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Die Sklavenkarawane
Die Sklavenkarawane
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Die Sklavenkarawane

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»Ist der Weg, den wir reiten, ein vielbesuchter Handelsweg?«

»Nein,« antwortete der Schech. »Wenn wir den Karawanenweg hätten einschlagen wollen, so hätten wir einen Bogen reiten müssen, auf welchem uns zwei Tage verloren gegangen wären.«

»Hier ist also keine Karawane zu erwarten?«

»Nein, weil es in der trockenen Jahreszeit auf dem Pfade, den wir ritten, kein Wasser gibt. Das unsrige ist auch bereits zur Neige gegangen. Die Schläuche sind leer.«

»Aber am Bir Aslan werden wir sicher welches finden?«

»Ganz gewiß, Effendi.«

»Hm! Sonderbar!«

Er machte dabei ein so bedenkliches Gesicht, daß der Schech ihn fragte:

»Woran denkst du, Herr? Gibt es etwas, was dir nicht gefällt?«

»Ja.«

»Was?«

»Du behauptest, daß wir uns auf keinem Karawanenwege befinden, und doch reiten hinter uns Leute.«

»Hinter uns? Unmöglich! Dann müßten wir sie ja sehen!«

»Das ist nicht notwendig.«

»Wie kannst du es dann für so gewiß behaupten?«

»Weil ich zwar nicht sie, aber doch ihre Spur sehe.«

»Effendi, du scherzest!« meinte der Schech in überlegenem Tone.

»O nein. Es ist im Gegenteil mein vollständiger Ernst.«

»Wie ist es einem Menschen möglich, die Spuren von Personen, die Darb und Ethar von Personen zu sehen, welche hinter ihm reiten!«

»Du denkst nur an die Spuren, welche durch die Füße der Menschen und die Hufe der Tiere dem Sande eingedrückt werden. Aber es gibt auch Spuren, welche sich in der Luft befinden.«

»In der Luft? Allah akbar – Gott ist groß; er kann alles, denn ihm ist alles möglich. Aber daß er es uns erlaubt hat, Spuren in der Luft zurückzulassen, davon habe ich noch nichts gehört.«

Er musterte den Fremden mit einem Blicke, als ob er ihn nicht für ganz zurechnungsfähig halte.

»Und doch ist es so. Die Spuren sind da. Man muß nur Augen für sie haben. Denk an den Hedj, welchen ich geschossen habe!«

»Was hat er mit den Darb und Ethar zu thun?«

»Sehr viel, denn er selbst konnte unter Umständen die Ethar von uns sein. Hast du ihn schon bemerkt, bevor ich ihn schoß?«

»Ja. Das Pärchen folgte uns seit dem Morgen. Und als wir am Steine ruhten, schwebte es immer über uns. Der Hedj hält sich, wenn er kein andres Futter findet, zu den Kamelen, um dann alles, was die Reiter während der Ruhe beim Essen fallen lassen, aufzuzehren. Auch lauert er auf die Vögel, auf die Madenhacker, welche den Karawanen folgen, um den Tieren das Ungeziefer abzulesen.«

»Also du gibst zu, daß an der Stelle, über welcher der Hedj schwebt, sich eine Karawane befindet?«

»Ja.«

»Nun, da hinter uns fliegt ein zweites Paar, zu welchem sich jetzt unser verwitwetes Weibchen gesellt hat. Siehst du sie?«

Der Schech blickte rückwärts. Seinen scharfen, wohlgeübten Augen konnten die Vögel nicht entgehen.

»Ja, ich sehe sie,« antwortete er.

»Dort muß eine Karawane sein?«

»Wahrscheinlich .«

»Und doch befinden wir uns auf keinem Wege. Das hast du selbst gesagt. Die hinter uns reitenden Leute folgen unsren Spuren .«

»Sie werden den Weg nicht kennen und sich also an unsre Fährte halten.«

»Eine Karawane hat stets einen Schech el Dschemali und auch noch andre Männer bei sich, welche den Weg genau kennen.«

»Aber der beste Khabir kann sich einmal verirren!«

»In der großen Sahara, ja, aber nicht hier in dieser Gegend, südlich von Dar Fur, wo von einer wirklichen Wüste streng genommen gar nicht die Rede sein kann. Der Schech der Karawane, welcher hinter uns kommt, kennt die Gegend ebenso gut wie du; er muß sie kennen. Wenn er trotzdem vom Karawanenwege abgewichen ist, um uns zu folgen, so hat er es auf uns abgesehen.«

»Auf uns abgesehen! Effendi, welch ein Gedanke! Du denkst doch nicht etwa, daß diese Leute zu einer . . .«

Er sprach das Wort nicht aus. Er hatte Mühe, seine Verlegenheit zu verbergen.

»Daß sie zu einer Gum gehören, wolltest du wohl sagen?« fuhr der Fremde fort. »Ja, das ist meine Meinung.«

»Allah kerihm – Gott ist gnädig! Welch ein Gedanke, Effendi! Hier in dieser Gegend gibt es keine Gum. Die ist nur im Norden von Dar Fur zu suchen.«

»Pah! Ich traue diesen Leuten nicht! Warum folgen sie uns?«

»Sie folgen uns, aber verfolgen wollen sie uns nicht. Können sie nicht denselben Zweck haben wie wir?«

»Den Weg abzukürzen? Das ist freilich möglich.«

»Das ist nicht nur möglich, sondern es wird wirklich sein. Mein Herz ist ferne davon, Befürchtungen zu hegen. Ich kenne diese Gegend und weiß, daß man in derselben so sicher ist wie im Schoße des Propheten, den Allah segnen wolle.«

Der Fremde warf ihm einen forschenden Blick zu, welcher dem Schech nicht gefallen wollte, denn er fragte:

»Warum blickst du mich an?«

»Ich sah dir in die Augen, um in deiner Seele zu lesen.«

»Und was findest du darin? Doch die Wahrheit?«

»Nein.«

»Allah! Was denn? Etwa die Lüge?«

»Ja.«

Da griff der Schech nach dem Messer, welches in seinem Gürtel steckte, und rief:

»Weißt du, daß du soeben eine Beleidigung ausgesprochen hast? So etwas darf ein braver und tapferer Ben Arab nicht dulden!«

Das Gesicht des Fremden hatte plötzlich einen ganz andern Ausdruck bekommen. Es schien, als ob die Züge schärfer, gespannter geworden seien. Es glitt ein stolzes Lächeln über sein männlich schönes Gesicht, und er sagte in fast wegwerfendem Tone:

»Laß das Messer stecken! Du kennst mich nicht. Ich vertrage es nicht, wenn ein andrer mit der Hand am Messer von Beleidigung spricht. Läßt du die Klinge sehen, so erschieße ich euch binnen einer Minute!«

Der Schech nahm die Hand vom Gürtel. Er war ebenso zornig wie verlegen und antwortete:

»Soll ich es mir gefallen lassen, daß du mich der Lüge zeihst?«

»Ja, denn ich habe wahr gesprochen. Erst machte mich die uns folgende Karawane besorgt, jetzt aber traue ich auch dir nicht mehr.«

»Warum ?«

»Weil du die Gum, wenn es eine ist, gegen mich verteidigst und dir Mühe gibst, mich in Sicherheit zu lullen.«

»Allah yak fedak – Gott schütze dich, Effendi, denn deine Gedanken gehen irr. Was gehen mich die Leute an, welche hinter uns kommen!«

»Sehr viel, wie es scheint, sonst hättest du es nicht unternommen, das Mißtrauen, welches ich gegen sie hege, durch eine Unwahrheit zu zerstreuen.«

»Aber ich sage dir, daß ich mir keiner Lüge bewußt bin!«

»Nicht? Behauptetest du nicht, diese Gegend sei so sicher wie der Schoß des Propheten?«

»Ja, und so ist es auch.«

»Das sagst du, weil du weißt, daß ich ein Fremder bin. Du bist der Überzeugung, daß ich die Verhältnisse des Landes nicht kenne. Ja, die Reitpfade desselben sind mir unbekannt, obwohl ich sie mit Hilfe meiner Karten wahrscheinlich ohne deine Hilfe auch finden würde, aber das übrige kenne ich jedenfalls besser als du. In meiner Heimat gibt es Bücher und Bilder über alle Länder und Völker der Welt. Durch diese lernt man die Völker zuweilen besser kennen als diejenigen, welche zu ihnen gehören. So weiß ich auch ganz genau, daß man hier keineswegs so sicher ist wie im Schoße des Propheten. Hier ist viel, viel Blut geflossen. Hier, wo wir uns befinden, haben die Nuehr-, Schilluk- und Denkavölker miteinander gestritten. Hier sind die Dschur und Luoh, die Tuitsch, die Bahr, Eliab und Kiëtsch, die Abgalang, die Agehr, Abugo und Dongiol aufeinander getroffen, um sich zu ermorden, zu zerfleischen und auch gar wohl – aufzufressen.«

Der Schech war ganz steif vor Erstaunen.

»Effendi,« rief er von seinem Kamele herüber, »das weißt du; diese Völker kennst du, sie alle!«

»Ja, genauer jedenfalls als du! Und ich weiß auch noch mehr. Ich weiß, daß gerade da, wo wir jetzt reiten, zu nächtlicher Zeit sich die entsetzliche Ghasuah vorüberschleppt, um dem Pascha zu entgehen, welcher in Faschodah ein Auge auf die Sklavenjäger hat. Da ist mancher arme Schwarze ermattet niedergesunken und durch einen Hieb, eine Kugel für immer stumm gemacht worden. Unten am Mokren el Bohur werden die Ärmsten aus den Schiffen geladen und quer über das Land geschafft, um oberhalb Faschodahs wieder eingeladen und vor Chartum verkauft zu werden. Da hat mancher seinen letzten Seufzer ausgehaucht; mancher hat hier den Todesschrei in die finstere Nacht hinausschallen lassen. Und das nennst du eine Gegend, welche man mit dem Schoße des Propheten vergleichen kann? Ist es möglich, eine größere Lüge auszusprechen?«

Der Schech blickte finster vor sich nieder. Er fühlte sich geschlagen und durfte es doch nicht eingestehen. Darum antwortete er nach einigen Augenblicken:

»An die Ghasuah dachte ich nicht, Effendi. Ich dachte nur an dich und daran, daß du hier sicher bist. Du befindest dich in unserm Schutze, und ich möchte den sehen, welcher es wagen wollte, ein Haar auf deinem Haupte zu krümmen!«

»Ereifere dich nicht! Ich sehe klar und weiß genau, was ich zu denken habe. Sprich nicht von Schutz! Ich habe euch gemietet, damit ihr meine Sachen auf euern Kamelen nach Faschodah bringen möchtet; auf euern Schutz aber habe ich nicht gerechnet. Ihr selbst bedürft vielleicht des Schutzes mehr als ich.«

»Wir?«

»Ja. Hast du vielleicht die Schillukneger gezählt, welche die Leute deines Stammes hier raubten und als Sklaven nach Dar Fur brachten? Besteht etwa nicht deshalb ein unersättlicher Haß, ja eine Blutrache zwischen euch und ihnen? Befinden wir uns jetzt nicht auf dem Gebiete der Schilluk, welche, wenn sie euch sähen, sofort über euch herfallen würden? Warum habt ihr den Karawanenweg verlassen und mich durch einsame Gegenden gebracht? Um den Weg abzukürzen, wie du vorhin sagtest? Nein, sondern um nicht auf die Schilluk zu treffen. Vielleicht gibt es auch noch einen andern Grund.«

»Welchen?« fragte der Schech, der sich durchschaut sah, ziemlich kleinlaut.

»Den, mich hier umzubringen.«

»Allah, Wallah, Tallah! Welche Gedanken werden in deiner Seele laut!«

»Du selbst bist schuld daran. Denke an die Karawane, welche uns folgt! Es ist vielleicht die Gum, welche mich überfallen soll. Es gelüstet euch nach meiner Habe, welche ihr nicht erhalten könnt, so lange ich lebe. Auf euerm Gebiete könnt ihr mich nicht töten, der Verantwortung wegen, die euch sicherlich nicht erspart bleiben würde. Darum führt ihr mich durch unwegsame Gegenden nach dem einsamen Bir Aslan, wo die That geschehen soll, ohne daß ein Zeuge die Mörder verraten kann. Findet man dann meine Leiche, so geschah der Mord auf dem Gebiete der Schilluk und wird diesen zur Last gelegt. Auf diese Weise habt ihr dann zwei Vorteile zugleich erreicht, nämlich meine Habe und die Rache an den Schilluk.«

Er hatte das in einem so gleichmütigen, ja sogar freundlichen Tone gesagt, als ob es sich um etwas ganz Alltägliches und Angenehmes handle. Seine Worte machten einen ungeheuren Eindruck auf die Araber. Nach ihren Waffen zu greifen wagten sie nicht. Was waren ihre langen Feuersteinflinten gegen seine Waffen! In dieser Beziehung war er, der einzelne, ihnen überlegen. Aber sie mußten doch etwas thun, um sich den Anschein zu geben, als ob sie sich durch seine Anklage ganz unschuldig beleidigt fühlten. Darum hielten sie ihre Kamele an und erklärten, daß sie keinen Schritt weiterreiten, sondern die Lasten abladen und heimkehren würden.

Der Fremde lachte laut auf.

»Das werdet ihr nicht thun,« meinte er. »Wie wollt ihr ohne Wasser zurückkehren? Ihr müßt unbedingt nach dem Brunnen des Löwen. Übrigens habe ich euch mit Absicht nicht vorher bezahlt. Ihr sollt erst in Faschodah euer Geld erhalten, und wenn ihr mich nicht bis dorthin bringt, so bekommt ihr keinen einzigen Piaster. Was meinen Verdacht betrifft, so habe ich denselben ehrlich ausgesprochen, um euch zu beweisen, daß ich euch nicht fürchte. Ich habe es mit weit schlimmeren Gesellen zu thun gehabt, als ihr seid, und es ist euch gar nichts als der kleine Fehler vorzuwerfen, daß ihr mich nicht kennt. Ist meine Vermutung falsch, so bitte ich euch um Verzeihung. Aus Erkenntlichkeit werde ich in Faschodah ein Rind schlachten lassen und es unter euch allein verteilen. Und zu der Bezahlung, welche wir für eure Dienste festgesetzt haben, werde ich ein Bakschisch fügen, welches ihr zum Schmucke eurer Frauen und Töchter verwenden könnt.«

Das war eine nach hiesigen Verhältnissen sehr gute Aussicht, welche er ihnen eröffnete; aber ihr Groll wurde durch dieselbe keineswegs beseitigt, obgleich sie sich den Anschein gaben, als ob sie sein Versprechen mit ihm versöhnt habe. Sie wußten ja genau, daß er den kommenden Morgen nicht erleben werde. Um ihn sicher zu machen, erklärten sie, ihn weiterbegleiten zu wollen, wenn er seinen Verdacht fallen lasse und sein Versprechen zu halten beabsichtige. Er war damit einverstanden, bewies aber schon im nächsten Augenblicke, daß sein Mißtrauen noch fortbestehe, denn er ritt von jetzt an als letzter in der Reihe, während er sich bisher mit dem Schech stets an der Spitze befunden hatte.

Sie thaten, als ob sie das nicht beachteten, aber einige Zeit, nachdem der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, that der Schech so, als ob er dem jetzt an seiner Seite reitenden Homr die Gegend erkläre; er deutete mit dem erhobenen Arme bald nach vorn, bald nach rechts oder links, sagte aber dabei in verbissenem Tone:

»Dieser Hund ist weit klüger, als es den Anschein hatte. Er kennt dieses ganze Land, alle Bewohner desselben und auch alle Ereignisse, welche hier geschehen sind.«

»Und hat alles, was wir beabsichtigen, ganz genau erraten,« fügte der andre hinzu. »Möge der Schetan ihn beim Schopfe nehmen!«

»Am liebsten möchte ich das thun!«

»Wer verwehrt es dir?«

»Seine Waffen.«

»Kann nicht einer von uns zurückbleiben und ihm von hinten eine Kugel in das Herz jagen?«

»Versuche es! Das Beste wäre es. Wir brauchten nicht bis früh zu warten und hätten die Beute nicht mit Abu el Mot zu teilen. Seine Leiche ließen wir liegen, ritten nach dem Brunnen, füllten unsere Schläuche und kehrten während der Nacht zurück. Morgen wären wir schon weit von hier, und kein Mensch wüßte, wessen Kugel den Hund getroffen hat.«

»Soll ich ihn erschießen?«

»Ich wollte nicht, daß er von uns getötet werde; nun er uns aber das Gesicht in solcher Weise schamrot gemacht hat, mag er von deiner Kugel sterben.«

»Was erhalte ich dafür?«

»Die goldene Kette an seiner Uhr.«

»Natürlich außer dem Beuteanteil, welcher überhaupt auf mich kommt?«

»Natürlich.«

»So mag es geschehen. Ich drücke das Gewehr so nahe hinter ihm ab, daß ihm die Kugel zur Brust herauskommt.«

Er hielt sein Kamel an und stieg ab; dann schnallte er an dem Sattelgurte herum, als ob derselbe sich gelockert habe. Die andern ritten an ihm vorüber. Der Fremde aber hielt bei ihm an und sagte in freundlich mahnendem Tone: