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Satan und Ischariot II
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Satan und Ischariot II

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»Des mittel – – ländischen? Was wollt Ihr damit sagen?«

»Daß Ihr Euren Bruder aus dem Oriente holen müßtet, wenn er Euch helfen oder sich überhaupt an mir rächen sollte. Doch fällt mir dabei ein, daß es gar nicht nötig ist, daß Ihr ihn selbst holt. Euer Jonathan will ja nach dem Oriente; dem könnt Ihr den Auftrag mitgeben.«

»Jonathan – nach dem Oriente? Es träumt Euch wohl?«

»Möglich! Nebenbei träume ich auch noch von einem gewissen Small Hunter, welcher sich mit türkischer und arabischer Grammatik beschäftigt und in naher Zeit mit einigen Checks seines geizigen Vaters über den Ocean dampfen will. Vielleicht findet sich der junge Master mit Eurem Neffen zusammen. Solche Zufälle sind ja nicht nur möglich, sondern kommen wirklich vor.«

Da gab es ihm einen Ruck, als ob er völlig aufspringen wolle, woran ihn aber die Fesseln hinderten; dann spuckte er mich wieder an und schrie, im höchsten Grade erbost:

»In dir stecken mehr als hundert Teufel. Mag dich die Hölle verschlingen!«

Dann warf er sich wieder nieder und drehte sich auf die Seite, um mich nicht ferner sehen zu müssen. Ich kehrte an meinen Platz zurück.

Wir waren von Almaden bis zu der Stelle, an welcher wir lagen, zwar länger unterwegs gewesen, doch nur infolge davon, daß wir uns erst südwärts gewendet hatten; wir befanden uns in Wahrheit jetzt nur eine Wegstunde von dem Lager der Yumas entfernt. Ich nahm an, daß der Mimbrenjo mit seinem guten Pferde nur eine Viertelstunde gebraucht hatte, um die Strecke zurückzulegen; eine halbe Stunde rechnete ich auf seine Besprechungen dort; er konnte also nach Verlauf einer Stunde wieder zurück sein, wenn er den Yumas voranritt, denn zu führen brauchte er sie nicht, da sie infolge seiner Fährte uns leicht finden konnten. Sie hatten keine Pferde bei sich und mußten also gehen; darum konnten sie nicht eher als sieben Viertelstunden nach dem Aufbruche des Mimbrenjo bei uns sein.

Die Stunde verging, ohne daß dieser sich sehen ließ; ich glaubte infolgedessen, daß er nicht eher kommen werde, sondern als Führer bei ihnen geblieben sei, hatte mich in Beziehung auf die Zeit auch nicht verrechnet, denn als nicht viel mehr an der zweiten Stunde fehlte, sahen wir fünf oder sechs Fußgänger von Norden her auf uns zukommen. Es waren die Indianer; aber der Mimbrenjo befand sich nicht bei ihnen. Warum kam er nicht? Wo war er geblieben? Ich war wirklich gespannt, dies zu erfahren.

Es war augenscheinlich, daß sie der Spur folgten, welche er bei seinem Hinritte verursacht hatte, denn sie gingen in gebückter Haltung und hielten die Augen zu Boden gerichtet. Als sie nahe genug gekommen waren, richtete sich die »listige Schlange« auf, und ich tat ebenso; da sahen sie uns und kamen nun schneller herbei. Sie waren bewaffnet, ganz gegen den Befehl ihres Häuptlings, legten aber in einer Entfernung von vielleicht zweihundert Schritten ihre Messer, Bogen, Pfeile und Lanzen nieder und kamen dann vollends heran. Sie hatten die Waffen doch mitgenommen, aber nicht aus Hinterlist, sondern weil sie unterwegs infolge irgend eines Umstandes in die Lage kommen konnten, dieselben zu brauchen.

Sie taten so, als ob sie nicht sähen, daß der »listigen Schlange« die Hände gebunden waren; sie wollten ihn möglichst wenig in Verlegenheit bringen, betrachteten mich mit großen, achtungsvollen Blicken, die keine Spur von zudringlicher Neugierde besaßen, und nahmen die Gruppe der Deutschen kurz in Augenschein; aber Melton schienen sie gar nicht zu sehen. Letzteres war ein gutes Zeichen für mich. Da sie ihn mit solcher Verachtung straften, durfte ich annehmen, daß der Mimbrenjo sich seines Auftrages in bester Weise entledigt habe und daß sie von der Schuld und Treulosigkeit Meltons überzeugt worden seien. Vor allem andern mußte ich erfahren, warum der Indianerknabe nicht mitgekommen war. Darum nahm ich, um dem Häuptlinge zunächst mein Vertrauen zu zeigen, ihm die Fesseln ab und sagte dabei:

»Mein roter Bruder soll der Beratung als freier Mann beiwohnen; sie kann sofort beginnen, nachdem ich erfahren habe, weshalb mein Bote, der junge Mimbrenjo, nicht mitgekommen ist.«

Einer der Yumas übernahm als ältester von ihnen die Antwort:

»Er ist nach Westen geritten, um Weller getrieben zu bringen.«

»Weller?« fragte ich. »Das ist eine große Unvorsichtigkeit, denn der war uns sicher; er mußte ihn mir überlassen.«

»Old Shatterhand ist ein berühmter Krieger; meine Taten aber sind klein; er mag verzeihen, daß ich nicht seiner Meinung bin. Weller stand im Begriff, für immer zu entkommen.«

»Wieso? Da er auf Kundschaft gegangen ist und also wiederkehren wird, muß er uns gerade in die Arme laufen.«

»Nun nicht mehr, denn er kehrte zurück, als der Mimbrenjo seine Botschaft ausgerichtet hatte.«

»Das ist freilich etwas anderes. Ihr habt ihm gesagt, um was es sich handelt?«

»Ja, denn er fragte, was der Mimbrenjo bei uns wolle.«

»Wie nahm er die Kunde auf?«

»Erst war er so erschrocken, daß er kaum sprechen konnte; dann wütete er vor Grimm und forderte uns auf, gegen Old Shatterhand und seine Bleichgesichter aufzubrechen. Das taten wir nicht, da »listige Schlange« uns benachrichtigt hatte, daß Friede geschlossen werden solle. Wir konnten nicht tun, was Weller wollte, weil wir unserm Häuptlinge zu gehorchen hatten.«

»Warum habt ihr ihn nicht festgehalten?«

»Durften wir das? Er ist jetzt noch unser Freund und Bruder; der Vertrag, welchen wir abgeschlossen haben, ist noch nicht zerrissen, und der Friede mit dir muß erst geschlossen werden. Darum konnten wir ihn nicht halten; wir hinderten aber auch den Mimbrenjo nicht, ihm nachzureiten.«

»War das Pferd, welches Weller ritt, ein gutes?«

»Ja; aber es hat durch die Wüste gemußt, war ermüdet und hatte Durst.«

»So wird der Mimbrenjo ihn sehr rasch einholen; es wird zwischen ihnen zum Kampfe kommen, was ich gern verhindern möchte und doch nicht verhindern kann. Ich kann aber auch nicht eher von hier fort, als bis ich mit euch abgeschlossen habe.«

Da antwortete der Häuptling:

»Wenn Old Shatterhand fort will, um dem Mimbrenjo zu helfen, so mag er getrost fortreiten. Er braucht nicht zu besorgen, daß wir eine Untreue begehen. Seine Bleichgesichter mögen die Waffen meiner Krieger an sich nehmen und uns bis zu seiner Rückkehr als ihre Gefangenen betrachten.«

Das war immerhin soviel, wie ich nur verlangen konnte, dennoch ging ich nicht darauf ein, sondern entschied:

»lch bleibe noch hier. Wenn wir uns beeilen, werde ich wohl noch zur rechten Zeit kommen.«

»Da muß ich meinen weißen Bruder darauf aufmerksam machen, daß man alles andere eher als eine Beratung oder gar einen Friedensschluß beeilen darf. Es gibt da vieles zu überlegen und zu besprechen, und wenn man das zu schnell tut, kann später leicht eine falsche Auslegung vorkommen. Also ist es besser, mein Bruder reitet fort und wir beraten uns, wenn er zurückgekehrt ist.«

Da fiel der vorige Sprecher ein:

»Er wird bleiben können, denn ehe der Mimbrenjo fortritt, hat er gesagt, daß er Weller getrieben bringen will, nicht aber, daß er zu kämpfen beabsichtigt. Er ist noch jung, aber er hat ein ausgezeichnetes Pferd und scheint an Verstand und Ueberlegung älter als an Jahren zu sein.«

Als ob sich die Wahrheit dieser Worte im Augenblicke bestätigen sollte, ertönte, als sie gesprochen worden waren, ein Schuß, und im Westen wurde ein Reiter sicht- sichtbar, welcher gerade südlicher Linie zu reiten schien. Bald bemerkten wir aber, daß die Linie doch keine gerade war, denn er lenkte bald nach dieser, bald nach jener Seite ab und näherte sich uns dabei immer mehr. Es war klar, daß er vor jemandem floh, der ihn uns zutreiben wollte.

Bald erblickten wir auch den zweiten. Er war kleiner als dieser erstere und hatte ein weit schnelleres Pferd. Wir hatten also Weller und den Mimbrenjo vor uns. Der erstere gab von Zeit zu Zeit, wenn er wieder geladen hatte, einen Schuß auf den Roten zurück, doch ohne zu treffen, und der letztere schoß auch hier und da, um Weller abzuhalten, rechts oder links auszubrechen. Auch seine Kugeln trafen nicht, obwohl er sich innerhalb Treffweite von dem Weißen befand. Daß keiner von ihnen traf, hatte seine guten Gründe. Der Mimbrenjo schoß mit Absicht daneben; er wollte Weller nicht töten, sondern ihn in unsere Hände treiben. Und daß dieser fehlschoß, hatte seinen Grund, wie sich später herausstellte, darin, daß er falsche Patronen eingesteckt hatte.

Ich mußte dem Mimbrenjo seine Aufgabe erleichtern, stieg deshalb in den Sattel und ritt den beiden entgegen. Als Weller das sah, strengte er sein Pferd aufs äußerste an, um südwärts zu entkommen, doch nach noch nicht zwei Minuten hatte ich ihn nicht nur eingeholt, sondern war über ihn hinaus, hielt mein Pferd an, nahm das Gewehr an die Wange und rief ihm zu:

»Herab vom Pferde, Master Weller, sonst wirft Euch meine Kugel herunter!«

Er ließ ein grimmiges Lachen hören, warf sein Pferd auf die andere Seite, um nach dort zu fliehen, und legte dabei sein Gewehr an, um mir eine Kugel zu geben. Der Mensch konnte bei der Bewegung, welche er machte, unmöglich sicher zielen; ich brauchte also, um nicht getroffen zu werden, nur ganz ruhig da sitzen zu bleiben, wohin seine Kugel bestimmt war. Sein Schuß krachte, aber von seiner Kugel fühlte ich nichts.

Er hatte sich verrechnet, denn als er gewendet hatte, sah er den Mimbrenjo vor sich, welcher sein Pferd auch angehalten hatte und ihm das Gewehr entgegenhielt. Der auf diese Weise zwischen zwei Feuer Genommene sah nun nur noch einen Ausweg vor sich, nämlich die Richtung, in welcher ihn der Mimbrenjo hatte haben wollen – nach unserm Platze zu. Er schlug dieselbe ein und spornte sein Pferd so an, daß wir es stöhnen hörten. Meine Landsleute trugen keine solche Waffen, mit denen sie ihn hätten anhalten können; der Mimbrenjo hielt weit zurück; ich war also auf mich angewiesen und folgte ihm. Ich hätte das Pferd leicht unter ihm wegschießen können, wollte das aber nicht. Warum ein unschuldiges Tier eines solchen Schurken wegen töten! Ich hätte auch ihm eine Kugel geben, ihn wenigstens durch eine Wunde aus dem Sattel werfen können, wollte ihn aber gern lebendig und unverletzt ergreifen. Auch erschien es mir nichts weniger als wacker, ihn, den abgehetzten Menschen, der mit meinen überlegenen Hilfsmitteln zu kämpfen hatte, durch eine Kugel zu bezwingen. Ich nahm mir also vor, ihn mit der Hand festzunehmen.

Er besaß einen Doppelläufer, dessen einer Lauf leergeschossen war; anstatt wieder zu laden, verließ er sich auf den zweiten Lauf. Ich jagte hinter ihm her, doch nicht gerade auf ihn zu. Ehe ich ihm so nahe kam, daß ich ihn packen konnte, mußte erst die Kugel aus seinem zweiten Laufe. Darum rief ich ihm abermals zu:

»Haltet an, Master, sonst schieße ich!«

Er ließ sich durch die Drohung verleiten, drehte sich um und schoß. Ich sah den Lauf genau auf meinen Oberkörper gehalten; der Schuß war dieses Mal nicht ins Blaue gerichtet; darum warf ich mich augenblicklich nach Indianerart auf die Seite des Pferdes herab, richtete mich, als die Kugel über mir weggeflogen war, wieder auf und jagte auf ihn zu. Da er nun keine Zeit zum Wiederladen hatte, warf er die jetzt nutzlose Flinte weg und zog den Revolver aus dem Gürtel. An diesen hatte ich nicht gedacht. Es wäre die allergrößte Albernheit gewesen, ihn trotz seines Revolvers noch packen zu wollen. Darum gebot ich ihm:

»Weg mit dem Revolver, sonst schieße ich nun wirklich!«

Er gehorchte nicht, sondern wartete nur, daß ich noch ein wenig näher kommen möchte, um sicherer treffen zu können. Mein Pferd galoppierte eben, dennoch stellte ich mich in den Bügeln auf, um einem etwaigen Stoße zu begegnen und sicherer zielen zu können, legte den Stutzen an und drückte ab. Weller stieß einen Schrei aus, ließ den Revolver fallen und den Arm sinken. Einige Sekunden später war ich an seiner Seite, warf den Stutzen auf den Rücken und streckte beide Arme nach ihm aus, indem ich mich zu ihm hinüberbog.

»Herunter mit Euch!« rief ich ihm dabei zu. »Und wenn Ihr nicht freiwillig wollt, so werfe ich Euch herab!«

Ich faßte ihn, um ihn aus dem Sattel zu reißen. Da zog er mit der Linken einen zweiten Revolver hervor und antwortete hohnlachend:

»Das geht nicht so schnell, Master Shatterhand. Ihr habt nicht mich, sondern ich habe Euch!«

Er wollte abdrücken, kam aber nicht dazu, denn ich hieb ihm mit der linken Hand die Waffe aus der seinigen und schlug ihm die rechte Faust von unten her gegen das Kinn, daß ihm der Kopf in den Nacken flog. Zwei schnelle Griffe in meine und seine Zügel – die Pferde standen; sofort war ich aus dem Sattel und riß auch ihn herunter. Er fiel wie ein Sack zur Erde und blieb da liegen. Seine Augen waren geschlossen; aus dem halbgeöffneten Munde lief Blut hervor. Hatte ich ihm das Genick gebrochen?

Bevor ich ihn daraufhin untersuchte, versicherte ich mich seiner Person, indem ich ihm die Arme mit seinem Gürtel festband, und auch der Sachen, die er bei sich trug. Ich brauchte mich dadurch keineswegs für einen Räuber zu halten. Wer weiß, ob alles, was er bei sich hatte, sein rechtmäßiges Eigentum war. Vielleicht konnte mir etwas davon von Nutzen sein. Ich fand eine Brieftasche und eine aus starker Seide gehäkelte Börse, zwischen deren Maschen Goldstücke hervorglänzten, und steckte beides zu mir. Die Uhr und alles andere ließ ich stecken.

Da kam der Mimbrenjo, welcher vom Pferde stieg, um die weggeworfene Flinte und die beiden Revolver aufzunehmen. Jetzt begann sich das Gesicht Wellers zu beleben. Er öffnete die Augen und fuhr mich giftig an:

»Mensch, was habe ich mit Euch zu schaffen! Laßt mich in Ruhe; laßt mich los, sonst kann es Euch schlecht bekommen.«

Ich hörte es ihm an, daß er sich in die Zunge gebissen hatte; mein Hieb hatte ihm den unteren Kiefer gegen den oberen getrieben, und die Zunge war zwischen die Zähne gekommen.

»Redensart!« antwortete ich. »Ich möchte wissen, auf welche Art und Weise Ihr mir schaden könntet. Steht auf, und kommt mit mir!«

»Fällt mir nicht ein! Ich bleibe hier liegen, bis Ihr mich losgebt!«

»Diesen Wunsch könnte ich Euch ganz gut erfüllen. Ich brauchte Euch nur auch noch die Beine zusammenzubinden und Euch liegen zu lassen, bis Ihr verschmachtet oder bei lebendigem Leibe von den Geiern zerrissen werdet. Ich will aber menschlicher an Euch handeln, wenn es auch gegen Euren Willen ist. Also auf vom Boden, sonst helfe ich nach!«

Er blieb dennoch liegen; als ihm aber der Mimbrenjo den Kolben zwischen die Rippen stieß, sprang er fluchend auf und folgte uns, die wir die drei Pferde an den Zügeln führten. Als wir ihn zum Platze brachten, machte es mir große Mühe, die ihm zugedachten Mißhandlungen von ihm abzuwenden.

Wir banden ihm die Füße und legten ihn nieder, doch nicht neben Melton, damit sich beide nicht durch Worte verständigen möchten.

Die Yumas waren aus nächster Nähe Zuschauer des ganzen Vorganges gewesen. Daß ich mich den Kugeln Wellers ausgesetzt hatte, übergingen sie mit Schweigen; zu dem kleinen Mimbrenjo aber sagte die »listige Schlange«

»Mein junger Bruder wird ein tüchtiger Krieger werden. Es freut mich, mit ihm Frieden schließen zu können und mich aus seinem Feinde in seinen Freund zu verwandeln.«

Damit war die Beratung eingeleitet, welche nun beginnen konnte. Sie währte über zwei Stunden lang und führte zu einem Ergebnisse, welches mich vollständig befriedigen konnte. ich hatte Melton der »listigen Schlange« auszuliefern und nichts dagegen zu tun, daß Judith das Weib des Roten wurde. Dafür erhielt ich alle Zugeständnisse, auf welche ich angetragen hatte. Einen solchen Erfolg hätte ich, als ich mit dem kleinen Mimbrenjo hier ankam, für geradezu unmöglich gehalten. Natürlich wurde die Vereinbarung durch die Pfeife des Friedens beraucht, und als wir damit fertig waren, brachen wir nach dem Lager der Yumas auf, damit aus Rücksicht auf meine Sicherheit jeder der dort anwesenden Roten auch einen Zug aus der Pfeife tun sollte. War das geschehen, so konnte ich überzeugt sein, daß alle Punkte unseres Abkommens von ihnen mit größter Treue gehalten werden würden. Erst als auch das vorüber war, konnten wir an weiteres denken.

»Was wünscht nun mein weißer Bruder, was jetzt geschehen soll?« fragte die listige Schlange. »Wird der Häuptling der Apatschen mit denen, die bei ihm sind, zu uns kommen, oder werden wir zu ihm gehen?«

»Das letztere ist wahrscheinlicher. Ich muß erst mit meinen weißen Brüdern reden.«

Bevor ich dies tat, untersuchte ich die Brieftasche und die Börse Wellers. In der ersteren befanden sich fünftausend Dollars in denselben Papieren, welche auch Melton gehabt hatte, und in der letzteren nicht ganz fünfhundert Dollars in Goldstücken. Dann versammelte ich diejenigen männlichen Personen meiner Landsleute um mich, welche über das, was ich ihnen vorschlagen wollte, zu bestimmen hatten, nämlich die Familienväter und andern selbständigen Personen. Die übrigen sollten nicht hören, was ich vorzubringen hatte; wenigstens brauchten sie über den Geldpunkt nichts zu erfahren, denn dieser Punkt war ein für mich heikler, obgleich ich überzeugt war, das, was ich beabsichtigte, vor meinem Gewissen vollständig verantworten zu können. Natürlich durften auch Melton und Weller nichts davon hören.

Während sich diese Personen zusammenfanden, nahm ich Judith und ihren Vater auf die Seite und fragte die erstere:

»Ich weiß, was Sie da drüben an der Felsenecke mit dem Häuptlinge besprochen haben. Haben Sie Ihrem Vater etwas davon gesagt?«

»Ja,« antwortete er an ihrer Stelle. »Die Tochter meines Herzens hat mir erzählt von der Ehre, welche ihr zu teil wird sein, zu werden die Häuptlingin und Herrscherin eines großen roten Volkes von der Nation der Indianer.«

»Sind Sie denn damit einverstanden?«

»Warum sollte ich nicht? Ist doch dabei zu machen ein großer Gewinn für sie und auch für meine Person, denn wir werden sein angesehene und bedeutende Leute in Mexiko und Amerika.«

»Sie scheinen sich nicht ganz die richtige Vorstellung von der politischen Bedeutung eines Indianerstammes und der sozialen Stellung eines Häuptlings zu machen. Ich habe die Pflicht, Ihnen zu sagen, daß —«

»Sagen Sie nichts, sagen Sie gar nichts!« unterbrach er mich. »Ich bin der treue Vater meiner Judith und habe zu horchen nur auf das, was sie sagt und was sie will. Wir werden beherrschen einen Indianerstamm und meine Tochter kleiden können in Samt und Seide. Oder glauben Sie, daß der Häuptling sie mit dem Golde und den Edelsteinen belogen hat?«

»Nein. Es gibt hier zu Lande verborgene Schätze, welche die Nachkommen der alten Mexikaner mit ebenso großerTreue wie Verschwiegenheit hüten. Warum sollte der Häuptling nicht ein solches Geheimnis kennen? Er ist kein Lügner und wird sein Versprechen halten. Nur müssen Sie den richtigen Maßstab an dasselbe legen. Er ist ein Wilder und weiß wohl nicht recht genau, was er sich unter einem Schlosse oder einem Palaste vorzustellen hat. Wenn er von einer Elle redet, müssen Sie immer nur einen Zoll nehmen. Auch mangelt ihm diejenige

Bildung, welche allein Ihrer Tochter die Sicherheit gewährt, daß – —«

»Bildung, Bildung! Was ist Bildung!« unterbrach er mich wieder. »Warum soll er nicht haben Bildung, wenn er besitzt Geheimnisse über Gold und Edelsteine? Ist ein neues, seidenes Kleid keine Bildung? Hat derjenige, welcher einen Palast oder gar ein Schloß besitzt, nicht einen großartigen Verstand? Was steckt in einem Seminare, in einem Gymnasium, in einer Universität? Hölzerne Bänke zum Sitzen mit Tintenfässern zum Schreiben. Was ist das gegen die Möbel von Rokoko oder Renaissance, welche man in einem Schlosse findet? Nein, nein, der Häuptling besitzt eine Bildung, mit welcher ich als Schwiegervater außerordentlich zufrieden sein kann!«

»Wenn Sie so denken, will ich schweigen, zumal ich ihm versprochen habe, nicht gegen seine Absichten zu reden oder gar zu handeln. Ich wünsche Ihnen, daß Sie nicht enttäuscht werden. Was aber gedenken Sie vorerst zu tun? Ich stehe im Begriff, Ihren Gefährten den Vorschlag zu machen, die Sonora und überhaupt Mexiko zu verlassen.«

»Sie meinen, daß sie das tun werden?«

»Wenn sie klug sind, ja.«

»Warum wollen sie nicht bleiben? Soll ich mit Judith sein ganz allein unter den Indianern?«

»Was sollen die Leute bei den Yumas anfangen? Sollen sie verwildern? Es kann doch nicht jede die Frau und jeder der Schwiegervater eines Häuptlings werden! Sie haben gesehen, was sich dem deutschen Arbeiter hier bietet. Ich werde die Leute also über die Grenze nach den Vereinigten Staaten führen, und der Häuptling wird es nicht zugeben, daß Sie mitziehen.«

»Das ist ihm auch nicht zu verdenken. Wenn er hat

Gold und Silber hier im Lande und kann haben dazu eine junge, schöne Frau von reizender Tournüre und einen Schwiegervater, den er kann achten mit aufrichtiger Verehrung, was soll er sie da lassen fort oder gar selbst ziehen mit über die Grenze, wo nicht zu finden ist das Gold, welches liegt in seiner Gegend.«

»So werden Sie also bei den Yumas bleiben; das wollte ich wissen. Wie ich erfahren habe, sind Ihre Gefährten alle arm und mittellos herübergekommen, allein den Herkules und Sie ausgenommen. Ich hörte, daß Sie eine Geldsumme mitgebracht haben. Ist das wahr?«

»Freilich ist es wahr,« antwortete er eifrig. »Es war schönes, feines, echtes Geld in runden, schönklingenden Goldstücken, aufbewahrt in einer Börse, welche mir hat aus Seide gefertigt Judith, die Tochter meines Herzens.«

»Wie hoch war die Summe?«

»Vierhundertachtzig Dollars, um welche ich bin gekommen unterirdisch auf grausige Weise. Weller ist der Dieb, welcher ist Vater von Weller dem Sohne. Jetzt haben Sie den Dieb gefangen mit großer Tapferkeit; nun werden Sie haben die Güte, ihm abzuverlangen den Raub, durch welchen er mich hat gemacht elend in der Finsternis des Schachtes.«

»Ist dies die Börse?« fragte ich, indem ich sie aus der Tasche zog und ihm hinhielt.

»Sie ist‘s, sie ist‘s!« rief er jubelnd aus, indem er sie mir aus der Hand riß. »Ja, sie ist‘s! Ich werde sofort zählen das Geld, um zu sehen, ob ich bin worden bestohlen um eins oder einige von den goldenen Stücken.«

»Schreien Sie nicht so! Weller weiß noch nicht, daß ich ihm das Geld abgenommen habe, und braucht dies auch nicht sofort zu erfahren.«

Er ging, ohne mir ein Wort des Dankes zu sagen, mit seiner Tochter zur Seite und kauerte sich dort mit ihr nieder, wo sie zu zählen begannen; ich aber wendete mich um zu den andern. Ich hielt ihnen eine kurze Rede des Inhaltes, daß sie nichts Besseres tun könnten, als so schnell wie möglich die Gegend verlassen, und fuhr dann fort:

»Ich werde mit Winnetou von hier aus nach dem Rio Peso gehen, also nach Texas. Dort gibt es zwar traurige Gegenden, aber auch gutes Land in Menge und ein gesundes Klima dazu. Ich erbiete mich, Sie mitzunehmen. Beraten Sie sich, und sagen Sie mir dann Ihren Entschluß.«

Ich entfernte mich für einige Zeit, damit sie sich über meinen Vorschlag bereden möchten. Als ich zu ihnen zurückkam, sagte derjenige, den sie zum Sprecher ernannt hatten:

»Ihr Vorschlag ist ganz gut, und wir würden ihn gern befolgen, aber das ist nicht möglich. Zunächst können wir nicht fort, weil gegen Melton und Weller ein langwieriger Strafprozeß entstehen wird, bei welchem wir doch jedenfalls als Zeugen dienen müssen.«

»Ist nicht nötig. Melton liefere ich an die Yumas aus; sie werden ihm den Prozeß auch ohne Zeugen machen. Was Weller betrifft, so weiß man nicht, was noch passiert. Ich habe ihm mit meiner Kugel die Hand und den Vorderarm zerschmettert, was in diesem Klima für einen Weißen stets gefährlich ist. Außerdem bringe ich Polizei und einen Oberbeamten aus Ures mit, welche auf uns warten. Wenn Sie vor diesen Leuten Ihr Zeugnis abgelegt haben, werden Sie nicht mehr gebraucht. Welche Hindernisse gibt es noch?«

»Die wilde Gegend, durch welche wir wahrscheinlich müßten. Halten unsere Frauen und Kinder eine solche Wanderung aus?«

»Gewiß, wenn sie sich nur erst von den hiesigen Leiden erholt haben. Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken. Der Marsch wird nicht schneller gehen, als sie vertragen können. Pferde verschaffe ich Ihnen von den Indianern. Außerdem habe ich mehrere Wagen mit Proviant und andern nützlichen Dingen bei mir. Sie werden keinen Hunger leiden.«

»Das läßt sich freilich hören; nun aber bin ich neugierig, was Sie zu dem Hauptpunkte sagen werden. Dieser lautet nämlich: Geld und wieder Geld!«

»Das ist das wenigste; das macht ganz und gar keine Schwierigkeiten.«

Noch nie im Leben hatte ich in Beziehung auf diesen Punkt mit solchem Gleichmute und solcher Befriedigung reden können, und es tat mir ordentlich wohl, auch einmal die Miene eines reichen Erdensohnes annehmen zu können. Aller Augen richteten sich erstaunt auf mich, und der Sprecher rief verwundert aus:

»Ganz und gar keine Schwierigkeiten? Ihnen vielleicht nicht, uns aber desto mehr. So aus dem Vollen heraus, wie Sie, können wir nicht reden. Wir haben nichts, und müßten doch gleich heute schon Geld brauchen.«

»Heute? Wieso?«