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Satan und Ischariot II
Satan und Ischariot II
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Satan und Ischariot II

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»Ich kann es.«

»Und spielt Melton wirklich ein falsches Spiel mit mir?«

»Prüfe ihn, indem du verlangst, deinen Vater zu sehen; aber sag ihm nichts davon, daß du mit mir gesprochen hast!«

»Gut, ich werde ihn auf die Probe stellen, und hält er mir nicht Wort, so werde ich ihn augenblicklich verlassen und zu dir kommen.«

»Das wird er nicht zugeben, sondern dich zwingen, bei ihm zu bleiben.«

»Was hätte ich in diesem Fall zu tun?«

»Nichts weiter als zu warten, denn ich fordere dich von ihm. Er befindet sich in unsern Händen. Wenn er es wagte, dich ohne Erlaubnis auch nur zu berühren, würde ich ihn töten. Komm, bis du dich entschlossen hast, an jedem Abend um dieselbe Zeit hierher. Wenn du nicht erscheinst, nehme ich an, daß dir etwas geschehen ist, und werde augenblicklich zu ihm gehen, um dich von ihm zu fordern.«

»Wirst du aber auch Wort halten?«

»Die »listige Schlange« ist klug gegen alle Menschen; dich aber wird sie nie betrügen; du kannst dich auf mich verlassen. Howgh!«

Er wendete sich nach diesem indianischen Bekräftigungsworte zum Gehen, ohne ihr die Hand gegeben zu haben. Sie ließ ihn drei oder vier Schritte fort, da sprang sie auf, ihm nach, schlang die Arme um seinen Hals; ich hörte das Geräusch eines Kusses; dann kam sie schnell zurück und setzte sich wieder auf den Stein. War dies Berechnung, plötzliche Gefühlswallung oder eine Art Pränumerandodank für das Gold, welches er ihr versprochen hatte? Vielleicht ein weniges von allen dreien. Er blieb überrascht stehen, kehrte dann langsam zu ihr zurück und sagte:

»Die weiße Blume hat mir freiwillig gegeben, was ich mir jetzt noch nicht erbeten hätte. Sie mag bedenken, daß sie sich von jetzt an von keinem andern liebkosen lassen darf. Sobald es Tag geworden ist, stelle sie Melton auf die Probe, um sich zu überzeugen, daß er ihr nicht Wort halten wird. Morgen abend bin ich dann wieder hier, und wehe Melton, wenn er ihr ein Leid ge- gethan hat. Zum Dank aber für ihren Kuß will ich ihr etwas mitteilen, was sie sonst wohl nicht erfahren würde. Von den Bleichgesichtern, welche wir hierher führten, ist eins entkommen; es war ein hoher, starker Mann, den die weiße Blume kennen wird.«

»lch kenne ihn.«

»Ja, du kennst ihn, und zwar besser, als du die andern kanntest.«

»Woher weißt du das?«

»Das Auge, mit welchem er dich bewachte, hat es mir gesagt. Du hattest ihn lieb?«

»Nein. Er ist mir nachgelaufen.«

»Dann wird es dich nicht betrüben, wenn ich dir sage, daß er tot ist.«

»Tot? Woher weißt du das?«

»Die beiden Wellers haben ihn verfolgt und erschlagen. Die Geier werden seinen Leib nun schon gefressen haben. «

Sie saß eine Weile stumm; dann rief sie aus:

»Es ist so ganz recht gekommen. Er war mir widerwärtig, und nun bin ich ihn los!«

»Ja, er wird nicht zurückkehren; ich aber bin morgen wieder hier. Howgh!«

Er entfernte sich. Sie blieb sitzen, nachdenklich und ohne sich zu bewegen. Dann schnippste sie mit den Fingerspitzen, wie man es macht, wenn man eine Grille, einen unangenehmen Gedanken verjagt, und begann, leise vor sich hin zu trällern. Es war die Melodie eines alten Gassenhauers. Als sie aufstand und fortging, hätte ich ihr nur zu folgen brauchen, um den Aufstieg nach dem Plateau schnell kennen zu lernen; es fiel mir aber nicht ein, dies zu tun, denn ich kannte das Indianerleben zu genau, um nicht zu wissen, daß die »listige Schlange« sich nicht ganz entfernt hatte. Er folgte ihr jedenfalls von fern, um sie heimlich zu begleiten, bis sie oben angekommen war. Er konnte sogar Veranlassung finden, oben zu bleiben, weshalb mir die Vorsicht gebot, heute lieber auf die Rekognoszierung zu verzichten, als mich und mein Unternehmen in Gefahr zu bringen. Ich kehrte also nach der Höhle zurück, auch so ganz zufrieden mit dem Ergebnisse meines kurzen, nächtlichen Schleichganges.

Wenn ich alles, was ich erfahren hatte, summierte und überlegte, welche Vorteile ich daraus ziehen konnte, so brachte ich jetzt einen viel größeren Nutzen mit, als ich bei dem Ausgange beabsichtigt hatte. Die Kenntnis des Weges konnte ich mir später auch holen; heute brauchte ich sie noch nicht; aber was ich gehört hatte, mußte, falls ich es richtig verwertete, mir ungeahnten Nutzen bringen. Wir konnten dadurch zum Ziele gelangen, ohne auf noch mehr Mimbrenjos warten zu müssen, um die Yumas zu besiegen. ja, wenn ich länger darüber nachdachte, so erschien mir etwas als sehr möglich, was ich vorher für eine absolute Unmöglichkeit gehalten hätte, nämlich, daß es mir gelingen werde, allein und ohne die Hilfe Winnetous und unserer Begleitung unsern Zweck zu erreichen, und zwar ohne jeden Kampf, auf friedlichem Wege.

Was war diese Judith für ein Geschöpf! Wie gelassen hatte sie die Nachricht von dem Tode ihres früheren Bräutigams aufgenommen! Mit einem Fingerschnippsen hatte sie die Kunde beantwortet, daß er von den Geiern aufgefressen worden sei! Armer Herkules! Freilich wurde ich mit diesem Leichtsinne einigermaßen dadurch versöhnt, daß ich mich in Bezug auf ihren Vater in ihr geirrt hatte. Er war nicht so ganz gefühllos von ihr verlassen worden, sondern sie glaubte ihn in einer erträglichen Lage. Das Benehmen der »listigen Schlange« hatte mir eine ge- gewisse Achtung abgewonnen; er war ein Charakter und jedenfalls ein besserer Mensch, als sein Name vermuten ließ. Man konnte mit Zuversicht wagen, mit ihm in Unterhandlung zu treten. Er liebte die Jüdin, die für mich jetzt eine wichtige Person, ein wertvolles Tauschobjekt geworden war. Ich gestehe nämlich aufrichtig, daß ich entschlossen war, etwas ganz Verdammenswertes zu treiben – ein wenig Menschenhandel! Ich wollte Judith festnehmen, um durch sie Macht über die »falsche Schlange« und seine Yumas zu bekommen. Ich hätte mich ihrer gleich vorhin, nach seiner Entfernung, bemächtigt, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, daß er sich noch in der Nähe befand, und wenn ich auch über andere Dinge genügsam unterrichtet gewesen wäre.

Als ich in der Höhle ankam, wagte der Mimbrenjo nicht, mich zu fragen, und ich hielt es nicht für nötig, ihn über meine Erfolge zu unterrichten. Ich sagte ihm nur, daß wir jetzt schlafen würden, um schon bei Tagesgrauen aufzustehen; dann legte ich mich auf meine Decke und schlief nach dem anstrengenden und heißen Tage bis zur angegebenen Zeit, ohne ein einziges Mal aufzuwachen. Der Mimbrenjo war wohl noch ermüdeter gewesen, als ich, hatte es sich aber nicht anmerken lassen, denn ich mußte ihn wecken und brachte ihn nicht gleich aus dem Schlafe.

Es handelte sich jetzt darum, den Gang zu untersuchen. Nachdem wir die Pferde versorgt hatten, machten wir uns ans Werk. Draußen auf dem Geröll angelangt, war es zunächst unsere Sorge, dasselbe wieder vor dem Eingange so aufzuhäufen, daß derselbe verdeckt war. Der Zufall konnte doch einen Yuma herführen.

Dann stiegen wir hinab, um an der andern Seite des Felsblockes wieder emporzuklettern. Wir konnten

von hier aus das Indianerlager sehen. Es zeigte sich noch keine Spur von Leben in demselben. Dennoch waren wir so vorsichtig, uns kriechend zu bewegen. Wir fanden die Windungen, von denen der Herkules gesprochen hatte, und hielten bei der von ihm bezeichneten an. Er war der Meinung gewesen, daß ich die Stelle sofort erkennen würde, und hatte recht gehabt. Er war in solchen Dingen ungeübt und hatte das Loch so zugedeckt, daß ein erfahrenes Auge sich gar nicht täuschen konnte. Der Ort war von dem Indianerlager aus nicht zu sehen; darum durften wir uns frei bewegen.

Wir räumten das Gestein vorsichtig weg; dadurch entstand eine Oeffnung, in welche selbst ein starker Mann steigen konnte, so weit war sie. Wir sahen die Steine liegen, aus denen der Herkules Stufen gebildet hatte, und stiegen hinab. Sie waren behauen, was mich vermuten ließ, daß der Gang oder Stollen seinen Ursprung nicht Indianern zu verdanken hatte. Er lief nicht waagrecht, sondern geneigt in das Innere des Berges.

Zunächst untersuchten wir ihn nach rechts, also aufwärts. Das dazu nötige Licht hatten wir uns natürlich mitgebracht. Schon nach wenigen Schritten kamen wir an den Abgrund, jenseits dessen unsere Höhle lag. Die Pferde erkannten unsere Stimmen und kamen drüben herbei. Sie hatten die Nacht in der Höhle zugebracht und fürchteten sich nicht mehr, doch wollte ich sie nicht so nahe an dem Abgrunde haben und trieb sie durch Zurufe zurück. Als ich dann meinem Hatatitla befahl: »Iteschkosch – lege dich!« gehorchte er, und Winnetous Pferd legte sich sogleich auch nieder. Ich war sicher, daß sie vor unserer Rückkehr nicht aufstehen würden.

Wir fanden an dem Rande des Spaltes vier mit den gestern gefundenen übereinstimmende Löcher; es war früher also wirklich ein künstlicher Uebergang vorhanden gewesen. Dann wendeten wir uns zurück, um dem Gange abwärts, nach innen, zu folgen.

Er war ein wenig über mannshoch, so daß ich mich nicht zu bücken brauchte, und ungefähr drei Fuß breit. Die Wände zeigten Spuren des Spitzeisens oder der Spitzhacke und zuweilen auch Teile der Rundungen von Bohrlöchern. Man hatte die festeren Teile des Gesteins mit Pulver gesprengt; der Gang war also gewiß von Weißen angelegt worden. Er führte meist durch Fels. Wo er auf Spalten oder Klüftungen gestoßen war, hatte man behauene Steine angewendet.

Wir schritten tiefer hinein, ohne daß uns ein Hindernis entgegengestoßen wäre. Die Luft war wider alles Erwarten ganz erträglich. Dieser Umstand machte mich auf unsere brennende Fackel aufmerksam; die Flamme brannte nicht grad aufwärts, sondern wehte, wenn auch nur ganz leise und kaum bemerklich, in den Gang hinein, Es war also eine Zirkulation der Luft vorhanden. Die frische Luft kam hinter uns her und folgte dem Gange. Da sie sich bewegte, mußte sie irgend einen Abfluß haben. Sollte dieser Stollen mit dem Schachte in Verbindung stehen? Das war leicht möglich, da sein Lauf ostwärts gerichtet war, nach der Mitte des Felsens, wo sich, wie ich wußte, der Schacht befand.

Wir waren schon über dreihundert Schritte gegangen, als der Mimbrenio auf einen eingemauerten Stein zeigte.

»Eine Schrift!« sagte er. »Aber es ist keine Indianerschrift.«

Als ich die Stelle mit der Fackel beleuchtete, konnte ich ganz deutlich lesen: Alonso Vargas of. en min. y comp. A. D. MDCXI Ich ergänzte mir die Abkürzungen zu »Alonso Vargas, oficial en minas y compañeros, Anno

Domini MDCXI« oder zu deutsch: »Alonso Vargas, Bergsteiger, und Genossen, im Jahre des Herrn Eintausendsechshundertundelf.« Es waren also bis heut mehr als zweihundertfünfzig Jahre vergangen, seit dieser spanische Bergmann den Stollen angelegt hatte. Ich notierte mir die Inschrift, denn es war mir neu, daß die Spanier damals soweit in die entlegenen Gegenden von Mexiko, welches sie Neuspanien nannten, vorgedrungen waren.

Dann ging es weiter, immer weiter, bis der Gang zu Ende war. Er wurde, so breit und hoch er war, durch eine aus Hausteinen errichtete Mauer verschlossen. Dennoch wehte die Flamme der Fackel nach vorwärts, nach dieser Mauer hin, obgleich keine Oeffnung zu sehen war. Als ich die Wand daraufhin untersuchte, fand ich, daß sie eine Art Sieb bildete. Der Mörtel, welcher die Steine verband, war da, wo die Ecken derselben zusammentrafen, weggelassen worden, wodurch Löcher entstanden oder vielmehr geblieben waren, welche man nur dann bemerkte, wenn man, durch den Luftzug auf sie aufmerksam gemacht, nach ihnen suchte. Dabei bemerkte ich auf einem der Steine die mit einem spitzen Werkzeuge flüchtig eingegrabene Inschrift E. L. 1821. Das E. L. waren jedenfalls die Anfangsbuchstaben eines Namens; die Zahl sagte, daß der Gang im Jahre 1821 durch die Mauer verschlossen worden war, aus welchen Gründen, das konnte mir gleichgültig sein. Jedenfalls hatte man da auch die über den Abgrund führende Brücke weggenommen und den Eingang der Höhle, welcher zugleich auch Eingang des Stollens war, mit dem Geröll verschüttet. Die Löcher waren in der Mauer gelassen worden, damit die Luft fortzirkulieren könne und, falls das Bergwerk später wieder in Bau genommen werden solle, beim Eindringen der Arbeiter das Leben derselben nicht durch tödliche Gase gefährdet sei.

Was nun tun? Wir lauschten. Hinter der Mauer machte sich kein Leben bemerkbar. Ich wagte zu klopfen, und erhielt keine Antwort. Dennoch pochte mein Herz vor Freude, denn ich war überzeugt, daß jenseits dieser Mauer meine Landsleute zu finden seien. Wenn ich mich in dieser Voraussetzung nicht täuschte, konnte ich sie wahrscheinlich ohne alle Gefahr für mich und sie befreien. Es galt also, durch die Mauer zu kommen. Wir mußten Steine aus derselben brechen. Aber womit? Wir hatten keine andern Werkzeuge als unsere Messer. Die Löcher bildeten gute Ansatzpunkte für dieselben; aber der Mörtel war eisenhart, und nach einem kurzen Probieren kamen wir zu der Ueberzeugung, daß wir wahrscheinlich den ganzen Tag zu arbeiten hätten, um nur einen Stein aus den Fugen zu lösen. Dennoch machten wir uns an die Arbeit; wir hatten ja nichts weiter zu tun, da wir am hellen Tage draußen nichts vornehmen konnten.

Wir arbeiteten, bis die beiden Fackeln, welche wir mitgenommen hatten, verbrannt waren, und dann noch einige Zeit im Finstern. Als wir von der Anstrengung so ermüdet waren, daß wir der Ruhe bedurften, kehrten wir nach der Höhle zurück, in welcher die Pferde noch genau so lagen, wie sie sich auf meinen Befehl hingelegt hatten. Sie durften aufstehen und bekamen eine kleine Portion zu fressen. Wir aßen auch und kehrten dann in den Stollen zurück, nachdem wir uns mit einigen Fackeln und mehreren Lichtern versehen hatten. Auch die Gewehre nahmen wir mit, weil wir sie als Hebel oder Brechstangen zu brauchen meinten.

Den Mörtel zwischen zwei Steinen herauszukratzen, scheint gar nicht schwer und anstrengend zu sein; wir mußten aber doch oft innehalten, um einige Minuten auszuruhen. Endlich – meine Uhr zeigte sieben Uhr nachmittags – hatten wir den ersten Stein los. Ich blickte durch das dadurch entstandene Loch. Jenseits der Mauer herrschte tiefes Dunkel und ebenso tiefe Stille. Der zweite Stein machte uns weniger Mühe; er folgte dem ersten schon nach zwei Stunden; nach wieder einer Stunde hatten wir den dritten los. Es war zehn Uhr. Um Mitternacht waren sieben Steine ausgewuchtet, und um ein Uhr konnten wir durch die Oeffnung kriechen, was natürlich mit der größten Vorsicht und ohne Licht geschah. Wir hatten unsere Fackeln sogar ausgelöscht, da der Schein durch die Oeffnung hinüberfiel.

Als sich nun nichts Verdächtiges regte, wagten wir es, eine Kerze anzubrennen und mit hinüberzunehmen. Da sahen wir denn zunächst, daß die Mauer auf dieser Seite, die kleinen Löchelchen abgerechnet, mit einem so gefärbten Mörtel überzogen worden war, daß man sie von dem angrenzenden Felsen nicht unterscheiden konnte.

Wir befanden uns in einem breiten und ziemlich hohen Gange, welcher von natürlichen Säulen, stehengelassenen Steinblöcken, getragen wurde. Er war abgebaut und gab also keinen Ertrag mehr. Daher die Stille, welche hier herrschte. Der Luftzug wollte uns nach rechts führen, dennoch wendeten wir uns erst nach links, um zu wissen, was wir hinter uns hatten. Wir kamen nicht weit, denn schon nach wenigen Schritten war der Gang zusammengestürzt. Die Schuttmassen geboten uns Halt; darum kehrten wir zurück, um dem Gange nach rechts zu folgen.

Da sahen wird denn bald eine Menge Werkzeuge längs der Wände liegen. Wir kamen, wie es schien, in eine begangene Gegend. Der Luftzug wurde auch wahrnehmbarer. Dann kamen wir an eine Erweiterung des Ganges, eine viereckige Kammer, in deren Mitte wir einen starken Holzkasten erblickten, welcher aus dem Boden und drei Wänden bestand. An seinen vier Ecken waren starke, aus Riemen zusammengedrehte Seile befestigt, welche mit den andern Enden an einer Kette hingen, die nach oben führte. Dort hinauf gab es eine Oeffnung, welche einen etwas größeren Durchmesser als der Kasten hatte. Die Oeffnung war jedenfalls der Schacht, denn die Luft stieg hier nach oben. Der Kasten bildete den Förderstuhl, welcher an der wandlosen Seite beladen wurde. Es lagen da herum noch verschiedene Gegenstände, denen ich jetzt keine Beachtung schenkte, weil meine Aufmerksamkeit von zwei Türen gefesselt wurde, welche aus schwerem, sehr roh bearbeitetem Holze bestanden und durch starke Riegel verschlossen waren. Die eine lag dem Gange gegenüber, aus welchem wir kamen, die andere uns zur rechten Hand. Wahrscheinlich führten sie nach dem jetzt in Abbau begriffenen Teile des Bergwerkes, da es sonst keinen Gang oder Stollen gab.

Wir wendeten uns zunächst nach der rechts von uns liegenden Tür und schoben die beiden Riegel zurück. Der Mimbrenjo hielt die Fackel. In dem Augenblicke, in welchem die Tür offen war, stürzte aus derselben eine weibliche Gestalt auf mich zu, krallte mir die zehn Fingernägel in den Hals und kreischte in deutscher Sprache:

»Elender Bösewicht! Bist du schon wieder da! Laß mich hinauf, oder ich erwürge dich!«

Die Begrüßung war keine sehr freundliche; ich nahm sie aber nicht Uebel, da sie jedenfalls an eine andere Adresse gerichtet war, schob die Arme des wütenden Wesens, in welchem ich zu meiner Ueberraschung die Jüdin erkannte, von mir ab, hielt sie fest, um den Nägeln nicht Gelegenheit zu geben, meinen Hals abermals einer so eindringlichen Lokalinspektion zu unterwerfen, und antwortete:

»Bitte, Fräulein, wollen Sie bemerken, daß Sie sich in der Person irren! Ich komme nicht in der Absicht, von zarter Hand zu sterben.«

Der Mimbrenjo leuchtete mir ins Gesicht. Sie erkannte mich und rief aus:

»Sie sind es, Sie? Gott sei Dank! Sie werden mich nicht hier stecken lassen!«

»Nein. Ich werde Sie in die Freiheit führen. Wer hat Sie denn hier eingesperrt?«

»Melton, dieses Scheusal, dieser Teufel in Menschengestalt.«

»Wie hat er Sie denn hier heruntergebracht? Es kann doch nicht leicht sein, jemand, der sich wehrt, in die Tiefe zu schaffen.«

»Durch List. Ich bin ihm freiwillig gefolgt. Wir fuhren im Förderkasten herab.«

»So hat er Ihnen etwas weisgemacht, Ihnen vielleicht gesagt, daß er Ihnen Ihren Vater zeigen will?«

»Ja, das hat er gesagt; ich sollte meinen Vater heraufholen. Sie wissen, daß er hier eingesperrt ist?«

»Das weiß ich. Ich weiß überhaupt mehr, als Sie denken. So weiß ich zum Beispiele, daß die listige Schlange, der junge Häuptling der Yumas, gestern mit einer Dame redete, die ihn so in Entzücken versetzt hat, daß er ihr Edelsteine, Gold, ein Schloß, einen Palast, schöne Kleider und viele Diener zur Verfügung stellen wird.«

Sie errötete nicht, wie es sicher bei einem andern Mädchen der Fall gewesen wäre. Sie antwortete vielmehr ganz unbefangen:

»Haben Sie mit ihm gesprochen?«

»Nein.«

»War er bei Melton?«

»Das weiß ich nicht. Es steht aber zu erwarten, daß er noch zu ihm gehen wird, wenn er noch nicht bei ihm gewesen ist.«

»Ich warte auf ihn und dachte, als ich Sie erkannte, er hätte Sie geschickt, um mich herauszuholen. Erst hielt ich Sie für Melton, diesen Schurken.«

»Und doch haben Sie zu ihm gehalten!«

»Weil er mir große Versprechungen machte.«

»Ja, Gold und Geschmeide, ein Schloß und einen Palast. Haben Sie denn das wirklich glauben können? Der Umstand, daß er Ihre Landsleute hierher lockte, um sie einzusperren und für sich arbeiten zu lassen, mußte Ihnen doch unbedingt sagen, daß bei ihm von Ehrlichkeit keine Rede sein kann. Wie haben Sie sich die Zukunft der armen Menschen denn eigentlich gedacht?«

»Gar nicht schlimm. Sie sollten hier unten solange arbeiten, bis sie eine gewisse Anzahl von Zentnern Quecksilber zu Tage gefördert hatten; das hätte gar nicht lange gedauert; er wäre dadurch ein steinreicher Mann geworden, hätte sie dann freigelassen und jedem soviel Geld gegeben, daß auch sie nun ohne Arbeit hätten leben können.«

»Das haben Sie ihm geglaubt?«

»Ja.«

»Hm, dazu gehört sehr viel. Ich will Ihnen sagen, wie es gekommen wäre. Durch die hier unten herrschende Luft, die schlechte Nahrung und die eingeatmeten Quecksilberdämpfe wäre der Körper jedes Arbeiters in kurzer Zeit zerstört worden, und nach zwei oder drei Jahren hätte keiner mehr gelebt. Das wäre der entsetzlichste Massenmord gewesen, der sich denken läßt, und Sie wären dabei seine Mitschuldige geworden.«

»Zwei oder drei Jahre? Solange sollte es nicht dauern; es ist nur von einigen Monaten die Rede gewesen.«

»In so kurzer Zeit wird man nicht so reich, daß man so vielen Menschen soviel geben kann, daß sie ohne Arbeit leben können. War es denn Ihr Ernst, seine Frau zu werden?«

»Warum nicht?«

»Und nun wollen Sie die listige Schlange heiraten?«

»Ja, Melton zur Strafe!«

»Und Ihr einstiger Verlobter, der Ihnen so treu ergeben ist!«

»Was geht er mich noch an? Uebrigens ist er jetzt tot.«

»Ja, von den Geiern aufgefressen! Sie scheinen fast ebensowenig Gewissen zu haben wie Melton, und fast hätte ich Lust, Sie wieder einzusperren und Ihrem Schicksale zu überlassen.«

Ich hatte ihre Arme längst losgelassen, so daß sie sich frei bewegen konnte. Sie stand noch zwischen mir und der Tür, drängte sich jetzt aber rasch an mir vorüber und rief aus:

»Das werden Sie nicht tun! Kein Mensch bringt mich wieder in dieses Loch!«

»Nun, es fällt mir auch nicht ein, meine Worte wahr zu machen. Sie werden frei sein.«

»Das würde ich auch, wenn Sie mich wieder einsperrten, denn der Häuptling käme ganz gewiß, um mich wieder herauszulassen.«

»Wenn er kann!«

»Meinen Sie, daß er verhindert werden könnte?«

»Ja, von Melton.«

»Der kann ihm nichts tun; er hat ihn in der Hand.«

»Das hat der Häuptling Ihnen gestern allerdings gesagt, aber es ist sehr möglich, daß Melton ihn viel eher in seine Hände nimmt. Und wenn dies geschieht, so tragen Sie die Schuld.«

»Wieso?«

»Das kann ich erst dann sagen, wenn ich weiß, was Sie mit Melton gesprochen haben. Die listige Schlange riet Ihnen, ihn auf die Probe zu stellen. Wie haben Sie das angefangen?«

»Sagen Sie mir erst, woher Sie alles so genau wissen! Sie behaupten, nicht mit dem Häuptling gesprochen zu haben, und können das, was Sie wissen, doch nur von ihm erfahren haben.«

»Ich lag hinter dem Steine, auf dem Sie mit ihm saßen, und belauschte Sie.«

»Das haben Sie gewagt, das? Wenn der Häuptling Sie bemerkt hätte, wären Sie von ihm erschossen oder erstochen worden.«

»Das geschieht nicht so schnell und leicht, wie Sie anzunehmen scheinen. Hätte er mich bemerkt, so wäre dies jedenfalls für ihn gefährlicher gewesen, als für mich. Nun sagen Sie mir, wie Sie es angefangen haben, Meltons Ehrlichkeit auf die Probe zu stellen.«

»So, wie der Häuptling mir geraten hat. Da Sie uns belauscht haben, müssen Sie es doch wissen.»

»Sie haben also Ihren Vater zu sehen verlangt?«

»Ja. Er antwortete, daß ich noch warten Solle, weil mein Vater notwendig hier unten gebraucht werde; ich ließ mich aber nicht damit von ihm abspeisen, sondern bestand auf meinem Verlangen und drohte schließlich, daß ich ihn verlassen würde.«

»Was antwortete er?«

»Er lachte und sagte, daß ich ohne den Vater doch gar nicht fortkäme. Dann drohte ich ihm mit dem Häuptlinge.«

»Ah, habe es mir doch gedacht! Damit haben Sie doch verraten, daß Sie mit dem Indianer im Einvernehmen stehen.«