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Satan und Ischariot II
Satan und Ischariot II
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Satan und Ischariot II

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»Warum nicht? Der Name meines roten Bruders könnte Mißtrauen erwecken; dennoch glaube ich, daß »listige Schlange« die Wahrheit liebt und viel zu stolz und tapfer ist, sich eine Treulosigkeit zu schulden kommen zu lassen.«

»Mein Bruder hat recht; ich danke ihm. Ich will ihm mitteilen, daß ich Frieden mit ihm schließen möchte, nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Krieger.«

»Was wird euer Oberhäuptling, der »große Mund«, dazu sagen?«

»Er wird beistimmen.«

»Das bezweifle ich, denn er hat eine Blutrache gegen mich, weil ich seinen Sohn, den »kleinen Mund«, getötet habe.«

»Old Shatterhand ist ein Freund der roten Männer; er tötet keinen von ihnen, außer wenn er dazu gezwungen ist.«

»Das ist zwar sehr richtig, wird aber für den »großen Mund« kein Grund sein, seine Rache in Verzeihung, seine Feindschaft in Freundschaft umzuwandeln.«

»So mag er für sich allein handeln; ich habe mit seiner Rache nichts zu tun. Als wir den Zug nach Almaden unternahmen, haben wir ihn zu unserem Anführer gemacht; wir können den, welchen wir wählen, auch wieder absetzen, denn wir brauchen ihm nur so lange zu gehorchen, wie es uns beliebt. Die Yumas zerfallen in viele Stämme; er ist der Häuptling des seinigen, und ich bin der Häuptling des meinigen. Er ist nicht mehr, als ich bin. Er hat mir Kampf geboten, ich aber erkenne jetzt, daß Frieden besser ist. Darum bin ich bereit, mit Old Shatterhand im Namen meines Stammes, wenn auch nicht im Namen aller Yumas, die Friedenspfeife zu rauchen.«

»Wenn aber der »große Mund« dann dagegen ist?«

»So bin ich der Freund und Bruder von Old Shatterhand und werde ihn mit allen meinen Kriegern gegen den »großen Mund« verteidigen. Will mein weißer Bruder mir das glauben?«

»Ich glaube es. Mein roter Bruder wird den Frieden nur unter gewissen Bedingungen schließen wollen. Er mag mir diese mitteilen!«

»Es sind nur zwei. Mein erster Wunsch ist der, daß Old Shatterhand nicht dagegen ist, daß ich die weiße Blume, welche Judith heißt, zu meiner Squaw mache.«

»ich habe gar nichts dagegen, sondern bin im Gegenteile sehr überzeugt, daß kein Weißer für die Blume so gut paßt, wie mein roter Bruder. Darüber sind wir also einig. Welches ist nun der zweite Wunsch?«

»Ich will Melton haben!«

»Das dachte ich mir. Die »Listige Schlange« ist also der Ansicht, daß ich über die Person dieses Mannes verfügen kann?«

»Ja. Nach den Gesetzen der Bleichgesichter hat er ihn vielleicht abzuliefern, nach den Gesetzen der roten Männer aber gehört er ihm, und er kann mit ihm machen, was er will. Wir befinden uns hier auf dem Gebiete der roten Stämme, also kann, wenn Old Shatterhand nach unsern Regeln handelt, kein Bleichgesicht ihm darüber Vorwürfe machen.«

»O doch! Es befinden sich sogar schon weiße Polizisten in der Nähe, welche Melton fangen wollen; aber ich brauche nicht nach ihnen und ihren Absichten zu fragen; ich tue, was ich will, auch wenn es gegen die Gesetze dieser Leute ist. Mein roter Bruder kann also, wenn es mir beliebt, Melton bekommen. Hat er aber daran gedacht, daß auch ich Bedingungen machen werde?«

»Ja. Ich möchte sie hören.«

»Ich fordere zunächst Frieden zwischen deinem Stamme und allen Bleichgesichtern, welche sich hier bei uns befinden.«

»«Listige Schlange« ist einverstanden.«

»Sodann verlange ich, daß sich der Friede auf alle Mimbrenjos erstreckt, welche meine Freunde sind.«

»Dies zuzugestehen, ist viel schwieriger. Ich weiß, daß du Mimbrenjos bei dir hast; sie sind unsere Feinde; ich brauche nur zu befehlen, so fallen meine dreihundert Krieger über sie her, um sie zu töten. Wenn du verlangst, daß wir sie schonen, muß ich außer meinen zwei Bedingungen noch einige andere stellen.«

»Behalte sie für dich! Wie die Sachen stehen, können meine Mimbrenjos dir viel eher Vorschriften machen, als du ihnen; du hast vergessen, daß Winnetou ihr Anführer ist und daß auch ich bei ihnen bin. Wir haben deine dreihundert nicht gefürchtet und werden sie jetzt, da du mein Gefangener bist, erst recht nicht fürchten. Was hindert uns, nach Norden zu reiten und eure Pferde wegzunehmen?«

»Wißt ihr denn, wo diese sind?« fragte er erschrocken.

»Wenn wir es nicht schon wüßten, würde Winnetou sie sicher finden. Uebrigens bist du nicht der einzige, der in unsere Hände geraten ist. Wir haben alle vierzig Yumas gefangen, welche zwischen hier und der Hazienda postiert waren; der »schnelle Fisch« ist auch dabei. Sobald ihr uns bedroht, werden sie erschossen.«

Solche Nachrichten hatte er nicht erwartet. Er blickte eine Weile sinnend vor sich nieder und sagte dann:

»Was Old Shatterhand spricht, kann man glauben; folglich ist es wahr, daß du unsere Brüder gefangen hast. Das konnte nur dir und Winnetou gelingen!«

»Also wirst du wohl einsehen, daß wir gar nicht nötig haben, uns Bedingungen des Friedens vorschreiben zu lassen. Ihr könntet euch übrigens hier gar nicht halten, denn die Wagen, welche ihr aus Ures erwartet, sind mit allem Proviant und der sonstigen Fracht auch von uns weggenommen worden.«

»Uff! So gibt es hier nichts zu essen. Wir haben nur noch auf zwei Tage Vorrat; ist dieser zu Ende, müssen wir, wenn die Wagen nicht kommen, entweder hungern oder die Gegend verlassen, in der es kein Wild gibt!«

»Ja, ihr seid hilfloser, als du bis jetzt gedacht hast. Ich bleibe also bei meiner Forderung, daß der Friede, welchen wir schließen werden, sich auch auf die Mimbrenjos erstreckt.«

»Und wenn ich mich weigere?«

»So wird das, was wir begonnen haben, seinen Verlauf nehmen. Wir haben nur noch Weller zu fangen; dann nehmen wir euch die Pferde weg, warten, bis der »starke Büffel« mit mehreren hundert Mimbrenjos kommt, und vernichten deinen ganzen Stamm. Du selbst aber wirst, da du der Mitschuldige Meltons bist, mit ihm und Weller dem Richter überliefert. Deine Strafe wird im günstigsten Falle darin bestehen, daß man dich auf viele Jahre in das Gefängnis sperrt.«

Ein freier Indianer, und jahrelang eingesperrt! Entsetzlicheres kann es gar nicht geben! Der Schreck fuhr ihm in alle Glieder, und die Folge davon war, daß er sich schnell entschied:

»Ich sehe ein, daß mein Bruder recht hat; die Mimbrenjos sollen also auch mit eingeschlossen sein. Hat Old Shatterhand noch weitere Bedingungen?«

»Für jetzt nicht. Meine sonstigen Vorschläge werde ich während der Beratung machen, denn ich nehme natürlich an, daß »listige Schlange« das Kalumet nicht eher mit mir rauchen wird, als bis er mit seinen ältesten Kriegern gesprochen hat.«

»Ja, sie müssen zur Beratung gezogen werden. Wird Old Shatterhand mit mir zu ihnen gehen, oder wollen wir sie kommen lassen?«

»Wir werden das letztere tun.«

»So brauchen wir einen Boten. Wen wird mein weißer Bruder senden?«

»Den Mimbrenjoknaben. Er ist klug, treu und ehrlich; ich kann mich auf ihn verlassen.«

»Mein Bruder wird erfahren, daß ich ebenso ehrlich und treu bin. Ich werde ihm meinen Wampum mitgeben als Beweis, daß ich bei euch bin und daß alles, was er meinen Kriegern sagt, wahr ist. Er mag ihnen erzählen, was geschehen ist, und die fünf erfahrenen Krieger herbeibringen, deren Namen ich ihm nennen werde; sie sollen unbewaffnet kommen, um zu zeigen, daß sie ohne Arg im Herzen sind.«

Nichts konnte mir lieber und erwünschter sein, als gerade diese Wendung der Dinge, durch welche ich Gelegenheit fand, unsere Erfolge ganz zum Vorteile meiner armen Landsleute auszunützen, denn daß diese von den mexikanischen Gerichten weder eine Entschädigung noch sonst etwas zu erwarten hatten, davon war ich vollständig überzeugt. Lieferte ich Melton an den Juriskonsulto aus, so entging er wohl gar der Strafe und ich mußte auch die Brieftasche hergeben, deren Inhalt, obgleich ich in Beziehung auf denselben kein Verwendungsrecht besaß, ich für Besseres bestimmt hatte. Ich war also gesonnen, Melton dem Häuptling zu überantworten. Man mag mich da der Härte oder gar der Grausamkeit zeihen; ich mache mir keine Vorwürfe, denn dieser Teufel hatte alles andere verdient, aber nur keine Schonung.

Der Mimbrenjo übernahm den Auftrag schon deshalb gern, weil derselbe nicht ganz ungefährlich war; er erhielt ausführliche Anweisungen und ritt auf Winnetous Pferd davon. Die Gesellschaft lagerte sich in einem Kreise, in dessen Mitte Melton genommen wurde; ich aber ließ mich außerhalb desselben nieder, um nun unbemerkt von ihm den Inhalt seiner Brieftasche zu untersuchen. Zunächst zählte ich den Betrag der Banknoten. Der Mann war bedeutend reicher mit Geldmitteln versehen, als ich geglaubt hatte, denn die Summe betrug etwas über dreißigtausend Dollars. Ob das Geld sein Eigentum war oder den Wellers teilweise mit gehörte, oder auch aus der Mormonenkasse stammte, das ging mich nichts an. Sodann fand ich die schon erwähnten Kontrakte, auch den Kaufkontrakt über die Hazienda del Arroyo und endlich eine Anzahl Briefe, welche ich öffnete, um sie zu lesen. Die meisten stammten aus Utah, einige aus San Franzisko; alle aber bewiesen, daß er über die Grenze gekommen war, um im Interesse der Mormonen eine größere Landstrecke zu erwerben und so den ersten Schritt zur Verbreitung derselben auch in Mexiko zu tun. Zwei oder drei von ihnen enthielten Beweise darüber, daß er sich mit den Wellers verbunden hatte, die Erwerbung auf unehrlichem Wege vorzunehmen, um sich eine ansehnliche Summe für die eigenen Taschen zu verdienen.

Ein einziger Brief war andern Inhaltes. Das Couvert war nicht dabei, und da die Angabe des Datums und des Ortes fehlte, so wußte ich nicht, aus welcher Zeit und woher er stammte. Die Schrift hatte aber eine so frische, tief dunkle Färbung, daß ich annahm, dieser Brief sei erst in neuerer Zeit geschrieben worden. Er war »dear uncle«, also »lieber Onkel« überschrieben und enthielt in seinem ersten Teile Mitteilungen ganz unverfänglicher Art, während am Ende folgende Zeilen meine Aufmerksamkeit erregten.

»Und fragst Du, wovon ich hier lebe, so kann ich Dich durch die Versicherung beruhigen, daß es mir sehr wohl geht. Ich habe im Spiele Glück und außerdem einen Freund gefunden, dessen wohlgefüllte Tasche mir stets offen steht. Erinnerst Du Dich noch des reichen einstigen Armeelieferanten, dessen Bekanntschaft Du in St. Louis gemacht hast? Er war ein geborener Deutscher, spielte sich aber gern als Yankee auf und hatte darum seinen ursprünglichen Namen Jäger in das englische Hunter verwandelt. Wie ich jetzt erfahren habe, ist er als Schustergeselle von drüben herübergekommen, hat trotz oder gerade wegen seiner Dummheit großes Glück gehabt und es durch eine Heirat zu einem Ladengeschäft in der William-Street, New York, gebracht. Während des Krieges gegen die Südstaaten lieferte er zunächst Schuhwerk, später auch Montierungsstücke und anderes für die Armee und hat da einen unendlichen Haufen Geld zusammengebracht. Jetzt arbeitet er nicht mehr, ist kränklich geworden und gibt sich Mühe, seine ungeheuren Zinsen immer wieder zum Kapital zu schlagen, obgleich er dies gar nicht nötig hat, da seine Frau gestorben ist und er nur ein einziges Kind, einen Sohn, besitzt, welcher als Universalerbe später gewiß genug zum

Leben hat. Der Alte ist geizig im höchsten Grade, hat seinen armen Verwandten drüben noch nie einen Pfennig geschickt, besitzt dabei jedoch eine solche Affenliebe für den Jungen, daß dieser das Geld zum Fenster hinauswerfen kann, ohne den geringsten Vorwurf zu befürchten. Sein Vater hat ihm in Verleugnung seiner deutschen Abstammung den wunderbaren Vornamen Small gegeben. Er ist ein hübscher, junger Mensch, verzogen, ohne Charakter und Energie, sonst aber gar kein übler Kerl, besitzt nicht eine Spur von Menschenkenntnis und ist so vertrauensselig gegen jedermann, daß er alle die Blutegel, welche sich hier an ihn oder vielmehr an seinen Geldbeutel gehängt haben, für wahre Freunde hält. Es wird mir aber gelingen, ihm, natürlich nur zu meinem Vorteile, die Augen zu öffnen, denn ich habe dadurch, daß ich seine Schwächen poussiere, einen Einfluß auf ihn gewonnen, welcher von Tag zu Tag größer wird.

»Wie ich diesen Small Hunter, der für uns ein fetter Bissen werden kann, kennen gelernt habe, fragst Du? Auf eine höchst eigentümliche Weise. Ich wurde gleich am ersten Tage nach meiner Ankunft hier von einem Kellner mit Mister Hunter angeredet. Dies wurde von andern Personen wiederholt, und als ich dann während eines Konzertes diesem Mister Hunter vorgestellt wurde, standen wir, uns ganz erstaunt anstarrend, eine Weile gegenüber, ohne ein Wort zu sagen. Wir sind einander nämlich zur Verwechslung ähnlich, und zwar in Beziehung auf die Gestalt, die Gesichtszüge und die Stimme. Und wenn ich seinen etwas langsamen und schlotternden Gang annehme, wird sein vertrautester Bekannter sich täuschen. Das ist ein Zufall, den ich benutzen werde und der ihn veranlaßte, mir sofort seine Freundschaft zu schenken. Es macht ihm großen Spaß, mit mir verwechselt zu werden.

Zunächst gewinne ich ihm im Spiele auf unauffällige Weise soviel und noch mehr ab, als ich brauche.

»Er hat sich mir vollständig an- und aufgeschlossen, behandelt mich wie einen Zwillingsbruder und mag nichts davon hören, wenn ich auch nur leise beginne, von Trennung zu sprechen. Er wünscht, daß ich ihn nächstens auf einer großen Reise begleite. Er reist nämlich leidenschaftlich gern, und sein sonst so geiziger Vater setzt dem, trotz der Summen, die es kostet, nichts entgegen. Seine liebste, ja fast einzige Lektüre sind Reiseschilderungen. So hat er die Vereinigten Staaten durchreist, war in Canada und Mexiko und ist sogar schon auch in Janeiro und England gewesen. Jetzt spukt der Orient in seinem Kopfe. Gelehrte, Fürsten, Prinzen reisen hin; warum soll der Sohn eines amerikanischen Millionärs nicht dasselbe können! Ich gehe natürlich nicht nur auf diese Marotte ein, sondern gebe mir alle Mühe, ihn darin zu bestärken. Es würde mir ja auf diese Weise möglich, meinen Vater zu sehen, welcher wegen Old Shatterhands, der auch so ein verwünschter Deutscher ist, aus dem Lande mußte und, wie Du weißt, die nötige Verborgenheit jenseits des Mittelmeeres gesucht hat.

»Nun sitzen wir von früh bis spät abends bei einander und studieren mit Hilfe zweier Lehrer eine türkische und eine arabische Grammatik, lesen Haremsgeschichten und zeichnen weiße Odalisken und dunkle Sklavinnen an die Wände. Da Small sehr gut veranlagt ist und seinen Reiseplan mit wahrem Feuereifer verfolgt, so macht er in den beiden Sprachen schnelle Fortschritte, und ich muß ihm wohl oder übel folgen. Noch einige Monate, und wir werden, vom Alten mit tüchtigen Checks versehen, über den Atlantischen dampfen.

»Ich schreibe Dir dies mit solcher Ausführlichkeit, weil ich Deine Findigkeit kenne und von Dir einen Rat erwarte, wie ich die Verhältnisse, besonders die wahrhaft verblüffende Aehnlichkeit, mir am besten einträglich machen kann. Deine etwaige Mithilfe würde mir natürlich nur willkommen sein. Schreib mir also bald, was und wie Du darüber denkst, doch ja nicht hierher, sondern an meine letzte Adresse, da ich in diesem Falle sicher bin, daß der Brief in keine falschen Hände kommt.

Dein Neffe Jonathan.«

Der Brief war für mich aus mehreren Gründen von großem Interesse, zunächst weil in demselben mein Name genannt wurde. Der Vater des Schreibers war durch mich gezwungen gewesen, aus dem Lande zu gehen. Das konnte kein anderer sein, als Meltons Bruder, den ich damals von Fort Uintah bis nach Fort Edward gejagt hatte. Es war ihm dort gelungen, zu entfliehen, und die Polizei hatte keine Spur von ihm zu finden vermocht. Jetzt erfuhr ich durch diesen Brief, daß er sich »Jenseits des mittelländischen Meeres« befand. Aber wo? Ich nahm wohl mit Recht an, daß er weder Türkisch noch Arabisch verstanden hatte, aber es gibt in Alexandrien, Kairo, Tunis und Algier Engländer und Amerikaner, welche in der ersten Zeit dort ebenso nur des Englischen mächtig gewesen sind. Mochte er sich da oder dort befinden, mir konnte das gleich sein; es ging mich nichts an; aber es war mir, wie gesagt, sehr interessant, wieder von ihm zu hören oder vielmehr zu lesen.

Anders freilich war es mit Small Hunter, welcher sich in großer Gefahr befand, von seinem falschen Freunde betrogen zu werden. Er war der Sohn eines Deutschen, und ich hätte ihn wohl gern gewarnt. Aber dies zu tun, war unmöglich, denn ich befand mich jetzt im Innern von Nordmexiko, er aber in den Vereinigten Staaten, und ich wußte auch nicht den Ort, an welchem er sich aufhielt. Den Wohnsitz seines Vaters kannte ich ebensowenig. Dennoch steckte ich den Brief zu mir, um ihn für mich zu behalten, während ich die andern dem Juriskonsulto zum strafrechtlichen Gebrauche auszuantworten beabsichtigte.

Eben hatte ich das Portefeuille geschlossen und in meine Tasche zurückgeschoben, als Melton, den ich vorher von dem Knebel wieder befreit hatte, mich rief. Ich ging zu ihm, um zu hören, was er von mir wolle. Er sah geradezu abstoßend aus; sein geschlagenes und zerkratztes Gesicht begann zu schwellen.

»Sir, wohin habt Ihr den Indianerjungen geschickt?« fragte er. »Ich will es wissen! Ich muß auch wissen, was Ihr mit dem Häuptlinge so heimlich auszumachen hattet!«

»Ihr tut ja genau so, als ob Ihr mich zwingen könntet, es zu sagen! Doch, warum soll ich es Euch verschweigen? Ihr werdet es ja so wie so sehr bald erfahren, daß Ihr Euch verrechnet habt, als Ihr glaubtet, Euch auf die Yumas verlassen zu können. Ich werde mit ihnen Frieden schließen.«

»Sie werden sich hüten!«

»Sie werden sich nicht hüten, denn die »listige Schlange« hat es mir freiwillig angeboten.«

»Hat sie das? Der Kerl verlangt wohl, freigelassen zu werden? Und Ihr wollt ihm diesen Wunsch erfüllen?«

»Ich werde so klug sein, nicht nur dies, sondern auch noch mehr zu tun.«

»Er verlangt noch mehr?«

»Ja. Judith zur Frau.«

»In Henkers Namen! Sie sind einander zu gönnen. Er ist ein rothäutiger Schurke, der die hellsten Lügen gegen mich aussagen wird, und sie hat alle möglichen Feinheiten, die denjenigen, welcher das Glück hat, ihr Mann zu sein, verrückt machen können. Mag sie Indianerin werden! Habt aber doch die Gewogenheit, ihm zu sagen, daß sie nur durch Prügel zu kurieren ist! Verlangt er etwa noch mehr?«

»Noch etwas, was gerade Euch interessieren wird. Ich soll Euch ihm ausliefern.«

»Das werdet Ihr doch nicht tun, Mister!« rief er aus, indem er sich erschrocken halb aufrichtete, »dazu habt Ihr kein Recht!«

»Ob ich es habe oder nicht, das ist mir sehr gleichgültig; ich nehme es mir.«

»Unmöglich! Bedenkt, was Ihr tut, welche Verantwortung Ihr damit auf Euch ladet! Ihr habt doch sonst ein so zartes Gewissen, warum nicht auch?«

»Weil ich an Euch auch nichts Zartes bemerkt habe. Selbst wenn ich mir Skrupel machen wollte, könnte ich es leicht so einrichten, daß ich mein Gewissen nicht zu beschweren brauche. Es ist ja gar nicht nötig, daß ich Euch ihm ausliefere.«

»Gut, gut; das wollte ich wissen!« meinte er befriedigt.

»Ich lasse Euch also laufen,« fuhr ich fort. »Im nächsten Augenblicke aber wird der Häuptling Euch beim Schopf haben.«

»Wieso? Er ist doch Euer Gefangener! Wollt Ihr ihn etwa auch freilassen?«

»Ja.«

»Das geht nicht; das dürft Ihr auf keinen Fall, wenigstens nicht so schnell, nicht jetzt! Er darf erst los, wenn ich mich in Sicherheit befinde!«

»Mäßigt Euch, Sir! Ihr habt hier nichts zu be- befehlen. Bedenkt, in welcher Lage Ihr Euch befindet. Warum sollte ich Euch freilassen und ihn nicht? Ich soll Euch freilassen, der Ihr ihm und uns ans Leben gegangen seid, und ihn festhalten, der uns nichts getan hat? Lächerlich!«

»Für mich ist es gar nicht lächerlich, denn wenn er mit mir zugleich freikäme, würde er die Freiheit sofort dazu benutzen, sich an mir zu rächen.«

»Dazu hat er allen Grund und alles Recht, während ich nicht den mindesten Grund oder das geringste Recht besitze, Euch gegen ihn in Schutz zu nehmen.«

»So mag ich nicht frei sein, sondern verlange, daß Ihr mich dem Gericht ausliefert. Es ist ein Verbrechen von Euch, mich festzunehmen und mit Euch herumzuschleppen; aber ich will das gern dulden und nichts dazu sagen.«

»Wenn Ihr so sehr überzeugt seid, daß es ein Verbrechen ist, so werde ich mich hüten, eine so schlimme Tat zu begehen, und Euch lieber loslassen.«

»Aber vor dem Indianer?«

»Nein, nach ihm. Bald werden die hervorragendsten seiner Krieger erscheinen, um mit mir zu beraten. Sind sie zum Frieden geneigt, so rauchen wir das Kalumet, und ich gebe ihn frei.«

»So laßt mich jetzt los, damit ich gehen kann!«

»Wie kann ich das tun, da ich noch gar nicht weiß, ob ich mit den Yumas einig werde! Und gerade Eure Auslieferung ist die Hauptbedingung, auf welche sie dringen werden. Gebt Euch also keine weitere Mühe! Ich werde mich zwar nicht persönlich an Euch vergreifen, aber doch dafür sorgen, daß die Vergeltung ihre starken Hände an Euch legt.«

»So seid Ihr nicht mehr ein Mensch, sondern ein

Teufel zu nennen! Ihr solltet und könntet Euch mit dem begnügen, was Ihr schon an uns getan habt!«

»An uns, sagt Ihr? Wen meint Ihr da?«

»Meinen Bruder, den Ihr ins Elend gebracht habt. Ihr habt ihn damals nach Fort Edward geschleppt!«

»Ach, jenen Spieler, welcher in Fort Uintah einen Offizier und zwei Soldaten erschoß? Der ist Euer Bruder? Das hättet Ihr lieber verschweigen sollen, denn eine solche Verwandtschaft kann unmöglich ein Grund sein, mich zur Nachsicht zu stimmen.«

»So nehmt die Sache doch einmal anders; dann kann sie Euch gar wohl veranlassen, bedenklich zu werden. Mein Bruder ist damals entkommen; ist das nicht auch bei mir möglich? Ihr waret damals auch überzeugt, daß man ihn festhalten werde; ebenso kann es jetzt und hier ganz anders kommen, als ihr erwartet. Denkt daran, daß mein Bruder schon nur um seinetwillen den grimmigsten Haß gegen Euch haben muß! Wenn er erfährt, wie Ihr Euch nun auch gegen mich verhaltet, so wird er nicht eher ruhen, als bis er sich und mich gerächt hat.«

»Ich fürchte seine Rache nicht; er ist verschwunden und verschollen.«

»Scheinbar! Er ist noch immer hier.«

»Wo?«

»Das habe ich Euch natürlich nicht zu sagen. Wo er sich befindet, weiß zwischen den Eskimos und den Feuerländern kein Mensch, als nur ich allein.«

»Noch zwei andere wissen es.«

»Wer wären diese?«

»Ich und Euer Neffe Jonathan.«

»Jon – —« er brachte nur die erste Silbe dieses Namens hervor, stierte mir eine ganze, lange Minute in das Gesicht und fuhr dann stockend fort:

»Wer hat – – Euch gesagt – – daß ich – – einen – – Neffen habe?«

»Das ist gleichgültig; aber Ihr erseht daraus, daß es mit meiner Allwissenheit denn doch wohl besser steht, als Ihr dachtet. Eine Familie, wie die Eurige ist, behält man gern im Auge, um sich und andere vor Schaden zu bewahren.«

»Ihr wollt nur wichtig tun! Wenn Ihr nicht lügt, so sagt mir doch einmal, wo sich mein Bruder befindet4

»Jenseits des mittelländischen Meeres.«