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Auf der Br?cke schied Ingo von dem K?nig und seinem Sohn, und alle erstaunten, als der K?nig nach dem Abschied noch einmal ?ber die Bretter zu Ingo eilte, ihn mit den Armen umfing und k??te. Lachend sah Berthar auf die finsteren Mienen der leuchtenden K?nigsknaben. »Reitet im Schritt,« gebot er vor dem Tor den Vandalen, »damit sie nicht w?hnen, da? wir ihren Gru? im R?cken f?rchten.« Und nach einer Weile rief er: »Nimm die Spitze, Wolf, und la? die Rosse springen, frisch bl?st die Nachtluft, und wohl gelang uns die Reise nach der K?nigsburg.«
Als sich das Tor hinter den G?sten geschlossen hatte, befahl der K?nig seinen Knaben: »Wer etwa morgen oder sp?ter von dieser Nacht schwatzt, oder wer noch mit dem R?mer beim Trunke raunt, wie heut mancher getan, dem zerschellt die Axt des K?nigs das Tor seiner Worte.«
Darauf nahm er das schlafende Kind in die Arme und trug es zu seiner eigenen Kammer. Als er beim Turme vor?berkam, blickte er finster nach dem Gemach der K?nigin. Dort drinnen lag ein trostloses Weib mit dem Haupt an der Fenstermauer und h?rte auf den Schall der Stimmen und auf den Hufschlag, welcher in der Ferne verklang. Der K?nig aber dachte: Wenn sie nicht so erlaucht w?re von Geschlecht, w?re es besser f?r mich und sie. Denn gern m?chte ich ihr Schl?ge geben und sie dann wieder liebhaben. Sie aber wollte das Tuch zerschneiden zwischen sich und mir, und sie hat gerungen gegen mein Schwert; ob sie meint, da? ich ihr das vergesse? – Was aber den R?mer betrifft, so ist mir‘s im Herzen lieb, da? ihm nicht sein Wille geschieht, denn nichtsw?rdig war die Forderung, und herrisch war der Bote. Jetzt will auch ich ihm Silber statt dem Gold bieten, das er sich begehrt. Und am anderen Morgen lud der K?nig den erstaunten Harietto und sprach: »Um des gro?en C?sars willen habe ich alles getan und ausgef?hrt, was die K?nigsehre mir gestattet und nicht mehr. Dem Gebannten habe ich das Gastrecht aufgek?ndigt und ihn ohne Geleit entlassen, damit er aus meinem Lande weiche. Und er trabt jetzt wohl schon weit von hier ?ber die Heide.« Als der K?nig wieder in sein Schatzhaus ging und sein Angesicht in der Sch?ssel betrachtete, da sprach er seufzend zu sich selbst: »Eine Sorge wich, aber eine gr??ere kam; nur eines ist mir lieb, es ist ein ehrliches Gesicht, das ich schaue.«
9. Zur Idisburg
Auch in den jungen M?nnern der Waldd?rfer regte sich die Reiselust, als die Reiser der B?ume vom Safte schwollen und das junge Laub aus den Knospen brach. Es war ein heimliches Summen in den H?fen, und frische Gesellen hielten im Waldversteck stillen Rat; denn nicht die Alten und Weisen des Gaues hatten den Auszug geboten, und nicht die heiligen Opfer des Gaues sollten ihn weihen, nur Unzufriedene l?sten sich von der lieben Heimat, willk?rlich und auf eigene Gefahr, weil ihnen der Sinn nach besseren Landlosen stand. Anfangs waren nur wenige entschlossen, ihr Gl?ck in der Fremde zu suchen, vor ihnen Baldhard und Bruno, S?hne des Bero; bald aber ergriff die Sehnsucht auch andere, j?ngere S?hne ehrbarer Wirte, neben ihnen wilde Gesellen und Waldl?ufer, die sich lieber rauften als bauten, auch manchen Hausvater, dem seine Nachbarn geh?ssig waren. Manchen hatte auch ein M?dchen, welches ihm lieb war, heimlich gemahnt, vor der Reise warb er um sie, und wo der T?chter mehre im Hause waren, wagte der Vater sein Kind an die ferne Hoffnung. Diesmal war es kein Zug in unbekannte Ferne, auf dem der Mond und die Sterne f?hren, der wehende Wind oder der fliegende Rabe; denn die neuen Siedelst?tten lagen nur wenige Tagereisen von der Gaugrenze, und die Reise ging durch W?lder und Marken von Landgenossen, die in fr?heren Geschlechtern denselben Weg gezogen waren. Deshalb sorgten die Fahrenden wenig um Waffengefahr auf dem Wege und nicht sehr um Nahrung und Viehfutter. Auch da, wo sie bauen wollten, durften sie freundlichen Gru? hoffen, denn ein kluger Wirt hatte im voraus sorglich um ihre Reise gehandelt und mit dem Volke, dem sie zuzogen, Vertrag geschlossen. Und doch r?steten die Wanderlustigen ihre Abfahrt noch heimlicher, als sonst Brauch war; denn nicht alle H?upter des Gaues freuten sich der Reise, durch welche die Zahl ihrer jungen Krieger gemindert wurde, nicht F?rst Answald und nicht das Geschlecht des Sintram, und diese suchten dem Drange zu wehren, soweit ihre Macht reichte. Auch den Eifer des K?nigs hatten die Fahrenden zu f?rchten, denn er mochte ihnen die Besiedelung st?ren, bevor sie auf dem neuen Grunde festgewurzelt waren. Darum hatten sich die Wanderlustigen in n?chtlichem Rate zusammengeschworen und die S?hne des Bero zu F?hrern gew?hlt, in den letzten Monaten hatten sie f?r die Fahrt ger?stet, Beisteuer in ihrer Freundschaft erbeten, Wagen und Ackerger?t gezimmert und um Vieh gehandelt, soweit sie vermochten. Und sie wollten einzeln und mit wenig Ger?usch aufbrechen, um sich jenseit der Gaugrenze zu geordnetem Zuge zu sammeln.
Im ersten Morgenlicht standen die Wagen mit Saatkorn und Hausrat bepackt. ?ber dem festen Bohlengef?ge spannte sich die Decke von Leder, die gejochten Rinder br?llten, Frauen und Kinder trieben das Herdenvieh hinter dem Wagen zusammen, und gro?e Hunde, die treuen Begleiter der Fahrt, umbellten das Fuhrwerk. Die Geschlechtsgenossen und Nachbarn trugen zum Abschied herzu, was als Reisekost diente oder ein Andenken an die Heimat sein konnte. Durchaus nicht fr?hlich war der Abschied, auch dem mutigen Mann bangte heimlich vor der Zukunft. War das neue Land auch nicht endlos weit, fast allen war es unbekannt, und unsicher war, ob die G?tter der Heimat auch dort Schutz gew?hrten und ob nicht sch?dliche W?rmer und Elbe Vieh und Saat zerst?ren wollten oder feindliche M?nner die H?fe abbrennen. Auch die Kinder f?hlten das Grauen, sie sa?en still auf den S?cken, und die Kleinen weinten, obgleich die Eltern ihnen Haupt und Hals mit heilkr?ftigem Kraut umkr?nzt hatten, das den G?ttern lieb ist. Mit der aufgehenden Sonne erhoben sich die Fahrenden, der ?lteste ihres Geschlechts oder eine weise Mutter sprach ihnen den Reisesegen, und alle flehten murmelnd um gutes Gl?ck und bannten durch Zauberspruch die sch?dlichen Waldtiere und schweifende R?uber. Die anderen Dorfleute aber, welche daheim blieben, blickten scheu auf die Wanderer wie auf verlorene Menschen, unheimlich d?nkten ihnen die Frevler, welche sich von dem Segen der Heimat l?sten. Denn immer zog es die Landgenossen m?chtig nach der Ferne, und doch graute ihnen immer vor einem Leben fern von den Heiligt?mern, von Sitte und Recht der Heimat.
Die Wagen bewegten sich knarrend zu den Bergen, von der H?he sahen die Wanderer noch einmal nach dem Dorf ihrer V?ter zur?ck und neigten sich gr??end gegen die unsichtbaren Gewalten der Flur; mancher unzufriedene Gesell warf auch einen Fluch zur?ck wider seine Feinde, die ihm die Heimaterde verleidet hatten. Dann nahm alle der Bergwald auf. M?hsam war die Fahrt auf steinigen Wegen, in welche das Schneewasser tiefe Furchen gerissen hatte, oft mu?ten die M?nner von den Rossen steigen und mit Haue und Spaten die Bahn fahrbar machen, wild erscholl Ruf und Peitschenschlag der Treiber, die Knaben sprangen hinter den Wagen und hemmten den R?cklauf durch Steine, und doch zerrten die Zugtiere machtlos, bis ein Gespann dem anderen half oder M?nner und Frauen die starken Schultern an die R?der stemmten. War die Reise wegsamer, dann umritten die M?nner sp?hend den Zug mit gehobener Waffe, bereit zum Kampfe gegen Raubtiere oder rechtlose Waldl?ufer. Als die Wanderer aber nach der ersten Tagfahrt das einsame Waldtal erreichten, welches zur Versammlung bestimmt war, da wurde die M?he des Tages ?ber der Freude vergessen, Landsleute in der Wildnis vor sich zu sehen; hell jauchzten die Kommenden von der H?he, und die Lagernden antworteten mit gleichem Ruf, auch solche, die sich sonst wenig gekannt, begr??ten einander wie Br?der. Die M?nner traten zuhauf, und Baldhard, ein me?kundiger Mann, bezeichnete den Lagerraum mit St?ben. Dort wurden die Zugtiere abgeschirrt, die Wagen zu einer Burg zusammengesto?en und im Ringe herum die Nachtfeuer auf zusammengetragenen Steinen entz?ndet. W?hrend die Haustiere weideten, von bewaffneten J?nglingen und von den Hunden geh?tet, bereiteten die Frauen die Abendkost; die M?nner aber schlugen aus Stangenholz den n?chtlichen Pferch f?r die Herde, verteilten die Wachen und holten aus den Wagen, was sie von kr?ftigem Trunk mitgebracht hatten; dann lagerten sie und sprachen bed?chtig von dem guten Weideland, das sie am Idisbach hofften, und von dem endlosen Wald im S?den der Berge, wie steinig der Baugrund, wie steil die Gel?nde und wie darum dies Bergland sp?rlich bewohnt sei. Als das Mahl beendet war, wurden die wertvollsten Rosse und Rinder im Wagenringe gesammelt und die schlaftrunkenen Kinder unter dem Lederdach geborgen. Nach ihnen stiegen die Frauen in das enge Gemach, nur die M?nner sa?en noch eine Weile beim Trinkhorn gesellt, bis auch ihnen die Augen schwer wurden und die kalte Nachtluft ihre Fr?hlichkeit hemmte. Da h?llten sie sich in Pelze und Decken und legten sich an die Feuer oder unter die Wagen. Es wurde stiller, nur der Wind blies von den Bergen, die W?chter umschritten den Wagenring und den Pferch und warfen zuweilen Holzscheite in die lodernden Feuer. Aber unabl?ssig bellten die Hunde, denn aus der Ferne klang heiseres Geheul, und um den Flammenring trabten gleich Schatten im aufsteigenden Nebel die begehrlichen Raubtiere.
In solcher Weise zogen die Wanderer drei Tage langsam durch den Bergwald, der Regen rann auf sie nieder, und der Wind trocknete ihnen die durchn??ten Kleider. Zuweilen hielten sie in den T?lern an H?fen ihrer Landsleute, dort trafen sie entweder wilde Gesellen, die durch den Kampf mit dem Walde geh?rtet waren, oder ?rmliche Siedler, welche ?ber den rauhen Ackerboden klagten und auch den Reisenden das Herz schwer machten. Am vierten Morgen zogen sie bei dem h?lzernen Turmger?st vor?ber, welches an der Landesmark der Th?ringe gezimmert war; erstaunt sah der W?chter, der im Hofe daneben wohnte und sonst wenig um reisende Haufen zu sorgen hatte, auf die Fahrenden; diese aber riefen ihm laute Gr??e zu, denn er war, obgleich nur ein einsamer Waldmann, der letzte ihres Volkes. Von da durchfuhren sie eine Stunde die Grenzwildnis; unfruchtbare Kiesh?hen mit knorrigen Kiefern, wo niemals ein Siedler einen Hof gebaut hatte und selten der Schlag einer Axt erklungen war, denn unheimlich lag der Strich, und sch?dliche Geister fuhren, wie man sagte, die Grenze entlang, weil sie ausgeschlossen waren von dem Boden, den gute Volksg?tter f?r die se?haften M?nner beh?teten. Aber jenseit des Kieferwaldes sahen die Siedler von der H?he freudig in ein weites Tal, das mit ansehnlichen H?geln und dichtem Laubwald eingefa?t war. Dort zog sich in gewundenem Lauf der Idisbach durch die Wiesen, und am Fu? der Anh?hen lagen H?fe und geteiltes Ackerland. Lustig schien die Sonne ?ber das helle Gr?n und das sprossende Laub, die Rosse schnoben, als sie die frische Talluft witterten, und die Rinder br?llten der Weide entgegen, die Wanderer aber hoben die Arme flehend zu der G?ttin auf, welche ?ber dem Tal waltete und die Leben der M?nner wohl zu beh?ten vermochte, wenn sie ihr lieb wurden.
Ein reisiger Mann sprengte den Wanderern entgegen und wirbelte schon von weitem gr??end seinen Speer in der Luft, ihm jauchzten die Ansiedler zu, da sie ihren Landgenossen Wolf erkannten; auch die Frauen dr?ngten sich an sein Ro?, und die Kinder streckten die kleinen H?nde aus den Wagen. »Heil sei euch, liebe Landsleute,« rief Wolf, »vollbracht ist die Fahrt. Lagert an den H?fen, denn auf jenem H?gel harren die Weisen des Gaues am Opferstein, den Bund festzumachen, damit ihr rechtlich werdet im Volke und eure Landlose gewinnet.« Da r?hrten sich alle mit neuem Eifer und zogen auf trockenem Rasenweg zu Tale.
Und Baldhard begann vertraulich zu Wolf, der neben ihm ritt: »Von der K?nigsburg der Th?ringe fuhrt ihr bei Nacht und Nebel an unserem Hofe vor?ber wie unmenschliche Gestalten der Finsternis. Damals war kaum Zeit, dir die Hand zu dr?cken und die Tage unserer Reise zu bereden. Seitdem haben wir nichts von euch geh?rt und gesehen, ich hatte gro?e Sorge um euer Geschick und mu?te doch vor den anderen meine Zweifel verbergen.«
Wolf lachte. »Die Vandalen verstehen die Kunst, sich unsichtbar zu machen, und ich meine, vor allen anderen stammt Berthar, der Held, von dem Geschlecht der Waldelbe, denn er tummelt sich unter dem wilden Farnkraut so heimisch wie wir im Dorfe, auch wenn er als ein Fremder durchreitet. Sogar ihre Rosse legen sich im Waldversteck nieder wie lauernde H?ndlein. Wir sind ganz ungesehen ?ber die Grenze gestoben und in dies Land gedrungen. Hier fanden wir guten Empfang, dein Vater hatte vorsorglich alles bereitet. Mein Herr Ingo waltet jetzt hier als H?uptling, und die Bauern der Marvinge werden, wie ich merke, seiner froh. Die Leute hier aber wirst du als altv?terisch und ehrbar erkennen. Sie trinken ihr Bier noch aus dicken N?pfen von Eichenholz, welche wahrhaftig schwer zu heben sind, doch der Trank ist r?hmlich. Wir aber haben seither wenig Mu?e gehabt, ein Teil von uns schanzt mit Hammer und Axt auf den Bergen, und andere sind dem Herrn nach S?den ?ber den Main gefolgt zu den Burgunden. Heut kommt ihr zu guter Stunde, denn der H?uptling, dem ihr euch geloben wollt, ist gerade jetzt zur?ckgekehrt. F?rst Ingo erwartet euch beim Volksopfer.«
»Siehst du den Helden Berthar,« versetzte Baldhard, »so gib ihm dies von Frida, meiner Schwester, sie befahl mir‘s ernstlich, es sei f?r ihn im Herrenhofe gewunden.« Und er legte einen Kn?uel in die Hand des anderen.
Von der Lagerstatt schritten die Th?ringe einem Berge zu, der sein rundes Haupt ?ber die anderen H?hen erhob. Vor dem letzten Anstieg hielt Ingo mit seinem Gefolge zu Ro?, die Vandalen sprangen ab, als die Siedler nahten, und riefen ihnen frohen Gru? zu. Auch die Th?ringe wurden mutig, da sie den Helden vor sich sahen, dem sie einst in ihrer Heimat Gastrecht gegeben hatten und der ihnen jetzt ein guter F?hrer in der Gefahr und ein gerechter Richter sein konnte. Ingo f?hrte die Scharen den Berg hinauf zum Opferstein, wo die M?nner des Tales dichtgedr?ngt standen, vor ihnen Marvalk, der Greis, ihr Opfermann. In drei Haufen sonderten sich die Opferer am Stein, dreimal drei Stiere wurden den guten G?ttern an den Stein gef?hrt, drei f?r jedes Volk. ?ber den Opferkessel banden sich die M?nner zu einem Bunde und gelobten, den Helden Ingo als H?uptling zu ehren. Darauf wurde im Baumschatten das Opfermahl ger?stet, und allen erschien als ein gutes Angebinde, als der H?uptling sich erhob und seinem Volk verk?ndete, da? der alte Streit um die Landesmark mit den Burgunden verglichen sei.
Von dem Opfermahl ritt Ingo mit Berthar talab einer anderen H?he zu, auf welcher die Vandalen ihr Heimwesen schanzten. Auf dem Wege sprach er fr?hlich: »So haben wir uns mit zwei K?nigen vertragen und m?gen hier wohl gedeihen, wenn die G?tter uns gn?dig bleiben. Deinem Kriegszug mit den Burgunden danke ich, da? es mir bei K?nig Gundomar gelang; er grollt jetzt dem ?bermut der R?mer und wird, wie ich hoffe, in der n?chsten Zeit Frieden halten.«
»Unterdes bauen wir uns hier fest zwischen den Steinen,« lachte Berthar, »und nach wenig Jahren soll es auch einem gro?en Volksk?nig schwer werden, uns die neuen Sitze zu brechen. Sieh dort, mein K?nig, die St?tte deines eigenen Hofes.«
Von einer waldbewachsenen Bergleite ragte ein steiler Felsenh?gel wie eine Bergnase ?ber das Tal des Idisbaches, von der H?he dahinter durch eine Einbuchtung geschieden. Der Berg hob sich stolz aus dem gr?nen Tal, auf seinem Gipfel trug er alte Eichb?ume als den einzigen Laubschmuck. Denn an den Seiten des Berges waren die St?mme gef?llt und ?ber der halben H?he mit Felsgestein und Erde zu dichtem Verhau geschichtet, davor ein Graben gezogen, der so weit von dem Gipfel entfernt war, da? keine Wurfwaffe zur H?he hinaufreichte. Klug hatte der Alte die Rinnsale des Wassers und kleine Schluchten benutzt, um gesicherte Wege von dem Gipfel zum Ringwall zu f?hren, damit am Tage des Kampfes die Belagerten auf und ab eilen konnten, ohne da? der Feind aus der Tiefe sie traf; den verschanzten Abhang aber hatte er so geb?scht, da? von dem beherrschenden Gipfel Steine und Wurfspeere freie Bahn niederw?rts fanden. Da, wo der Burgh?gel sich an die Bergleite schlo?, war der Graben tiefer, der Wall h?her. Auf dieser Seite sprang ein starker Quell unter einem Felshaupt hervor, innerhalb des ?u?eren Walls, nicht sehr weit vom Gipfel des Berges. Dort hatten die zimmernden M?nner den Baumschatten bewahrt, damit der Zugang zum Quell schattig und sicher sei. Aber auch der Gipfel des H?gels war geebnet und l?ngs seinem Rande ein zweiter Wall aus Steinen und Stammholz geschichtet. Er umschlo? die Eichen und einen Raum, der gro? genug war, um in der Not Herdenvieh, Weiber und Kinder der Siedler einzufassen. Da, wo der steile Reitweg vom Tale durch den Ringwall zur Burg f?hrte, sperrte ein Tor und ein Holzturm f?r den W?chter den Zugang. Auf der h?chsten Stelle des Gipfels inmitten zwischen den B?umen zimmerten die Mannen Ingos aus gro?en Balken die Halle des K?nigs; daneben bezeichneten St?be im Boden die Stellen, wo die Wohnung der Mannen, der Stall f?r Rosse und Rinder und die Vorratsr?ume erbaut werden sollten. Damit aber dem K?nig in der Bauzeit das Gemach nicht fehle, war ihm in dem Wipfel der h?chsten Eiche ein Baumhaus errichtet. Zwischen die starken ?ste hatten die Knaben wagerechte Balken gef?gt, dar?ber Dielen genagelt, die inneren Eichenzweige abgehauen oder nach au?en gezogen, den freien Raum im Laube mit Bohlen so umschlagen, da? zwei Stockwerke ?bereinander im Wipfel standen. Am Stamm lief die schmale Treppe hinauf, jedes der beiden Gem?cher war nach unten durch eine Fallt?r geschlossen.
Freudig sah Ingo auf die getane Arbeit. Noch freudiger f?hrte ihn der alte Werkmeister von Stelle zu Stelle. »Vogelfrei kamen wir in dies Land,« sprach er lachend, »unter den V?geln soll mein K?nig hausen, bis Herdsitz und Halle bereitet ist. Und sieh, dort unten am Bach der Schicksalsfrau richten die Knaben der Th?ringe bereits die Wagenburg an der St?tte, wo sie ihr Dorf bauen werden. Zu ihnen stellte ich deinen K?mmerer Wolf, denn kundig ist er ihres Landbrauchs. Sieh weiter hinab in den Grund, dort ist ein wonniges Land f?r Rinderherden, und aus dem Walde dahinter schreit der Hirsch und br?llt der wilde Ochs. In der Ferne aber nach S?den, wo der Idisbach in den Main rinnt, schaust du die grauen W?lder der Burgunden und die H?gel, auf denen sie sich ihre Grenzburgen geschichtet haben.«
»Das Bauer ist gezimmert,« antwortete Ingo, dem Treuen die Hand reichend, »aber die Walds?ngerin, die ich darin bergen will, klagt jenseit der Berge. Das Gr??te ist noch zur?ck. Freudenlos fahre ich umher, und die Angst um das Schicksal der anderen dr?ckt mir den Atem.«
»Nimm dazu meine Botschaft. Dies sandte Beros Tochter aus dem Herrenhofe«, antwortete Berthar und zog eine Schnur gereihter Haseln?sse hervor. »Merke, mein K?nig, sinnvoll hat das M?dchen dir die Frist gesteckt. Die erste Frucht, halb wei?, halb schwarz, meint die Zeit der Nachtgleiche, jede andere einen folgenden Tag, auf jede siebente ist das Bild des wechselnden Mondes geritzt, die letzte Nu? ist schwarz, und eine Eisennadel steckt darin, diese bedeutet, wie ich verstehe, den Tag, welcher zur Verm?hlung bestimmt ist. Jetzt z?hle, Herr. Kurz ist die Frist, die dir bleibt; zum letztenmal hat der Mond gewechselt.«
Da rief Ingo: »W?hle mir, Vater, die Blutgenossen f?r verwegene Tat und r?ste nach dem Brauch unserer Heimat die M?nner und Rosse f?r den Vandalenritt in der Schw?rze. Du aber flehe mit uns zu den Nachtgeistern um Sturm und Finsternis.«
?ber den Waldlauben zogen die schwarzen Wolken dahin, die Schatten dehnten sich und glitten wieder zusammen, bald fuhr es beim Mond vor?ber wie Manneshaupt, bald wie goldschimmernder Fu? eines Rosses. Von den Bergesh?uptern w?lzte sich dichter Nebel herab, bleigrau wand er sich um die H?hen, flo? in die T?ler und h?llte in gr?ulichen D?mmer, was auf der Erde ragte, Fels und Laub und den schreitenden Mann. Der Wind heulte ?ber die Berge langhallenden Klageruf und sch?ttelte die Wipfel der B?ume, da? sie ihre ?ste tief gegen das Tal neigten; hier und dort dr?hnte es im Walde von schwerem Fall, alte Urst?mme, vom Moder geh?hlt, brachen zusammen, Baum st?rzte auf Baum und ri? die belasteten, welche unter ihm krachten, tief hinunter in das enge Tal. Schreiend fuhr das Volk der Raben auseinander und wirbelte abw?rts in die Kluft, wo die gescheuchten mit Schnabel und F?ngen sich festklammerten. Unten aber rauschte zornig die Schaumflut des Baches, sie schwoll gegen die Baumsperre und hob sich von Fels zu Fels, in tollem Wirbel kreisten darin die ?ste und St?mme, und der Wasserschwall schlug an die Berge.
?ber das Waldgebirge breitete sich ein fahler Lichtschein, vielleicht kam er aus dem Boden, vielleicht aus den Wolken des Himmels, undeutlich sah man die Berge ?ber die schwarze Nacht der Talgr?nde ragen. Pl?tzlich flammte ein Blitzstrahl. Und wilder als Brausen des Waldes und Gekrach der B?ume klang der Herrenruf des Donnergottes.
Ingo stand hoch ?ber dem Gie?bach, mit der Faust hielt er sich fest an einer Wurzel, die seitw?rts aus dem Boden ragte, und ehrfurchtsvoll neigte er sein Haupt zu Strahl und Donnerton. »Unter den Nachtg?ttern, die ich mir zur Hilfe beschwor, nahst auch du,« murmelte er, »starker Gebieter, was k?ndet dem flehenden Mann die Himmelsflamme, in der du daherf?hrst? Mahnst du mich hinweg von der Menschenerde in die Lichthallen, und soll ich zerbrechen, wie die Waldwipfel im Sturme, oder willst du mir verg?nnen, da? ich der Frucht gleich, die von deinem Baume f?llt, festhafte in den T?lern, wo Menschen wohnen? Hast du ein Zeichen f?r mich, so la? mich vernehmen, ob die Tat, die ich wagen will, mir zum Heile gelingt.« Da fuhr ein Feuerstrahl aus der Wolke in den Felsen unter ihm, und aus dem Fels flammte blaues Licht dem Blitzschlag entgegen, der Donner krachte, das Felshaupt l?ste sich und sank in Spr?ngen hinab von der H?he in das Tal, immer wilder die S?tze und schneller der Sprung, es brach durch den Wald und splitterte den Stein, bis es in den Gie?bach schlug, da? der Gischt hoch gegen den Himmel spr?hte. Aber dem Schlag und Get?se folgte Stille, und aus der Ferne klang mahnend ein Nachtruf von M?nnerstimmen. Da rief Ingo in wilder Freude: »Die Hochzeitsknaben h?re ich, sie laden zum Brautlauf; segne unser Werk, gro?er Gebieter«, und die Waffe schwingend sprang er durch Wetterwolken und schwarze Nacht dem Tale zu.
Der Mond war hinter den Bergen geschwunden, schwarze Nacht deckte die Waldlauben, mit Get?se fuhren die Sturmriesen um die H?user des Herrenhofes, sie schlugen den eisigen Regen auf die D?cher, schleuderten die Bretter vom First der Halle und stie?en br?llend gegen die geschlossenen Tore. Wer von den M?nnern im Toben der Nachtgewalten erwachte, der barg scheu das Haupt in seinem Pf?hl, selbst die Hofhunde lagen winselnd in den H?tten und unter der Treppe. Im Gemach der Jungfrau flackerte das Licht der Lampe in der scharfen Zugluft, die durch T?r und W?nde drang. Irmgard sa? an ihrem Lager, vor ihr kniete auf dem Boden Frida, hielt mit ihren Armen den Leib der Gespielin umfa?t und horchte ?ngstlich auf das Geheul der Nachtgeister.
»Die Windsbraut f?hrt dahin ?ber die H?fe,« klagte Irmgard, »gejagt von den Riesen; wer es wagt, sein Messer in den Wirbel zu werfen, der verwundet, so sagen sie, das fl?chtige Weib. Auch mich hat der Vater mit dem Messer bedroht, weil ich auf meinen Knien flehte, mir morgen das Gel?bde an den argen Mann zu erlassen. Dahinfahren will ich wie die Riesenbraut, bevor ich dem Verha?ten die heiligen Worte sage.«
»Sprich nicht so furchtbar,« bat Frida, »da? nicht die ?bermenschlichen drau?en es h?ren und dich an deine Rede mahnen.« Und wieder hob sie ihr Haupt und lauschte.
»Nicht lange w?hrte die Seligkeit, die mir die G?tter sandten, als er in den Hof trat«, begann Irmgard wieder. »Damals war ich sorglos, als die Nachts?ngerin mir Gutes sang und die schwarzen Beeren am Fruchtbaum hingen, stolz meinte ich im Federkleid ?ber die M?nnererde zu schweben, wenn er zu mir sprach. Jetzt starre ich allein in die Finsternis. Hassen mu? ich mich,« fuhr sie auf, »da? ich ?ber die eigene Not klage. Ingo, Geliebter, bitter ist die Sorge, die ich um mich selbst f?hle, aber gr??er das Leid um dein Geschick, denn du bist dahingeschwunden im Nachtwind, keiner bringt mir Kunde von dir, und ich wei? nicht, denkst du mein oder hast du mich vergessen, atmest du noch in der Fremde, bedr?ngt wie ich, oder soll ich dir den Purpur tragen unter die Erdscholle.« Sie sprang auf und rief: »An meinem Herzen berge ich dein Geheimnis, gebunden bin ich an dein Leben und leben mu? ich, bis ich wei?, wo das Haupt meines K?nigs ruht. Sieh zu, ob der Morgen naht, vor dem ich bebe«, rief sie der Gespielin zu. Frida sprang an die Fenster?ffnung und schob einen Zipfel der Decke zur?ck, gellend brach ein Windsto? herein, warf einen Strahl Himmelswasser in das Gemach und traf die Wange der Frauen mit kalten Schl?gen. »Keinen grauen Schein sehe ich am Himmel und keinen Klang h?re ich als das St?hnen in der Luft«, versetzte Frida und verschlo? wieder die ?ffnung mit Laden und Decke.
»Sei bedankt,« sprach Irmgard, »jetzt ist noch Zeit, fr?hlich zu sein. Wenn aber der Morgen kommt, dann werden sich die Hochzeitsg?ste sammeln, im Festkleid nahen sie und der Ring wird geschlossen, sie ziehen das Weib hinein, sie sprechen ihr die Worte vor und h?hnen sie durch die Frage, ob sie geloben will. Nein«, schrie sie. »Dann sehe ich erschreckte Gesichter und zornrot eines. Er fa?t nach dem Messer. Sto? zu!« Und das Antlitz in den H?nden bergend, klagte sie: »Armer Vater, auch dir wird es traurig sein, dein Kind zu verlieren. Denn auf einsamem Pfade fahre ich dahin, ?ber leere Heide gleite ich, durch Eisstr?me wate ich, still ist der Weg und kalt ist die Nacht zum Tor der Todesg?ttin, und um mich herum regen sich lautlos die schwarzen Schatten.«
Die Haust?r erdr?hnte und sprang auf, eine Schattengestalt drang herein, eine zweite, ein ganzer Hauf, riesig die Leiber, schwarz die H?upter und schwarz das Gewand. Entsetzen fa?te die Frauen, als sie das Nachtgreuel sahen. Aber aus dem Ring der schweigenden und gleitenden Unholde sprang einer heran. Nur ein Laut, ob ein Schrei, ob ein Seufzer, kam von Irmgards Lippen, dann sank eine dunkle Kappe ?ber ihr Haupt, mit Riesenst?rke ward sie gefa?t und hinausgetragen in die Sturmnacht. Hinter ihr warf ein anderer der Nachtgesellen die H?lle ?ber Fridas Haupt und wollte sie heben. Sie aber str?ubte sich heftig, und obgleich ihr schauderte, rief sie doch: »Freiwillig will ich gehen auf eigenem Fu?e auch unter Nachtgespenstern; hinter der B?renkappe merke ich eine r?tliche Locke, die ich kenne.« Im n?chsten Augenblick war das Gemach leer, die T?r von au?en geschlossen, durch eine gro?e L?cke der Hofmauer, welche die Nachtgesellen gebrochen, sprangen sie ins Freie. Unter Sturm und Regen schnaubten wilde Rosse und fuhren Reiter dahin. Und wieder schrien die Geister des Sturmes gellenden Racheruf und schleuderten das Wolkenwasser gegen die D?cher des Hofes, aus dem das Herrenkind geschwunden war.
Als der n?chste Tag sich neigte, schwieg der Sturm, und die Sonne f?rbte mit rotem Abendlicht die Eichen der Idisburg. Da sprengte aus dem finstern Walde, der hinter dem Holzring ragte, eine Schar Reiter dem Burgwall zu. Berthar, der selbst die Turmwache hielt, eilte an das Tor und rief, die Arme hebend, den Kommenden lauten Heilgru? entgegen. Die Rosse stoben in den Hof, zwei verh?llte Frauen wurden herabgehoben, Ingo l?ste die Kappe der ersten und Irmgards bleiches Antlitz wurde vom Sonnenlicht bestrahlt. Die Vandalen warfen sich vor ihr auf die Knie, sie fa?ten ihre Hand und den Saum des Gewandes und riefen jubelnd Heil ihrer K?nigin. Berthar aber nahte der Regungslosen ehrfurchtsvoll, fa?te ihre Hand und sprach: »Schlie?t den Ring, Blutgenossen, fleht, da? die hohen G?tter den Bund der K?nige segnen!« Und er tat die heilige Frage der Verm?hlung an Ingo, Ingberts Sohn, den K?nig der Vandalen. Darauf wandte sich der Alte, der an Vaterstelle stand, zu der Jungfrau und tat dieselbe Frage. Da ?ffneten sich ihre Lippen zum erstenmal seit der Angstnacht, aber die bebenden Worte klangen: »Ja, ich will.« Und die Vandalenfrau barg ihr Angesicht an der Brust des Mannes, der ihr lieb war.
Unter den Eichen wurde das Brautmahl ger?stet. Die Knaben trugen die Holztafeln und stellten sie auf Kreuzh?lzer, die sie gef?gt. Auch den Ehrensitz f?r den Wirt und die Wirtin hatten sie vorsorglich gezimmert und mit einer Armlehne erh?ht. »La? dir, edle Herrin, heut zum Willkommen, das wilde Mahl deiner Knaben gefallen«, bat der Alte. »Holzsch?sseln bieten wir dir statt Silber und zu dem Trunke aus dem Quell und dem Met, den die Bauern gebraut, das Fleisch eines Ebers aus deinem Walde. Sei gn?dig und hold deinem Volke.«
Und am Abend sprach Berthar vor der Eiche zu Ingo: »Wie lange ich lebe, oft war ich fr?hlich in meinem Sinn, wenn ich auch nur ein schweifender Recke bin; aber fr?hlicher als zuvor stehe ich heut vor meinem Herrn. Denn das Nest, das wir hier gebaut wie die Habichte ?ber dem Felsen, das d?nkt mich gute Arbeit f?r dich und eine andere. Und metselig will ich das Werk r?hmen, die guten Bollwerke, die tiefen Gr?ben, die schaffenden F?uste der M?nner. Mehrerlei Menschenwerk habe ich ge?bt, und ?fter habe ich zerschlagen als gebaut, aber als die trefflichste Arbeit lobe ich neben dem Sprunge in die Schlacht die Arbeit der Axt, welche auf herrenlosem Grunde ein Heimwesen schafft. Ruhe, mein K?nig, auf br?utlichem Lager; zum erstenmal, seit du ein Knabe warst, schlummerst du als Herr auf eigenem Grunde und legst den Arm einem Ehegemahl um ihren Hals. Ruhe sorglos, denn deine Knaben wachen ehrf?rchtig im Ringe um das gr?ne Brautgemach ihres Herrn. Selig war der Tag, selig sei die Nacht, und Heil bedeute eurem Leben der Einzug in den Hof.«
10. Am Quell
Einmal hatte der Sommer die Eichen auf der Idisburg in das gr?ne Laubkleid geh?llt, und einmal der Winter die ?ste kahl gefegt, aber hell flammte durch das ganze Jahr das Herdfeuer des neuen Hofes unter den B?umen. Jetzt war wieder Sommer und gute Zeit; in langer Reihe zogen die kleinen Lichtwolken am Himmel und unten um den Fu? der Laubh?gel in langer Reihe gem?chlich die Schafe und Rinder. Zwischen den Eichen erhob sich jetzt ein m?chtiger Holzbau, der Herrensaal. Wer die Stufen hinaufstieg, trat durch das Tor in die weite Halle, er sah hinten den heiligen Herd, ?ber sich das starke Balkendach, an den Seiten die erh?hte B?hne, dahinter die Eing?nge zu den Kammern des Herrn und der Hausfrau. In dem Hofraum davor standen, vom Bollwerk ?berragt, das niedrige Schlafhaus der Mannen, die St?lle und Vorratsr?ume.
Unter der Eiche, welche das Laubhaus trug, sa? Irmgard und blickte selig vor sich nieder, denn auf dem Boden lag ihr kleiner Sohn im Lindenschild seines Vaters, und Frida schaukelte ihn. Der Kleine griff mit den H?ndchen nach einer Biene, die vor ihm summte. »Weiche abw?rts, Honigtr?gerin,« scheuchte Irmgard, »und tue dem kleinen Helden kein Leid, er wei? ja noch nicht, da? du eine Waffe unter dem Pelzrock birgst. Fliege zu deinen Gespielinnen und sei flei?ig, den s??en Seim zu kochen, damit mein Held im Winter an deiner Arbeit seine Freude habe. Denn ein junger Burgherr ist er, und wir heben f?r ihn den Zehnten von allem Guten, das im wilden Walde gedeiht. Sieh, Frida, wie er die Faust ballt, und wie wild er vor sich blickt, er wird einst ein Krieger, den die M?nner f?rchten. Dort bringt ihm auch der Vater seine Jagdbeute«, rief sie freudig, hob den Kleinen aus dem Schilde und hielt ihn in die H?he, als Ingo herzutrat mit Hornbogen und Jagdspeer, einen erlegten Rehbock auf der Schulter. Der H?uptling beugte sich ?ber den Sohn und strich seinem Weibe gr??end das Lockenhaar, dann legte er das Wild am Baume nieder. »Der Schnellfu? hier kreuzte meinen Weg, als ich ?ber die Berge nach der Burgundenmark schritt. Sie ist nahe genug und man erreicht sie ohne viel Ro?spr?nge«, setzte er lachend hinzu. »Einem der Marvinge wurden in der Nacht zwei Rinder aus dem Waldgehege geraubt, wir folgten der Spur, sie f?hrte ?ber die Grenze, und unsere Boten gehen s?dw?rts, den Raub einzufordern. Doch sorge ich, es ist vergeblich, denn ungerecht sind die Grenzleute dr?ben, und wir verm?gen nicht anders zu unserer Habe zu kommen, als da? auch wir auf ihrem Grunde in die Herden fallen. ?ble Heldenarbeit ist solcher Nachtwandel eines Katers, der mausen geht; doch fordern sich‘s die gekr?nkten Bauern, und der H?uptling darf‘s nicht weigern.«
»Daf?r lachen dir die Landgenossen gr??end zu, und auch dein Weib freut sich der Ehre, die sie ihr erweisen«, tr?stete Irmgard.
»Ein gutes Weib habe ich, das um meinetwillen froh ist«, versetzte Ingo. »Dennoch f?rchte ich, da? sie nur selten noch einen S?nger h?rt, der die Taten ihres Hauswirts r?hmt. Heute nacht tr?umte mir, da? die Waffen ?ber unserem Lager klangen, und als ich auffuhr, sah ich, wie mein Schwert in der Scheide h?pfte. Wei?t du, was der Traum bedeutet, du Zeichenkundige?«
»Da? mein K?nig sich nach Ausfahrt sehnt,« versetzte Irmgard ernsthaft, »hinweg von der Mutter und dem Kinde. Eng ist der Hof und verborgen dein Hausen im Walde. Wohl sehe ich zuweilen die Wolke auf deiner Stirn und h?re Kampfesworte von den Lippen des Schlafenden, wenn ich mich ?ber dich beuge.«
»Das ist Mannesart, wie du wei?t,« versetzte Ingo, »daheim auf dem Lager die Schwertreise zu ersehnen, und wieder nach dem Kampfe die Heimkehr an den Hals der Gemahlin. Wohl m?glich, da? der Gesang meines Schwertes uns einen Strau? mit den Burgunden wahrsagt, denn ?rgerlich sind die H?ndel, und Gundomars Gesinnung wird kalt. Sieh dorthin, auch der Alte ist in einen Zimmermann gewandelt«, er wies auf Berthar, der mit Axt und gro?er Ledertasche ?ber den Hof schritt.
»An der Zugbr?cke ist ein Schaden zu heilen,« erkl?rte der Held und trat gr??end n?her, »und der H?nde sind wenige. Deine Knaben, K?nig, r?sten mit den Landleuten fr?hlich das Nachtfest der Sommermitte und bereiten die Holzst??e zu Bergfeuern.«
»Du aber wachst f?r uns alle«, sprach Irmgard.
»Vorsicht ziemt dem W?chter, welcher einen Schatz beh?tet«, versetzte Berthar und neigte sich gegen Irmgard, und bedeutsam fuhr er fort: »Gegen Norden ragt das Giebeldach dieses Saales und in den Bergen sammeln sich die argen Wetter. Nordw?rts sehe ich oft, wenn auch der Tag sonnenwarm ist wie heut. Verzeihe, Herrin, da? ich stille Sorge erwecke. Solange mein alter Gesell Isanbart atmete, hemmte er wohlgesinnt die Rachegedanken jenseit der Berge, denn Herr Answald beachtete seine Worte. Seit sie aber den H?gel ?ber ihn sch?tteten, haben die Feinde allein das Ohr des H?uptlings. Nicht das Volksgeschrei f?rchte ich noch, wohl aber heimliche Rachefahrt ?ber den Wald. Ungern sehe ich, wenn die Herrin allein in die T?ler wandelt.«
»Soll ich als eine Gefangene leben, Vater?« fragte Irmgard traurig.
»Nur die n?chste Zeit la? dir unsere Sorge gefallen. Manche Wunde vernarbt, ist doch auch die des Theodulf geheilt, und er schreitet, wie sie sagen, jetzt am Hofe des K?nigs einher.«
Vom Bollwerk klang laute Rede, der W?chter auf dem Holzger?st blies in das Horn und hing an den Ruf lustige T?ne, die gar nicht dazugeh?rten. Irmgard lachte. »Es ist ein Freund,« sprach Ingo, »der W?chter will ihm eine Ehre tun.« »Volkmar«, schrie Irmgard und eilte dem S?nger entgegen, der eilig in den Hof trat. Aber sie hielt an, als sie in das feierliche Gesicht des Wanderers blickte. »Aus der Heimat kommst du, doch ich erkenne, einen Freundesgru? bringst du nicht.«
»Von der K?nigsburg komme ich,« begann Volkmar, und in seinem Antlitz zuckte die Bewegung, als er sich vor der Herrin und dem H?uptling verneigte, »nur kurz war meine Rast in den Waldlauben. Herr Answald lie? satteln, um nach der K?nigsburg zu reiten, die F?rstin sa? unter den M?gden, still war es im Hofe, niemand fragte, wohin ich ging.« Irmgard wandte sich ab, aber im n?chsten Augenblick fa?te sie die Hand des Gemahls und sah liebevoll zu ihm auf.
»Als Bote des K?nigs kommst du,« begann Ingo, »ich hoffe, wohlmeinende Sendung trug er dir auf.«
»Verstummt sind die Lippen des K?nigs,« versetzte Volkmar, »geendet ist seine Sorge um K?nigsstuhl und Schatz, tot fand man ihn auf seinem Lager, nachdem er am Abend vorher lustig unter seinen Mannen gezecht hatte. Der Holzsto? wurde ihm gerichtet, und die Flammen loderten um seine Leibesh?lle.« Tiefes Schweigen folgte seinen Worten.
»Ein machtvoller Herr war er und ein beherzter Kriegsmann, ein besseres Ende habe ich ihm gew?nscht als unter seinen trunkenen Leibw?chtern«, begann ersch?ttert Ingo. »Wie er auch gegen andere gehandelt hat in m?rrischem Argwohn, mir war er ein Gehilfe zu meinem Gl?ck, und durch ein ganzes Jahr hat er den Andrang meiner Feinde gehemmt.«
»Den Schl?ssel zur Schatzkammer bewahrt jetzt die K?nigin f?r ihren Sohn,« fuhr der S?nger fort, »sie herrscht gewaltig in der K?nigsburg und sendet ihre Mannen in das Land. Um die Wette reiten die Edlen, an ihrem Hofe Huld zu gewinnen; schwerlich wagt jemand ihrer Herrschaft zu trotzen. Schon meint mancher, da? die Faust des toten K?nigs weniger gedr?ckt habe als die wei?en Finger der Frau Gisela. Das k?ndige ich dir, F?rst, von niemandem gesandt, du erw?ge, ob es dir Unheil bedeute.«
»Mit gleichem Ernst berichtest du Trauriges und Frohes«, antwortete Ingo l?chelnd. »War der K?nig mir nicht sch?dlich, die K?nigin kenne ich als g?tig und edelgesinnt. Jetzt erst darf ich mit leichtem Mute mich meines Gl?ckes r?hmen, soweit es an dem Willen der Nachbarn h?ngt.«
»Unsicher ist die Gunst einer herrischen Frau«, sprach der S?nger.
»Ein treuer Grenzwart war ich dem toten K?nig, warum sollte ich seinem Sohne weniger sein? Und solange Frau Gisela den Th?ringen gebietet, erwarte ich Gutes von dort. Du sprachst die K?nigin?«
»Feindlich stach der Blick der K?nigin, als sie mich in dem Haufen sah. ›Denkst du jemals wieder in meinem Hofe den M?gden deine Reigen zu spielen,‹ rief sie mir zu, ›so meide die Bergfahrt. Wenn die Elster ?ber die W?lder fliegt, rauft ihr der Habicht die Federn. Vielschwatzender Bote warst du dereinst, sorge um deine Zunge.‹ So winkte sie mir Entfernung, ich aber eilte fl?chtig durch die W?lder hierher, mich trieb die Sorge um dich und die Herrin.«
»War die Sorge auch eitel, dennoch sei bedankt f?r deine Treue. Dir hat ein Verleumder die K?nigin verfeindet. Wie sie mir gesinnt ist, habe ich in schwerer Stunde erfahren, bew?hrt ist die Freundschaft und gemeinsam der Quell unseres Blutes. Denn uns beiden walten die hohen Ahnen im G?ttersaal, als zwei Kinder eines Geschlechts stehen wir unter Fremden auf den beiden Seiten der Berge, ich der Mann, und sie das Weib.«
»Doch nicht dein Weib, Herr«, warf Berthar ein.
Ingo lachte. »Gleichwohl ist sie ein Weib, und ?bel st?nde uns M?nnern, die Laune einer Frau zu f?rchten.«
»Noch ?bler, ihrer Freundschaft zu vertrauen«, mahnte der Alte. »Als die B?rin klein war, leckte sie die Hand des Mannes, den sie sp?ter im Nacken packte.«
»Gar zu hartn?ckig ist dein Mi?trauen«, schalt Ingo gutherzig. »Aber ich will die Klugheit ?ben, die du r?tst. Wir reiten selbst in die D?rfer und laden die Alten zum Rat, ob wir eine Botschaft senden an die neue K?nigin und vorsichtig auf R?stung denken. Ist die Arbeit unn?tz, so lachen wir sp?ter der Sorge. Du, Volkmar, weile als Gast bei uns, bis du erkennst, da? Frau Gisela dir wieder hold wird; du wei?t selbst, wie lieb uns deine N?he ist.«
»Verzeih, Herr,« antwortete der S?nger ernsthaft, »wenn ich meine Fahrt nicht hemme, schneller als Sprung des Hirsches und Flug des Falken eilt der Zorn dieses Weibes. V?llig hat sie vergessen, da? sie ehedem meine Botenfahrt vor dem toten K?nig r?hmte. Meinst du vor ihr sicher zu sein, mir hoffe ich‘s nicht.«
»Wer darf dem wanderlustigen S?nger den Fu? hemmen? Mu?t du scheiden, so la? dir‘s doch gefallen bei der Herrin am Herde auszuruhen und kehre bald wieder unter unsere Eichen.«
»Ich werde die St?tte wieder aufsuchen, wo die Eichen stehen«, versetzte der S?nger, sich ?ber die gebotene Hand des H?uptlings neigend.
Ingo schritt mit Berthar zu den Rossen, Irmgard sah ihm nach. »Vieler Geheimnisse bist du kundig, Volkmar,« sprach sie leise, »aber du vermagst der angstvollen Frau doch nicht alle Gedanken zu deuten, welche durch das Haupt ihres Gemahls ziehen.«
»Die Gedanken schwirren im Haupt, wie Schwalben im Hausdach, sie fliegen aus und ein,« tr?stete der S?nger, »du aber gleichst dem Herdfeuer im Hause, welches Frieden gibt und froh macht; sorge nicht um die schw?rmenden Schatten. Doch auch dir, Herrin, nahe ich als verschwiegener Bote. Da ich aus den Waldlauben schied, trat Frau Gundrun mit mir zu dem Gehege, worin sie das Hofgefl?gel verwahrt. Sie wies auf ein Storchweibchen und sprach: ›Der Vogel entflog im Sommer dem Hofe, aber vor dem Winter kam er zur?ck und brachte sein Junges mit, jetzt f?ttern wir beide. Eine, die du kennst, schwand von hier, weil sie die Schwungfedern eines Wanderschwans erfa?t hatte, trage ihr jetzt ein anderes Reisezeichen zu.‹« Und der S?nger bot ihr das Zeichen, die Fl?gelfeder eines Storches und die Kielfeder eines jungen Vogels mit einem Faden zusammengebunden. Irmgard hielt den Gru? ihrer Mutter in der Hand und ihre Tr?nen fielen darauf: »Frau Adebar, die St?rchin, flog zum Hofe zur?ck, weil ihr ein Raubvogel den Wirt ihres Nestes zerkrallt hatte. Mir aber gebietet mein Herz, den wilden Falken zu widerstehen, welche gegen meinen Hausherrn die Fl?gel schwingen. Komm, Volkmar, da? ich dir mein armes Storchkind zeige, das jauchzend die kleinen H?nde ballt, wenn sein Vater sich ?ber sein Antlitz neigt.«
Am Nachmittag war es still auf der Ringburg. Der S?nger war geschieden, Ingo eilte mit den Hofgenossen durch die T?ler, Frau Irmgard stand an dem Quell, der unweit des Hauses unter einem Felsen hervorrieselte. Dort hatten die M?nner der Herrin einen sch?nen Steintrog gemei?elt, in dem sich das Wasser sammelte. Warm schien die Sonne, lustig pl?tscherte das k?hle Wasser und flo? aus dem Steintroge talab; ?ber die Felswand hingen von oben die ?ste eines Eschenbaumes als ein schirmendes Dach, und um den Quell standen Weiden und bargen mit ihrem grauen Bl?ttergewand die Stelle vor fremden Augen.
Irmgard hielt den kleinen Sohn ?ber den heiligen Quell. »Liebe Herrin des rinnenden Wassers,« flehte sie, »sei hold meinem Kinde, da? seine Glieder stark werden und sein Leib wohlgestaltet wie der meines Herrn.« Sie badete den Knaben, welcher ungeduldig schrie und mit den Beinchen um sich schlug, sie rieb ihm den kleinen Leib mit dem Linnentuch, h?llte ihn warm ein, legte ihn auf das Moos und sprach ihm kosend zu, bis sein Schreien endete und er die Mutter wieder anlachte. Dann erhob sie sich und legte ihr Obergewand ab, da? sie ungeg?rtet im Unterkleide stand, sie sp?lte am Wasser den Saum des durchn??ten Gewandes rein und breitete es aus, wo die Sonnenstrahlen auf den Rasenweg fielen. »Einst hatte ich Dienerinnen, welche sich zu meinem Dienst aufsch?rzten, und selten r?hrten meine H?nde an Herd und Trog, jetzt hause ich mit Frida und den Mahlm?gden allein in der Wildnis, und rauh wird die Hand, ich f?rchte, da? das meinen Herrn kr?nkt. W?re meine Hand weich wie einst, ihm w?rde manches Behagen fehlen. Wie k?nnte er leben ohne meine Hilfe an der wilden Mark?« Sie sah auf ihr Bild, welches in dem bewegten Wasser hin und her fuhr, und l?ste das Band ihrer Haare. Die langen Ringellocken sanken herab und tauchten mit den Spitzen in das Wasser, sie aber starrte in die Flut und sprach leise: »So gefiel ich ihm einst; wissen m?chte ich, ob er noch so denkt wie damals, wo er mich im Morgenlicht k??te? oder hat mich der stille Gram gewandelt um den Zorn des Vaters und die Trauer der Mutter? Ich berge doch meine Seufzer dem K?nige und winde die H?nde nur in der Einsamkeit. Ihm aber kr?nkt die einsame Ruhe den stolzen Mut, und er sehnt sich hinaus zu ruhmvollem Heldenwerk, denn hoch f?hrt sein Sinn, und er ist sein Lebelang gew?hnt, den Adlern die Walstatt zu bereiten. Jetzt birgt er sein Haupt unter dem Holzdach um meinetwillen.«
So senkte sie das Haupt ?ber den Steinrand in schweren Gedanken. Der T?rmer rief und von Tritten klang der Stein, ohne da? sie darauf achtete. Da schnaubte neben ihr ein Ro? und eine tiefe Frauenstimme rief: »Was kauert das Weib am Brunnenrand, so gierig ihr eigenes Antlitz zu beschauen, da? ihr Auge und Ohr verblendet sind.«
Irmgard fuhr auf. Vor ihr hielt hoch zu Ro? eine m?chtige Frau, von dem gelben Haar hing ein Schleier herab, ?ber die Schultern und des Rosses R?cken ein Purpurmantel, von Goldmetall blitzte die R?stung des Rosses und sein Huf stampfte auf dem Linnengewand, das Irmgard ausgebreitet hatte. Und hinter der Fremden sah sie das bleiche Antlitz Sintrams. Die hei?e R?te stieg ihr in das Antlitz, sie wu?te, wer die Fremde war, vor der sie ohne G?rtel mit entbl??tem Bein stand. Aber aus ihrem Auge flammte der Zorn wie aus dem der K?nigin. So pr?ften einander die Frauen schweigend mit feindlichen Blicken, dann schlug Irmgard ihre Haare wie einen Schleier ?ber die Brust und tauchte neben dem Brunnen nieder in das Moos, damit sie die nackten Beine berge. Sie nahm ihr Kind in den Scho? und hielt es vor sich. »Ist das Weib stumm, das sich auf den Boden duckt?« rief die K?nigin ihrem Begleiter zur?ck. »Es ist Frau Irmgard selbst, Herrin«, antwortete Sintram. »Die K?nigin ruft dich, Base Irmgard.«
Irmgard blieb unbeweglich sitzen, aber sie rief befehlend: »Wende dein Antlitz ab, Sintram, nicht ziemt es dir, die Augen auf mich zu richten, w?hrend das Ro? deiner K?nigin ?ber meinem Gewande stapft.«
»Hast du so gut gelernt, was dem Weibe geziemt im Hofe deines Vaters, aus dem du entwichen bist als Dirne eines fremden Mannes?«
»Unwahr schm?hst du, wenn du gleich eine K?nigin bist,« rief ihr Irmgard zornig entgegen, »treu lebe ich meinem verlobten Gemahl. Siehe zu, Neidvolle, ob du gleicher Ehre dich r?hmen darfst.«
Drohend erhob die K?nigin den Arm, da klangen Stimmen auf der H?he. »Hierher, Ingo,« rief Irmgard au?er sich, »hilf deinem Weibe!« Den steilen Fu?pfad an ihrer Seite sprang Ingo herab, erstaunt sah er sein Weib am Boden und vor ihr hoch zu Rosse die zornige K?nigin mit ihrem Begleiter. Er schritt bei seinem Weibe vor?ber und beugte huldigend Haupt und Knie vor Frau Gisela. »Heil der gro?en Herrin der Th?ringe,« rief er fr?hlich, »in Ehrfurcht gr??e ich dein edles Haupt, schenke deine Huld dem Hause des treuen Vetters.« Das Antlitz der K?nigin wandelte sich, da sie den Helden so froh in ehrerbietiger Haltung vor sich sah, und sie sprach g?tig: »Heil sei auch dir, mein Vetter.«
»?bt niemand der K?nigin den Hofbrauch, da? er ihr vom Rosse helfe?« rief Ingo und bot der K?nigin den Fu? und den Arm, damit sie sich herabschwinge. Frau Gisela fa?te mit der Hand in sein lockiges Haar, sich daran zu halten, und lie? sich an seinem Fu?e herab.
»Verzeih‘, Base Gisela,« fuhr Ingo fort, als die K?nigin vor ihm auf dem Boden stand, »ungeb?hrlich ist es, da? meine Hausfrau vor den Augen der K?nigin und eines fremden Mannes entbl??t sitze, leihe ihr huldvoll den Mantel, damit sie sich geziemend entferne«, und behend fa?te er ihren Mantel, da wo ihn die Spange festhielt, und zog ihn von den Schultern. Die K?nigin erblich und trat zur?ck, Ingo aber schlug den Mantel um den Leib seiner Frau und befahl, sie erhebend und auf den Weg weisend: »Verla? uns.«
Irmgard h?llte sich und den Knaben in das weite Gewand und schritt den Fu?pfad hinauf. Ingo aber wandte sich wieder zur K?nigin, er sah, wie diese nach Fassung rang, und da? Sintram vom Rosse gesprungen war und mit gezogenem Schwert herankam. Aber die K?nigin winkte und Sintram trat gehorsam zur?ck.
»Dreist war die Hand, welche der K?nigin den Mantel nahm, aber dem Manne geziemt, die Ehre seines Hauses zu wahren; du, Ingo, hast mutig gebessert, was wir im Eifer versahen, und ich z?rne dir darum nicht.« Sie winkte ihrem Begleiter zum zweitenmal, Sintram wich mit den Rossen weiter abw?rts, Ingo stand der Herrin allein gegen?ber. »So ist es gekommen wie ich begehrte,« begann Frau Gisela, »du bist vor meinen Augen, Ingo, wie einst, wo ich dich auf den Stufen der Halle empfing, und wie damals nahe ich dir gutgesinnt.« Und ernster fuhr sie fort: »Du hast Feinde in meinem Lande, welche dir Unheil sinnen, und laut schallt ihr Racheschrei in der K?nigsburg; auch meine Heimatgenossen, die Burgunden, erheben, wie ich h?re, Klage gegen dein raubendes Volk.«
»Du kennst den Brauch an den Landmarken, K?nigin, f?r den Schaden, den meine Leute durch die Fremden erfuhren, setzten sie sich selbst das Ma? der Rache. Doch wurde durch meine Genossen ein Th?ring gekr?nkt, so waren wir eilig, dem Gesch?digten S?hne zu leisten; la? auch du, K?nigin, dir den Frieden gefallen, den Ingo und seine Markleute von deiner Macht ersehnen.«
»Der Held, den ich einst kannte, hatte h?heren Stolz, als K?he der Burgunden in seine Ringburg zu treiben«, spottete die K?nigin.
»Der Mann, welcher unstet ?ber die Erde schweift, zimmert gern ein Dach, unter dem er als Wirt gebietet«, versetzte Ingo.
»Unsicher nenne ich das Hausdach,« versetzte die K?nigin, »aus welchem die Hauswirtin durch Volksgeschrei gefordert wird. Der Vater und der Br?utigam, denen du das Weib geraubt, fordern den Heereszug gegen dich, der junge K?nig bedarf die Hilfe seiner Edlen, er kann nicht weigern, die Geraubte von dir zur?ckzufordern, und nahe ist, wie ich f?rchte, dir das Verderben, denn m?hsam hielt der K?nigswille bis jetzt die zornigen M?nner zur?ck.«
»Was du drohst, K?nigin, zwingt mich, noch fester in meinem Hofe zu stehen, ist Kriegstat nahe, mir ist sie willkommen, rostig wird das Schwert, das am Herde h?ngt.«
»T?richter Mann,« rief die K?nigin n?her tretend, »ganz ahnungslos lebst du im Walde, w?hrend von allen Seiten die J?ger gegen dich ziehen. Der C?sar begann neue Kriegsfahrt gegen die Alemannen, auch dich sucht seine Rache; den Burgunden hat er B?ndnis geboten, und Gundomar hat sein Volksheer geladen.«
»Den C?sar nennst du«, rief Ingo. »Dank f?r die gute Botschaft, K?nigin! Darum klang mein Schwert, und dort naht der K?mpfer, den ich mir bei Tag und Nacht ersehne.« Seine Augen leuchteten und seine Hand fuhr nach der Waffe.
»Gut sprichst du, Held,« rief Gisela, selbst ergriffen von seiner Glut, »verlorene M?he w?re es, dich durch Gefahren zu schrecken. Die Warnung trage ich zu, denn ruhmvollere Genossenschaft wei? ich f?r dich, als unter den Bauern des Waldes und der Mark. Ingo, mein Vetter, du bist es, dem ich lieber als einem anderen Mann den jungen K?nig und mich selbst anvertraue; einen Helden begehre ich, der dem Volksheer vorschreitet in der Schlacht, und der meinen Sohn lehrt, wie man Ruhm gewinnt. Zu solcher Hoheit habe ich dich erkoren, und dich f?r die K?nigsburg zu werben bin ich hier.«
Ingo stand ?berrascht, heftig wirbelten ihm die Gedanken durch das Haupt. Vor sich sah er das sch?ne Weib in der K?nigskrone, die Hand hielt sie ihm entgegen, was die Sehnsucht und Gl?ck des stolzesten Helden war, das trug sie ihm bittend zu.
»Du warst ein Knabe,« fuhr Frau Gisela in tiefer Bewegung fort, »da legten die V?ter meine Hand in die deine, du wurdest ein Held, ger?hmt von den V?lkern, und ich ein unzufriedenes Weib in der K?nigsburg, da strichst du wieder mit deinem Finger schmeichelnd ?ber meine Hand. Was dich von der K?nigin trennte, ist seitdem auf dem Scheiterhaufen dahingelodert. Jetzt komme ich und lade mir den erlauchtesten aller Helden in diesen L?ndern. Beide flehen wir zu demselben hohen Gott, die Enkel zum Ahnen, denn aus dem Geschlecht der G?tter stammen wir beide, hoch d?rfen wir das Haupt erheben ?ber alles Volk der Menschenerde, du und ich, wir sind durch die Unsichtbaren selbst geweiht zu Herrschern des Volkes.« Als Ingo von den Lippen der anderen dieselben Worte vernahm, die er selbst gesprochen hatte, da sah er wie bet?ubt auf die Herrin, die, einer G?ttin gleich, ?ber sein Schicksal sann. – Von der H?he rauschte es, der Mantel der K?nigin fiel herab, in der Ferne verklang das leise Wimmern eines Kindes.
»Dies ist der Schmuck, der geliebten Helden geb?hrt«, rief die K?nigin und r?hrte mit der Hand seine Schulter. Ingo hob das Haupt.
»Eine leise Stimme h?re ich in meiner Not,« sagte er vor sich hin, »meinen kleinen Sohn h?re ich ?ber mich klagen, und wie ein Mann, der aus dem Traume erwacht, stehe ich vor der K?nigin. An eine bin ich gebunden, die mir teurer ist als mein Leben. Alles hat sie f?r mich verlassen, im Ringe der Blutgenossen habe ich ihr gelobt, da? ich um sie sorgen will wie ihr Vater, und mit ihr allein das Lager teilen als ihr echter Gemahl. Wie darf ich sie meiden und zur K?nigsburg ziehen?«
»Nicht weiter, Ingo,« rief Frau Gisela und ihr Antlitz flammte, »gedenke, da? du auch mir die Hand gereicht, denke jener Nacht, wo ich das Schwert des toten K?nigs gehalten. Damals, wo ich dir dein Leben bewahrte, haben die Unsichtbaren mein Schicksal an deines gebunden. Mir geh?rst du an, mir allein, und teuren Preis habe ich f?r dich gezahlt.«
»Hochherzig und als Heldin hast du dich mir erwiesen,« versetzte Ingo, »und dankbar bleibe ich dir, solange ich atme.«
»Pfui ?ber den kalten Gru?,« rief die K?nigin au?er sich, »und pfui ?ber den Helden, der mit h?flichen Worten dankbar ist, da? ein Weib sich f?r ihn mit dem Fluch der Todesg?tter belastet. Verstehst du so wenig, was ich getan, da ich dem eigenen Eheherrn das Schwert band? Die b?sen Gewalten habe ich heraufbeschworen gegen mein eigenes Leben, Argwohn und den lauernden Ha?; Galle war seitdem mein Trank und der eines anderen, verd?chtig jedes Wort und ruhelos jede Nacht. Ob ich noch ferner im Licht atmen w?rde, wenn der andere fortfuhr mit seinen wilden Knaben zu zechen, das war meine Sorge, herznagende Sorge bei Tag und Nacht.«
»Hast du Todesnot ertragen um meinetwegen,« sprach Ingo bewegt, »so rufe mich, wenn dich Gefahr bedr?ngt, und willig werde ich mit meinem Blut zahlen, was ich von deiner Last zu tragen habe.«
Die K?nigin h?rte kaum seine Worte, sie trat nahe zu ihm und fl?sterte mit heiserer Stimme: »Bist du so willig, Trauter? wohl m?glich, da? der andere nicht gestorben w?re, h?ttest du nicht in jener Nacht in meinem Gemach gestanden.«
Der Held fuhr zur?ck, seine Wange erblich, aber kalt war sein Blick, als er antwortete: »Meinst du, K?nigin, da? du meinem Herzen lieber wurdest, wenn du um meinetwillen schwere Tat auf dein Leben nahmst?«
»Was starrst du mich an, wie von Stein«, schrie Frau Gisela, sie fa?te seinen Arm und sch?ttelte ihn: »Nicht d?rfen wir zwei, du und ich, nebeneinander noch auf der M?nnererde dauern, wenn du mir nicht folgst.«
Zornig l?ste sich der Held von ihrer Hand. »Hast du durch heimliches Nachtwerk auch auf mein Haupt den Zorn der Racheg?tter gesammelt: ich bin bereit, die Bu?e zu zahlen, aber frei von dir, nicht als Knecht an dein Leben gebunden.«
Die K?nigin sah scharf in sein Angesicht, langsam hob sich ihr Arm, und die Hand ballte sich drohend. »Geworfen sind die St?be, in welche die Schicksalsfrau deine und meine Zukunft ritzte. Du hast gew?hlt, Ingo, und das Zeichen, das du gefunden, bedeutet Not.« Sie wandte sich ab, krampfig hob sich der Leib, aber tr?nenlos blieb das Auge und steinern war ihr Antlitz, als sie auf die untergehende Sonne weisend halblaut sagte: »Auf morgen.« Eilig schritt sie zu den Rossen. Ingo schleuderte den K?nigsmantel mit dem Fu?e den Berg hinab und sprang auf dem Wege, den Irmgard gegangen, seinem Hofe zu.
11. Der Wetterschlag
Durch die enge Pforte, welche vom Quell in den Burghof f?hrte, eilte Ingo zum Tor. Er fand das verschlossene mit seinen Mannen besetzt, auf dem Turmger?st rief ihm Berthar entgegen: »Sieh abw?rts, mein K?nig, dort im Tale reitet die Frau mit ihren Gesellen der Landmark zu. So fl?chtig stiebt keiner dahin, der sorglosen Mutes ist.«
»Sie schied im Zorn, Vater.«