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Lash (Gefallener Engel 1)
Lash (Gefallener Engel 1)
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Lash (Gefallener Engel 1)

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»Beeil dich.« Naomi beobachtete die Senatorin, als sie auf sie zu kam. Ihre Absatzschuhe knirschten auf dem Kies, der den Pfad bedeckte. Ein grobschlächtiger Riese folgte hinter ihr. Mit seinem schwarzen Cowboyhut und seinen Krokodillederstiefeln sah er aus wie der typische Texaner, aber der scharfe Blick in seinen Augen strahlte Gefahr aus. Sie fröstelte.

»Was ist los, Mijita?« Belita trat neben sie. »Chuy sagt, du willst gehen.«

»Es wird heiß, und die Hitze ist nicht gut für dein Herz«, antwortete Naomi. »Wir müssen dich nach Hause bringen.«

Belita sah verwirrt aus. »Meinem Herzen geht es – «

»Mrs. Duran!«, rief Jane ihr zu.

»Scheiße,«, murmelte Naomi leise.

Belita drehte sich um und Wiedererkennen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Senatorin Sutherland.«

Naomi stellte sich vor Belita. »Senatorin, wir haben Ihnen nichts zu sagen.« Sie nahm Belitas Arm und steuerte sie in Richtung ihres Autos.

»Nein, bitte,«, sagte Jane und trat auf sie zu. »Bitte fühlen Sie sich nicht angegriffen. Ich bin hier, um Ihnen mein Beileid auszusprechen.«

Naomi fuhr herum. »Sie sind nicht unseretwegen hier.« Sie schoss einen Blick in Richtung der Nachrichtenkameras. »Sie sind hier zu Ihrem eigenen Vorteil, Sie Schlam – «

»No seas grocera, Naomi!«, schalt Belita. »Hüte deine Zunge.«

»Tut mir leid, Belita. Diese Frau verdient keine Freundlichkeit. Sie platzt hier herein mit ihrem schicken Mercedes, als ob ihr alles gehörte, und denkt sich, sie kann einfach sagen ,Es tut mir leid’ und wir werden uns alle umarmen und ihr vergeben.«

»Das ist gar nicht meine Absicht, schauen Sie – « – Jane nahm einen tiefen Atemzug – »beruhigen wir uns doch alle, bevor die Dinge eskalieren.«

»Uns beruhigen? Beruhigen?« Naomi ließ Belita los und machte einen großen Schritt auf Jane zu, die Hände zu Fäusten geballt. »Lady, Sie haben keine Ahnung, wozu ich fähig bin.«

»Chuy, halt sie zurück!«, rief Belita und ihre Augen weiteten sich, als sie Sal in die Innenseite seines Jacketts greifen sah.

Jane berührte Sal am Arm und schüttelte den Kopf. Er zögerte und trat zurück, seine Hand noch immer im Jackett.

»Komm, Naomi.« Chuy ergriff ihren Arm. »Du regst Belita auf.«

»Ich? Ich rege sie auf? Sie – « – Naomi zeigte auf Jane – »sie hat doch angefangen, indem sie ihre Visage hier zeigt.« Naomi hatte Mühe, sich von Chuys festem Griff zu befreien, ihre Stimme klang hitzig. »Sie will in die Nachrichten kommen. Ich werde sie in die Nachrichten bringen. Ich werde ihr Video berühmt machen.«

»Naomi… hör auf.« Belita bgeann zu schnaufen.

»Beruhigen wir uns doch.«, sagte Jane. »Ich bin sicher – «

»Halten Sie verflucht nochmal die Klappe!«, knurrte Naomi und sah dann zu Belita. »Sehen Sie doch, was Sie meiner Großmutter antun.« Sie drehte sich zu der TV-Crew um. »Nehmen Sie das auch alles auf? Ist das Belästigen einer alten Frau genug, um Ihnen hohe Einschaltquoten zu sichern oder brauchen Sie noch ein bisschen Blut?«

»Hör auf damit. Sofort!« Chuy schüttelte Naomi, dann packte er ihr Gesicht. »Sieh mich an. Reiß dich zusammen. Was würde dein Vater sagen, wenn er sähe, dass du dich so aufführst?«

Naomi sah Chuy an und blinzelte. In seinen braunen Augen sah sie ihren Vater. Die Erkenntnis erfüllte sie und sie hörte Belita hinter sich schluchzen, als sie sie mit ihrer weichen Stimme darum bat, mit ihnen nach Hause zurückzukehren. Sie wollte wütend bleiben. Wut war das Einzige, das die dunkle Trauer zurückhielt, die sie zu überwältigen drohte. Sie sah hinab auf Belita und dann zurück zu Chuy.

Der Schmerz überkam sie mit aller Macht, als ihr klar wurde, wie sehr sie der einzigen Familie wehtat, die sie noch hatte. Sie musste aufhören – für den Moment.

Tränen brannten in ihren Augen und sie schluckte schwer, als das Feuer in ihr abkühlte. Das Letzte, was sie wollte, war, der Welt zu zeigen, wie sie heulte.

Ohne ein weiteres Wort ging sie zu Belita, küsste sie auf die Wange und legte ihr einen Arm um die dürre Schulter, als sie sie zum Auto führte.

»Mrs. Duran. Wenn es irgendwas gibt, was ich für Sie tun kann…«

Diese Frau wird nicht aufgeben. Statt einer Antwort packte Naomi den Türgriff, drehte sich aber nicht um. Sie atmete tief ein und schwor sich, dass sie einen Weg finden würde, der Senatorin heimzuzahlen, was sie getan hatte. Auf die eine oder andere Weise würde sie Gerechtigkeit für ihren Vater finden.

6

Verborgen in den Schatten hinter Belitas Haus spähte Lash durch das offene Fenster und hoffte, dass er Naomi finden würde. Er war zu der Adresse gegangen, die man ihm gegeben hatte, aber als er herausgefunden hatte, dass sie nicht da war, hatte er die Wohnung nach Hinweisen darauf durchsucht, wo sie sein könnte. Nach der Vision, die Raphael ihm gezeigt hatte, musste er offensichtlich vorrausschauend vorgehen und konnte nicht warten, bis sie zurückkam.

Er fand nichts Ungewöhnliches: ein spärlich eingerichtetes, kleines Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, in dem Schulbücher die Regale füllten, eine Küche, die abgesehen von einem Stapel Zeitungen auf dem Tisch makellos war. Er warf einen Blick auf die Zeitung ganz oben auf dem Stapel. Die Seiten mit den Nachrufen war aufgeschlagen und das Foto eines Mannes im mittleren Alter lächelte ihm entgegen. Unter dem Foto stand ein Name: Javier Duran.

Lash griff sich die Zeitung und las es sich durch. Da waren einige Sätze, die besagten, dass Javier seinen Abschluss an der University of Texas gemacht hatte und dass seine Frau verstorben war. Was ihm ins Auge fiel, waren zwei der Namen, die unter den Hinterbliebenen aufgeführt waren: Naomi und Anita Duran.

Er rief sich die junge Frau mit dem pechschwarzen Haar und der getönten Brille, die am Telefon gesprochen hatte, in Erinnerung. Anita war Javiers Mutter. Derselbe kleine Junge, der vor Jahren sein Schützling gewesen war, und jetzt war er tot. Lash warf die Zeitung zurück auf den Tisch und fuhr sich niedergeschlagen mit der Hand durchs Haar. Was war hier los? Das Kind, dass er gerettet hatte, hatte nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sein Leben zu Ende zu leben.

Er schritt nachdenklich auf und ab. Es musste einen Grund dafür geben, dass Michael Naomi gerade ihm zugeteilt hatte und es würde sich um mehr handeln, als nur darum, sein Vertrauen und seine Loyalität zu beweisen – aber was?

Lash sah sich einen Laptop auf dem Couchtisch im Wohnzimmer an und ergriff ihn. Was auch immer die Verbindung war, er würde es bald genug herausfinden. Aber zuallererst musste er Naomi finden. Er googelte kurz und fand Anitas Adresse. Er dachte, dass Naomi vielleicht dort wäre, zumal heute die Beerdigung war, und begab sich direkt zu Anitas Haus.

Als Lash sich dem kleinen weißen Haus näherte, hörte er gedämpfte Stimmen streiten. Er schlich sich in den Hinterhof und nahm Bewegungen hinter einem geöffneten Fenster wahr.

»Streite es nicht ab, Naomi.«, sagte eine tiefe Stimme. »Dir ist schon der Gedanke gekommen, dass dein Vater wahrscheinlich betrunken war.«

»Er hat es mir versprochen, Chuy«, sagte Naomi hitzig. »Er hat gesagt, er hätte das Zeug seit über einem Monat nicht angerührt.«

»In den Zeitungen stand –«

»Scheiß auf die Zeitungen. Ich kenne meinen Vater.«

Lash war überrascht von Naomis kräftiger Stimme, so anders als das liebliche Lächeln auf dem Foto, dass ihm gegeben worden war. Er schob sich in eine bessere Position, um zu versuchen, einen Blick auf sie zu erhaschen. Er war neugierig zu sehen, wie jemand, der so zerbrechlich aussah, so klingen konnte. Als er sich allerdings vorlehnte, war ein Blick auf Chuys breite Schultern, die von einem weißen Trägershirt bedeckt waren, alles, was er bekam.

»Komm schon, Naomi«, sagte er. »Du hattest Zweifel.«

Naomi hielt den Atem an und atmete dann langsam aus. »Ja, hatte ich. Als ich ihn in der Nähe des Biers sah, war ich ein bisschen nervös, das gebe ich zu. Bevor er zur Arbeit gefahren ist, haben wir miteinander gesprochen. Er war nüchtern. Ich weiß es. Es ist unmöglich, dass er irgendwo angehalten hat und – «

»Schhhh, da kommt Belita.«

Belita schlurfte in die Küche. »Wieso tut ihr so, als könnte ich nicht hören? Ich kann euch den ganzen Weg bis in den Flur hinunter hören.«

»Du solltest dich ausruhen. Wieso bist du auf?« Chuy trat vom Fenster weg.

Lash stockte der Atem, als er endlich Naomi sah, die am Kühlschrank lehnte und einen Fuß gegen die Tür gestemmt hatte. Seine Augen wanderten ihre langen Beine hinauf. Die Ärmel und der Kragen des schwarzen Band-T-Shirts waren abgeschnitten und ließen ihre blassen Schultern frei. Dunkle Wimpern rahmten eindringliche hellblaue Augen ein, die zwischen Belita und Chuy hin- und herfuhren. Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn und sein Herz klopfte heftig. Ihre Augen hatten etwas an sich… Er hatte sie schon einmal irgendwo gesehen, aber er konnte nicht sagen, wo.

Belita ging in Richtung der Speisekammer. »Ich bin gekommen, um Futter zu holen für… was ist das?«

Was zur Hölle? Lash duckte sich, als Belita sich zum Fenster umdrehte. Wie konnte sie mich sehen? Es war dunkel draußen und es gab kein Licht, das ihn hätte verraten können.

»Was ist los?«, fragte Naomi.

»Ich dachte, ich hätte was am Fenster gesehen«, entgegnete Belita.

Nackte Füße tappten über den Boden und Lash hörte, wie die Fensterscheibe höher geschoben wurde. Er hielt den Atem an, als Naomi heraussah. Wind kam auf und der Geruch von Jasmin und Vanille, gemischt mit Moschus, wurde durch die Luft herangetragen. Sie roch genau so sinnlich wie sie aussah.


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