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Im Lande des Mahdi II
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Im Lande des Mahdi II

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»Wen sonst?«

»Es war eine Hyäne. Du selbst bist taub oder so furchtsam, daß du eine Hyäne für einen Löwen hältst. Und wenn es der Herdenwürger wäre, den wir hörten, ich würde ihm mit dir entgegen gehen, um dir zu beweisen, daß – —«

Er hielt inne. Das Rollen erklang von neuem, nicht viel deutlicher als zum erstenmal. Das war ein Beweis, daß das Tier sich nur langsam näherte. Aber etwas besser war es doch zu hören gewesen, denn die Kamele begannen zu schnauben, und der Fessarah-Führer rief voller Schreck:

»Allah kerihm – Gott sei uns gnädig! Das war wirklich ein Löwe, der große Löwe von EI Teitel. Er wird uns fressen und verschlingen.«

»Ja, er hat unsere Spur gefunden und auch diejenige dieses kühnen Fakir el Fukara; darum hat er zweimal gebrüllt,« antwortete ich. »Nun aber wird er schweigen und sich heimlich nähern, um sich einen von uns zur Speise zu holen.«

»Allah bewahre uns vor den Listen dieses geschwänzten Teufels!«

»Ah, du hast Angst! Wie steht es mit unserer Wette?«

»O, Effendi, diese Wette!«

»Du wolltest doch thun, was ich thue!«

»Ja, das werde ich auch,« antwortete er; aber ich sah die Visionsflinte in seinen Händen beben.

»So komm! Dem Löwen entgegen.«

»Bist du toll!«

»Nein. Wenn ich ihm entgegen gehe, finde und töte ich ihn. Bleibe ich aber hier, so ist ein Mensch verloren.«

»Aber doch nicht gerade du oder ich!«

»Einer wird unbedingt gefressen, welcher, das bleibt sich gleich.«

»Das bleibt sich gar nicht gleich! Ob ich gefressen werde oder ob er einen andern frißt, das ist für mich ein großer Unterschied. Ich bitte dich, doch hier zu bleiben! Wenn sich jeder hinter ein Kamel versteckt, sind wir sicher.«

»Der Löwe holt sein Opfer auch hinter dem Kamele vor. Ich gehe, und dieser vortreffliche Fakir el Fukara wird mich auch begleiten.«

»Ist es dein Ernst, Effendi?« fragte der Fakir.

»Du wolltest ja mit mir zum Löwen gehen! Oder sollte ich, was du so stolz bezweifeltest, wirklich doch mehr Mut und Geschicklichkeit besitzen als du? Prahlen kann jeder Feigling; aber ein Fakir el Fukara sollte doch – —«

»Schweig!« unterbrach er mich. »Ich gehe mit.«

»So komm! Und du, Ben Fessarah?«

»Ich bleibe,« antwortete der Führer.

»Das wußte ich. Mit dem großen Maule bist du tapfer; aber ich werde deine Visionsflinte gewinnen.«

»O Allah! O Muhammed! O Abu Bekr und Osman! Meine schöne, berühmte Visionsflinte,« jammerte er.

»Wenn du zurückbleibst, ist sie verloren!«

»So – so – – so gehe ich mit, Effendi, immer hinter dir her. Geh nur voran; ich komme, ich komme!«

Er zitterte am ganzen Leibe, kam aber doch hinterdrein, doch ganz genau hinter mir, damit der Löwe nicht ihn, sondern mich erwischen möge. Er dauerte mich, und ich hätte ihn gern zurückgewiesen; aber er hatte eine Strafe verdient; außerdem war ich überzeugt, daß er schon nach wenigen Schritten abhanden kommen werde.

»Mehr Holz in die Feuer, damit die Flammen hoch steigen!« gebot ich noch; dann hatte ich den Kreis der Menschen und Kamele hinter mir.

Von den Asakern und den Gefangenen war kein Laut zu hören. Die Angst machte sie verstummen. Sie drängten sich, um Schutz zu suchen, jeder eng hinter den Leib eines Kameles. Innerlich war ich wohl der ruhigste von allen. Wenn der Augenblick der Gefahr da ist, hat jede vorher etwa vorhandene Bangigkeit aufzuhören, sonst ist man verloren. Der Fakir el Fukara hatte wohl nicht geglaubt, daß seine Großsprecherei solche Folgen haben werde; er war überzeugt gewesen, es nur mit einer Hyäne zu thun zu haben. Nun trieb ihn die Angst, für einen Feigling gehalten zu werden, hinter mir drein. Der Fessarahführer hatte ihm Platz gemacht und bildete nun den letzten. Er sah, als wir die Lichtung vielleicht halb überschritten hatten, am Rande derselben eine Bewegung im Gebüsch, duckte sich entsetzt hinter einem einzelnen Busch, an welchem wir vorüber kamen, nieder und schrie:

»Dort ist er, dort! O Allah, o Gnädiger, o Barmherziger! Ich bleibe mutig hier. Lauft fort, um euch zu retten!«

Ja, wir sollten weiter gehen, um vom Löwen gesehen und angesprungen zu werden, während er »mutig« hinter dem Strauche versteckt lag!

Auch ich hatte die Bewegung, durch welche er so in Schreck versetzt worden war, bemerkt, doch konnte sie unmöglich von dem Löwen verursacht worden sein; darum rief ich dem Feiglinge zu:

»Komm nur weiter mit, sonst ist deine Flinte verloren! Du mußt doch thun, was ich thue!«

»Nein, nein; ich bleibe hier und schieße ihn über den Haufen. Lauft nur, lauft! Und schreit recht laut, damit er Angst vor euch bekommt!«

Er forderte uns jedenfalls nur aus dem Grunde zum Schreien auf, daß wir die Aufmerksamkeit des Löwen auf uns ziehen sollten. Dieser aber konnte noch nicht da sein. Als er zum erstenmal brüllte, war er gewiß zwei englische Meilen entfernt gewesen. Darum hatte ich mir zu meinen ironischen Aufforderungen an die beiden Begleiter Zeit genommen. Jetzt mochte das Tier vielleicht drei Viertel dieser Entfernung zurückgelegt haben.

Da das Gebrüll aus Westen erklungen war, hatte ich mich natürlich nach dem dorthin liegenden Rand der Lichtung gewendet und blieb da stehen, um mir eine gute Position auszusuchen. Es war vorauszusehen, daß der anschleichende Löwe, um kein Geräusch zu machen, das Unterholz meiden werde. Da es nun hier auf dieser Seite nur eine von Büschen freie Stelle gab, so war vorauszusehen, daß er aus derselben hervorbrechen werde. Ich hatte mich also in die Nähe derselben zu postieren.

Es gab da zwei sehr starke Thalhabäume[12 - Acacia gummifera.], deren Stämme dicht nebeneinander standen; ein üppiges Sunutgesträuch hielt den Schein der Feuer ab und warf einen tiefen Schatten auf die Stelle.

»Hier legen wir uns nieder,« sagte ich. »Das ist der beste Platz.«

»Warum hier?« fragte der Fakir, indem er sich zu mir niederkauerte.

»Weil der Löwe da, ungefähr zehn Schritte von uns, durchbrechen wird.«

»Allah kerihm! Warum so nahe! Wir müssen mehr zurück! Vielleicht auf fünfzig oder sechzig Schritte.«

»Nein. Je näher, desto besser und sicherer ist der Schuß.«

»Effendi, du hast den Verstand verloren.«

»Nein, aber ich habe mehr Mut als du. Ich höre deine Zähne klappern.«

»Kann ich dafür? Mein Kinn ist plötzlich ganz locker geworden.«

»Zittert auch deine Hand?«

»Ja; es geht eine große Kälte durch meine Arme.«

»So schieß ja nicht, wenn er kommt, sondern überlaß ihn mir! Du würdest schlecht oder gar nicht treffen und dadurch die Gefahr für uns verzehnfachen.«

»Wollte doch Allah, ich wäre nicht mitgegangen! Ich bin unverzagt, aber die Aufmerksamkeit des Menschenwürgers absichtlich auf sich zu lenken, das ist denn doch zu verwegen. Sprechen wir ja nicht mehr! Er könnte es hören.«

»Wir flüstern ja nur. Uebrigens ist er noch gar nicht da.«

Der Fakir el Fukara hatte eine schreckliche Angst. Ich hörte ganz deutlich seine Zähne aufeinander schlagen, und als ich ihm jetzt die Hand auf den Arm legte, um zu fühlen, ob dieser auch so bebe, stieß er einen lauten Schreckensruf aus. Er hatte meine leichte Hand für die schwere und tödliche Tatze des Löwen gehalten.

Der Fessarah schien indessen irgend etwas vorzuhaben.

Ich sah ihn deutlich hinter seinem Strauche kauern. Von mir aus waren es vierzig Schritte bis zu ihm, achtzig bis zum Brunnen, bis wohin ich also, falls der Löwe dort einbrach, einen sichern Treffer senden konnte. Er hatte erst am Boden gelegen; jetzt kauerte er und machte sich mit seiner Visionsflinte zu schaffen. Dabei legte er den Kopf zur Seite, um hinter dem Busche hervorzulugen. Nun hob er das Gewehr und richtete den Lauf nach der Stelle, an welcher wir vorhin die Bewegung bemerkt hatten. Was hatte er vor? Wollte er etwa schießen? Durfte ich ihn durch einen lauten Zuruf daran hindern? Wenn ich dies auch hätte wagen wollen, es wäre zu spät gewesen, denn schon drückte er ab. Das Visionsgewehr krachte wie eine alte Donnerbüchse und schlug ihn mit dem Kolben so an den Kopf, daß er niederstürzte. Er fuhr aber schnell wieder und zwar ganz empor und schrie, indem er mit beiden Armen freudig um sich windmühlte, in jubilierendem Tone:

»Hamdullilah – Allah sei Preis und Dank! Ich habe ihn, ich habe ihn! Ich habe ihn geschossen und getroffen! Dort stürzte er zusammen; dort liegt er in seinem Blute, der Fresser, der Mörder, der Menschenverwüster und Herdentöter! Jubelt, ihr Männer, ruft, schreit und singt zu seinem Ende, einem Ende ohne Ruhm und Ehre, einem Ende der Feigheit und der Schande! Effendi, komme, komme schnell herbei, damit ich ihn dir zeige!«

Das Gebaren des unvorsichtigen Menschen war fast wahnwitzig zu nennen; er gestikulierte wie ein Verrückter. Dort im Lager erhoben sich die Asaker, welche seinen Worten glaubten. Auf was hatte er denn wohl geschossen? Auf alles mögliche, aber nicht auf den Löwen, denn eben jetzt in diesem Augenblicke trug die Luft mir jenen untrüglichen scharfen, stechenden Geruch, welche den großen, wilden Arten der Katzenraubtiere zehnmal, zwanzigmal stärker zu eigen ist als den in Menagerien und zoologischen Gärten lebenden halbzahmen Exemplaren derselben.

»Er hat ihn erschossen. Wir müssen hin, Effendi!« meinte der Fakir el Fukara.

»Unsinn! Der Löwe kommt von entgegengesetzt her; wir haben ihn gerade vor uns. Ich rieche ihn schon.«

»O Allah, o Erbarmen, o Zuflucht und Trost der Gläubigen! Du irrst dich. Der Fessarah ist der Sieger, und ich begebe mich zu ihm.«

Er sprang auf und fort. Ich hätte ihn nicht halten können, selbst wenn ich gewollt hätte, denn ich besaß keine Zeit und auch keine Hand dazu. Der Löwe war da. Ich sah ihn unter den vordersten Bäumen der lichten Stelle erscheinen, fast tageshell von den hochflackernden Feuern beschienen, ein über einen Meter hohes, sicher zwei und ein halb Meter langes, ganz ungewöhnlich starkes, mächtiges Tier mit sehr langer und dichter, dunkel gefärbter Mähne.

Ich lag im Anschlage; er stand aber schlecht zum Schusse, und einen Fehlschuß durfte ich nicht wagen. Zu langen Erwägungen gab es keine Zeit, denn das Tier sah den fortrennenden Fakir el Fukara und machte eine Wendung, um ihm nachzuspringen. Ich schrie aus Leibeskräften, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Drehte er sich nach mir um, so hatte ich besseres Ziel. Aber er schien meinen Schrei gar nicht zu hören, wenigstens nicht zu beachten und schnellte hinter dem Fakir her, einen Satz, zwei Sätze, drei Sätze. Er wurde vom Lager aus erblickt; die Asaker heulten vor Entsetzen auf; auch der Fessarah zeterte, als ob er im Höllenfeuer brenne, und dadurch aufmerksam gemacht, blieb der Fakir el Fukara stehen und sah sich um. Als er das ihn verfolgende Raubtier erblickte, brach er vor Todesangst in die Kniee zusammen und hob, unfähig, einen Laut von sich zu geben, die gefalteten Hände empor. Noch drei Sprünge, und der Löwe hätte ihn erreicht.

Das waren nur Augenblicke, aber ich hatte sie benutzt. Meinen Bärentöter in der Rechten, war ich aus meinem Verstecke dem Würger der Herden nachgerannt, hatte mit der Linken den Revolver gezogen und drückte, dazu nicht schreiend, sondern brüllend, die sechs Schüsse nacheinander ab. Das half. Der Löwe hörte sie und warf sich herum. Ich ließ mich gedankenschnell auf das Knie nieder und legte das Gewehr an. Nun war den beiden andern geholfen; das wußte ich genau, denn der Löwe wirft sich unbedingt auf diejenige Person, welche auf ihn zielt; aber was stand nun mir bevor? Entweder er oder ich!

Er maß die Entfernung mit den Augen; in einem Sprunge konnte er mich nicht erreichen; er mußte also zwei thun, und sobald er nach dem ersten den Boden berührte, hatte ihn meine Kugel zu treffen, sonst fand ich keine Zeit mehr zu dem wahrscheinlich nötigen zweiten Schusse. Es waren höllische Momente, da die gewaltige Katze keinen Laut von sich gab. Jetzt schnellte sie in die Höhe, die Vorderpranken weit auseinander gestreckt; zwölf Schritte vor mir kam sie zur Erde nieder und erhielt den ersten Schuß. Ein Ruck, als ob er einen Stoß von vorn bekommen hätte, ging durch den Körper des Löwen; er war gut getroffen worden; aber die einmal angespannte Kraft des Willens und der Muskeln wirkte noch fort; der mächtige Körper flog wieder empor und auf mich zu, mußte genau mich erreichen. Aber bevor dies geschehen konnte, traf ihn meine zweite Kugel in der Luft, und ich warf mich weit zur Seite, indem ich das Gewehr fallen ließ und das Messer aus dem Gürtel zog. Dieses letztere zum Stoße zückend, drehte ich mich blitzschnell wieder um und sah, daß eine solche Verteidigung glücklicherweise nicht notwendig war. Der Löwe lag auf dem Rücken, bewegte sich, die Beine krampfhaft an den Leib gezogen, einmal nach der rechten und einmal nach der linken Seite, blieb da liegen und streckte dann, blutigen Schaum im halbgeöffneten Rachen, in einer letzten Bewegung die vier Pranken weit von sich. Er war tot, und ohne daß es der Bestätigung durch eine lange Untersuchung bedurfte, ersah ich aus diesem Erfolge, daß die beiden Kugeln da saßen, wohin ich sie bestimmt hatte, nämlich die erste durch das Auge in das Hirn und die zweite von unten herauf ins Herz. Dennoch wagte ich es noch nicht, das Tier zu berühren, denn es ist vorgekommen, daß ein scheinbar toter Löwe mit mehreren Kugeln im Kopf wieder aufgesprungen ist. Ich hob mein Gewehr wieder auf, lud es und stieß den Löwen dann mit den Läufen an. Hätte er noch Leben verraten, so konnte ich ihm auf diese Weise noch zwei Kugeln geben, ehe er aufzuspringen vermochte; aber er zuckte nicht; er war wirklich tot.

Das war alles so schnell gegangen, daß der Fakir el Fukara noch am Boden kniete und der Fessarah noch immer schreiend an seinem Busche stand. Die Asaker hatten ihr Heulen eingestellt, da sie sich nicht mehr bedroht sahen. Ich ging auf den ersteren zu, faßte ihn am Arme, um ihn aufzurichten, und sagte.

»Was kniest und betest du noch? Der Menschenfresser ist tot.«

»Tot?« ahmte er wie geistesabwesend das letzte Wort in meinem Tone nach.

»Ja, tot. Du hast nichts mehr zu befürchten.«

»Hamdulillah!«

Dieses eine Wort sprach er noch aus; dann stand er auf und ging fort, ohne sich um den Löwen zu bekümmern, in den Wald hinein, eine für mich gewiß sehr sonderbare Weise, sich mit dem Lebensretter abzufinden. Der Fessarah hatte meine Worte gehört und fragte:

»Ist es wirklich gewiß, daß er tot ist?«

»Ganz gewiß.«

»Kann man ihn besehen und befühlen?«

»Natürlich!«

»So werde ich die Asaker rufen, damit sie unsere Triumphe preisen mögen.«

»Unsere« Triumphe hatte er gesagt. Nun, ich war neugierig, den von ihm erlegten Löwen zu sehen! Zunächst wurde der meinige in Augenschein genommen; aber nicht eilig und in stürmischer Freude kamen die Gefährten herbei, sondern zögernd und still. Die Dimensionen des Löwenkörpers waren selbst noch im Tode so achtunggebietend, daß es meiner mehrmals wiederholten Versicherung bedurfte, ehe ein Askari es wagte, den Kopf der Tierleiche zu fassen und von einer Seite auf die andere zu legen. Als man sich auf diese Weise überzeugt hatte, daß allerdings keine Gefahr mehr vorhanden sei, verwandelte sich die zaghafte Stille in eine Scene übermütiger Lebhaftigkeit. Der Fessarah-Führer machte den Anfang dazu, indem er sich zum Redner aufwarf, den Körper des Löwen als Tribüne bestieg und folgendermaßen begann:

»Preis sei Allah und Heil dem Propheten! Dieser Tag ist ein Tag des Triumphes. Bestätigt es, ihr Gläubigen!«

»Ja, Heil, Preis, Triumph!« schrieen die Asaker, welche alle herbeigekommen waren. Nur Ben Nil, der pflichtbewußte, befand sich bei den Gefangenen, um dieselben zu überwachen.

»Ihr hörtet,« fuhr der Sprecher fort, »von dem Löwen von EI Teitel, welcher sein Maul aufsperrte und in jeder Woche einen Anhänger des Propheten verschlang. Bestätigt es, ihr Freunde und Geführten den beider Helden dieses Tages!«

»Wir bestätigen es!« erklang die Antwort.

Unter den beiden Helden waren jedenfalls ich und er gemeint. Er sprach weiter.

Am Bauche des Herrn mit dem dicken Kopfe liegen viele hundert Moslemin begraben. Vielleicht hat er auch zuweilen einen Ungläubigen verschluckt, was ihm wohl Beschwerden der Verdauung bereitete. Heute kam er nach diesem Brunnen, um seine Verbrechen fortzusetzen; da aber entbrannte der Zorn der Kämpfer und der Grimm der berühmtesten Recken in Afrika. Sie, nämlich der Effendi und ich, machten sich auf, dem Fresser entgegen. Ruft ihnen Heil und Ruhm zu, ihr Zeugen der Thaten!«

»Heil, Ruhm, Heil!« ertönte es ringsum.

»Der Würger der Lebendigen kam nicht allein, sondern er brachte sich einen gottlosen Geführten seiner Schandthaten mit. Dieser Gefährte, dessen Seele Allah in den Körper eines lahmen Hundes fahren lassen möge, hatte die Verwegenheit, sich mir gegenüber aufzustellen. Mich überkam die tapfere Begierde der Vertilgung dieses Ungeheuers, und ich vertrieb es aus dem Lande der Lebenden, denn ich legte meine Visionsflinte an und schoß es über den Haufen. Es liegt dort am Rande des Gebüsches, umleuchtet von den Strahlen meines Heldentumes, und ich werde es euch nachher zeigen, damit ihr rufen könnt: Schmach und Schande über ihn! Mich aber, den Sieger, preiset mit einem dreimaligen Triumphgeschrei!«

Seiner Aufforderung wurde Folge geleistet; dann fand er es für angemessen, sich auch mit meiner Person zu beschäftigen:

»Da ich das lebendige Grab so vieler Gläubiger erschossen habe, sind mir die Uhr und das Fernrohr zuzusprechen, denn ich habe sie gewonnen, da ich ganz dasselbe that, was der Effendi that; ich erlegte gerade so wie er einen vierfüßigen Herrn mit der Stimme, die dem Donner gleicht, ja, ich erlegte den meinigen sogar noch eher als er den seinigen. Dieser liegt hier unter meinen Füßen, hingestreckt in seiner eigenen Haut, welche ihm lebendig vom Leibe hätte gezogen werden sollen. Der Effendi brauchte zwei Schüsse, um ihn zu töten, während bei mir nur eine Kugel nötig war. Dennoch soll auch diesem Sieger die Belohnung werden. Ruft auch ihm ein dreimaliges Heil zu!«

»Heil, Heil, Heil!« wurde mir gebracht.

» So sind also nun die Helden und Sieger geehrt, und es ist das Recht der Besiegten, verhöhnt und angespieen zu werden. Schlagt diesen Mörder des Menschengeschlechtes; stoßt ihn, kneipt und zwickt ihn; zerrt ihn am Schwanze und bei den Ohren; sagt ihm die Namen, welche ihm gebühren, damit seine feige Seele in unendlicher Scham versinke und ersticke! Macht euch über ihn her; rauft ihm die Haare aus; zerreißt sein Fell, damit seinesgleichen sich ein warnendes Beispiel nehme und sich nicht mehr an die Anhänger des Propheten wage, sondern sich mit dem Fleische der Schafe und Ziegen begnüge! Ich habe gesprochen. Preis sei den Siegern! Heil, Heil, Heil!«

Er stieg, während die Asaker in seinen Ruf einstimmten, von dem Löwen herab, auf welchen sich nun alle warfen. Das tote Tier wurde mit Händen und Füßen so bearbeitet, daß ich gezwungen war, Einhalt zu gebieten, um das schöne Fell zu retten. Ich erreichte das am schnellsten dadurch, daß ich das allgemeine Geschrei mit meiner Stimme übertönte:

»Auf, auf, ihr Gläubigen! Diesem Würger von EI Teitel ist nun der Schande genug gebracht worden. Laßt uns jetzt den berühmten Löwen aufsuchen, welchem unser Ben Fessarah das Leben nahm! Meine Seele ist begierig, sich an seinem Anblicke zu erfreuen.«

»O, du wirst dich unendlich freuen, Effendi,« antwortete der Genannte. »Mein Löwe ist fast noch einmal so groß wie der deinige, denn sein Kopf ragte noch über die Büsche empor, in denen er steckte. Ich habe meine Wette gewonnen, und du wirst mich nicht um den Gewinn betrügen, wie auch ich dir den deinigen sofort ausgehändigt hätte. Ich stelle mich an eure Spitze, ihr Männer; folgt hinter mir, und bildet den Triumphzug nach dem Platze des Kampfes, an welchem mein Ruhm den ersten Preis gewonnen hat!«

Was die Wette betraf, so war ich um den Ausgang derselben gar nicht bange. Ich wußte, daß ich gewonnen hatte und daß der »preisgekrönte« Fessarah jetzt einer ebenso großen wie unvermeidlichen Blamage entgegen ging.

Ich erriet jetzt, wer oder was sein Löwe war, dessen Kopf noch über die Büsche emporgeragt hatte. Unsere Kamele lagerten am Brunnen; aber dasjenige des Fakir el Fukara, welches frei gegrast hatte, war nicht mehr zu sehen. Es war, die jungen Zweige von den Büschen fressend, zwischen dieselben eingedrungen und von dem einen »Helden dieses Tages« für den Löwen gehalten und er- oder doch wenigstens angeschossen worden.

Der Zug setzte sich still in Bewegung. Man mußte wieder vorsichtig sein, da man noch nicht wußte, ob der zweite Löwe tot oder nur verwundet war. Je mehr man sich der Stelle näherte, desto langsamer schritt der Fessarah voran; er blieb endlich gar stehen und wendete sich rückwärts an mich:

»Effendi, du bist doch überzeugt von meiner Heldenhaftigkeit?«

»Vollständig, denn du hast das größte und berühmteste Tier der Wüste erlegt. Leider aber befürchte ich, daß der Fakir el Fukara dir nicht dafür danken wird.«

»Das erwarte ich auch gar nicht, da er nicht von meinem Löwen, sondern von dem deinigen bedroht wurde. Er mag seinen Dank also an dich richten. Dieser mein Löwe aber bedrohte den Brunnen mit allen Asakern und Gefangenen, und dies ergiebt für mich einen weit größeren und zahlreicheren Dank als denjenigen, den du nur allein von dem Fakir zu erwarten hast. Jetzt aber komm und schreite du voran! Ich weiß, daß du schärfere Augen hast als ich.«

»Du irrst. Ich sehe zu Zeiten sehr schlecht, und dann kann es mir leicht passieren, daß ich einen Löwen für ein Kamel halte. Welch eine Kränkung für dich, wenn mir gerade heute und hier ein solcher Irrtum widerführe! Du bist der Sieger; gehe nur du voran!«

Er mußte sich fügen; aber mit seinem Mute schien es Kap Finisterre zu sein, denn er bewegte sich in einer Weise vorwärts, als ob er auf Eiern gehe, von denen er keins zertreten dürfe. Schon nach sechs oder sieben Schritten blieb er wieder stehen, deutete vorwärts und meldete mit sehr unterdrückter Stimme:

»Allah kerihm! Dort liegt er. Ich sehe zwei seiner Füße, welche sich bewegen. Effendi, was ist da zu thun?«

»Nur immer drauf!«

»Aber er beißt! Er ist noch nicht tot, sondern wohl nur verwundet.«