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Im Lande des Mahdi II
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Im Lande des Mahdi II

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»Ich sage dir aber, daß – —«

»Und ich sage dir,« unterbrach ich ihn in scharfem Tone, »daß mir das, was du sagst, sehr gleichgültig ist. Ich weiß ganz bestimmt, daß du hier bleibst, bis wir auch aufbrechen.«

»Effendi, was fällt dir ein! Ich weiß, was ich will. Oder sollte ich etwa nicht mehr Herr meines Willens sein?«

Ich war aufgestanden; auch er sprang auf und stellte sich mir drohend gegenüber.

»Ich lasse dich nicht fort.«

»Mit welchem Rechte?«

»Mit dem Rechte des Stärkern. Ich bin Gebieter an diesem Brunnen, und zu allem, was hier geschehen soll, habe ich meine Erlaubnis zu geben.«

Er hatte seine Flinte in der Hand. Ich hielt mich auf alles gefaßt, am meisten darauf, daß er plötzlich davoneilen werde. Da ich mein Gewehr an meinem Platze zurückgelassen hatte, konnte er der Ansicht sein, daß ihm die Flucht, ohne daß ihm eine Kugel folgte, gelingen werde.

»Du hast mir ein Kamel versprochen, damit ich weiterreiten kann,« sagte er in sehr bestimmtem Tone. »Ich verlasse mich auf dein Wort.«

»Du wirst es bekommen und kannst weiterreiten, doch wann, davon ist nicht die Rede gewesen. Du wirst in der Frühe mit uns aufbrechen.«

»Ich habe es aber so eilig, daß ich nicht auf euch warten kann!«

»Warum hast du das früher nicht gesagt? Da schienst du es nicht so eilig zu haben. Uebrigens werden wir sehr schnell reiten, und du versäumst also nichts, wenn du bis zu unserm Aufbruche wartest.«

»Effendi, ich brauche keine Reisegesellschaft und keine Beschützer, denn ich reise allein viel sicherer, als in Begleitung eines Christen, dessen Gegenwart mich nur in Gefahr bringen kann.«

»Es sind Asaker dabei; das ist etwas ganz anderes. Ich muß wirklich darauf dringen, daß du wartest, bis wir mitreiten.«

»Mit welchem Recht behandelst du mich als deinen Gefangenen?« fuhr er auf.

»Mit dem Rechte, welches ein jeder besitzt, der auf seine Sicherheit, auf sein Leben bedacht sein muß.«

»Bedrohe ich etwa, indem ich fortgehe, deine Sicherheit oder gar dein Leben?«

»Ja.«

»Allah ‚l Allah! Mir das! Mir, dem Mahdi, vor welchem Millionen im Staube liegen werden!«

»Ah, jetzt bekennst du Farbe! Du also bist der Auserwählte, zu welchem Allah gesprochen hat! Du willst den Khedive und den Sultan absetzen? Du willst die Erde erobern und die Christen vernichten? Du willst die unvollendete Sendung des Propheten vollenden und das Schwert des Islam von einem Ende der Welt zum andern tragen?«

Bei jeder dieser Fragen ließ ich den Blick von oben herab und dann wieder von unten herauf über seine Gestalt schweifen, betonte das Wort Du sehr kräftig und fügte dann hinzu:

»Aufrichtig gestanden, du hast mir gar nicht das Aussehen eines Mannes, der auch nur zehn Asaker zu kommandieren vermag, und du willst die Gläubigen, ja sogar den ganzen Erdkreis beherrschen?!«

»Spotte nicht, denn es würde dir schlecht bekommen. Ich bin vom Geiste erleuchtet und weiß alle Dinge. Ich weiß, was geschehen ist und was geschehen wird und sehe die Scharen aller Sterblichen schon im voraus um mich versammelt.«

»So, du weißt also alles, was geschehen ist und kannst auch in die Zukunft blicken? Da hast du ja ganz dieselben scharfen Augen wie ich! Wir wissen also beide, daß du nicht nach Chartum, sondern zur Dschesireh Hassanieh willst, um Ibn Asl aufzusuchen. Weißt du denn auch, daß ich eher dort sein werde als du? Deine Dankbarkeit gegen mich ist wirklich groß, so groß, daß ich dich aus lauter Liebe gar nicht von mir lassen werde. Du wirst bei uns bleiben und – —«

Ich kam nicht weiter, denn er drehte sich plötzlich um und sprang davon, dem Rande der Lichtung zu. Ich war schnell hinter ihm her, ereilte ihn und faßte ihn am linken Arme. Er hatte die Flinte in der rechten Hand und holte aus, um mir den Kolben vor die Brust zu stoßen. Da riß ich ihn zur Erde nieder und kniete auf ihm, um ihn festzuhalten. Der Mann schäumte förmlich vor Wut und erging sich in Schimpfreden, welche eines zukünftigen Mahdi allerdings nicht würdig waren. Ich hatte überhaupt seine ganze Rede von der »Sendung« nicht für wirklichen Ernst genommen.

Die Asaker waren nicht wenig darüber erstaunt, daß ich so plötzlich den Fakir el Fukara als Feind behandelte; als ich sie aber über seine Absicht, uns an Ibn Asl zu verraten, aufklärte, hätten sie ihn, den Undankbaren, am liebsten umbringen mögen.

Unser Reiseziel mußte durch das, was ich erfahren hatte, ein ganz anderes werden. Es galt jetzt, dem Reïs Effendina beizustehen; er mußte, falls es noch Zeit dazu war, gewarnt, und wenn es zu spät war, aus den Händen Ibn Asls gerettet werden. Eile that not, und da der Transport der Gefangenen nicht so schnell vor sich gehen konnte, beschloß ich, voran zu reiten und zwar sofort, ohne vorher geschlafen zu haben.

Es war nicht geraten, ganz allein zu sein; aber wen sollte ich mitnehmen? Einen Askari? Nein. Ich ging Verhältnissen entgegen, welche sehr wahrscheinlich keine gewöhnlichen waren. Es war List, wohl auch Entschlossenheit und Mut erforderlich, und so bedurfte ich eines Begleiters, auf den ich mich in dieser Beziehung verlassen konnte. Zwar hätte ich gern Ben Nil das Kommando über die Asaker gegeben; ihm traute ich es zu, den Zug glücklich ans Ziel zu bringen, aber mir war er noch notwendiger. Besser, die Gefangenen entkamen, als daß dem Reïs Effendina ein Unglück geschah. Darum forderte ich Ben Nil auf, mit mir zu reiten, und übergab dem ältesten der Asaker den Befehl über dieselben. Er hatte einen erfahrenen Gehilfen an dem Fessarah-Führer, welcher die Karawane nach dem Dorfe Hegasi, welches in der Nähe der Insel Hassanieh liegt, bringen sollte. Dort wollte ich sie erwarten. Ich gab ihm seine berühmte Visionsflinte zurück, worüber er in außerordentliche Freude geriet.

»Effendi«, jubelte er, »deine Seele quillt vor Gnade über und deine Barmherzigkeit erquickt mein Herz. Verlaß dich auf mich, und habe keine Sorge; ich werde die Asaker samt den Gefangenen glücklich nach Hegasi führen. Reite also getrost, und Allah segne deine Pfade und beschütze dich!«

Zweites Kapitel: Gefangen

Von dem Brunnen, an welchem das letzte Ereignis sich zutrug, bis zur Dschesireh Hassanieh ist eine Strecke von fast dreißig geographischen Meilen zurückzulegen. Unsere vortrefflichen Kamele legten diesen Weg in zwei Tagen zurück, waren aber dann, als wir uns dem Ziele näherten, so ermüdet, daß wir sie langsam gehen lassen mußten. Ich glaubte, die Richtung ganz genau genommen zu haben, war aber doch etwas zu weit nach links geraten, denn es stieg gerade vor uns der Dschebel Arasch Quol auf, welcher ziemlich weit nördlich von Hegasi liegt.

Es war gegen Abend, als wir dort ankamen. Hegasi ist eine armselige Helle[20 - Dorf.] welche aus wenigen Hütten besteht, und liegt auf dem hohen Ufer des Nils, ziemlich gut gegen die Ueberschwemmungen des Flusses geschützt. Von der Helle führt ein Weg hinab zum Flusse nach der Stelle, an welcher die Fahrzeuge landen und die Tiere getränkt werden. Dieser Weg sowohl wie auch die Tränk- oder Landestelle wird am oberen Nile Mischrah genannt.

Ich freute mich beim Anblicke des Flusses, den ich seit dem Zuge zu den Fessarah nicht wieder gesehen hatte. Die Bewohner des Dorfes kamen herbei, um uns nach dem Woher und Wohin und nach unserm Begehr zu fragen.

Ich hütete mich natürlich, ihnen sofort Auskunft zu erteilen, und ging ihren Erkundigungen durch Gegenfragen aus dem Wege.

Zunächst führten wir unsere Kamele zum Flusse, um sie trinken zu lassen; dann brachten wir sie hinauf nach einer grasigen Stelle, deren Eigentümer uns gegen geringes Entgelt die Erlaubnis gab, sie da weiden zu lassen.

Auf der Höhe der Mischrah saß ein Mann, welcher nicht in das Dorf zu gehören schien. Er war vollständig bewaffnet und besser gekleidet als die Bewohner der Helle. Als ich mich bei einem der letzteren nach ihm erkundigte, antwortete er:

»Wir kennen ihn nicht. Er ist schon seit gestern hier und sitzt stets auf derselben Stelle, um flußabwärts zu blicken.«

»Erwartet er vielleicht ein Schiff?«

»Wahrscheinlich; aber er hat uns nicht geantwortet, als wir ihn danach fragten. Vor dem Dorfe hält ein gesatteltes Pferd, welches er sich von unserm Scheik el Beled[21 - Dorfschulze.] geliehen hat.«

»Wann hat er es geritten?«

»Noch gar nicht; aber es steht bereit, so lange er sich hier befindet.«

»Wohin will er reiten?«

»Das wissen wir nicht; dem Scheik el Beled wird er es wohl gesagt haben, da dieser ihm sonst sein Pferd nicht gegeben hätte.«

Der Fremde war mir auffällig. Es war klar, daß er nach irgend etwas ausschaute und dann, wenn es erschien, sofort davon reiten wollte, um Meldung davon zu machen. Gern hätte ich gewußt, wohin er diese letztere bringen wollte; aber den Scheik fragen, das wäre wohl zu auffällig gewesen. Darum erkundigte ich mich bei dem Manne:

»Wann ist das letzte Schiff stromaufwärts hier vorübergekommen?«

»Gestern früh.«

»Und wann kam der Mann in das Dorf?«

»Zur selben Zeit, denn er kam von diesem Schiffe. Er wurde in einem Boote an die Mischrah gebracht.«

»Das Boot blieb nicht hier?«

»Nein; es wurde wieder zum Schiffe gerudert.«

»Wem gehörte das Schiff?«

»Das weiß ich nicht.«

»Was hatte es geladen?«

»Auch das kann ich nicht sagen.«

»Kannst du mir auch seinen Namen nicht nennen?«

»Es hieß Hardaun (Eidechse) und war keine Dahabijeh, sondern ein Noquer.«

»Wann kam das vorhergehende Schiff vorüber?«

»Einen Tag vorher, also vorgestern. Es war auch ein Noquer; er war leer und ging nach Süden, um Waren zu holen.«

»Ist nicht ein Schiff vorübergekommen, welches weder eine Dahabijeh noch ein Noquer war und ein sehr fremdes Aussehen hatte?«

»Nein.«

Diese Antwort beruhigte mich, denn sie sagte mir, daß der Reïs Effendina den gefährlichen Ort noch nicht passiert hatte. Sein »Falke« war so ungewöhnlich gebaut und aufgetakelt, daß er jedem hiesigen Auge auffallen mußte.

Ben Nil hatte sich in das Gras gelegt und sah dem Thun und Treiben der Dorfbewohner zu. Ich schritt langsam auf den Fremden zu, welcher mich scharf beobachtet hatte, setzte mich an seiner Seite nieder und grüßte:

»Allah schenke dir einen glücklichen Abend!«

»Glücklichen Abend,« antwortete er kurz.

Ich hatte den Gruß vollständig ausgesprochen, was man nur dann thut, wenn man besonders höflich sein will. Mit seiner Kürze wollte er mir jedenfalls sagen, daß ihm an meiner Gesellschaft nichts liege; ich that aber, als ob ich das gar nicht herausgefühlt habe, und fuhr fort.

»Ich habe kein Netz bei mir, um mich gegen die Mücken des Flusses zu schützen; darum kann ich nicht im Freien schlafen. Giebt es hier in diesem Dorfe eine Hütte, in welcher ich Aufnahme finden kann?«

»Ich weiß nicht; ich bin nicht von hier.«

»So bist du auch fremd? Allah sei mit dir auf deiner Reise!«

»Sein Segen sei auch mit der deinigen! Wo kommst du her?«

»Von Chartum,« antwortete ich, gezwungen, die Unwahrheit zu sagen.

»Wo steht das Zelt, welches dein Eigentum ist?«

»Ich bewohne kein Zelt, sondern ein Haus. Es steht in Suez.«

»Was bist du?«

Ich machte ein möglichst pfiffiges Gesicht und antwortete:

»Ich handle mit allem möglichen, am liebsten aber mit – —«

Ich hielt inne und machte eine Handbewegung, welche sagen sollte, daß es nicht geraten sei, den angefangenen Satz zu vollenden.

»Mit verbotener Ware?« sagte er an meiner Stelle.

»Wenn es so wäre, dürfte ich es eingestehen?«

»Mir könntest du es sagen. Ich würde dich gewiß nicht verraten.«

»Das Schweigen ist auf alle Fälle besser als das Reden.«

»Nicht auf alle Fälle. Wenn ein Kaufmann ein Geschäft machen will, muß er doch von demselben sprechen.«

»In diesem Falle pflege ich natürlich auch zu reden. Jetzt aber liegt ein Geschäft nicht vor.«

»Vielleicht doch, falls ich dich nämlich recht verstanden habe. Ihr seid auf Kamelen gekommen. Wo wollt ihr hin?«

»Einkaufen.«

»Was?«

»Das!« nickte ich, ihn im unklaren lassend.

Er war nicht bloß freundlicher, sondern, wie man sich auszudrücken pflegt, warm geworden. Er hielt mich für einen Sklavenhändler, und ich war überzeugt, in ihm einen Untergebenen des Sklavenjägers Ibn Asl, den ich suchte, vor mir zu haben. Es galt, ihn in seiner Ansicht zu bestärken, ohne doch sofort einzugestehen, daß dieselbe die richtige sei, denn ein Sklavenhändler sagt nicht dem ersten besten Menschen, was er ist und was er treibt. Jedenfalls hatte der Mann die Aufgabe, das Erscheinen des Reïs Effendina hier abzuwarten und dann weiter zu melden. Der Noquer »Eidechse« gehörte in diesem Falle Ibn Asl und konnte nicht weit entfernt von hier, wahrscheinlich an der Dschesireh Hassanieh liegen.

»Du bist verschwiegen, und das freut mich sehr,« meinte der Mann. »Nur mit verschwiegenen Leuten kann man sich auf Geschäfte einlassen.«

»Ah, auch du treibst also diese Dinge, welche nicht jedermann zu wissen braucht?«

»Wenn es nun so wäre?«

»So paßten wir zusammen.«

»Wirklich? Weißt du auch, daß es ein sehr gefährliches Geschäft ist, Requiq[22 - Sklaven.] zu machen?«

»Pah! Ich möchte wissen, wieso gefährlich. Man zieht nach einem Dorfe der Schwarzen, umzingelt es, steckt es in Brand und nimmt die Neger in Empfang, wenn sie aus den brennenden Hütten gesprungen kommen. Die Alten und Schwachen sticht oder schießt man nieder, und mit den andern geht man fort. Wo ist da die Gefahr?«

»Dabei allerdings nicht; sie beginnt erst mit dem Transporte.«

»Man darf sich nicht erwischen lassen und muß die Sklaven an Ort und Stelle verkaufen.«

»Das kann man nicht, denn es ist kein Käufer da.«

»So nimmt man einen mit, welcher die Schwarzen sofort nach der Jagd kauft und bezahlt und dann die Gefahren des Transportes auf sich nimmt.«

»Wo wäre ein solcher Mann zu bekommen?«

»Wo? Hm!« brummte ich bedeutungsvoll.

»Wer ist er?« fragte er.