скачать книгу бесплатно
MARINA: (Sehr verwirrt.) Es scheint, ich kann mir vorstellen, von wem die Rede ist.
DOKTOR: Ist er tats?chlich Ihr Mann?
MARINA: Nicht ganz…
DOKTOR: Nicht ganz?
MARINA: ?berhaupt nicht. Das ist mein Kollege… Genauer, sogar mein Vorgesetzter.
DOKTOR: Sagen Sie die Wahrheit?
MARINA: Ich schw?re.
DOKTOR: Und was will er so Wichtiges von Ihnen?
MARINA: Nichtigkeiten. Er ist einfach, wie soll ich Ihnen das sagen… leicht ungleichg?ltig gegen?ber mir und ziemlich eifers?chtig. Er sch?chtert alle meine Bekannten ein. Er will ewig mit mir etwas kl?ren, etwas bereden… Und dabei immer dringend.
DOKTOR: Ich verstehe.
MARINA: Also, ich gehe, das Auto holen.
DOKTOR: (H?lt sie fest.) Ich will Sie nicht weglassen.
MARINA: (Befreit sich sanft.) Ich komm? schnell zur?ck. Wirklich in einer Minute.
DOKTOR: Und fahren wieder weg.
MARINA: (K?sst ihn auf die Wange.) Um uns abends zu treffen.
Marina geht. Der Doktor l?chelt gl?cklich. Er geht zum Spiegel, besieht sich kritisch, bringt die Krawatte und die Frisur in Ordnung, nimmt aus dem Schrank ein anderes, helleres Jackett und zieht es an. Johanna tritt ein, noch entschiedener als vorher eingestellt. Der Doktor, darauf eingestellt, den Gast mit offenen Armen zu empfangen, ist unangenehm ?berrascht.
DOKTOR: Sie sind das?
JOHANNA: Wen haben Sie denn erwartet?
DOKTOR: Eine andere Frau. Die Frau Ihres Mannes. Das hei?t… Ich wollte sagen – Antons Frau. Das hei?t…
JOHANNA: Antons Frau – das bin ich.
DOKTOR: Jetzt habe ich gro?e Zweifel daran.
JOHANNA: Zum ersten Mal treffe ich einen Arzt, der sich anstatt mit Behandlung mit Ermittlung befasst. Ist die Krankengeschichte fertig?
DOKTOR: Nein. Und wenn sie es w?re, w?rde ich sie Ihnen nicht geben. Wer sind Sie eigentlich?
JOHANNA: Ich habe geahnt, dass Sie beliebige Ausfl?chte suchen werden, nur um auszuweichen, und habe f?r diesen Fall das ganze Spektrum an Dokumenten der Reihe nach vorbereitet. (Zeigt einen ordentlich gef?hrten Ordner.) Hier, mein Pass. Hier meine Heiratsurkunde mit Anton. Hier die Geburtsurkunden unserer Kinder, in denen ?brigens die Namen der Eltern aufgef?hrt sind, das hei?t meiner und der meines Mannes. Hier unser Hochzeitsbild, das hier auch, aber mit G?sten, und hier unsere Fotos mit den Kindern. Hier die Stromrechnung und andere auf unseren gemeinsamen Namen. Sind Sie jetzt zufrieden?
DOKTOR: (V?llig verbl?fft sieht er die Papiere durch und gibt sie Johanna zur?ck.) Ich… Ich… (Will zu den Tropfen greifen, stellt aber das Fl?schchen zur Seite und gie?t sich eine gro?z?gige Portion Cognac ein.) Das hei?t, Sie sind trotzdem seine Frau?
JOHANNA: Wer denn sonst, Ihrer Meinung nach etwa die Gro?mutter?
DOKTOR: Ehrlich gesagt, ich wei? nicht, was ich denken soll. (Greift wieder zum Cognac.) JOHANNA: (Im Befehlston.) Stellen Sie das Glas zur?ck! (Schiebt die Flasche energisch zur Seite.) Ich beginne, mir ernsthaft Sorgen um die Gesundheit meines Mannes zu machen.
DOKTOR: Warum?
JOHANNA: Weil sein Arzt Alkoholiker ist.
DOKTOR: Ich trinke ?berhaupt nicht.
JOHANNA: Das sehe ich.
DOKTOR: Sind Sie wirklich seine Frau?
JOHANNA: Warum verwundert Sie das so?
DOKTOR: Ich w?rde mich nicht wundern, wenn… Wenn nicht die andere Frau gewesen w?re…
JOHANNA: (Hart.) Was die andere Frau betrifft, ist das ausschlie?lich das Ergebnis des Alkohols oder die Frucht Ihrer gest?rten Wahrnehmung. Als Jurist wei? ich, dass Psychiater infolge dauernder Kontakte mit Verr?ckten nur schwer ihr seelisches Gleichgewicht bewahren. Vergessen Sie also diesen Wahn. Es war keine Frau da.
DOKTOR: Es war!
JOHANNA: (Unerbittlich.) Es war keine und kann keine gewesen sein. Sie kontrollieren sich nicht. Sie haben Probleme mit dem Ged?chtnis. Sie haben sogar vergessen, dass Sie meinen Mann schon zwei Jahre behandeln. Sie haben seine Krankengeschichte verloren. Vielleicht haben Sie sie aus Unvorsichtigkeit oder Vorsatz vom PC gel?scht. Uns bleibt nichts anderes ?brig, als sie wieder herzustellen. Dem Gesetz nach waren Sie verpflichtet, die Kranken-geschichte zu f?hren. Es wird Ihnen sehr schwerfallen, dem Gericht zu erkl?ren, warum Sie das nicht getan haben.
DOKTOR: (Nerv?s.) Welches Gericht?
JOHANNA: Das Gericht, an das ich mich wende. Ich beabsichtige, meinen Mann in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen, und Sie wissen ausgezeichnet, dass dazu eine lange und ?berzeugende Krankengschichte n?tig ist.
DOKTOR: Sie wollen den Mann in ein Irrenhaus stecken?
JOHANNA: Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise. Wenn ich jemanden in ein Irrenhaus stecken will, dann sind Sie das. Und, glauben Sie mir, das gelingt mir. Schauen Sie sich im Spiegel an, betrachten Sie Ihren wahnsinnigen Anblick, und Sie stimmen mir zu.
DOKTOR: Geben Sie zu, dass Sie es satt haben, sich um den Mann zu k?mmern, und Sie beschlossen haben, ihn loszuwerden.
JOHANNA: Erstens ist das meine Privatangelegenheit. Und zweitens, wenn es so w?re, was dann? Er hat vielleicht das Recht, seine wichtigste Verpflichtung zu vergessen, aber ich bin nicht verpflichtet, mein wichtigstes Recht zu vergessen. (Ver?chtlich.) Verstehen Sie das wenigstens, Doktor?
DOKTOR: „Verpflichtung“, „Recht“… Gleich zu sehen, dass Sie Jurist sind.
JOHANNA: Und das, dass ich Frau bin, ist nicht gleich zu sehen?
DOKTOR: Nicht gleich. Sie gleichen mehr der „Freiheitsstatue“.
JOHANNA: Von einem Arzt habe ich mehr Verst?ndnis erwartet.
DOKTOR: Was wollen Sie von mir?
JOHANNA: Bescheinigung und Krankengeschichte.
DOKTOR: Nun, gut, kommen Sie morgen, ich bereite alles vor.
JOHANNA: Bis morgen denken Sie wieder irgendeine Ausrede aus. Ich brauche es heute. Jetzt.
DOKTOR: Jetzt beginnt bei mir die Sprechstunde im Krankenhaus. Ich muss gehen.
JOHANNA: F?r lange?
DOKTOR: Etwa zwanzig Minuten.
JOHANNA: Ich werde warten.
DOKTOR: Heute schaffe ich es sowieso nicht. Eine Krankengeschichte wird nicht so schnell gefertigt, wie Sie glauben. Ich bitte Sie, kommen Sie morgen.
JOHANNA: Nein, ich gehe hier nicht weg, bevor ich die Bescheinigung nicht bekomme. (Setzt sich demonstrativ, nimmt ein medizinisches Journal und vertieft sich in dessen Lekt?re, damit zeigend, dass sie vorhat, lange zu bleiben, und es nicht gelingen wird, sie loszuwerden.)
DOKTOR: (Hoffnungslos.) Aber ich muss wirklich in die Klinik hinunter.
JOHANNA: Gehen Sie, ich halte Sie nicht auf.
DOKTOR: Und Sie?
JOHANNA: Ich gehe und gebe Anton ein Butterbrot, dann bringe ich ihn hierher, und wir werden zusammen hier sitzen, bis wir unsere Krankengeschichte bekommen.
DOKTOR: Nun, denn… Wie es Ihnen beliebt.
Der Doktor gie?t sich Cognac ein, dann, ?berlegt er es sich und nimmt das Fl?schchen mit den Tropfen, dann wendet er sich wieder dem Cognac zu, und findet einen Kompromiss: Er gie?t einige Tropfen in den Cognac, trinkt aus und geht, sich abwechselnd an Kopf und Herz fassend. Johanna begleitet ihn mit zufriedenem Blick, dann geht auch sie hinaus. Nach einiger Zeit kommen Marina und fast gleichzeitig der Mann herein.
MANN: Endlich habe ich Sie gefunden.
MARINA: Aufgesp?rt.
MANN: Ja, aufgesp?rt. Warum haben Sie vor mir verheimlicht, dass Sie verheiratet sind?
MARINA: Ich habe nichts verheimlicht.
MANN: Aber auch nie etwas davon erw?hnt.
MARINA: Meinen Sie, eine Frau sollte ununterbrochen in Zeitungen, im Radio und Fernsehen verk?nden, dass sie verheiratet ist? Oder umgekehrt, dass sie nicht verheiratet ist?
MANN: Nicht verk?nden, aber auch nicht verheimlichen.
MARINA: Ich verheimliche nichts.
MANN: Wirklich? (Und da Marina nicht antwortet, f?hrt er fort.) Sie sind eine gef?hrliche Frau.
MARINA: Danke f?r das Kompliment.
MANN: Warum sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit?
MARINA: Sind Sie hierhergekommen, um private Verh?ltnisse zu kl?ren?
MANN: Nein. Unser Thema wird viel ernster…
Johanna und Anton treten ein.
MARINA: Nun, weiter, warum h?ren Sie denn auf?
MANN: Das ist kein Gespr?ch f?r Au?enstehende.
MARINA: Gut, setzen wir es in ein paar Minuten fort.
MANN: Ein paar Minuten – einverstanden, aber nicht mehr. (Geht hinaus.)
JOHANNA: Wer war das?
MARINA: Unwichtig. Wo ist der Doktor?
JOHANNA: Er ist in die Klinik gegangen.
MARINA: Und, wie ist er?
JOHANNA: (Zufrieden.) Genau so, wie er sein soll.
MARINA: Ganz?
JOHANNA: Es scheint so.
MARINA: Ist er in die Klinik gegangen, um zu behandeln, oder sich behandeln zu lassen?
JOHANNA: Um zu behandeln.
MARINA: Ich an seiner Stelle, w?rde mich behandeln lassen.
JOHANNA: Ich sehe, er tut dir Leid.
MARINA: Und dir nicht?
JOHANNA: Mir tun wir alle Leid.
MARINA: Er ist ein sehr guter Mensch.
JOHANNA: Wir sind auch keine schlechten Leute.
MARINA: Bist du sicher?
JOHANNA: Du brauchst mich nicht mit Fragen zu l?chern. Ich schlaf? auch so n?chtelang nicht.
MARINA: (Anteilnehmend.) Du siehst nicht besonders aus.
JOHANNA: Du auch.