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Internationales Privatrecht
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BGHZ 78, 293.
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BGHZ 78, 293.
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EuGH Rs. C-523/07 ECLI:EU:C:2009:225 (Mercredi/Chaffe).
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EuGH Rs. C-523/07 ECLI:EU:C:2009:225 (Mercredi/Chaffe).
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BGHZ 78, 293; wobei in der Rechtsprechung vorrangig individuelle Detailsbewertet werden BGH FamRZ 1997, 1070; KG FamFR 2013, 952; OLG Karlsuhe NJW-RR 2015, 1415.
[52]
Vgl zu den Kriterien EuGH Rs. C-523/07 ECLI:EU:C:2009:225 (Mercredi/Chaffe): Die Sachentscheidung im Rahmen des Art. 8 Brüssel IIa-VO treffen die nationalen Fachgerichte; vgl KG FamFR 2013, 552.
[53]
BGBl. 1990 II 207.
[54]
Kommissionsvorschlag vom 30.6.2016 COM(2016) 411 final.
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BGHZ 78, 293.
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www.wikipedia.org sub: „domicile (law)“.
[57]
ZB sec. 11 New Zealand Domicile Act 1976 (Act 1976 No 17).
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Anders die romanische résidence.
[59]
Anders KG FamRZ 2002, 840, wo ein Versagen der Anknüpfungsleiter konstatiert und auf die deutsche lex fori abgestellt wird. War bei Fehlen sonstiger gemeinsamer Verbindungen der Ehegatten zu einem Staat freilich selbst der Eheschließungsort zufällig (so aber wohl nicht im Fall des KG, wo die Ehe im Heimatstaat eines der Ehegatten geschlossen wurde), so kann die engste gemeinsame Verbindung zum Gerichtsstaat bestehen: Palandt/Thorn Art. 14 EGBGB Rn 9.
[60]
KG FamRZ 2007, 1564; OLG München FamRBint 2011, 54 (ein instruktiver Fall, in dem im deutschen IPR intertemporale und im spanischen IPR intertemporale und interlokale Fragen auftreten); unzutreffend OLG Nürnberg FamRBint 2011, 46.
[61]
§ 28 östIPRG wurde zum Inkrafttreten der EU-ErbVO durch das Erbrechtsänderungsgesetz 2015, öBGBl 2015 I 87, aufgehoben.
[62]
Nicht der einzige Fall, der verdeutlicht, welche Probleme in der Praxis mit diesem Institut auftreten, ist OLG Schleswig NJW-RR 2002, 361: Scheidung einer in Dänemark geschlossenen Ehe von Argentiniern mit Wohnsitz in Deutschland, somit Verweisung aus Art. 17 Abs. 1 aF, 14 Abs. 1 auf argentinisches Recht. Das Familiengericht hatte Art. 4 Abs. 1 EGBGB übersehen und argentinisches materielles Recht angewendet. Das OLG sieht Art. 4 Abs. 1 EGBGB und knüpft im argentinischen Recht an Art. 159 Código Civil an, was einerseits eine unzutreffende Kollisionsnorm ist, da Art. 159 CC die Gültigkeit der Ehe, aber weder das Ehewirkungsstatut (Art. 162 CC), an das man wegen der internen Verweisung auf Art. 14 denken könnte, noch das im Fall maßgebliche Ehescheidungsstatut (Art. 164 CC) regelt. Überdies behandelt es die von Art. 159 CC ausgesprochene Verweisung auf dänisches Recht als Gesamtverweisung, obwohl das argentinische IPR die Gesamtverweisung nicht kennt: Staudinger/Hausmann (2013) Anh Art. 4 EGBGB Rn 659. Es folgt daher der Verweisung des dänischen Scheidungsstatuts (sic!) auf deutsches Aufenthaltsrecht und erzielt damit zufällig das richtige Ergebnis, denn bei gebotener Anwendung des Art. 164 des CC wäre es zu einer Rückverweisung auf deutsches Wohnsitzrecht gekommen.
[63]
Vormals Lei de Introdução ao Código Civil Brasileiro; geändert durch Lei 12.376 vom 30.12.2010.
[64]
Besonders verworren ist die Rechtslage, wenn Staat C ebenfalls nur nach Ermessen eine Rückverweisung annimmt, wie dies nach Art. 12.2. des spanischen Código Civil der Fall ist, jedoch anderen Ermessenskriterien (Spanien: Nachlasseinheit, England: Entscheidungsharmonie) folgt: Süß IPRax 2001, 488.
[65]
Palandt/Thorn Art. 4 EGBGB Rn 6; Kropholler IPR § 24 II 2 c; Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 95 ff; dort auch eingehend zum Streitstand Rn 93 f.
[66]
Sehr umstritten, wie hier Palandt/Thorn Art. 4 EGBGB Rn 7 („reine Verlegenheitslösung“) mit Nachweisen.
[67]
BGHZ 90, 294.
[68]
OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 06951.
[69]
V. 4.5.1971, Jayme/Hausmann Nr 100.
[70]
BGH NJW 2000, 2421: Verweisung des von Art. 25 Abs. 1 verwiesenen Erbstatuts (Ohio) auf das deutsche Recht als Recht der Belegenheit eines Grundstücks für die Entscheidung der Frage, ob die beim Erbfall bestehenden, sich auf das in der früheren DDR entzogene Grundstück beziehenden, Ansprüche des Erblassers nach dem Vermögensgesetz als beweglicher oder unbeweglicher Nachlass einzuordnen sind.
[71]
OLG München FamRZ 2011, 1006, 1008.
[72]
OLG München FamRZ 2011, 1006, 1007.
[73]
OLG Hamm FamRZ 2010, 975, 976 f.
[74]
Eingehend Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 79, 83 ff.
[75]
Zuletzt Mäsch RabelsZ 61 (1997) 285, 300 f; Bamberger/Roth/Lorenz Art. 4 EGBGB Rn 12.
[76]
Zur intertemporalen Geltung der Rom III-VO siehe Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO.
[77]
Zur Rechtsentwicklung in Bosnien und Herzegowina: Jessel-Holst FamRZ 2004, 847; Bergmann/Ferid/Henrich/Jessel-Holst Bosnien-Herzegowina.
[78]
Anders die wohl hM, die an den gewöhnlichen Aufenthalt im interlokalen Mehrrechtsstaat anknüpft: MüKoBGB/v. Hein (2015) Art. 4 EGBGB Rn 171; Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 397, 408.
[79]
Palandt/Thorn Art. 4 EGBGB Rn 13.
[80]
Rauscher IPRax 1987, 206, 208; zustimmend Staudinger/Hausmann (2013) Art. 4 EGBGB Rn 391.
[81]
Rieck/El Akrat Ausländisches Familienrecht, Ägypten, Rn 75.
[82]
Süß/Steinmetz/Huzel/García Alcázar Spanien Rn 50 ff, 158 ff; Süß/Ring/Huzel Spanien Rn 42.
[83]
Der Begriff passt nur für Delikts-, nicht aber für Bereicherungs- und GoA-Ansprüche.
[84]
In Art. 69 Abs. 3 beider Verordnungen ungenau formuliert: „nach dem“, vgl aber Abs. 1.
[85]
Kegel/Schurig § 1 VII 1 b.
[86]
BGH NJW 1990, 636: Ermittlung des Geltungswillens der neuen (Kollisions-)Norm durch Auslegung. Art. 17 Abs. 1 wolle mit Festlegung der unwandelbaren Anknüpfung auf den Antragszeitpunkt Rechtssicherheit schaffen, weshalb neues Recht nicht zurückwirke auf vor seinem Inkrafttreten rechtshängige Scheidungsanträge.
[87]
BAG IPRax 1994, 123: Anwendung von § 613a BGB gemäß Art. 30 Abs. 2 (1986) auf einen vor dem 1.9.1986 geschlossenen Arbeitsvertrag, sofern deutsches Recht das mangels Rechtswahl geltende Arbeitsvertragsstatut wäre, was das BAG in concreto letztlich verneint; ebenso BAG NZA 2005, 1117.
[88]
GBl. DDR 1975 I 748.
[89]
Im Gegensatz zur irrigen Verwendung im gesellschaftlichen Sprachgebrauch in Deutschland (richtig: „Staatsangehörigkeit“) lautet der österreichische Rechtsbegriff tatsächlich „Staatsbürgerschaft“ (§ 2 Nr 2 StbG Österreich). Ebenso in der früheren DDR (§ 1 aF StbG DDR).
[90]
Dazu LG Würzburg StAZ 1959, 15; Henrich StAZ 2016, 1, 2.
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 4 Qualifikation
§ 4 Qualifikation
Inhaltsverzeichnis
A. Ursache: Kollidierende Systembegriffe
B. Methoden der Qualifikation
C. Lösungen der Einzelprobleme
D. Abgrenzung: Handeln unter „falschem Recht“
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 4 Qualifikation › A. Ursache: Kollidierende Systembegriffe
A. Ursache: Kollidierende Systembegriffe
443
Qualifikation bedeutet Einordnung eines gegebenen Sachverhalts in Systembegriffe einer Rechtsordnung. Sachverhalt kann hierbei ein rechtlich noch nicht eingegrenzter Lebenssachverhalt sein; häufig ist es aber bereits eine konkrete Rechtsfrage, für die ein anwendbares Recht zu ermitteln ist.
444
Da bei der Anknüpfung im IPR häufig mehr als eine Rechtsordnung berührt ist, treffen unterschiedliche Systeme von rechtlichen Begriffen im selben Sachverhalt aufeinander. Das macht die Einordnung des Sachverhalts an verschiedenen Stellen der Prüfung erforderlich und führt zu Konflikten, die sich aus der unterschiedlichen Einordnung desselben Sachverhaltes in verschiedenen Normsystemen ergeben.
Betrachtet man bildlich das IPR als einen Schrank mit vielen Schubladen, die nach den Verweisungsnormen des IPR etikettiert sind, so müssten im Idealfall alle Normen, auf die der deutsche Rechtsanwender in Auslandsfällen stoßen kann, in eine (und nur in eine) dieser Schubladen einsortiert werden können. Das betrifft materielle deutsche und ausländische Normen sowie ausländische Kollisionsregeln. Das Bild hilft, das verbreitete Phänomen des „Weiterblätterns“ im fremden Gesetz zu vermeiden: Beruft das IPR eine Rechtsordnung als Erbstatut, so bezieht sich dies nur auf die Normen aus der Schublade mit dem Etikett „Erbrecht“; Normen aus anderen Schubladen dieser Rechtsordnung sind nicht berufen, auch wenn man beim Blättern im Gesetz versucht ist, sie heranzuziehen. Ist eine andere Rechtsordnung „Ehegüterstatut“, so ist nur deren Schublade mit dem Etikett „Ehegüterrecht“ zu verwenden. Bildlich liegen damit die anwendbaren Normen verschiedener berufener Rechtsordnungen auf dem Arbeitstisch des Rechtsanwenders.
I. Aufspaltung eines deutschen materiellen Systembegriffs im deutschen IPR
445
1. Das erste Qualifikationsproblem tritt zwischen den Systembegriffen des deutschen IPR und des deutschen materiellen Rechts auf. Anknüpfungsnormen des IPR sind auf der Tatbestandsseite nach Systembegriffen geordnet, die sich häufig an der Systematik des eigenen materiellen Rechts orientieren.
Diese Bindung ist traditionell so stark, dass trotz der bedeutenden rechtsvergleichenden Vorarbeiten, die heute regelmäßig ein Reformvorhaben begleiten, häufig für Rechtsinstitute, die im materiellen Recht beseitigt werden, sogleich auch im IPR die entsprechende Kollisionsnorm entfernt wird. ZB beseitigte das KindRG 1998 zusammen mit der materiellen Aufgabe der Unterscheidung von ehelichen und nichtehelichen Kindern auch das Legitimationsstatut, obwohl damals noch viele Rechtsordnungen eine Legitimation kannten. In Europa sind Statusunterschiede inzwischen selten (Rn 458, 1020).
446
2. Dennoch sind das deutsche IPR und das deutsche materielle Recht nicht deckungsgleich. Zum Teil wird für einzelne Fragen, die im materiellen Recht einer Systemgruppe zugeordnet sind, im IPR eine eigenständige Anknüpfung gewählt.
Das internationale Namensrecht ist in Art. 10 umfassend und eigenständig geregelt, während das materielle Recht den Ehenamen als allgemeine Ehewirkung (§ 1355 BGB), den Kindesnamen als Frage des Rechtsverhältnisses von Eltern und Kind behandelt (§§ 1616-1618 BGB).
447
3. In diesem Fall ist die Qualifikation unproblematisch: Das IPR bestimmt die maßgebliche Kollisionsnorm; wenn es für Teilfragen eines materiellen Systembegriffs spezielle Kollisionsregeln enthält, so sind diese anzuwenden.
II. Zwischen zwei deutschen Systembegriffen stehende materielle Norm
448
1. Das zweite Qualifikationsproblem tritt ebenfalls zwischen den Systembegriffen des deutschen materiellen Rechts und des deutschen IPR auf: Eine Bestimmung ist im materiellen Recht tatbestandlich einem Systembegriff zugeordnet, berührt jedoch in der Rechtsfolge einen anderen Systembegriff. Im IPR ist deshalb zu klären, welchem der beiden Systembegriffe die Bestimmung angehört.
§ 1371 Abs. 1 BGB regelt den Zugewinnausgleich bei Beendigung der Ehe durch Tod (ehegüterrechtlicher Tatbestand) durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel (erbrechtliche Rechtsfolge).
449
2. Im materiellen Recht kann die Frage unbeantwortet bleiben, zu welchem Systembegriff das Rechtsinstitut materiell gehört, da unabhängig von dieser Einordnung die Regelung in Inlandsfällen jedenfalls Anwendung findet. Im IPR wird die Qualifikation des Rechtsinstituts entscheidungserheblich, weil die verschiedenen Systembegriffe unabhängigen Verweisungen in unterschiedliche Rechtsordnungen unterliegen und deshalb von der Qualifikation die Anwendung der Norm abhängt.
Haben seit der Eheschließung in Deutschland lebende Ehegatten verschiedene ausländische Staatsangehörigkeiten, so ist Ehegüterstatut deutsches Recht (Art. 14 Abs. 1 Nr 2), Erbstatut aber – vorbehaltlich Rückverweisung – das jeweilige Heimatrecht (Art. 25 Abs. 1 aF, Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO) oder Aufenthaltsrecht (Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO). § 1371 Abs. 1 BGB findet dann bei Tod eines Ehegatten nur Anwendung, wenn es sich um eine ehegüterrechtliche Norm handelt, weil nur das Ehegüterstatut deutsches Recht ist.
450
3. Diese Frage löst sich nicht von selbst; die beiden Kollisionsnormen stehen nicht in einem Verhältnis der Spezialität; keine der Normen lässt erkennen, ob sie das im materiellen Recht ambivalente Rechtsinstitut umfasst. Klar ist jedoch auch bei diesem Problem, dass es intern im deutschen Recht zu lösen ist.
III. Systemunterschiede zwischen deutschem und ausländischem Recht
451
1. Das dritte Qualifikationsproblem tritt erst in Erscheinung, wenn die Verweisung des deutschen IPR in eine fremde Rechtsordnung geführt hat; es wird verursacht durch Systemunterschiede zwischen dem deutschen Recht und dem fremden materiellen Recht: Ausgehend von der Einordnung des Sachverhalts – meist in Gestalt einer Rechtsfrage – in die deutschen Systembegriffe trifft man auf eine Rechtsordnung, die unter diesem Systembegriff keine Lösung des Problems bereithält, weil sie das Problem einem anderen Systembegriff zuordnet.
452
Viel erörterte Beispiele sind die Qualifikation der Verjährung und des Erbrechts des Staates. Aus deutscher Sicht ist Verjährung ein Institut des materiellen Rechts und unterliegt daher dem Statut, das die jeweilige Forderung beherrscht (Vertragsstatut, Erbstatut etc). Im Common Law-Rechtskreis wird Verjährung als Klageverjährung verstanden und daher prozessrechtlich qualifiziert. Entscheidet ein deutsches Gericht (Prozessrecht unterliegt der lex fori, dem Recht des Gerichts) über eine englischem Recht unterstehende Forderung, so fehlt es sowohl im Prozessstatut als auch im Forderungsstatut an einer Verjährungsregel; ist die Forderung dann unverjährbar?
453
Das Erbrecht des Staates bei Fehlen privater Erben ist aus deutscher Sicht ein echtes Erbrecht, wird also erbrechtlich qualifiziert. Andere Rechtsordnungen sehen ein – aus ordnungspolitischen Gründen bestehendes – sachenrechtliches Aneignungsrecht des Staates an im Land befindlichen erbenlosen Nachlässen vor. Verstirbt ein Ausländer mit einem solchen Erbstatut in Deutschland ohne private Erben, so fehlt es im Erbstatut an einer Regelung. Das Sachenrechtsstatut (deutsches Recht für hier belegenen Nachlass) enthält ebenfalls keine Bestimmung. Kann sich jedermann den erbenlosen Nachlass nehmen? Welcher Staat kann den erbenlosen Nachlass eines Deutschen beanspruchen, den nach deutschem Erbstatut ein deutscher Fiskus erbt (§ 1936 BGB), wenn er nach dem Recht des Belegenheitsstaates dort einem Aneignungsrecht unterliegt?
454
Nicht hierhin gehört die Abgrenzung von erbrechtlicher und ehegüterrechtlicher Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Nachlass. Zwar wird die Nachlassbeteiligung in manchen Rechtsordnungen nur im Ehegüterrecht vorgenommen (im französischen Recht bei Zusammentreffen mit Kindern nur Nießbrauch für den Ehegatten), in anderen nur im Erbrecht (zB, inzwischen mit Abweichungen, im traditionellen Common Law), in vielen Rechtsordnungen teils im Erbrecht, teils im Ehegüterrecht (zB §§ 1371 Abs. 1 und 1931 ff BGB). Dabei stimmt die Qualifikation als güterrechtlich oder erbrechtlich jedoch durchaus mit der deutschen Einordnung überein; es ist also nicht fraglich, ob eine Bestimmung erbrechtlicher oder güterrechtlicher Natur ist. Allerdings können sich ungerechte Lösungen ergeben, wenn das Erbstatut und das Güterstatut den Ehegatten nicht – oder jeweils zu reichlich – bedenkt. Dann muss durch Anpassung (Angleichung) (dazu Rn 562 ff) zusammengefügt werden, was nicht aufeinander abgestimmt ist.
455
2. Weil dieses Qualifikationsproblem neben der deutschen wenigstens eine ausländische Rechtsordnung berührt, sind hier die Lösungsansätze vielfältiger; es kommt in Betracht, die fremde Qualifikation zu berücksichtigen.
IV. Unbekannte Rechtsinstitute eines ausländischen Rechts
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1. Das vierte Qualifikationsproblem lässt sich als das Spiegelbild des dritten Qualifikationsproblems verstehen: Geriet dort der deutsche Rechtsanwender auf der Suche nach der Lösung einer Rechtsfrage (zB erbenloser Nachlass, Verjährung) in Statuten, die keine oder zwei nicht kumulierbare Lösungen vorsahen, so steht er nun vor einem rechtlich relevanten Sachverhalt, der sich nach den Regeln einer anderen Rechtsordnung abgespielt hat, für den es aber im deutschen Recht – und damit oft auch im deutschen IPR – kein Äquivalent gibt.
457
Das in vielen interreligiös gespaltenen Rechtsordnungen auf Muslime anwendbare islamische Recht kennt den mahr (Morgengabe), der bei Eheschließung vertraglich vereinbart wird. Wird eine in einem solchen Rechtskreis geschlossene Ehe geschieden und vor einem deutschen Gericht Verurteilung zur Zahlung des damals vereinbarten mahr begehrt, so muss eine Anknüpfung für dieses dem deutschen Recht unbekannte Rechtsinstitut gefunden werden.
458
Seit 1.7.1998 kennt das deutsche Recht (im Familienrecht und im IPR) die Legitimation nicht mehr, weil nicht mehr zwischen Ehelichkeit und Nichtehelichkeit der Abstammung unterschieden wird. Die Legitimation als Übergang von einem nichtehelichen zu einem ehelichen Status kann jedoch weiterhin als Vorfrage eine Rolle spielen, wenn eine Bestimmung in einer anwendbaren ausländische Rechtsordnung die eheliche Abstammung voraussetzt, das Kind außerhalb der Ehe der Mutter geboren wurde und die Eltern später die Ehe schließen. ZB wird die Staatsangehörigkeit von Malta bei Abstammung von einem maltesischen Vater nur erworben, wenn das Kind ehelich ist (Art. 5, 17 Abs. 1 lit. a Maltese Citizenship Act).[1]
459
Das italienische Recht kennt außer der Ehescheidung auch eine Ehetrennung, die vom Gericht ausgesprochen oder bestätigt werden kann (Art. 150 cc); diese Trennung hat auch Bedeutung als Voraussetzung für die Ehescheidung (Art. 3 Legge 898/1970).[2] Beantragt ein in Deutschland lebender Italiener vor einem deutschen Familiengericht eine solche separazione giudiziale (gerichtliche Ehetrennung bei Fortbestand des Ehebandes) von seiner italienischen Ehegattin, so bedarf es der Qualifikation dieses Rechtsinstituts unter einen der im deutschen IPR vorhandenen Systembegriffe.
460
2. Auch für diese Frage kommt eine Qualifikation aus Sicht des deutschen Rechts oder der anderen betroffenen Rechtsordnung in Betracht. Sie unterscheidet sich von der dritten Frage insoweit, als der Sachverhalt – rein tatsächlich – bereits von Anfang an mit einer Rechtsordnung verbunden war, die sich die Beteiligten, gleichviel ob seinerzeit kollisionsrechtlich korrekt oder in laienhafter Anknüpfung, zum Vorbild genommen haben.
V. Gesamtverweisung: Systemunterschiede im deutschen und im fremden IPR
461
1. Das fünfte Qualifikationsproblem tritt auf, wenn das deutsche IPR eine Rechtsfrage oder einen Lebenssachverhalt anders qualifiziert als das verwiesene IPR: Aufgrund der eigenen Qualifikation wird die Rechtsfrage als einem bestimmten Systembegriff zugehörig behandelt; die dafür vorgesehene Verweisung führt als Gesamtverweisung in das Recht eines Staates, aus dessen Sicht das zu entscheidende Problem einem anderen Systembegriff angehört. Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn das deutsche IPR ausnahmsweise eine unselbständige Anknüpfung einer Vorfrage in einer ausländischen Norm vorsieht, weil auch in diesem Fall dem ausländischen Recht und seinem IPR die Anknüpfung übergeben wird.
462
Eine Italienerin heiratet in Deutschland einen Deutschen; für die Frage, wie die Ehefrau nach Eheschließung heißt, verweist Art. 10 Abs. 1 in ihr italienisches Heimatrecht. Das italienische IPRG behandelt den Namenserwerb durch Eheschließung jedoch nicht als Frage des Namensstatuts, sondern als Frage des Ehewirkungsstatuts (Art. 24 Abs. 1 Hs. 2 italIPRG). Wendet der deutsche Standesbeamte die italienische namenskollisionsrechtliche Norm an oder bestimmt er das Ehewirkungsstatut – aus deutscher oder aus italienischer Sicht?
463
Schadensersatzansprüche wegen Verlöbnisbruch werden im deutschen IPR familienrechtlich analog Art. 13 Abs. 1 qualifiziert, wobei strittig ist, welche der beiden von Art. 13 Abs. 1 berufenen Rechtsordnungen bei Verlobten unterschiedlicher Staatsangehörigkeit entscheidet. Das französische Recht ordnet Verlöbnisbruchansprüche deliktisch ein, knüpft also an den Ort der Deliktsbegehung an.
464
2. Die Antwort auf diese Qualifikationsfrage liegt aus ähnlichen Gründen wie jene auf die erste Frage (oben Rn 445) geradezu auf der Hand und ist unstrittig: Durch die Gesamtverweisung hat das deutsche IPR die Frage an das fremde IPR übergeben; Ziel der Gesamtverweisung ist die Entscheidungsharmonie, die nur dadurch erreichbar ist, dass die Kollisionsnorm Anwendung findet, die nach dem fremden Recht anwendbar ist.
465
Der deutsche Standesbeamte folgt also bei der Bestimmung des Namensstatuts der italienischen Qualifikation und bestimmt das – aus italienischer Sicht – maßgebliche Ehewirkungsstatut.
Eine Rück- oder Weiterverweisung des französischen Deliktskollisionsrechts ist für die Verlöbnisansprüche beachtlich; das kann freilich sodann zu einem Problem des dritten Typs führen, wenn die letztlich anwendbare Rechtsordnung keine deliktischen, aber familienrechtliche Ansprüche bereithält.
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 4 Qualifikation › B. Methoden der Qualifikation
I. Rechtsvergleichende Systembegriffe
466
1. Eine nur in der idealisierten Welt der Theorie existierende Methode der Qualifikation will alle Qualifikationsprobleme dadurch hinfällig machen, dass mit der Methode der Rechtsvergleichung ein einheitlich abgrenzendes System geschaffen wird, das in allen Qualifikationsfragen die nationalen Systeme ablöst und deshalb keine Systemunterschiede mehr produziert (diese These geht auf Ernst Rabel[3] zurück). Dieses Ziel ist als Ganzes gesehen unerreichbar, weil nicht nur die Fülle der Rechtsinstitute entgegensteht, sondern diese auch innerhalb der jeweiligen Rechtsordnung in Funktionszusammenhängen stehen, aus denen sie nicht ohne weiteres herausgelöst werden können. Die Normen haben aus rechtsvergleichender Sicht in verschiedenen Fällen unterschiedliche Funktionen.