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Die Sklavenkarawane
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Die Sklavenkarawane

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»Auch er.«

»Wenn wir des Morgens von hier wegmarschieren, wann kommen wir hin?«

»Am Abende des dritten Tages, Herr.«

»Gut, ich habe beschlossen, Ombula zu überfallen, um Abu el Mot Sklaven und Rinder geben zu können, wenn er kommt, damit er sieht, daß wir thätig gewesen sind. Ihr beide sollet unsre Führer sein, und ich kann euch nur raten, daß ihr eure Sache gut macht. Bin ich mit euch zufrieden, so verkaufe ich euch an einen guten Herrn, der euch nicht prügelt, selbst wenn ihr faul seid. Im Gegenfalle aber grabe ich euch in einen Bau der Ardah ein, damit sie euch bei lebendigem Leibe fressen. Merkt euch das, ihr beiden schwarzhäutigen Schlingel, und nun frage ich: wollt ihr mir treu und gehorsam sein?«

»Ja, Herr!«

»Das versprecht ihr jetzt; aber ich traue keinem schwarzen Hunde. Ihr bleibt bis zum Aufbruche hier auf dem Schiffe, und werdet es nicht verlassen. Ich stelle euch einen Wächter her, welcher den Befehl hat, euch zu erschießen, sobald ihr euch dem Rande des Schiffes nähert. Und während des Marsches gebe ich euch Gewichte an die Füße, damit ihr die Lust zur Flucht verliert. Jetzt arbeitet weiter und schwatzt nicht dabei, sonst lasse ich euch den Mund zunähen, daß ihr verschmachten müßt. Ihr wißt, daß das keine leere Drohung ist. Ich habe das schon oft gethan.«

Er gab jedem noch einen Hieb, dann ging er und stieg in sein Boot. Sie sahen es im hohen Schilfe verschwinden, besorgten aber, daß er sie von dort aus beobachten werde. Darum arbeiteten sie schweigend weiter, bis sie ihn am Ufer erscheinen, und einen schmalen, durch den Mimosenwald führenden Weg einschlagen sahen.

Erst jetzt wagte es Tolo, seinem Gefährten leise zuzuflüstern:

»Du siehst, daß Tolo recht hatte, der Zug beginnt schon morgen.«

Lobo griff mit der Hand nach seinem schmerzenden Rücken, knirschte mit den Zähnen, rollte die Augen, als ob er sie herausdrehen wolle, und antwortete:

»In unser Land, nach Ombula. Allah, Allah! Unsre Freunde sollen Sklaven werden!«

»Und wir müssen die Weißen führen! Werden wir es thun?«

Lobo zögerte mit der Antwort. Er schien überhaupt geistig weniger begabt zu sein als sein Unglücksgenosse.

»Warum sagst du nichts?« fragte dieser. »Sollen wir die Araber führen und unsre schwarzen Brüder mit töten und gefangen nehmen?«

»Nein,« antwortete Lobo in bestimmtem Tone. Er war nun zu einem Entschlusse gekommen. »Wir fliehen. Dann aber können wir Abu el Mot nicht töten, was wir doch thun wollten. Er ist noch nicht wieder da.«

»So töten wir Abd el Mot an seiner Stelle. Das ist fast ebenso gut. Wenn wir ihm das Leben nehmen, so muß der Zug morgen unterbleiben, und wir retten die Leute von Ombula.«

»Werden sie es uns auch danken? Und wie töten wir ihn? Am Tage ist es ganz unmöglich, und das Nachts schläft er mitten unter den Wächtern. Man wird uns ergreifen. Ist es da nicht besser, wenn wir uns nicht in eine so große Gefahr begeben?«

Tolo erkannte gar wohl die Wahrheit dieser Worte. Er dachte nach. Jetzt erschallte von jenseits des Waldes ein schrecklicher Lärm herüber. Menschliche Stimmen sangen, jauchzten und brüllten. Dazu ertönten die ganz unbeschreiblichen Klänge der im Sudan gebräuchlichen Instrumente.

Das schien den nachdenkenden Neger schnell zu einem Resultate zu bringen. Er sagte:

»Hörst du den Jubel? Jetzt hat Abd el Mot gesagt, daß die Ghasuah morgen beginnen soll. Nun entfalten sie die Fahne und fragen den Zauberer.«

»Er wird dem Zuge günstig sein, und sie gehorchen ihm, denn er ist ein frommer Fakir. Auch wir sollten ihm eigentlich gehorchen, obwohl wir nicht zu Allah beten wie unsre Peiniger.«

»Nein. Tolo gehorcht nicht dem Fakir, sondern einem ganz andern.«

»Wem? Wer ist das?«

»Dem großen Schech, der über den Sternen wohnt und niemals stirbt, der alles sieht und jede That belohnt oder bestraft.«

»Du hast Lobo davon erzählt, aber Lobo kann ihn nicht sehen.«

»Er ist überall, wie die Luft, die man auch nicht erblickt.«

»Vielleicht hat dich der Fremde belogen, der dir von ihm erzählte!«

»Nein. Dieser fremde Weiße war ein Khassis, ein guter Mann, der keine Lügen sagte. Er erzählte von dem großen, allmächtigen Schech, welcher den Himmel und die Erde gemacht hat, und auch die Menschen. Er befahl ihnen, gut und fromm zu sein, aber sie gehorchten ihm nicht. Da sandte er seinen Sohn vom Himmel herab, der ihnen Gnade brachte und dafür von ihnen getötet wurde. Er lehrte, daß die Menschen einander lieben, und sich nur Gutes erweisen sollen. Diese Lehre brachte der Khassis zu uns. Wir gewannen ihn lieb und glaubten seinen Worten. Da aber kamen die Sklavenjäger und töteten ihn. Tolo weiß noch alle seine Worte und wird nach denselben handeln. Die Liebe gebietet ihm, seine Eltern aufzusuchen und die Helle Ombula zu retten. Das wird er thun, selbst wenn es sein Leben kosten sollte. Der Sohn des Schechs im Himmel ist auch ohne Murren gestorben. Und wer da stirbt, indem er Gutes thut, und die Gesetze des großen Schechs erfüllt, der ist nicht tot, sondern er steigt auf zum Himmel, zum Sohne des Schechs, um bei demselben zu leben und niemals zu sterben.«

Der Neger hatte das mit wahrer Inbrunst gesprochen, im Tone vollster Überzeugung. Der andre schüttelte den Kopf und sagte:

»Lobo versteht das nicht; aber du hast ihm noch niemals eine Lüge gesagt, und so will er es glauben, und ganz dasselbe thun, was du thust. Hätte er den Khassis gesehen und gehört, so würde er wohl ganz so überzeugt sein, wie du es bist. Also wir fliehen und retten Ombula!«

»Ja, und Abd el Mot töten wir zur Strafe für seine Thaten, und daß er morgen die Ghasuah nicht beginnen kann.«

»Aber ist es nicht der Wille des großen Schechs, von welchem du sprichst, daß man den Menschen nur Gutes erweisen soll? Und du willst den Araber ermorden!«

»Das ist nichts Böses,« entgegnete der Neger in einem Tone, der allerdings zu besagen schien, daß er noch nicht ganz bibelfest sei.

»Lobo glaubt es dir. Aber selbst wenn es uns gelingt, ihm das Leben zu nehmen, wie kommen wir fort? Einen Kahn können wir nicht bekommen, so müssen wir also gehen, und dann werden die Hunde uns schnell eingeholt haben!«

»Du darfst nicht so zaghaft sein,« entgegnete der andre, »denn der große Schech im Himmel wird uns beschützen. Man wird hier erst am Morgen den Tod Abd el Mots und unsre Flucht bemerken. Dann sind wir schon so weit entfernt, daß uns niemand einholen kann. Wir nehmen uns hier so viel Kisrah wie möglich, damit wir unterwegs nicht zu hungern brauchen.«

»Hat dein großer Schech das Stehlen nicht auch verboten?«

»Ja. Also werden wir es nicht thun. Aber wir finden überall Wurzeln, Früchte und Wasser, um den Hunger und auch den Durst stillen zu können.«

Lobo schien doch noch ein Bedenken zu haben. Er blickte nachdenkend vor sich nieder und sagte dann:

»Aber wie können wir vom Schiffe fort, wenn Abd el Mot uns einen Wächter sendet?«

»Wir warten, bis er schläft.«

»Er wird nicht schlafen, sondern den Befehl erhalten haben, kein Auge von uns zu lassen.«

»Nun, so töten wir auch ihn.«

»Das ist doch nichts Gutes, sondern etwas Böses!«

»Der Wächter ist auch bös, denn er wird ein Weißer, ein Araber sein. Ihm geschieht ganz recht, wenn er sterben muß; er gehört wohl gar zu den Leuten, welche uns gefangen genommen haben.«

»Du hast mir einmal erzählt, daß es der Wille des Schechs im Himmel sei, auch den Feinden Gutes zu thun; du aber willst ihnen nur Böses zufügen.«

»Daran sind sie selbst schuld,« sagte Tolo und half sich über das Bedenken mit Kopfschütteln hinweg. »Schweig jetzt und arbeite, der Wächter kommt!«

Der Kahn nahte wieder. In demselben saß ein andrer Weißer, welcher an Bord gestiegen kam. Er schien sehr zornig darüber zu sein, daß er auf das Schiff kommandiert worden, und nun von der Festlichkeit ausgeschlossen war, welche einer jeden Ghasuah vorherzugehen pflegt. Er warf den Sklaven drohende Worte zu, und setzte sich in ihre Nähe, die Peitsche in der Hand. Sie arbeiteten mit angestrengtem Fleiße weiter. Miteinander zu sprechen, durften sie nicht wagen; desto fleißiger aber dachten sie an ihr Vorhaben. Tolo war fest entschlossen, Abd el Mot und den Wächter zu ermorden. Das, was er von den Lehren des Missionars behalten hatte, kam nicht in Konflikt mit seinen heidnischen Anschauungen. Er wußte beides ganz gut in Einklang zu bringen. Lobo war weniger spitzfindig als er. Wie die meisten langsam denkenden und schwer begreifenden Menschen, konnte er nicht leicht eine neue Ansicht fassen, welche seiner bisherigen entgegengesetzt war. Hatte er den Gedanken aber einmal gefaßt, so hielt er ihn fest, und bewegte ihn fleißig im Herzen, soviel dies seinem Verständnisse möglich war. Es wollte ihm nicht recht begreiflich erscheinen, daß man zwei Menschen ermorden, und dabei doch den Willen des guten »Schechs im Himmel« befolgen könne.

Der am linken Ufer des Flusses liegende Mimosenwald war sehr lang, aber nur schmal. Vom Wasser führten einige schmale Wege quer durch ihn hindurch. Folgte man einem dieser Pfade, so hatte man schon nach fünf Minuten den Wald im Rücken und eine weite, freie Strecke vor sich liegen.

Im Süden nennt man jeden Weg, welcher neben einem Flusse hinläuft, Darb tachtani, den untern Weg. Ein Pfad aber, welcher von der Seite her, also senkrecht auf den Lauf des Wassers führt, eine Mischrah. Gewöhnlich steigt die Mischrah vom hohen Ufer herab. Die Wohnungen der Menschen müssen wegen der jährlichen Nilüberschwemmungen hoch liegen, und so kommt es, daß an einer Mischrah gewöhnlich sich Niederlassungen befinden. Besonders gern legt man die Seriben an solchen Stellen an, an denen ein Pfad hinab zum tiefen Ufer führt. Dies war auch hier mit der Seribah Omm et Timsah der Fall.

Hatte man, vom Flusse aufwärts steigend, den Wald hinter sich, so stand man vor einer hohen, stachlichten Umzäunung, hinter welcher die Tokuls dieser Sklavenjägerniederlassung lagen. Dieser Zaun war stark genug, um gegen Menschen und wilde Tiere Schutz zu bieten. Jede Seribah ist mit einer solchen Dornmauer umgeben, welche zwar europäischen Waffen nicht widerstehen könnte, gegen Pfeile und Lanzen aber vollständige Sicherheit gewährt. Die Ein- und Ausgänge haben keine Thüren nach unsrem Begriffe, sondern einige stachlichte Büsche genügen zum Verschlusse. Diese Stellen werden übrigens des Nachts mit Wachtposten besetzt, für welche gewöhnlich hohe Warten auf Pfählen errichtet sind, ganz ähnlich den russischen Kosakenwarten.

Die Seribah Omm et Timsah hatte einen bedeutenden Umfang. Sie enthielt über 200 Tokuls, deren Unterbau aus aufgeworfener Erde bestand, während die Wände und Dächer aus Schilf hergestellt waren. Sie alle hatten eine runde Gestalt und jede einzelne war für sich mit einer besonderen Dornenhecke umgeben. Dies alles bildete eine Art Dorf, welches innerhalb der kreisförmigen Hauptumzäunung lag.

Auch die Hütten hatten keine verschließbaren Thüren. Diebstahl kommt unter den Bewohnern einer Seribah nicht vor; diese haben sich nur vor den irrigen Eigentumsbegriffen der Eingeborenen zu hüten.

Die Wege, welche zwischen den Tokuls hinführten, waren ziemlich reinlich gehalten; desto schlimmer aber sah es vor der äußern Umzäunung aus. Da gab es Abfälle und Unrat in Menge; sogar die verwesenden Leichen natürlich gestorbener oder zu Tode gepeitschter Sklaven lagen hier, einen Geruch verbreitend, den die Nase eines Europäers nicht hätte ertragen können. Dies war ein Sammelplatz aller Arten von Raubvögeln. Auch die Hunde der Sklavenjäger befanden sich da, und des Nachts stellten sich wohl Hyänen und andre wilde Tiere ein.

Unweit der Seribah befand sich die Murrah, der umfriedigte nächtliche Pferch des Viehstandes, dessen Angehörige am Tage über im Freien weiden. Der Dünger dieser Tiere wird sorgfältig gesammelt und in der Sonne getrocknet, um abends in die Murrah geschafft und angebrannt zu werden. Der dichte Rauch, welcher sich dann entwickelt, gewährt den Tieren und Menschen Schutz gegen die schreckliche Plage der Baudah, der Stechfliegen des Sudans. Die Menschen graben sich bis an den Kopf in die ellenhoch liegende Düngerasche ein, wodurch, ganz abgesehen von dem Geruche, die schwarze Haut der Neger sich mit einem abscheulichen grauen Überzuge umhüllt, welcher das Auge des Europäers beleidigt, nach der Meinung der Eingeborenen aber so schön wie gesund ist.

In der Mitte der Seribah standen zwei Tokuls, welche sich durch besondere Größe auszeichneten. Sie waren die Wohnungen der beiden Anführer, Abu el Mots und Abd el Mots.

Da eine Hütte nicht bloß für eine einzelne Person bestimmt ist, so war bei der großen Zahl der Tokuls anzunehmen, daß die Gesellschaft gewiß aus wenigstens 500 Personen bestand. Rinder und Schafe weideten in Menge umher. Auch Pferde und Kamele gab es, doch nur bei gegenwärtiger Jahreszeit. Während und kurz nach der Regenzeit pflegen sie zu Grunde zu gehen.

Der eigentliche Besitzer einer Seribah ist nur höchst selten auf derselben anwesend. Diese Herren bleiben daheim, in Chartum oder wo sie sonst ihren festen Wohnsitz haben. Es fällt ihnen gar nicht ein, sich persönlich an der Sklavenjagd zu beteiligen; sie senden vielmehr ihre Stellvertreter, welche Wokala genannt werden und sehr ausgedehnte Vollmachten besitzen.

Unter diesen Wokala stehen die Reïsihn, Kapitäne und Nautia, Matrosen. Diese Leute werden gebraucht, weil die Jagden meist kurz nach der Regenzeit zu Wasser unternommen werden. Auch Sajadin und Asaker werden engagiert. Die ersteren sind Jäger und verpflichtet, die andern mit frischem Fleische zu verproviantieren. Die letzteren sind Soldaten, welche sich aus allerlei weißem und farbigem Gesindel rekrutieren, gewissenlose Menschen, welche mit den göttlichen und weltlichen Gesetzen vollständig zerfallen sind, und sich sonst nirgends sehen lassen dürfen, ohne daß ein strafender Arm sich nach ihnen ausstreckt.

Die Wokala erhalten eine beträchtliche Besoldung und oft auch noch einen besondern Anteil am Gewinne. Die übrige Mannschaft erhält einen Lohn bis zu zehn Mariatheresiathalern pro Monat und die Kost. Alles andre muß der Mann von dem Sold bezahlen und bekommt es zu den höchsten Preisen angerechnet. Daher bleibt ihm gewöhnlich nichts, oder wenig übrig. Ist der Fang gut, so kommt es vor, daß die Leute ihren Sold in Sklaven ausgezahlt erhalten. Der Schwarze ist dann dem Soldaten mit Leib und Leben angehörig, und dieser kann mit ihm machen, was ihm beliebt, ihn schlagen, verstümmeln oder gar töten.

Je zwanzig oder fünfundzwanzig Soldaten stehen unter einem Unteroffizier, Buluk genannt. Die Rechnungen hat ein Buluk Emini über, welcher lesen, schreiben und rechnen können muß und also gewöhnlich ein niederer Geistlicher, ein Fakir ist; er vertritt zugleich die Stelle des Zauberers, bestimmt die glücklichen und unglücklichen Tage und heilt alle möglichen Schäden des Leibes und der Seele mit Amuletten, welche er verfertigt und gegen guten Preis verkauft. Die Feindschaft eines solchen Mannes kann dem einzelnen sehr gefährlich werden.

Wird eine Ghasuah unternommen, so zwingt man den Schech des Gebietes, in welchem die Seribah liegt, seine Neger als Träger und Spione zu stellen. Dafür wird er nach dem Raubzuge mit Kühen entschädigt, was ihm natürlich lieber ist, als wenn er mit Sklaven bezahlt wird. Der Tag des Aufbruches wird von dem Fakir bestimmt, welcher von jedem einzelnen Tage des Jahres zu sagen weiß, ob er ein glücklicher oder unglücklicher ist.

Sobald der Kommandant die Ghasuah verkündet hat, wird die Barakha aufgesteckt. Sie besteht aus einem großen, viereckigen, roten Zeuge, auf welchem das mohammedanische Glaubensbekenntnis oder die erste Sure des Korans gestickt ist.

Sobald diese Fahne weht, weiß jedermann, daß ein Raubzug beschlossen worden ist, und die an demselben Beteiligten geben sich der tollsten Freude hin.

Abd el Mot hatte seine Absicht erst den beiden Belandanegern mitgeteilt, nachdem er selbstverständlich erst von dem Fakir erfahren hatte, daß der morgende Tag ein glücklicher sei. Dann zur Seribah zurückgekehrt, hatte er die Fahne aufstecken lassen. Der Jubel der ersten, welche dieses willkommene Zeichen erblickten, rief alle andern Bewohner der Tokuls aus den Hütten hervor. Die Musikinstrumente wurden geholt; man scharte sich zusammen und schleppte alle vorhandene Merissah herbei, um die glückliche Stimmung durch einen berauschenden Trunk zu erhöhen.

Der Fakir erschien, hielt eine anfeuernde Rede und bot Amulette aus, welche im bevorstehenden Kampfe vor Verwundung und Tod schützen sollten. Dann begann die Musik zu spielen, aber was für eine!

Da war zu sehen und zu hören die Rababah, eine sehr primitive Guitarre mit drei Saiten, die röhrenförmige Bulonk von ausgehöhltem Kamaholze, die Nogarah, eine Kriegspauke, aus einem hohlen Baumstumpfe konstruiert, die Darabukkah, eine kleinere Handpauke, ferner surrende Flöten, hölzerne Riesenhörner, deren schreckliche Töne dem Rindergebrüll gleichen, steinerne Klappern, geschüttelte Flaschenkürbisse, in denen Steine rasselten, Antilopenhörner, deren Töne dem Jammern eines frierenden Hundes gleichen, kleine und große Pfeifen, mit denen man alle möglichen Tierstimmen, besonders die Stimmen der Vögel nachmachte. Wer kein Instrument hatte, brüllte und heulte nach Belieben. Viele improvisierten ganz sonderbare Geräusche. Der eine schlug mit einem Stocke auf dürres Reisig, der andre kniff einem Hunde in den Schwanz, daß das Tier ganz zum Erbarmen musizierte; der dritte schwang an einer Schnur eine Blechplatte im Kreise, um das Pfeifen des Sturmes nachzuahmen. Kurz, es war ein entsetzliches Konzert, welches nur auf kurze Zeit unterbrochen wurde, als der Fakir die Helden aufforderte, das Sklavenjägerlied zu singen. Die Kerls stellten sich in zwei Reihen einander gegenüber auf und sangen:

»U marran basahli!

U marran alei dschebal,

U marran antah el woara,

El es soda kubar.

U marran besahli!

U marran ketir hami,

U marran fi woar kan ro dami;

U marran katach barrut,

Jentelik e reqiq schi dali!«

Das heißt zu deutsch: »Und trinken ist meine Lust! Und dann hinaus in die Berge, und hinaus in den Wald, wo der Löwe haust. Und trinken ist meine Lust! Und kommt die Verwegenheit über mich, da fließt wohl Blut in der Wildnis; und dann wird Pulver verpufft und ich bring Sklaven mit nach Hause!«

Doch welche Stimmen waren das, die dieses Lied sangen. Der eine brüllte wie ein Löwe und der andre wie ein Ochsenfrosch. Ein dritter schrillte im höchsten Fisteltone, und ein vierter schleppte, wie eine Baßgeige brummend, hinterdrein. Eine Melodie gab es nicht, jeder sang so hoch oder tief, wie es seinem Kehlkopfe angemessen war. Nur die einzelnen Worte klangen zusammen, da der Fakir mit hoch erhobenen Armen skandierte. Dies that er in einer Weise, daß er an einem andern Orte sofort als völlig unheilbar ins Irrenhaus geschafft worden wäre.

Als das Lied zu Ende war, wurde wieder getrunken und Musik gemacht. Dann ward ein Tanz arrangiert, den drehenden Derwischen nachgeäfft. So ging es unter steter Abwechselung von Musik, Gesang und Tanz bis in die späte Nacht, da es keinen Tropfen Merissah mehr gab.

Der Lärm schallte über den Wald hinweg bis zum Flusse und dem Schiffe. Dort saßen die beiden Belandaneger und vor ihnen der Wächter, die Peitsche stetig in der Hand. Die Sklavinnen waren nach der Seribah geholt worden, um zu backen.

Zuweilen erhob sich der Aufseher, um einige Minuten hin und her zu gehen. Dabei brummte er grimmig in den Bart, darüber, daß er weder mitsingen noch mittrinken durfte.

Kurz nach Mitternacht kam Abd el Mot noch einmal an Bord, um sich zu überzeugen, ob der Posten seine Schuldigkeit thue. Dann, als er sich entfernt hatte, wurde es drüben in der Seribah still. Die berauschten Sklavenjäger suchten und fanden den Schlaf. Als der Wächter wieder einmal seinen Spaziergang unternahm, flüsterte Lobo seinem Kameraden zu:

»Dieser Weiße ist zornig; er hat die Peitsche stets in der Hand, schlägt uns aber nicht. Lobo möchte ihn darum nicht gern töten.«

»Dann können wir nicht entkommen!«

»Wollen wir ihm nicht die Kehle zuhalten, daß er nicht schreien kann? Dabei binden wir ihn und stecken ihm den Mund zu.«

»Das hat auch Tolo lieber, als ihn zu töten; aber ein einziger Schrei kann uns verderben.«

»Lobos Fäuste sind stark. Er wird den Mann so fassen, daß derselbe gar nicht rufen kann.«

»Und während du ihn festhältst, wird Tolo ihn binden. So können wir es machen. Stricke sind genug da.«

»Wann beginnen wir?«

»Nach einer Weile; dann werden alle Weißen eingeschlafen sein.«

»Aber der Kahn ist nicht da. Er wird des Abends in die Seribah geschafft.«

»So schwimmen wir.«

»Hat Tolo vergessen, daß sich viele Krokodile im Wasser befinden? Darum wird die Seribah ja Omm et Timsah genannt.«

»Tolo läßt sich lieber von den Krokodilen fressen, als daß er die Weißen nach Ombula führt.«

»Lobo auch. Der gute Schech im Himmel wird uns beschirmen, da wir soeben dem Wächter das Leben geschenkt haben.«

»So glaubst du jetzt an diesen großen Schech?«

»Lobo hat während des ganzen Abends über denselben nachgedacht. Wenn der Khassis kein Lügner war, so ist es wahr, was er gesagt hat, denn er ist klüger gewesen, als wir es sind. Und für den schwarzen Mann ist es sehr gut, einen solchen Schech im Himmel zu haben, denn alle weißen Schechs auf der Erde sind seine Feinde. Lobo glaubt also an ihn und wird ihn jetzt bitten, die Flucht, welche wir vorhaben, gelingen zu lassen.«

Der Neger faltete die Hände und blickte zum Himmel auf. Seine Lippen bewegten sich, aber die Bitte war nur für Gott hörbar.

Der Wächter hatte sich wieder niedergesetzt. Dann dauerte es längere Zeit, bis er abermals aufstand, um hin und her zu gehen. Da fragte Lobo:

»Warten wir noch länger?«

»Nein. Tolo hält schon die Stricke in der Hand. Wenn er uns wieder nahe ist und sich umdreht, so springen wir auf und du ergreifst ihn von hinten.«