nicht gut möglich. Sie sind allerdings nicht freundlich mit uns gewesen, aber wir haben nichts von ihnen zu befürchten.«

»Denkst du?«

»Ja. Wir stehen doch wohl unter deinem Schutze?«

»Gewiß. Aber wird dieser Schutz im gegebenen Falle sich bewähren?«

»Jedenfalls, da sie dich begleiten und also deine Freunde sind. Der Araber ist stets der Freund der Freunde seines Freundes.«

»Hast du denn nicht gesehen und gehört, daß sie sich nicht sehr freundlich zu mir benahmen?«

»Ich habe es bemerkt, aber das thut ja nichts. Sie haben dir ihr Wort gegeben, dich sicher nach Faschodah zu bringen, und müssen es halten.«

»Und dennoch traue ich ihnen nicht. Sie haben mir das Versprechen gegeben, mich und meine Sachen auf ihren Kamelen zu transportieren. Ich dagegen versprach ihnen, sie in Faschodah dafür zu bezahlen. Das ist alles.«

»Wie? So ist nicht ausdrücklich ausgemacht worden, daß sie dich unter Umständen sogar mit ihrem Leben zu beschützen haben?«

»Nein.«

»Du hast nicht die Formel ‚Dakilah ia Schech‘ mit ihnen gewechselt?«

»Nein. Ich wollte es, aber sie behaupteten, daß dies bei ihnen nicht gebräuchlich und übrigens auch gar nicht nötig sei.«

»Dann darfst du ihnen allerdings nicht trauen, und auch wir sind nicht sicher. Die Formel hätte sie gezwungen, nicht nur ehrlich gegen dich zu sein, sondern dich auch nötigenfalls gegen alle Feinde zu verteidigen. So aber haben sie keine Verpflichtung gegen dich, und nach ihren Regeln und Begriffen können sie dich ausrauben und töten, ohne die geringste Schuld auf sich zu laden. Daß sie dir die Formel verweigert haben, ist ein fast sicheres Zeichen, daß sie Böses beabsichtigen. Daß sie es noch nicht ausgeführt haben, darf dich nicht sicher machen, sondern muß dich vielmehr für heute zur doppelten Vorsicht auffordern. Heute ist der letzte Abend. Morgen würdest du Faschodah erreichen, wo sie dir nichts mehr anhaben können. Vielleicht ist meine Befürchtung ohne Grund; aber ich rate dir, anzunehmen, daß dir heute eine große Gefahr drohe, dir und also auch uns. Ich werde nicht schlafen und sofort meinen Elefantenmörder wieder laden, was ich unterließ, da ich nicht wußte, daß unsre Sicherheit bedroht ist.«

Er griff auch wirklich nach dem gewaltigen Katil elfil und nach dem Pulverhorne. Der »Vater des Gelächters« zeigte, daß er ganz der Ansicht seines Kollegen sei, denn er sagte:

»Meine Harbi ist leider am Bauche des Löwen zerbrochen, aber ich werde mich mit den Armen und Händen wehren. Diese Väter und Söhne des Raubes sollen weder mein Leben, noch meinen Esel, noch meine Waren bekommen. Ich erwürge sie einzeln, einen nach dem andern. Ich kenne die Homr. Sie haben die Worte des Koran auf den Lippen. Sie versäumen weder das Abrik noch die vorgeschriebenen Salawaht, aber sie sind Diebe, und der Verrat ist bei ihnen Gebrauch. Wenn man von einer Gum hört, so hat sie ganz gewiß aus lauter Arab el Homr bestanden. Allah verschließe ihnen den Himmel mit hundert Riegeln!«

»So ist es jedenfalls auch eine Gum der Homr, welche sich hier in der Nähe befindet.« bemerkte Schwarz.

»Was? Wie?« fragte der Slowak. »Eine Gum ist uns nahe?«

»Gewiß weiß ich es nicht, aber ich vermute es.«

Er teilte ihnen die Beobachtung mit, welche er gemacht hatte, und die Vermutung, die er infolgedessen hegte. Seine Worte brachten eine Aufregung hervor, die er nur durch den Hinweis auf die in der Nähe sitzenden Araber dämpfen konnte. Diese durften nicht ahnen, in welchem Verdachte man sie hatte. Darum beherrschten sich die Dschelabi und zeigten beim Fortlaufe des natürlich leise geführten Gespräches eine möglichst ruhige Haltung.

»Wenn das so ist, Herr, so bin ich freilich ganz deiner Meinung, daß die Leute, denen die Vögel folgten, zu einer Gum gehören,« sagte der Ungar. »Wir müssen uns auf einen Überfall gefaßt machen. Wäre es nicht am besten, deine Homr sofort niederzuschießen?«

»Nein. Noch haben wir keinen Beweis. Und selbst wenn wir denselben hätten, würde ich dagegen sein. Ich kann mich zur Tötung eines Menschen nur dann entschließen, wenn dies unumgänglich nötig ist.«

»So wollen wir uns augenblicklich aufmachen und diesen gefährlichen Ort verlassen!«

»Auch dazu kann ich nicht raten. Hier wissen wir genau, was unser wartet. Diese Felsen gewähren uns gute Deckung, ebenso die Büsche. Reiten wir aber fort, so ist es sicher, daß die Gum uns folgt und draußen auf der freien Ebene überfällt. Wir wissen nicht, wie stark sie ist. Wir sind neun Mann. Selbst wenn sie nicht zahlreicher wären und wir den Angriff siegreich abschlügen, würden wir den Sieg mit Toten oder wenigstens Verwundeten bezahlen. Auf alle Fälle steht zu erwarten, daß die Homr mit der Gum gemeinsame Sache machen, was die Angelegenheit verschlimmert. Hier haben wir sie vor uns und können sie im Auge behalten. Ich rate also, hier zu bleiben.«

»Aber wir wissen ja nicht, wenn uns die Kerls überfallen werden, und können doch nicht immer mit angelegtem Gewehr hier sitzen!«

»Das ist auch nicht nötig, wenn wir unsre Vorbereitungen treffen. Zunächst müssen wir das Feuer ausgehen lassen. Es blendet uns. Wer an einem Feuer sitzt, kann nur schwer sehen, was jenseits desselben in der Dunkelheit vorgeht. Wenn es hier finster ist, können auch die Homr nicht erkennen, was wir thun. Lassen wir sie glauben, daß wir uns jetzt zur Ruhe legen. Ist dann die Flamme erloschen, so verlassen wir die Feuerstätte und placieren uns an die Felswand. Dann stecken wir hinter den Kamelen und Gepäckstücken und sind außerdem von dem Gebüsch gedeckt. Inzwischen werde ich zu erfahren suchen, wo sich die Gum befindet.«

»Wie willst du das erfahren?«

»Indem ich nach ihr suche. Sie ist, wie wir, von Westen gekommen und wird also in dieser Richtung zu finden sein.«

»Aber du begibst dich dabei in eine sehr große Gefahr!«

»In gar keine!«

»O doch, Herr. Man wird dich sehen und ermorden.«

»Man wird mich nicht sehen. Ich gehe nicht aufrecht, sondern ich schleiche mich am Boden hin.«

»Man wird dich dennoch bemerken, da die helle Farbe deines Haïk dich verraten muß.«

»Ich lege ihn vorher ab. Die Farbe der Bantaluhn und Kutrahn, welche ich darunter trage, ist dunkler, gleich derjenigen des Erdbodens, von dem ich dann nicht leicht zu unterscheiden bin.«

»Man wird dich dennoch erkennen. Die Sterne scheinen hell, und welcher Mensch kann wie eine Schlange an der Erde hinkriechen!«

»Viele können es, und auch ich habe es lernen müssen. Als ich drüben in Jeni dünja war, befand ich mich lange Zeit bei berühmten Jägern, mit denen ich allezeit auf der Hut vor wilden Indianern sein mußte. Von einem von ihnen, welcher Old Shatterhand hieß, in arabischer Sprache Abu Jadd ed darb, habe ich gelernt, mich so an einen andern anzuschleichen, daß er es gar nicht bemerkt. Diesen Leuten habe ich es auch zu verdanken, daß wir heute den Löwen und seine Frau besiegten. Ich war bei ihnen, um Pflanzen und allerlei kleines Getier zu sammeln, und wurde von ihnen im Kampfe mit wilden Menschen unterrichtet. Ich bin überzeugt, daß ich die Homr finden und vielleicht sogar auch belauschen werde, ohne von ihnen gesehen und gehört zu werden.«

»Aber ihre Kamele werden deine Nähe riechen und dich verraten. Willst du dich wirklich in diese Gefahr begeben?«

»Ja.«

»So will ich dir ein Mittel geben, welches die Kamele abhalten wird, unruhig zu werden. Sie riechen es gern. Ich habe es unter den Spezereien, mit denen ich handle. Du mußt, sobald du in ihre Nähe kommst, einige Tropfen davon auf deine Kleidung fließen lassen. Es ist Milh ennuschahdir, welcher mit Gir und Moje zubereitet wird.«

Er ging zu seinem Esel, neben welchem das ihm gehörige Gepäck lag, und brachte ein kleines Fläschchen, das den Salmiakgeist enthielt. Schwarz steckte es zu sich.

Die Dschelabi hatten sich vor dem Löwen verkrochen. Ihn fürchteten sie, weil sie so abergläubische Vorstellungen von ihm hegten. Die Gum aber hatte sie nur vorübergehend erschreckt. Zwar hatten sie fliehen wollen; aber nun sie einsahen, daß es geraten sei, zu bleiben, waren sie zur Gegenwehr entschlossen. Sie hatten es mit Menschen, aber nicht mit einem gewaltigen Raubtiere zu thun, in welchem ihrer Meinung nach der Geist eines Verstorbenen steckte.

Sie legten sich nieder und breiteten ihre Decken über sich aus, um die Meinung zu erwecken, daß sie nun schlafen würden. In kurzer Zeit ging das Feuer aus, und diese Abteilung des Lagers war nun in nächtliches Dunkel gehüllt, während die Homr auf der andern Seite ihr Feuer sorgfältig weiter unterhielten, so daß man sehen konnte, was sie thaten.

Jetzt schlüpfte Schwarz aus seinem Haïk und entfernte sich leise, von den Homr ungesehen. Seine beiden Gewehre, welche ihm nur hinderlich sein konnten, ließ er zurück.

Die Homr befanden sich auf der Südseite. Er schlich sich auf der nördlichen, wo, wie bereits erwähnt, kein Buschwerk stand, um den Felsen. Dort blieb er zunächst stehen, um zu lauschen.

Der »Vater der vier Augen« konnte, so sehr er seine Augen und Ohren anstrengte, ein menschliches Wesen weder sehen noch hören. Darum ging er langsam weiter, sich gerade westlich haltend.

Der Boden war fein sandig; die Schritte des Deutschen verursachten kein Geräusch. Langsam und vorsichtig vorwärts schreitend, ging er weiter und weiter, doch ohne etwas zu bemerken. Schon waren vielleicht zehn Minuten vergangen, und er nahm an, daß er eine falsche Richtung eingeschlagen habe, obgleich er genau auf der Fährte ging, welche er mit seinen Begleitern gemacht hatte und auf der die Gum zu suchen war.

Da drang ein leises Klirren an sein Ohr, wie wenn zwei Waffen sich berührt hätten. Der Ton kam ganz genau aus der Richtung, welche er eingeschlagen hatte. Er verdoppelte seine Vorsicht und verlangsamte seine Schritte. – Schon nach kurzer Zeit tauchte es in unbestimmten Konturen wie graue Schatten vor ihm auf. Sie saßen auf der Erde und bewegten sich nicht. Zu gleicher Zeit wehte ihm die bekannte Ausdünstung von Kamelen entgegen. Er hatte die Gum vor sich, die zu derselben gehörigen Männer waren in die landesüblichen grauen Haïks gehüllt. Nun legte er sich nieder und kroch auf den Händen und Füßen weiter.

Da die Leute ihrer Aufmerksamkeit jedenfalls auf die Gegend gerichtet hatten, aus welcher er kam, so schlug er einen Bogen nach rechts, um sich von Norden her anzuschleichen. Seine Gestalt war trotz des hellen Sternenschimmers nicht von dem Boden zu unterscheiden. Da seine hellere Gesichtsfarbe vielleicht zur Verräterin werden konnte, so zog er sein dunkelrotes Taschentuch hervor und band es sich vor den untern Teil des Gesichtes, so daß er nur die Augen frei behielt. Den Fes, den er unter der Kapuze getragen hatte, zog er über die Stirn herein.

Als er näher kam, sah er die Kamele liegen, nicht eng beisammen, sondern einzeln. Nun konnte er die Personen zählen. Es waren ihrer zwölf. Sie saßen in einem kleinen Kreise, vor welchem zwei Kamele lagen.

Dieser Umstand war ihm sehr willkommen, da derselbe es ihm vielleicht ermöglichte, sich so weit hinanzuschleichen, daß er hören konnte, was gesprochen wurde.

Er schob sich sehr, sehr langsam vorwärts, fast Zoll um Zoll. Die Luft war leise bewegt; sie kam ihm entgegen. Das war die Ursache, daß die Tiere ihn noch nicht bemerkten. Nun war es an der Zeit, das Mittel des Dschelabi zu versuchen. Er öffnete das Fläschchen und besprengte sich mit dem Salmiakgeiste.

Es ist bekannt, daß die Ausdünstung des Kamels eine ammoniumartige ist und daß aus dem Miste und Urin dieses Tieres Salmiak gewonnen wird. Darum hielt Schwarz es für nicht ganz unmöglich, daß die Kamele eine Art von Vorliebe für den Geruch dieses Produktes besitzen. Er fand auch wirklich sofort Veranlassung, sich zu überzeugen, daß dies wirklich der Fall sei. Denn kaum hatte er das Fläschchen wieder eingesteckt, so wendeten beide Kamele die Köpfe nach ihm und öffneten die weit geschnittenen Nüstern, doch ohne ein Zeichen von Unruhe zu geben. Sie schienen den Geruch mit Behagen einzuziehen.

Dadurch beruhigt, kroch er näher. Schon war er so weit, daß die hohen Rücken der Tiere es den Arabern nicht mehr ermöglichten, ihn zu sehen. Er schob sich an das eine Kamel heran, schmiegte sich eng an dasselbe und begann, es mit der Hand zu krauen, wobei es einen leisen, behaglich grunzenden Laut hören ließ.

Die Gruppe der Männer war nicht mehr als drei Schritte von dem Tiere entfernt. Sie sprachen zwar nicht laut, aber doch so vernehmlich, daß er die meisten ihrer Worte verstehen und das übrige sich hinzudenken konnte.

Unter ihnen fiel ihm eine besonders lange und außerordentlich hagere Gestalt auf, welche die andern weit überragte. Der aufrecht sitzende Oberkörper dieses Mannes war fast vier Fuß hoch. Die Länge dieses Menschen mußte, wenn er stand, weit über drei Ellen betragen, eine große Seltenheit bei den Arabern. Er saß etwas zur Seite, als ob er dadurch einen Vorrang zum Ausdruck bringen wolle. Seine Stimme klang hohl und im Grabestone, als er jetzt sagte:

»Nein, wir brauchen uns nicht erst zu überzeugen. Wir haben die Spur gesehen. Es sind lauter Esel gewesen, acht an der Zahl. Und wer reist auf Eseln? Nur Dschelabi können es sein. Diese Krämer sind gewöhnlich feig. Wir haben sie nicht zu fürchten. Wollten wir einen von uns hinsenden, um nachzusehen, ob sie sich mit an dem Brunnen befinden, so könnte er durch irgend einen Zufall bemerkt werden, und wir wären verraten. Diese Dschelabi sind sicher dort, was uns nur lieb sein kann, da wir zu der übrigen Beute auch noch ihre Waren und Tiere bekommen.«

»Sollen wir die Krämer auch töten?« fragte einer.

»Ja.«

»Das könnte mir beinahe leid thun. Diese Leute sind nützliche Menschen und Anhänger des Propheten, während der Fremde ein Giaur ist, dessen Seele der Teufel fressen möge!«