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Tausend Und Eine Nacht
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Tausend Und Eine Nacht

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Tausend Und Eine Nacht

Als Sittulhasan dies hörte, lächelte sie und sagte: »O mein Vater, laß es endlich bei dem gestrigen Scherze bewenden; die Frauen haben mich genug bemitleidet, und ich habe hinreichende Furcht ausgestanden, den Buckligen heiraten zu müssen, der nicht mehr wert war, daß er meinem Gemahle die Schuhe oder Pantoffel reiche, ich schwöre bei Gott, daß ich in meinem Leben keine schönere Nacht, als die gestrige, zugebracht habe; laß nun deinen Scherz und erwähne des Buckligen nicht mehr, der gemietet war, um von der jungen Schönheit meines Gemahls das böse Auge abzuwenden.« Bei diesen Worten konnte ihr Vater kaum vor Erstaunen fragen: »Was plauderst du da? hat nicht der Bucklige bei dir die Nacht zugebracht?« Sittulhasan wiederholte noch einmal: »Gott verdamme den Buckligen! lasse mir nur einmal Ruhe mit ihm; ich habe in den Armen des geistreichen Gatten mit schwarzen Augen und Augenbrauen geruht.« – »Bist du toll, Weib?« fragte der Vezier noch einmal. »Bei dem Allmächtigen, Vater! du zerreißest mir das Herz mit deinen Reden, lasse ab davon; der schöne Jüngling ist mein Gemahl, mit ihm habe ich die Nacht zugebracht, und seine Abwesenheit kann nur von kurzer Dauer sein.« Der Vezier ging hinaus, um ihn zu suchen, fand aber an seiner Stelle den Buckligen, mit dem Kopfe auf dem Boden und die Füße in die Höhe gestreckt. Ganz erstaunt fragte er ihn: »Was soll diese Stellung heißen? wer hat dies getan?« —»Warum auch«, erwiderte betrübt der Bucklige, »habt ihr mich mit der Geliebten der Büffel und Geister vermählt?«

Nun sagte der Vezier: »Komm doch einmal heraus, was bleibst du in diesem engen Raume?« – »Ich darf diesen Ort nicht verlassen«, erwiderte der Bucklige, »bis nach Sonnenaufgang; denn als ich gestern hier ein Bedürfnis verrichten wollte, kam mir auf einmal eine schwarze Katze miauend in den Weg, sie ward immer höher, bis sie die Größe eines Büffels erreichte, dann sagte sie mir etwas in die Ohren; doch lasse mich jetzt und gehe deines Weges, Gott wird meine Unschuld belohnen und meine junge Frau verdammen.« Der Vezier führte ihn jedoch heraus und der Bucklige ging sogleich zum Sultan, um ihm von allem, was vorgefallen, Bericht zu erstatten. Der Vezier hingegen kehrte betroffen zu seiner Tochter zurück, nicht wissend, was er von dieser ganzen Geschichte denken solle. Er fragte dann noch einmal seine Tochter, was denn in der letzten Nacht mit ihr vorgegangen. »Ich weiß von nichts anderem, mein Vater«, erwiderte sie, »als daß ich bei dem geschlafen, in dessen Gegenwart ich aufgeputzt worden bin; auch liegt hier auf dem Stuhl sein Turban, sein Kaftan und ein Sacktuch, und unter der Matratze liegen seine Beinkleider, in denen etwas eingewickelt ist, ich weiß nicht was.« Als der Vezier den Turban seines Neffen Hasan betrachtete und ihn umkehrte, sagte er: »Wahrhaftig, dies ist der Turban eines Veziers nach der Tracht der Mossulaner.« Er bemerkte dann auch, was in der Kappe eingenäht war und er für ein Amulett hielt, dann fand er in den Beinkleidern den Beutel, worin 1000 Dinare waren; er öffnete das Papierchen, das darin war und las: »Hiermit verkauft Hasan aus Baßrah dem Juden Ishak die Ladung des ersten Schiffes für 1000 Dinare, die er schon erhalten.« Als er dies gelesen, fiel er ohnmächtig zu Boden.

Als der Vezier wieder zu sich kam, fuhr Djafar in seiner Erzählung vor dem Kalifen fort, und das von seines Bruders Hand geschriebene, eingenähte Papier auch noch entdeckte, war sein Erstaunen grenzenlos; er wendete sich dann zu seiner Tochter und sprach: »Weißt du, wer dich diese Nacht umarmte? Es war, bei Gott! dein Vetter, und hier sind 1000 Dinare als deine Morgengabe; gelobt sei der Allmächtige, der alles so geleitet, wie es vor meinem Streite mit meinem Bruder Nuruddin geschehen sollte: nun möchte ich nur wissen, wie es eigentlich mit dieser ganzen Geschichte sich verhält.« Er warf dann noch einen Blick auf seines Bruders Papier, küßte es mehrere Male, dann weinte er laut über seinen Bruder und sprach folgende Verse:

»Ich sehe Spuren von ihnen und vergehe vor Sehnsucht, und vergieße Tränen an der Stelle, wo sie verweilt; dann bitte ich den, der mich mit ihrer Trennung heimgesucht, daß er mich wieder mit ihnen vereine.«

Er durchlas dann die Schrift seines Bruders und fand darin, wie er nach Baßrah gekommen, sich verlobt und geheiratet und wie seine Frau einen Sohn geboren hatte. Als er mit vielem Erstaunen die Begebenheiten seines Bruders mit den seinigen verglich, fand er, daß, wie er es vorher beschlossen, er und sein Bruder an demselben Tage heirateten und an demselben Tage Väter geworden, und daß nun sein Neffe seiner Tochter Gemahl ward. Er ging sodann mit dem Papier und dem Beutel zum Sultan und erzählte ihm alles, was vorgefallen. Der Sultan war höchst erstaunt darüber und befahl, daß alles dieses in die Chronik aufgeschrieben werde. Der Vezier ging dann nach Hause, um seinen Neffen zu erwarten, der aber nicht kam; er erwartete ihn sieben Tage lang und konnte nichts von ihm hören. Hierauf beschloß er, etwas zu tun, was noch niemand vor ihm getan hatte. Er nahm Tinte und Papier und schrieb darauf ein Verzeichnis von allem, was im Zimmer war, und von dem Platze, wo jedes Stück sich befand, ließ es dann hinwegräumen und nahm auch den Turban, den Beutel und die Beinkleider in Verwahrung.

Nach neun Monaten gebar die Tochter des Veziers von Kahirah einen Sohn mit einem Vollmondsgesichte wie der leuchtende Morgen; man färbte seine Augenbrauen mit Kohel, gab ihm eine Amme und nannte ihn Adjib. Als Adjib sieben Jahre alt war, schickte ihn sein Großvater in die Schule und empfahl dem Lehrer, über seine Erziehung und Ausbildung mit der größten Sorgfalt zu wachen. Als Adjib einige Jahre die Schule besuchte, fing er an, die übrigen Schulkinder durch Schlagen und Schimpfen zu plagen. Die Kinder klagten dies ihrem Lehrer und dieser sagte ihnen: »Ich will euch ein Mittel angeben, womit ihr gewiß Adjib von euch entfernt halten könnt. Wenn er morgen wieder zur Schule kommt, so setzt euch um ihn herum, schlagt ein Spiel vor und sagt dann zueinander, es dürfe niemand mitspielen, der nicht den Namen seines Vaters und seiner Mutter wüßte; wer den Namen seiner Eltern nicht kenne, sei ein Bastard.« Als am folgenden Tage Adjib, der Sohn Hasans, in die Schule kam, taten die Kinder, wie ihnen der Lehrer geraten; sie sagten: »Wir wollen etwas spielen, und wer es weiß, wie sein Vater und seine Mutter heißt, darf mitspielen.« Die Kinder sagten dann eines nach dem anderen: »Ich heiße so, mein Vater heißt so und meine Mutter so.« Als die Reihe an Adjib kam, sagte er: »Ich heiße Adjib, meine Mutter Sittulhasan und mein Vater Schemsuddin.« Da schrieen die Kinder: »Wo denkst du hin? der ist wahrhaftig nicht dein Vater.« – »Wehe euch!« versetzte hierauf Adjib; »der Vezier Schemsuddin soll nicht mein Vater sein?« Die Kleinen lachten ihn aus und schlugen die Hände zusammen und sagten: »Gott bewahre uns vor der Gesellschaft eines Jungen, der seinen Vater nicht kennt; der darf nicht mit uns spielen und nicht neben uns sitzen.« Als Adjib sah, wie alle Kinder von ihm wegrückten, fing er an, heftig zu weinen. Da sagte ihm der Lehrer: »Weißt du nicht, daß der Vezier Schemsuddin nicht dein Vater, sondern dein Großvater, Vater deiner Mutter Sittulhasan, ist? Deinen Vater aber kennt niemand, denn als der Sultan deine Mutter mit einem Buckligen verheiratete, kam ein Geist und schlief bei ihr; da also dein Vater unbekannt ist, so kannst du, gleichsam als Bastard, nicht mit den übrigen Kindern gleichen Rang ansprechen, denn auch der Sohn des Kaufmanns und des Gemüsehändlers kennt seinen Vater – von dir weiß man nur, daß der Vezier dein Großvater ist, niemand aber kennt deinen Vater.«

Als Adjib dies hörte, verließ er die Schule und lief weinend zu seiner Mutter. Diese sagte ihm: »Warum weinst du, mein Sohn? Gott lasse nie deine Augen Tränen vergießen!« Er erzählte ihr, was in der Schule vorgefallen, und fragte sie, wer sein Vater sei? »Der Vezier von Kahirah«, antwortete Sittulhasan. »Du lügst«, erwiderte Adjib, »der Vezier ist dein Vater und mein Großvater; wer aber ist mein Vater?« Sittulhasan ward hierdurch wieder schmerzlich an ihren Gatten, den Vater des Kindes, gemahnt: sie erinnerte sich der Nacht, die sie bei ihm zugebracht, fing an heftig zu weinen und rezitierte folgende Verse:

»Sie haben mein Herz mit der Liebe bekannt gemacht und sind dann weggegangen, und nun steht die Wohnung leer, ohne meinen Geliebten. Entfernt hat er sich von Haus und seinen Bewohnern, er besucht uns nicht, und es ist, als besuche uns niemand mehr. Seitdem die Freunde sich entfernt, ist auch meine Geduld, mein Trost und meine Erwartung dahin. Mit ihm ist auch meine Freude verschwunden; als er mich verließ, fand ich auch keine Ruhe mehr. Die Trennung macht das Blut meiner Augen fließen; viele Tränen vergoß ich bei ihrer Entfernung, wenn einen Tag nur meine Sehnsucht nach ihnen unbefriedigt blieb, so seufzte ich in meiner Erwartung. Im Innersten meines Herzens ist ihr Bild, leidenschaftliche Liebe und Erinnerung. O ihr, deren Andenken Oberkleid ist, so wie eure Liebe mein Unterkleid, gibt es kein Lösegeld für den Gefangenen eurer Liebe? Gibt es keinen Verband für den von euerer Liebe Zerknirschten? Gibt es kein Heilmittel für den, der nach eurer Nähe schmachtet? Gibt es keine Ansicht für den, den eure Trennung tötet? O Freunde, wie lange wird dies noch dauern, wie lange werdet ihr mich noch fliehen?«

Als sie diese Verse gesprochen und mit ihrem Sohne weinte, trat ihr Vater ins Zimmer und fragte sie um die Ursache ihrer Tränen. Sittulhasan erzählte ihm, was ihrem Sohne in der Schule widerfahren, und er mußte auch weinen, als er an seinen Bruder und Neffen dachte, dessen Geschichte ihm ein Geheimnis war. Er ging hierauf zum Sultan, teilte ihm die ganze Geschichte mit, küßte die Erde vor ihm und beschwor ihn, ihm zu erlauben, nach dem Orient bis Baßrah zu reisen, um seinem Neffen nachzuforschen und ihm überall hin Empfehlungsschreiben mitzugeben, damit er ihn leichter auffinden und mitbringen könne. Der Sultan gab seinen Bitten nach; der Vezier nahm die Empfehlungsschreiben mit größter Freude, dankte dem Sultan, verabschiedete sich bei ihm, machte die Vorbereitungen zur Reise und verließ dann Kahirah mit seiner Tochter und ihrem Sohne Adjib.

Nach einer Reise von zwanzig Tagen kam der Vezier von Kahirah mit seiner Tochter und seinem Enkel nach Damaskus: er fand dort Flüsse und Vögel, wie ein Dichter sagte:

»Ich brachte in Damaskus einen Tag und eine Nacht zu, da schwor das Geschick, ähnliches nie mehr zu gewähren; wir schliefen unbewachtWörtlich: »Und die Fittige der Nacht war in ihrer Nachlässigkeit.« D.h. die Nacht war der Liebe günstig, weil sie nicht, wie der Tag, die Liebenden verrät. unter dem Fittige der Nacht, bis ein Teil des Morgens sie schon erleuchtete. Der Tau auf jenen Bäumen gleicht Perlen, die der Zephyr durch einen Händedruck herunterschüttelt. Die Vögel schienen zu lesen, der Teich war wie ein Blatt, auf dem der Wind schrieb, während die Wolken die Punkte hinzusetzten.«

Der Vezier hielt auf einem großen Platze vor dem Tore, schlug dort sein Zelt auf und sagte zu seinen Freunden, die ihn begleiteten: »Wir wollen hier einige Tage ausruhen.« Einige Diener gingen dann in die Stadt, um ihre Geschäfte zu besorgen; der eine verkaufte, der andere kaufte ein, der dritte besuchte das Bad. Auch Adjib ging mit einem Sklaven in die Stadt, um sich ein wenig zu zerstreuen; der Diener ging hinter ihm her mit einem roten Stocke von Haselholz; er war so dick, daß, wenn man ein Kamel damit geschlagen hätte, es bis nach dem Lande Jemen geflohen wäre. Als die Bewohner von Damaskus den schönen jungen Adjib sahen, den folgendes Gedicht so gut beschreibt:

»Sein Atem ist Moschus, seine Zähne sind Perlen, seine Wangen Rosen, sein Speichel Wein, sein Wuchs ein Zweig, sein Gesäß ein Sandhügel, seine Haare sind die Nacht und sein Gesicht der Vollmond —«

liefen sie vor und hinter ihm her und stellten sich ihm in den Weg, um ihn beim Vorübergehen zu sehen, bis nach Gottes Ratschluß und Bestimmung sein Diener am Laden seines Vaters stehen blieb. Adjib war damals zwölf Jahre alt, sein Bart fing schon an zu wachsen, auch hatte er schon recht viel Verstand. Der Koch, der seinen Vater an Kindesstelle angenommen, war längst tot und hatte seinem Adoptivsohne den Laden und sein ganzes Vermögen hinterlassen.

Als Adjib mit seinem Diener vor den Laden seines Vaters Hasan aus Baßrah kam, setzte diesen die Schönheit seines Sohnes in großes Erstaunen; sein Herz fing an zu klopfen, sein Blut kam in Wallung, sein Innerstes ward gerührt und er fühlte sich durch eine geheime Macht des Herrn mächtig zu ihm hingezogen. Gelobt sei er, dem alles möglich ist! Er hatte an diesem Tage gerade Granatäpfelbeeren mit Zucker bereitet und wandte sich daher mit Tränen in den Augen zu seinem Sohne Adjib, indem er sagte: »O du, mein Herr! der du mein Herz unterjocht und meinen Geist besiegt hast, willst du nicht ein wenig zu mir treten und meine Speise kosten?« Er erinnerte sich an seinen früheren Rang als Vezier und sprach folgende Verse:

»O meine Freunde! es fließen meine Tränen heftig wegen eines traurigen Liebesverhältnisses; ich sehe euch und ziehe mich von euch zurück, obgleich ein Teil meiner Sehnsucht nach euch schon mich töten könnte; ich trenne mich nicht aus Haß oder aus Lust, euch zu vergessen, nur die Vernunft gebietet mir, meine Liebe zu verbergen.«

Als Adjib diese Verse hörte, bemitleidete er den Koch; er sagte seinem Eunuchen: »Dieser Mann hat mein Herz gerührt und Mitleid bei mir rege gemacht; es scheint, als habe er einen Sohn oder einen Bruder verloren, laß uns daher bei ihm einkehren, sein Herz stärken und seine Einladung annehmen, vielleicht wird Gott durch diese gute Tat auch mich wieder mit meinem Vater vereinen.« Der Sklave antwortete hierauf ganz zornig: »Bei Gott! das wäre schön, wenn der Sohn des Veziers im Laden eines öffentlichen Kochs speisen wollte; während ich mit meinem Stocke die Leute verhindere, daß sie Euch nicht zu nahe treten, soll ich mich mit Euch in einen öffentlichen Laden setzen!« Als Hasan dies hörte, sagte er seinem Sohne folgende Verse:

»Ich wundere mich, daß man durch einen Diener dich von den Leuten absonderte, und nicht wußte, daß du es schon durch deine Schönheit bist? Deine Haarlocken sind Basilik, deine Wangen Rubin, das braune Flecken darauf Ambra und deine Zähne Edelsteine.«

Dann wandte sich Hasan zum Diener und sagte ihm: »Willst du, mein Herr, nicht mein Herz ein wenig trösten? Du Rußiger mit weißem Herzen, du, den man so und so gelobt hat.« – Da lachte der Eunuche und fragte: wie denn? Hasan rezitierte hierauf folgende Verse:

»Ohne seine Bildung und Zuverlässigkeit würde in festlichen Wohnungen keine Zucht herrschen. Und was für ein Diener ist er, wenn es gilt den Harem zu bewahren! Engel vom Himmel bedienen ihn seiner Schönheit willen. Seine schwarze Farbe ist lieblich und seine weißen Werke erzeugen Fröhlichkeit.«

Dies gefiel dem Eunuchen, er lachte und trat in den Laden. Der Koch setzte dann Adjib und dem Eunuchen eine Schüssel voll Granatäpfel und andere süße Speisen vor. Adjib sprach aber zu seinem Vater: »Setze dich und iß mit uns, vielleicht wird uns Gott wieder mit denen, die wir lieben, vereinen.« Hasan fragte ihn hierauf: »Wie, mein Sohn, auch du bist in deiner Jugend schon mit Trennung von deinen Freunden heimgesucht worden?« – »Freilich«, antwortete Adjib, »bin auch ich schon mit diesen Schmerzen vertraut geworden, und eben bin ich mit meinem Großvater auf der Reise, um die Verlorenen wieder aufzusuchen.« Er fing dann an zu weinen, und Hasan weinte mit ihm, denn er ward wieder an seine Frau und an sein Vaterland erinnert, und rezitierte folgende Verse:

»Kommen wir nach dieser Trennung wieder einmal allein zusammen, so haben wir uns lange Vorwürfe zu machen; bei Gott! kein Bote kann Liebesklagen bestellen, noch ein krankes Herz heilen.«

Diese Verse rührten den Diener, der noch eine Weile aß und dann mit Adjib seinen Weg weiter fortsetzte; dem Koch war es aber, als verließe ihn sein Lebensgeist; er schloß daher seinen Laden und ging ihnen nach, ohne zu wissen, daß Adjib sein Sohn war, bis er ihn endlich am Tore von Damaskus einholte. Als der Verschnittene ihn hinter sich bemerkte, fragte er ihn, was er wolle. »Seitdem ihr mein Haus verlassen«, antwortete Hasan, »ist es mir, als sei mein Lebensgeist mit euch gegangen; ich habe übrigens vor dem Tore etwas zu tun, das will ich jetzt versehen und dann wieder nach Hause zurückkehren.« Der Verschnittene sagte hierauf zornig zu Adjib: »Das ist deine Schuld, ich habe wohl im voraus etwas von diesem Manne befürchtet, dadurch, daß wir bei ihm einen schlechten Bissen gegessen, glaubt er das Recht zu haben, uns überall zu verfolgen und anzubetteln.« Als auch Adjib ihn bemerkte, ward er ebenfalls aufgebracht, und sein Gesicht ward vor Zorn ganz rot; er sagte dann dem Eunuchen: »Laß ihn, wie alle Muselmänner, seines Weges gehen, erst wenn wir vor dem Tore an unserem Zelte ihn noch hinter uns sehen, dann wissen wir, daß er uns nachläuft.« Sie gingen bis zum großen Platze, wo ihr Zelt war; als nun Adjib sich umwandte und immer noch den Koch hinter sich sah, ward er bald rot, bald blaß, denn er fürchtete, sein Großvater möchte erfahren, daß er in den Laden eines Kochs gegangen, und darüber böse werden. Sein Auge begegnete dann dem Hasans, der wie ein Körper ohne Geist aussah; er hielt ihn für einen Spitzbuben oder einen unzüchtigen Menschen, und sein Zorn ward so heftig, daß er in seiner Wut einen halbpfündigen Stein von der Erde aufhob und ihn Hasan an den Kopf warf, so daß die Stirne von einem Auge zum anderen gespalten ward, das Blut über sein Gesicht herabströmte und er ohnmächtig zu Boden stürzte. Adjib ließ ihn liegen und ging mit seinem Diener ins Zelt. Als Hasan nach einer Weile wieder zu sich kam, wusch er das Blut ab und verband die Wunde mit der Binde seines Turbans; er machte sich dann selbst Vorwürfe darüber, sich so benommen zu haben, daß der junge Mann ihn für einen Spitzbuben halten mußte. Er kehrte jetzt in seinen Laden zurück und sehnte sich immerwährend nach seiner Mutter in Baßrah und sprach folgende Verse:

»Fordere vom Schicksal keine Gerechtigkeit, du würdest ihm Unrecht tun; klage es nicht an, wenn es unwillig ist, denn es gibt keine Billigkeit auf der Welt; ergreife vom Leben was du kannst, und laß die Sorgen beiseite: das Leben muß bald trüb, bald heiter sein.«

Während Hasan aus Baßrah wieder, wie früher, gekochte Speisen in seinem Laden verkaufte, war sein Oheim, der Vezier aus Kahirah, nach drei Tagen von Damaskus nach Hims gereist. Da er auch hier seinem Neffen vergeblich nachgespürt, reiste er nach Hamah, übernachtete hier, um Erkundigungen einzuziehen, und rastete dann nicht mehr, bis in Aleppo, wo er sich zwei Tage aufhielt; so setzte er über Maridin, Mossul, Sindjar und Dijarbekr seine Reise bis Baßrah fort. Hier ging er sogleich zum Sultan, der ihn gut aufnahm und nach der Ursache seiner Reise fragte. Der Vezier erzählte ihm seine Geschichte und verschwieg ihm nicht, daß er der Bruder seines ehemaligen Veziers Nuruddin aus Kahirah sei. Der Sultan rief aus: Gott sei ihm gnädig! und sagte ihm, daß dieser vor ungefähr fünfzehn Jahren gestorben sei und einen Sohn hinterlassen habe, von dem man aber seit einem Monat nach des Vaters Tod nichts mehr gehört habe. »Seine Mutter«, fuhr der Sultan fort, »ist noch hier bei uns; sie ist die Tochter des Großveziers.« Als Schemsuddin dies hörte, bat er um die Erlaubnis zu ihr zu gehen, die ihm auch sogleich gegeben ward. Er begab sich hierauf in die Wohnung seines Bruders Nuruddin, küßte vor Freude die Hausschwelle, und als ihm wieder sein Bruder, der in der Fremde gestorben, einfiel, sprach er folgende Verse:

»Ich möchte Tag und Nacht bei diesem Hause zubringen und diese und jene Mauer küssen; doch nicht Liebe zum Hause füllt mein Herz, sondern zu denen, die es bewohnen.«

Als er zur großen Pforte hineintrat, kam er in eine geräumige gewölbte Halle von verschiedenartigem Marmor mit kostbaren Blumenmalereien verziert; als er sich im Inneren des Hauses umsah, fand er an den Wänden den Namen seines Bruders mit Goldbuchstaben und Azurfarbe geschrieben; er küßte ihn, erinnerte sich wieder an die Trennung, weinte und sprach folgende Verse:

»Ich frage die Sonne nach euch, so oft sie aufgeht, und den Blitz, so oft er leuchtet. Ich bringe die Nächte in den Armen der Sehnsucht zu und klage ihr meinen Schmerz nicht. O meine Freunde! dehnt sich eure Entfernung noch in die Länge, so wird sie mich ganz zermalmen. Doch wolltet ihr meinen Augen noch einmal vergönnen, euch zu sehen, so werdet ihr dadurch die schönste Vereinigung bewirken. Glaubt nicht, daß ich mich mit anderen abgebe, mein Herz hat nicht mehr Raum für Liebe zu anderen. Bemitleidet einen Liebenden, den die Liebesschmerzen drücken, dessen Innerstes durch eure Trennung zerknirscht worden. O wenn mein Schicksal mir noch einmal vergönnte, euch zu erblicken, wie dankbar würde ich ihm für dieses Wiedersehen sein! Möge Gott dem Verleumder seinen Schutz entziehen, der unsere Trennung wünscht, und der Fuß unbrauchbar werden, der, um unsere Trennung zu verlängern, sich bewegt!«

Er ging dann zur Türe des Saals, in welchem seine Schwägerin, die Mutter Hasans, war. Diese Frau hatte immerfort geweint und geklagt, seitdem ihr Sohn Hasan verschwunden war. Nachdem sie so viele Tage und Nächte durchweint hatte, ließ sie ihrem Sohne mitten im Zimmer ein Grabmal errichten und weinte darauf Tag und Nacht. Als nun der Vezier die Türe öffnete, fand er seine Schwägerin, deren Haare über dem Grabe herabhingen, laut weinend über ihren Sohn Hasan und folgende Verse rezitierend:

»O Grab, o Grab! haben seine Tugenden aufgehört zu sein? Sollte die Freude aller, die ihn gesehen, erloschen sein? O Grab! du bist doch kein Himmel und kein Garten, wie vereint sich in dir Sonne und Mond?«

Er begrüßte sie, sagte ihr, daß er ihr Schwager sei, und erzählte ihr seine ganze Geschichte. Im Laufe seiner Erzählung sagte er ihr auch, daß Hasan aus Baßrah vor ungefähr zehn Jahren eine Nacht bei ihm zugebracht und des Morgens auf einmal verschwand; daß seine Tochter von ihm guter Hoffnung ward und nach neun Monaten einen Sohn gebar, den er bei sich habe. Als die Mutter Hasans hörte, daß ihr Sohn noch lebe und einen Sohn habe, richtete sie sich auf und sprach weinend folgende Verse:

»Gott hat den Boten gesegnet, der mir ihre Ankunft verkündet, denn er bringt mir die schönste Nachricht; wenn er wollte, so gäbe ich ihm statt eines Ehrenkleides ein Herz, das die Trennung zerrissen hat.«

Sie umarmte dann Adjib, drückte ihn an ihren Busen und küßte ihn, und dieser erwiderte es; als sie dann wieder zu weinen anfing, sagte ihr der Vezier: »Jetzt ist keine Zeit zum Weinen; mache dich reisefertig und komme mit mir nach Ägypten, vielleicht finden wir meinen Neffen, deinen Sohn; dies gibt eine merkwürdige Geschichte, die wohl verdient aufgezeichnet zu werden.« Sie machte sogleich ihre Vorbereitungen zur Reise; unterdessen ging der Vezier, sich beim Sultan zu beurlauben, der ihm alles gab, was er zur Reise bedurfte, auch Geschenke für den Sultan von Kahirah. Schemsuddin reiste nun wieder ununterbrochen bis Aleppo, wo er drei Tage blieb; dann begab er sich nach Damaskus, schlug wieder außerhalb der Stadt sein Zelt auf und sagte zu seinen Leuten: »Wir werden hier einige Tage verweilen, um Geschenke für den Sultan einzukaufen.« Als er nun in die Stadt gegangen, um seine Geschäfte zu besorgen, fragte Adjib den Verschnittenen: »Wollen wir nicht ein wenig nach Damaskus spazieren und sehen, was der Koch macht, dessen Speisen wir verzehrt, und den wir dann zum Lohne für seine Wohltat mißhandelt haben?« – »In Gottes Namen!« antwortete der Verschnittene. Sie verließen das Zelt, und schon wallte das Blut Adjibs seinem Vater entgegen. Sie gingen in die Stadt durch das Paradiestor, durchkreuzten viele Straßen und den großen Marktplatz, und sahen sich dann in der Moschee der Omejaden um, bis gegen die Stunde des Nachmittagsgebets. Dann gingen sie zum Laden Hasans, und fanden wieder bei ihm höchst einladende Granatäpfel, mit Julep und Rosenwasser gekocht. Adjib hatte Mitleid mit ihm, als er das blaue Mal sah, das der Stein, mit dem er ihn geworfen, auf seiner Stirne zurückgelassen, und sagte zu ihm: »Friede sei mit dir! mein Herz ist bei dir.« Als Hasan Adjib sah, kam wieder sein Innerstes in Bewegung, sein Herz klopfte und sein Blut kam in Wallung, er wollte den Gruß erwidern, konnte aber seine Zunge nicht bewegen; er beugte sich dann ganz demütig vor Adjib und sprach folgende Verse:

»Ich sehnte mich nach dem, den ich liebe, und als ich ihn fand, verstummte ich und war nicht mehr Herr meiner Zunge und meiner Augen; aus Ehrfurcht schlug ich die Augen vor ihm nieder, und suchte, was ich empfand, ihm zu verbergen; doch es blieb ihm nicht verborgen; viele Worte hatte ich in meinem Herzen, und als ich beim Geliebten war, brachte ich kein Wort heraus.«

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