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Die Sklavenkarawane
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Die Sklavenkarawane

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»Unsinn!« entgegnete der Deutsche. »Ehe du fertig bist, ist die Löwin da. Bringt euch in Sicherheit! Abu Dihk ist auch wehrlos, da sein Spieß zerbrochen ist. Macht euch fort!«

»Aber meine Kugel wiegt ein ganzes Viertelpfund, während die deinige —«

»Fort, fort!« unterbrach ihn Schwarz. »Sonst bist du verloren!«

Er war mit dem Laden fertig und kniete wieder an derselben Stelle nieder, an welcher er sich vorher befunden hatte. Er sah sich nicht nach den beiden um und bemerkte also nicht, daß sich nur der »Vater des Gelächters« zurückzog. Uszkar Istvan, zu deutsch Stephan Pudel, aber blieb. Er drängte sich zwei Schritte weit in das Gestrüpp hinein und lud dort sein Gewehr, was freilich nicht in einigen Augenblicken abgemacht werden konnte. Die Munition hatte er endlich im Gürtel gefunden, wohin sie vorhin, als er sich zum Kampfe rüstete, von ihm gesteckt worden war.

Die Stimme der Löwin ertönte jetzt ganz nahe. Das ergrimmte Tier blieb auf der Fährte des Löwen, wendete sich also erst nach der Seite, auf welcher das Feuer brannte und kam erst dann nach der andern herüber. Dadurch gewann der Slowak Zeit, mit seiner Donnerbüchse fertig zu werden.

Man hörte jeden Satz, den die Löwin machte, nicht etwa aus dem Geräusche, welches ihre Pranken auf der Erde hervorbrachten, sondern aus den einzelnen Accenten ihrer Stimme. Sie bog um das Gestrüpp; jetzt erschien sie an der Ecke desselben. Gewiß wäre sie in ihrer blinden Wut weiter- und an Schwarz vorübergesprungen, wenn dieser nicht, um sie auf sich aufmerksam zu machen, sich hoch aufgerichtet hätte. Sie sah ihn, flog, da sie nicht sofort anzuhalten vermochte, zur Seite gegen den Felsen und duckte sich dort nieder, um den Sprung abzumessen.

Er kniete augenblicklich wieder nieder und richtete den Lauf auf sie. Am Felsen war es dunkler; ihre Gestalt war selbst in den Umrissen nur schwer zu erkennen. Die Löwin war vom Zorne aufgeregt, also mußte Schwarz annehmen, daß ihr Sprung nicht in der vorhin bei dem Löwen beschriebenen Weise, sondern viel schneller, hastiger erfolgen werde. Es war nicht anzunehmen, daß sie die Augen langsam öffnen werde.

Diese Voraussetzung war sehr richtig, denn kaum hatte sie sich niedergeduckt, so glühten ihre Augen wie grüngelb schillernde Kugeln auf. Es war ein einziger Moment; im nächsten sprang sie gewiß. Schwarz mußte abdrücken, ohne mit der nötigen Genauigkeit visieren zu können. Sein Schuß blitzte auf – zu gleicher Zeit flog die Löwin unter wütendem Gebrüll durch die Luft auf ihn zu. Sein zweiter Schuß krachte; dann ließ er das Gewehr fallen und warf sich – nicht wie vorhin zur Seite, sondern ganz richtig berechnend, vorwärts, so daß er mit eng an den Leib gezogenen Armen und Beinen sich zweimal überkugelte und wohl fünf Ellen von seinem Platze entfernt zu liegen kam. Dort sprang er augenblicklich wieder auf, riß das Messer heraus und wendete sich nach dem Tiere um.

Hätte er nicht die Arme und Beine an sich gezogen sondern in mehr erhobener Stellung seinen Platz verlassen, so wäre er von der Löwin erfaßt worden. So aber befand er sich jetzt unbeschädigt hinter ihr. Sie mußte das wissen; sie mußte sich jetzt nach ihm umwenden – so dachte er; aber sie that es nicht. Ihr Auge war auf den vor ihr liegenden Löwen gefallen, ein kurzer Sprung, sie stand vor ihm, stieß ihn mit der Schnauze an, einmal, zweimal, drei-, viermal; dann hob sie den Kopf und stieß ein Geheul aus, ein langgezogenes, wahrhaft haarsträubendes Geheul, welches – – – durch einen Schuß unterbrochen wurde: Der »Vater der elf Haare« war behend aus dem Gestrüpp getreten und hatte, die Mündung seines Elefantenmörders ganz nahe an ihren Kopf haltend, ihr die »ein ganzes Viertelpfund« wiegende Kugel gegeben.

Wie von einem kräftigen Stoße getroffen, flog die Löwin zur Seite, fiel zur Erde, raffte sich wieder auf und wendete den Kopf gegen den neuen Feind. Dieser hatte sein schweres Gewehr schnell umgekehrt und arbeitete, es beim Laufe haltend, nun mit dem eisenbeschlagenen Kolben auf den Schädel des Tieres los, indem er dabei schrie:

»Allah rhinalek, Allah iharkilik, ia afrid el afrid! Ehsch khalak, ia kelb, ia kelbe, ia omm el kilab – Gott verfluche dich, Gott verbrenne dich, du Teufel aller Teufel! Wie befindest du dich, du Hund, du Hündin, du Mutter der Hunde?«

Er schien zu glauben, eine Hyäne und nicht eine Löwin vor sich zu haben. Seine Verwegenheit wäre ihm wohl schlecht bekommen, wenn ihm die Kugel nicht vorgearbeitet hätte. Das Tier war auf den Tod getroffen; es hatte keine Kraft mehr zur Gegenwehr und brach unter seinen Schlägen zusammen.

»Da liegt sie!« rief er triumphierend aus. »Hier zu meinen Füßen liegt sie. Ich habe sie erschlagen wie eine Katze. Sie hat nicht den Mut gehabt, mir ihre Zähne und Krallen zu zeigen. Komm her und schau sie an!«

Er beugte sich zu ihr nieder, um sie anzufassen, doch Schwarz zog ihn zurück und sagte:

»Sei vorsichtig! So ein Tier hat ein zähes Leben, und noch wissen wir nicht, ob sie wirklich tot ist. Wir wollen sicher gehen.«

Er lud sein Gewehr und gab dem Löwen und der Löwin noch je eine Kugel vor die Stirn. Die letztere zuckte noch einmal zusammen; sie war also doch noch nicht ganz tot gewesen.

Die beiden hatten laut gesprochen, waren also von den andern gehört worden. Jetzt fragte Abu Dihk, indem er sich langsam näherte:

»Habt ihr gesiegt? Darf man kommen?«

»Ja,« antwortete der Slowak. »Wir haben gesiegt. Ihr könnt kommen, unsre Heldenthat zu preisen, denn der Würger der Herden ist hinübergegangen in das Land des Todes und seine Frau mit ihm. Sie sind durchbohrt worden von den Kugeln und niedergeschlagen von dem Kolben meines glorreichen Katil elfil, dem niemand widerstehen kann.«

Abu Dihk kam herbei und ergriff erst den Löwen, dann die Löwin bei den Pranken, um sie hin und her zu zerren und sich von ihrem Tode zu überzeugen.

»Sieh, wie sie es sich gefallen lassen!« sagte der kleine Stephan stolz, indem er sich seine »elf« Barthaare strich. »Nachdem wir mit diesen Löwen durch unsre Kugeln gesprochen haben, kannst du mit ihnen wie mit jungen Katzen spielen.«

»Hadschi Ali hat auch mitgesprochen,« erinnerte ihn Schwarz. »Der Tapfere hat bei uns gekniet und den Löwen mit dem Spieße empfangen. Wir werden bald erfahren, wer von uns dreien ihm und ihr den Tod gebracht hat, demjenigen, der ein Tier erlegt, gehört das Fell. Jetzt holt einen Brand herbei, damit wir das Feuer wieder anbrennen.«

Obgleich die Araber und Dschelabi jedes Wort hörten, getrauten sie sich doch noch nicht herbei. Als die beiden Kleinen zu ihnen kamen, um Brände zu holen, krochen die Zaghaften hinter den Gepäckstücken hervor, und der Schech fragte:

»Ihr lebt? Ihr seid nicht von dem Herrn mit dem dicken Kopfe verschlungen worden und auch nicht von seiner Frau?«

»Das fragst du noch!« antwortete Stephan. »Ich lasse mich weder von einem Herrn noch von einer Frau verschlingen. Merke dir das! Und selbst wenn der leibhafte Schetan käme, um mich zu fressen, so fragt es sich sehr, wer in dem Magen verschwände, er in dem meinigen oder ich in dem seinigen. Kommt und seht euch das glorreiche Werk an, welches wir vollbracht haben, ohne daß der Herdenwürger und seine Goze el assad es gewagt haben, uns ein Haar zu krümmen!«

Sie folgten dieser Aufforderung, aber nicht allzu eilig. Als sie sich so weit genähert hatten, daß sie die Körper der erlegten Raubtiere liegen sahen, blieben sie stehen. Erst als das Feuer wieder brannte und sie sahen, daß die Tiere von den drei glücklichen Jägern hin und her gewendet wurden, gingen sie ganz heran.

Nun endlich, da sie vollständig überzeugt sein mußten, daß nicht die geringste Gefahr mehr vorhanden sei, wich ihre Furcht. Sie bildeten einen Kreis um die beiden Tiere, und der Schech erhob, die andern zum Schweigen auffordernd, seine Arme.

»Allah il Allah we Muhammed rassuhl Allah!« sagte er in pathetischem Tone. »Er hat Himmel und Erde geschaffen, die Pflanzen und die Tiere und zuletzt den Menschen. Und als alles geschaffen war, schuf er noch den Moslem, damit er Herr über alles Erschaffene sei. Ihm sind selbst die gewaltigsten Tiere unterthan, und wenn sie ihm nicht gehorchen, so tötet er sie mit starker Hand. Dieser Mörder der Pferde, Kamele, Rinder und Schafe, welcher hier vor uns liegt, hatte Hunger. Anstatt sich mit dem Fleische eines unreinen Halluff oder Wawi zu begnügen, hatte er die Verwegenheit, uns, die Lieblinge des Propheten, welcher das Paradies regiert, fressen zu wollen. Er hatte sein Weib mitgebracht, welches nicht einmal seine rechtmäßige Frau ist, denn als er sie nahm, hat kein Kadi sich unterschrieben. Sie lechzten nach unserm Blute. Sie freuten sich auf unser Fleisch und auf den Wohlgeschmack unsrer Knochen. Sie wollten uns verzehren ohne Chall und Zet, ohne Zibd und Bahahr, ganz so, wie der Racham eine gefallene Dibb verschlingt. Aber Allah war in unsrer Nähe. Wir beteten die heilige Fathha und die Sure Jesin, deren Worte den Gläubigen in der Gefahr beschützen. Da kam der Mut der Helden und die Kraft des Sieges über uns. Wir griffen zu den Waffen und sandten den menschenfressenden Teufel und seine Teufelin in die Hölle, wo sie nun am ewigen Feuer braten und kein Mensch sie essen mag. Wir triumphieren, und unsre Kindeskinder nebst deren Enkel und Urenkel werden uns preisen. In allen Städten und Dörfern wird man von uns erzählen, und die Musikadschi werden dazu die Pauken schlagen und auf allen Saiten spielen. Wir aber wollen jetzt unsern Sieg genießen und den Erschlagenen die Felle abziehen. Vorher jedoch müssen wir ihnen zeigen, wie sehr wir sie verachten, und daß sie Schmutz und Würmer sind gegen uns, die starken Helden, welche niemals Furcht gekannt haben!«

Er trat erst zum Löwen und dann zur Löwin, um beide anzuspucken. Kaum hatte er dieses Zeichen gegeben, so folgten die Homr und Dschelabi seinem Beispiele. Die Tiere wurden mit Fäusten geschlagen, mit den Füßen getreten und mit allen möglichen Schimpfworten, welche Verachtung bezeichnen, bedacht.

Dies dauerte wohl eine Viertelstunde lang, wobei die Leute sich wie verrückt gebärdeten. Dann zog der Schech sein Messer und sagte:

»Jetzt haben sie gefühlt und auch gehört, wie verächtlich sie uns sind. Nun wollen wir ihnen die Kleider nehmen, um uns mit denselben zu schmücken. Dem Sieger gehört das Fell des Besiegten. Wenn wir dann heimkehren zu den Zelten der Homr, werden die Männer uns beneiden und die Frauen uns mit Lobgesängen empfangen.«

Die andern Araber zogen auch ihre Messer.

»Halt!« gebot Schwarz. »Wir werden diesen Tieren die Felle allerdings nicht lassen; aber wer soll sie bekommen?«

»Die Sieger!« antwortete der Schech.

»Und wer ist das?«

»Wir alle sind es.«

»Ah, so! So sollen die Felle in vierzehn Stücke zerschnitten werden?«

»Nein, denn was wären sie dann wert? Aber du weißt, daß ich der Schech bin!«

»Das weiß ich, doch was hat dieser Umstand mit den Fellen zu thun?«

»Der Schech hat sie zu bekommen.«

»Das ist bei euch Sitte?«

»Ja.«

»Und vorhin sagtest du, daß das Fell des Besiegten dem Sieger gehöre?«

»Ja. Wenn aber mehrere Sieger vorhanden sind, so bekommt es der vornehmste. Der bin ich, und die Felle dürfen ja nicht zerschnitten werden.«

»Sonderbar! Du bist also auch ein Sieger?«

»Natürlich! Oder war ich etwa nicht auch zugegen?«

»Und sogar der vornehmste der Sieger bist du?«

»Ja, denn ich bin Schech.«

»Da irrst du dich außerordentlich, du weißt doch, was ich bin?«

»Ja, ein Effendi.«

Er sagte das in ziemlich wegwerfendem Tone.

»Der Effendi gibt es sehr verschiedene,« erklärte Schwarz. »Es stehen Hunderte von Effendis unter mir, deren niedrigster weit mehr ist und weit mehr weiß, als du weißt und bist. Der vornehmste der Sieger bin also ich! Und übrigens hast du nicht das geringste Recht, dich Sieger zu nennen. Von deinem Mute und deinen Thaten wird niemand singen und erzählen. Du schimpfest diese Tiere, aber was ist dein Mut gewesen, verglichen mit dem ihrigen! Als du ihre Stimme hörtest, wolltest du fliehen.«

»Das war Scherz. Ich bin doch geblieben.«

»Ja, als ich dir sagte, daß die Flucht gefährlich werden könne, und weil du hörtest, daß ich mit dem Löwen kämpfen wolle. Als dann der Herr mit dem dicken Kopfe kam, hast du dich mit den Deinigen verkrochen, und selbst dann, als die Tiere tot waren, hast du dich erst dann in ihre Nähe gewagt, als das Feuer wieder brannte und du dich überzeugt hattest, daß die Gefahr vorüber sei.«

»Effendi, willst du mich beleidigen?«

»Nein; ich will dich nur vor Überhebung warnen und vor unrechtlichen Eingriffen in das Eigentum andrer. Es sind nur drei, denen diese Löwen gehören, die drei, welche gekämpft haben, nämlich ich, Hadschi Ali und Ibn el dschidri. Kein andrer hat etwas mit den Trophäen zu schaffen.«

»Das dürfen wir andern nicht zugeben. Magst du ein Effendi aller Effendis sein, du bist doch nur ein Giaur, der kein Recht unter uns besitzt. Wir sind Moslemim und nehmen die Felle. Und weigerst du dich, so – – —«

Er hielt inne.

»So – – – nun, was wird dann?«

»So werden wir dich zwingen!« antwortete der Schech in drohendem Tone, indem er eine Bewegung mit der Hand machte, in welcher er das Messer noch hielt.

Da trat Schwarz nahe an ihn heran, legte ihm die Hand auf die Achsel und sagte:

»Ihr habt euch vor dem Löwen versteckt, und wir haben ihn besiegt. Meinst du wirklich, daß wir uns vor euch fürchten, die Angst vor dem hatten, den wir erlegten? Wenn ihr nicht augenblicklich die Messer einsteckt, so schieße ich euch sofort nieder!«

Er zog einen Revolver hervor, und in demselben Momente verschwanden alle Messer.

»Und noch etwas will ich dir sagen,« fuhr er fort, »du hältst deine Religion für die richtige und ich die meinige. Jeder hat das Recht und sogar die Pflicht, dies zu thun; darum versuche ich es nicht, deine Meinung zu bekämpfen, am allerwenigsten aber werde ich dich ob derselben schmähen. Dasselbe kann und muß ich auch von dir verlangen. Nennst du mich noch einmal einen Giaur, so beantworte ich diese Beleidigung damit, daß ich dir meine Kamelpeitsche über das Gesicht ziehe und du die Narbe dann zeitlebens zu deiner Schande zu tragen hast! Verlasse dich darauf; ich halte mein Wort!«

Einem Beduinen Schläge anzubieten, ist die denkbar größte Beleidigung. Der Schech fuhr zurück; seine Leute murrten.

»Effendi,« rief er. »Weißt du, was du sagst?«

»Ja, ich weiß es, und was ich sage, das thue ich auch. Du nanntest mich Giaur, und ich drohte dir dafür mit der Peitsche. Wir sind also quitt. Sorge nun dafür, daß die Rechnung nicht wieder von neuem beginnt, und wage es nicht, diese Löwen, an denen du keinen Anteil hast, wieder anzurühren! Wir werden sie hinüber zu unsern Feuern schaffen; ihr mögt hier bei dem eurigen bleiben, wie es vorher gewesen ist, ehe euch die Angst von demselben verscheuchte.«

Mußte schon die hohe, breite Figur des Deutschen den schmächtigen Arabern imponieren, so gab sein Auftreten ihnen überdies zu erkennen, daß er ihnen nicht nur körperlich überlegen sei. Keiner von ihnen wagte, noch ein Wort zu sagen. Sie zogen sich zurück, bis der Platz am Feuer frei war; dann setzten sie sich an dasselbe nieder. Was sie dort leise sprachen, hörten die andern nicht; aber die Blicke, welche sie nach dem zweiten Lagerplatze warfen, ließen vermuten, daß sie über kein freundliches Thema verhandelten.

Die acht Dschelabi, welche sich zu Schwarz hielten, mußten alle ihre Kräfte anstrengen, die beiden Löwen die kurze Strecke hinüberzuschleifen. Dort wurden den Tieren die Häute abgezogen. Während dieser Arbeit und dann, als die Wunden genau untersucht wurden, stellte es sich heraus, welche tödlich gewesen war.

Die erste Kugel des Deutschen war dem Löwen durch das Auge in das Gehirn gedrungen; die zweite hatte ihren Lauf nahe am Herzen vorüber genommen. Diese letztere hätte den spätern Tod des Tieres zur Folge gehabt, während die erste schnell und absolut tödlich gewesen sein mußte. Das Fell gehörte also Schwarz.

Nun kam aber der Umstand, daß der Löwe sich die Lanze so tief in den Leib gestoßen hatte, daß die Spitze derselben am Rückgrat steckte. Der Schaft war einige Zoll unter der Haut abgebrochen. Auch diese Wunde hätte, wenn auch vielleicht erst nach Viertelstunden, den Tod herbeiführen müssen. Schwarz hatte das Vorrecht auf die Trophäe, weil seine Kugeln eher als die Lanze in den Leib des Löwen gedrungen waren, aber der brave »Vater des Gelächters« war gewiß auch einer Belohnung wert.

Was die Löwin betrifft, so war ihr die erste Kugel in das Gebiß gegangen, durch die Zunge und seitwärts oberhalb des ersten Halswirbels durch das Hinterhauptbein gedrungen. Diese Wunde war tödlich, wenn auch nicht sofort. Die zweite Kugel hatte die Lunge durch bohrt und sich an einem der letzten Brustwirbel platt geschlagen. Nach diesen beiden Schüssen hätte das Tier nicht mehr fünf Minuten zu leben vermocht.

Die »viertelpfündige« Kugel des »Vaters der elf Haare« war durch das Gehirn gegangen und hatte die fünf Minuten bis auf eine abgekürzt. Auch dieses Fell gehörte eigentlich dem Deutschen.

Hadschi Ali und Stephan Pudel gaben das zu, aber mit sichtbarem Bedauern. Sie hätten gar zu gern auch Teil an den Fellen genommen. Darum sagte Schwarz:

»Jedes der Tiere hat drei Wunden, zwei von mir und eine von euch. Nehmen wir also an, daß zwei Drittel von jedem Felle mir gehören, so würde das eine schlimme Teilung ergeben. Ich will also meine Ansprüche ermäßigen und nur die Hälfte nehmen: Der Löwe ist für mich und die Löwin für euch. So bekommt jeder von euch ein halbes Fell, also mehr, als er eigentlich zu fordern hat, und die Teilung ist bequem, wenn ihr die Haut quer oder lang in zwei Teile schneidet. Seid ihr zufrieden?«

»Sehr gern,« antwortete der Slowak. »Ich nehme den Kopf und Hadschi Ali erhält den Schwanz.«

»Den mag ich nicht,« erklärte dieser. »Warum willst du den Kopf?«

»Weil ich in den Kopf geschossen habe.«

»Allah! Habe ich den Löwen etwa in den Schwanz gestochen? Wir schneiden das Fell lang durch, so bekommt jeder einen halben Kopf und einen halben Schwanz.«

Das wollte Stephan nicht zugeben. Sie stritten sich hin und her, bis Schwarz fragte:

»Was wollt ihr denn mit den Fellen machen?«

»Ich kleide mich in meine Hälfte,« erklärte der »Vater des Gelächters«.

»Ich in die meinige auch,« antwortete der Sohn der Blattern.

»So dürft ihr nicht nach der Länge teilen, weil die Hälften dann unbequem zu tragen wären. Schneidet quer, und dann mag das Los entscheiden, wer die vordere und wer die hintere Löwin erhält.«

Dieser Vorschlag wurde angenommen, und das Fell sofort zerschnitten. Das Los zeigte sich dem Slowaken günstig, er erhielt die Kopfhälfte.

»Das ist gut,« lachte er fröhlich. »Ich habe, was ich wollte. Du bist nun nicht mehr bloß der ‚Vater des Gelächters‘, sondern wir werden dich von nun an auch ‚Abu ed daneb, Vater des Schwanzes‘, nennen.«

Hadschi Ali wollte ein bitterböses Gesicht machen, was die Folge hatte, daß er wie toll zu lachen schien. Er breitete seine hintere Hälfte aus und zog das Messer, um die Fleischteile abzuschaben und die Innenseite mit Asche einzureiben. Dabei antwortete er:

»Und dich können wir ‚Abu el buz, Vater des Maules‘ heißen, denn du hast das Maul erhalten, obgleich das deinige bereits so groß ist, daß du es gar nicht zu schließen vermagst und es nur immer offen hast, um andre zu beleidigen. Hättest du so viele Völker, Länder und Dörfer im Kopfe wie ich, so besäßest du mehr Bildung und könntest ‚Abu‘l latif, Vater der Höflichkeit‘ genannt werden, was du aber niemals erreichen wirst.«

»Du weißt, daß ich weder deine Völker noch deine Dörfer haben mag, weil ich gern einen hellen Kopf besitze.«

»Ist‘s in dem meinigen etwa finster?«

»Ja, weil es in deinen Ländern und Dörfern keine Straßenlaternen gibt. Meine Wissenschaft dagegen ist das reinste Licht. Schon mein Latein allein könnte dich zum gelehrten Manne machen, ohne die andern Wissenschaften, mit denen Allah mich erleuchtet hat. Aber zu einem solchen Glanze bringst du es im ganzen Leben nicht.«

»Ich kenne alle Dörfer der Welt, aber nicht ein einziges, welches Latein heißt.«

»O Allah! Latein soll ein Dorf sein! Weißt du denn nicht, daß das eine Sprache ist, welche jenseit des Meeres – – —«

»Verstehen Sie denn wirklich so gut Latein?« fiel Schwarz, um den ausbrechenden Zwist zurückzuhalten, in deutscher Sprache ein.

»Sehr ausgezeichnet!« antwortete der Slowak schnell in derselben Sprache. »Ich hab es gelernte von Herrrr Wagner. Und Sie habend es gehörte schon von mirrr. Ich hab gesagte doch Fauna und Flora!«

»Aber verkehrt!«

»Das ist geschehnte aus einerr kleinen Versehenheit. Ich hab‘ verstehnte sogarrr die ganze Zoologie und Botanik.«

»Nun, was ist Zoologie?«

»Zoologie ist alles, was seinte in Herbarium.«

»Und Botanik?«