banner banner banner
Ein Licht Im Herzen Der Dunkelheit
Ein Licht Im Herzen Der Dunkelheit
Оценить:
Рейтинг: 0

Полная версия:

Ein Licht Im Herzen Der Dunkelheit

скачать книгу бесплатно


Kyous Welt zerbrach in tausend Teile, als er auf den leblosen Körper seines Bruders hinuntersah. ‚Ich werde den Tod meines Bruders rächen und dich bis in alle Ewigkeit jagen, wenn es sein muss. Wenn ich dich finde, wirst du hierfür bezahlen… Hyakuhei…‘

Er sank zitternd auf seine Knie und hob vorsichtig Toyas Leiche hoch in seine Arme… drückte dessen Kopf an seine Brust. Das Haar seines kleinen Bruders war aus dem Gesicht gerutscht, sodass Kyous Blick verschwamm, als er erfolglos versuchte, seine Tränen zurückzuhalten. Es sah so aus, als würde Toya einfach schlafen… friedlich zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit.

Er schaute zu, wie seine Tränen auf Toyas Wange tropften, und Kyou fühlte, wie sein Herz brach. Seinen geliebten Bruder fest an sich gedrückt, flüsterte Kyou mit zittriger Stimme: „Toya, bitte vergib mir… dass ich nicht rechtzeitig gekommen bin.“ Sein Atem entkam ihm in einem Schluchzen, als er seine Augen vor Schmerz zusammenpresste. „Ich wusste, dass du mich brauchtest… ich hätte dich retten sollen.“

Kyous Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, als Hyakuhei ihn in das verwandelt hatte, was er jetzt war… an dem Tag nach dem Tod seines Vaters. Kyou hatte gewusst, dass Hyakuhei nur ihn gewollt hatte… und Toya war nur ein kleines Kind gewesen. Also war Kyou mit seinem Onkel gegangen, selbst als sein kleiner Bruder geweint und ihn angefleht hatte, nicht zu gehen… um ihn zu beschützen.

Er konnte sich noch an das Misstrauen erinnern, das er in Toyas großen, goldenen Augen gelesen hatte, als dieser Hyakuhei angestarrt hatte, weil er es gewagt hatte, ihm seinen großen Bruder wegzunehmen. Es war die Erinnerung an diesen verängstigten Blick gewesen, die Kyou geholfen hatte, sich mehrere Jahre lang von seinem Bruder fernzuhalten… um ihn zu schützen.

Als Toya älter geworden war, hatte Kyou den Drang verspürt, ihn zu sehen… hatte ihn insgeheim aufgesucht, ihn aus der Ferne beobachtet… zugesehen, wie sein Bruder das Leben lebte, das er nicht hatte. Toya aus den Schatten zu beobachten, war Kyous einzige Freude in jenen dunklen Tagen gewesen. Er war oft in Toyas Schlafzimmer eingedrungen… um ihn schlafen zu sehen.

Hätte er gewusst, dass Hyakuhei ihn verfolgt hatte und ihn beobachtete, wie er Toya beobachtete… hätte er Toya nie in solche Gefahr gebracht. Sein Onkel hatte Toya verwandelt, weil er gedacht hatte, dass es das war, was Kyou wollte. Es war seine Schuld gewesen, als Toya zum ersten Mal gestorben war.

Toya hatte gegen ihren Onkel gekämpft, während er verwandelt wurde und auch danach. Als ihre Streits gewalttätiger wurden, hatte Kyou versucht, Hyakuheis Aufmerksamkeit von seinem Bruder abzulenken. Dann hatte Toya begonnen, von einer Heilung für Vampire zu sprechen… dem Schützenden Herzkristall. Er hatte geschworen, dass er ihn finden und sie beide heilen würde.

Toya hatte seine Heilung gefunden… im Tod.

Angestrengt vermied Kyou, auf die nun leere Höhle zu sehen, wo das Herz seines Bruders einst gewesen war, während er aufstand, um Toyas Leiche wegzutragen und ihm ein würdiges Begräbnis zu geben.

Er konnte Hyakuheis Anwesenheit nicht mehr fühlen, aber er wusste, dass er noch immer in der Nähe war, ihn beobachtete… ihn immer beobachtete. Kyou verstand, dass er weggehen musste, sich verstecken musste, bis er stark genug war, um den Feind zu zerstören, der ihm das einzige, was er liebte, genommen hatte… seinen kleinen Bruder. Er trat in die Dunkelheit, verließ lautlos die Lichtung.

Kamui atmete erleichtert auf, als die Brüder weg waren und er senkte den Tarnschild um Kotaros zerschundenen Körper. Als er auf den Lykan hinuntersah, wusste Kamui, es würde eine Weile dauern, bis Kotaros Wunden verheilt waren… nicht nur die Wunden an seinem Körper, auch die, die nun tief in seinem Herzen lagen.

„Komm“, flüsterte Kamui und zog einen von Kotaros Armen um seine Schultern, um ihm beim Aufstehen zu helfen. „Hyakuhei ist nicht weit und ich muss dich hier wegbringen.“ Seine Augen glänzten in den Farben des Regenbogens, als er versuchte, seine eigenen Tränen zurückzuhalten. Es war zwecklos, denn er konnte schon fühlen, wie sie heiße Spuren auf seinen Wangen hinterließen.

So viel war in nur ein paar tödlichen Stunden verloren worden… er wusste nun, was schwärzer als schwarz war. Er würde nicht auch noch Kotaro verlieren.

„Ich hasste ihn nicht so sehr“, flüsterte Kotaro, als er niedergeschlagen auf die Stelle schielte, wo Toyas Leiche eben noch gelegen hatte. Sie beide hatten Kyoko geliebt und die Frau hatte ihre Liebe zwischen den beiden aufgeteilt… hatte nie einen der beiden gewählt, wenn sie gekämpft hatten… bis heute Nacht. Das Schicksal hatte ihm nur wenige kurze Stunden geschenkt… zumindest hatte Toya nichts davon gewusst.

Seine Hand ballte sich zur Faust. Toya wäre wütend gewesen… aber er wäre am Leben gewesen. „Ich hätte lieber seine Wut gehabt… nicht das hier… nicht das.“ Seine Stimme versagte.

Sie beide hatten versucht, sie zu beschützen, aber jetzt war Toya… Kotaros eisblaue Augen wurden wässrig. „Ich habe ihn nie gehasst.“

„Er weiß das“, sagte Kamui, während er Kotaro in die Richtung des einzig sicheren Ortes führte, den er kannte… das Haus des Zauberers Shinbe. Er musste ihrem Freund von Toyas Schicksal erzählen… und von Kyokos. Shinbe würde wissen, was zu tun war, er wusste immer Rat.

„Ich werde dieses Arschloch Hyakuhei umbringen“, knurrte Kotaro und begann sich gegen Kamuis Halt zu wehren, als sein Lykan-Erbe an die Oberfläche trat. „Er hat sie umgebracht… er hat Toya wegen ihr umgebracht. Wenn ich ihn finde, wird er sich wünschen, dass er ein Mensch wäre.“

Als wäre die Luft aus einem Luftballon ausgelassen worden, zitterte Kotaros Körper. Er wusste, dass Toya viel stärker gewesen war, als er je zugegeben hatte, aber ohne Kyoko, die er beschützen wollte… hatte Toya seinen Willen zum Kämpfen verloren. Hyakuhei hatte das gewusst, bevor der Kampf überhaupt erst begonnen hatte.

Toyas Trauer hatte ihn leichtsinnig gemacht… ungeduldig. „Wenn er nur gewartet hätte… ein paar Sekunden länger. Kyou hätte ihn retten können.“ Traurigkeit schwang in jeder Silbe mit, als Kotaro wütend seine Tränen wegwischte, die still über seine Wangen rollten.

„Ich wollte sie beide retten… Kyoko.“ Der Schmerz seines geschwächten Körpers war zu viel und er schloss seine eisblauen Augen und übergab sich dem Nichts, das den Schmerz eine Weile lang betäuben würde.

Kamui nickte, als er Kotaros schlaffen Körper hochhob und ihn trug. „Du hast genug gemacht. Ruh dich jetzt aus“, flüsterte er. „Nun bin ich an der Reihe, dich zu retten.“

Kapitel 2

In der Stunde vor Sonnenaufgang schwebte Kamui über einem nicht gekennzeichneten Grab. Die beiden Männer, die zu seinen beiden Seiten standen, waren alles, was er jetzt noch hatte. Er hatte zugesehen, wie Shinbe seine telekinetischen Kräfte genutzt hatte, um die Erde aus Toyas Grab zu heben und es zu verbreitern, damit die zweite Leiche hineinpasste.

Shinbe und Kotaro trugen beide denselben Gesichtsausdruck… Trauer und sture Kraft. Kamui wusste, dass sie wegen ihm versuchten, stark zu sein, aber er konnte sie durchschauen, sah die Melancholie, die sie beide versteckten.

Sie alle starrten hinunter auf das Grab… die schmerzliche Realität wurde ihnen langsam bewusst. Es hätte nicht so enden sollen… die Guten sollten doch nicht verlieren… oder sterben. Shinbe hatte ihnen geholfen, eine Entscheidung darüber zu treffen, was sie machen sollten. Nachdem sie Kyokos Leiche aufgestöbert hatten, hatten sie sie zu dem Grab gebracht, in das Kyou seinen Bruder gelegt hatte, und hatten sie gemeinsam begraben.

Toya hätte es so gewollt… es fühlte sich richtig an.

Kamui hatte Kyokos Leiche nicht tragen können, nachdem sie sie gefunden hatten. Das Blut, das an ihr klebte, war nicht das, was ihn störte. Es war einfach herzzerreißend, eine Person zu sehen, die so liebenswürdig und unbefleckt gewesen war, einst so viel Licht in sich getragen hatte, dass es in den Augen schmerzte… wie sie da in der Dunkelheit lag, ihre Augen offen, aber das Augenlicht erloschen.

Als er Kamuis Schock gefühlt und seine Hände zittern gesehen hatte, war Kotaro nach vorne getreten und hatte sie liebevoll in seine Arme hochgehoben, hatte dabei versucht, die Steifheit ihrer Glieder zu ignorieren. Er erlaubte sich in diesem Moment keine anderen Gefühle als Wut und Trauer. Wenn er die anderen zugelassen hätte… wie sehr er sie geliebt hatte, dann hätten seine Beine ihn nicht mehr getragen… die Trauer wog viel zu schwer.

Den Ausdruck auf Kamuis Gesicht zu sehen, hatte ihm geholfen, seine eigenen Emotionen zu kontrollieren… es hatte auch geholfen, dass Taubheit eingesetzt hatte. Kamui war kein Mensch und auch kein Tier… was auch immer er war… sein Herz zerbrach. Kotaro beschloss, dass es seine neue Mission sein würde, Kamui zu beschützen, obwohl der Junge es wahrscheinlich nicht einmal brauchte.

Kamui wischte die Tränen aus seinen Augen, versuchte, so stark zu sein wie Kotaro und Shinbe. Der Wind blies in sein unzähmbares, violettes Haar, als er auf die frisch umgegrabene Erde starrte. Er hatte seinen Umhang ausgezogen und die beiden vorsichtig darin eingewickelt, um die Macht des Zaubers, den er gleich erzeugen würde, zu verstärken.

Seine glänzenden Augen geschlossen verschränkte er seine Finger, als leuchtende Flügel aus seinem Rücken erschienen. Sie glitzerten in Farben, die so intensiv waren, dass sie für menschliche Augen nicht bestimmt waren.

Shinbe und Kotaro machten erschrocken einen Schritt zurück, verstanden plötzlich, was Kamui war. Das Wort Engel blieb ihnen im Hals stecken, denn er sah so traurig aus. Wie ein Engel mit einem gebrochenen Herzen… ein gefallener Engel.

Vorsichtig zog Kamui eine Feder aus seinem rechten Flügel und streckte seine Hand aus, die Handfläche nach oben gerichtet. Der traurige, ernste Ausdruck auf seinem Gesicht veränderte sich nicht. Seine Augen aber, leuchteten mit einem Funken Hoffnung, als er schnell mit dem plötzlich spitzen Ende der Feder über seine Handfläche fuhr, wodurch er einen oberflächlichen Schnitt erzeugte.

Die rote Flüssigkeit sammelte sich in seiner Hand und Kamui schloss seine Finger langsam zu einer Faust, ehe er sie über das Grab streckte. Die heiligen Tropfen seines Lebensblutes fielen auf die Erde, woraufhin der Boden mit einer außerirdischen, elektrisch blauen Macht leuchtete.

Shinbe und Kotaro konnten nur voller Ehrfurcht zusehen, als dies geschah. Sie wagten es nicht, sich zu bewegen, aus Angst, dass sie das Ritual, das Kamui vollzog, stören könnten. Beide verstanden, dass sie etwas Unglaubliches sahen und dass sie so etwas zweifellos nie wieder sehen würden.

Die Luft um Kamui begann sich zu drehen und formte einen Wirbelsturm aus fluoreszierend blauem Licht. Die schallende Stimme, die von seinen Lippen kam, klang älter und weiser, als sie es in ihrer Erinnerung je getan hatte. Sie erhob sich zum Himmel, ein beängstigendes Geräusch, das meilenweit zu hören war, und alle, die es vernehmen konnten, verbeugten sich unbewusst vor seiner Macht.

„Tausend Jahre sollen vergehen…

Solange warten wir dich wiederzusehen…

Wenn das Blut eines Beschützers fließt zu Erden…

Die Prophezeiung erfüllt soll werden…

Es wird nur zwei Seelen wiederbeleben…

Ihnen das Licht zurückgeben…

Gegen die dunkle Macht der Nacht sollen sie kämpfen…

Mit diesem Versprechen werden wir Unsterbliche die Waffen ergreifen…

Denen, die wiedergeboren wurden, Schutz erteilen…

In die Hände von Stein und Marmor wird der Feind geben…

Den einzigen Wunsch, den er hat… im Licht zu leben.“

Der Wirbelwind kreiste um Kamui, als sich zwei schimmernde Federn aus den leuchtenden Flügeln lösten und sich wie zwei kleine Dolche mit den Spitzen nach unten drehten… innerhalb des Zyklons gerade nach unten fielen und auf dem Grab landeten. Die glitzernden Federn steckten kurze Zeit in der Erde, ehe sie sich in den Boden senkten und sich mit den Seelen seiner Freunde verbanden.

Kamuis Knie trafen am Boden auf, als der Zauber verweht wurde, sodass in alle Richtungen eine Schockwelle entstand. „Bis wir uns wiedersehen, Kyoko… Toya“, flüsterte Kamui, als er fühlte, wie die Einsamkeit ihn übermannte. „Vielleicht wird das nächste Leben in einer besseren, viel helleren Zeit sein.“

Shinbe stand still neben ihm, wollte nichts mehr, als selbst auch Tränen zu vergießen… aber konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Hyakuhei war noch dort draußen und er wusste, dass der Vampir mit dem schwarzen Herzen ihn letztendlich holen würde. Der Feind würde wissen, was sie getan hatten. Er würde so viele Spuren auslöschen, wie er konnte.

Indem er in seine Tasche griff, holte Shinbe ein kleines, violettes Fläschchen gefüllt mit zeitlosem, magischem Pulver hervor. Er streute es vorsichtig über den Boden, während er im Kreis um das Grab ging, um es vor allen neugierigen Blicken zu schützen. Der Boden wurde sofort wieder fest und verbarg die Stelle des frischen Grabes.

Shinbes Augen leuchteten in derselben violetten Farbe, als er Worte flüsterte, die nur er verstehen konnte.

Er fühlte eine zeitlose Verbindung zwischen Brüdern, die in einer ewigen Schlacht gegen die Finsternis gekämpft hatten, durch seine Seele schweben, um zu einem Symbol des Schutzes über dem Grab zu werden. Über dem Ort, wo seine Freunde ruhten, blühten Blumen, ohne dass Samen gesät worden waren. Blüten in fünf Farben erschienen auf dornigen Stängeln… silbern… golden… eisblau… violett… und glitzernder Regenbogenstaub.

„Ich muss mich verabschieden“, sagte Shinbe nach langem Schweigen. Er wollte nicht, dass seine Anwesenheit den Aufenthaltsort der anderen verriet, und wusste, dass es Zeit war zu gehen. Sein Blick streifte wieder das Gebüsch mit den Blüten in den merkwürdigen Farben. Toya und Kyoko waren nun vor Hyakuhei geschützt und der Zauber würde nicht gestört werden.

Im Augenblick… war das alles, was er ihnen bieten konnte, abgesehen von seiner Trauer.

Kamui sah hoch zu dem Zauberer, erschrocken über die neue Entwicklung. „Was? Aber… wieso?“ Seine Augen weiteten sich in einem panischen Moment… würden ihn nun alle verlassen? War es nicht schon schlimm genug, Toya und Kyoko zu verlieren?

Als er Kamuis Angst fühlte, legte Shinbe eine beruhigende Hand auf die Schulter seines Freundes und versuchte zu erklären: „Du weißt ebenso gut wie ich, dass Hyakuhei irgendwann herausfinden wird, was wir hier getan haben.“ Er blickte über Kamuis Schulter auf Kotaro, wissend, dass der Lykan verstehen würde, wieso er sie verließ.

„Ihr werdet seinem immer aufmerksamen Blick entgehen können… aber ich habe diese Macht nicht. Ich werde mich verstecken können, aber ich weiß nicht wie lange.“ Shinbe ließ ein langes Seufzen hören und sah hoch zu dem Mond, der tief am Himmel stand. „Meine Tage sind nun gezählt…“ Ein weiches Lächeln hob seine Mundwinkel, als ob er ein Geheimnis kannte. „… So soll es sein.“

„Ich werde mit dem nächsten Schiff nach Westen fahren, über den Ozean. Dort werde ich eine bessere Möglichkeit haben, meine Identität vor Hyakuhei geheim zu halten, und vielleicht finde ich sogar einen Weg, um meine eigene Seele gleichzeitig mit unseren lieben Freunden zu reinkarnieren.“ Er hoffte, dass es die Wahrheit war, was er da sagte. Sie würden ihn brauchen, wenn der Tag gekommen war.

Kamui schielte hinunter auf das Grab unter ihm und dann wieder hoch zu seinem Freund, zum ersten Mal, seit dieser Albtraum am Abend begonnen hatte, wieder ruhig. Er wollte nicht, dass Shinbe das nächste Opfer war, also verstand er, ja. Vorsichtig zog er eine Regenbogenfeder aus seinem rechten Flügel und drückte sie an Shinbes Hals.

Shinbe atmete scharf ein, als sie hell zu leuchten begann, ehe sie in seiner Haut verschwand. Er sah hinunter und erkannte den schwachen Umriss der Feder direkt über dem Kragen seines Umhangs.

„Das wird dir helfen, wenn es soweit ist“, sagte Kamui mit einem Lächeln und schenkte Shinbe eine verständnisvolle Umarmung. Er würde Shinbe nicht lange verlieren… egal was geschah.

„Wir werden uns wiedersehen, mein Freund“, flüsterte Shinbe, ehe er sich aus Kamuis Umarmung löste. Er nickte Kotaro zu, wusste, dass der Lykan Kamui für sie alle beschützen würde. Shinbe schielte zurück zu dem Grab, dann riss er seinen Blick los und ließ sein Haar über sein Gesicht fallen, um seine Traurigkeit zu verbergen. „So soll es sein“, flüsterte er wieder und verschwand in der umgebenden Dunkelheit.

„Bereit, mein Junge?“, fragte Kotaro, wobei er dem Grab seinen Rücken zuwandte. Er wusste, dass er nicht bleiben konnte. Shinbe hatte recht… je weiter weg sie waren, umso besser würde der Zauber geschützt sein.

Kamui wollte die Augen verdrehen darüber, wie Kotaro ihn genannt hatte, aber brachte es nicht übers Herz. Sein Herz war begraben in der Erde unter seinen Füßen und auch wenn er bis ans Ende der Zeit warten musste, er würde sehen, wie Hyakuhei für seine Taten büßte.

„Ja“, sagte Kamui und streifte einen Arm über seine Augen. „Ich bin bereit.“

Kotaro legte ihm einen Arm um die Schultern und führte ihn weg. Der Lykan hatte erkannt, dass er keine Tränen mehr für die Frau vergießen konnte, die er mit seinem gesamten Sein geliebt hatte. Seine Seele fühlte sich an, als hätte jemand sie ihm aus dem Leib gerissen, sie in kleine Stücke gerissen und nur die Hälfte davon zurückgegeben.

Wenn der Zauber, den Kamui und Shinbe erzeugt hatten, funktionierte, würde er seine geliebte Kyoko wiedersehen. Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als er daran dachte, welche Streiche er und Toyas Reinkarnation sich überlegen würden, um ihre Liebe zu gewinnen. Er würde mit dem größten Vergnügen wieder um sie kämpfen, wenn es bedeutete, dass Toya zurückkam. Schließlich… hatte sie sie beide geliebt.

Er unterdrückte den Drang, zum Grab zurückzublicken. „Tausend Jahre sind eine lange Wartezeit, aber ich werde für dich da sein… Kyoko.“

*****

Über tausend Jahre in der Zukunft… Heute.

Eine einsame Gestalt stand am Dach des höchsten Gebäudes, betrachtete die dicht bevölkerte Stadt unter ihm. Sein Gesicht zeigte nichts von der herzerweichenden Erinnerung an den Körper seines einzigen Bruders, der vor Jahrhunderten einsam und leblos auf dem kalten, harten Boden gelegen hatte. Sein einst warmes, schlagendes Herz in den Klauen des sadistischen Monsters, das sie beide erschaffen hatte.

Er hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um sich selbst von dem Bösen, das ihn still umgab, zu entfernen. Ebenso wie die Menschen dieser Welt, ernährte er sich nur von den Tieren, die die Natur ihnen bot. Obwohl die Dunkelheit alles war, was ihm erlaubt war, so wie es der Fluch eines Vampirs forderte, würde er nie zu dem Dämon werden, den sein Onkel aus ihm machen wollte.

In den letzten Jahren hatte sich etwas in ihm geregt… eine Sehnsucht, die er nicht verstehen konnte, und die er mehr als tausend lange Jahre nicht gefühlt hatte.

Erinnerungen, die er nie vergessen hatte, spielten sich wieder in Kyous Kopf ab, von einem einst unschuldigen, jungen Mann, der sein Leben mit Freude erfüllt hatte, selbst in einer Welt der Dunkelheit. Toya… Er war so voller Leben gewesen… mit lachenden, goldenen Augen und der Unwissenheit eines Kindes. Wieder stach sein Herz vor Schulgefühlen dafür, dass er seinen jüngeren Bruder nicht hatte beschützen können.

Sonnengoldene Augen, die durch die Jahrhunderte der Einsamkeit kalt geworden waren, bluteten rot bei der Erinnerung an ein Versprechen, das er noch erfüllen musste. In jedem Jahrzehnt, das vergangen war, war Kyou viel stärker geworden. Viele Male war er ihm nahe gekommen, aber das Objekt seines Hasses und seiner Rache entwich ihm immer wieder.

Er würde nicht ruhen, ehe die bösartige Kreatur, die er suchte, sich vor Schmerzen zu seinen Füßen wand und seine Seele in die Hölle geworfen wurde, wo sie hingehörte.

Kyous Blick wurde angezogen von dem einzigen ruhigen Ort in der ganzen Stadt… dem stillen Park im Zentrum. „Solche Orte sollten nicht in der Nähe einer solchen Bösartigkeit sein“, murmelte er in die Nacht. Nachdem er von dem Gebäude gesprungen war, setzte Kyou seine Suche fort, so wie er es die letzten Jahrhunderte getan hatte. Hyakuhei würde mit seinem Leben dafür bezahlen, dass er ihm den einzigen weggenommen hatte, der ihm je etwas bedeutet hatte, oder es je tun würde. Sein Bruder war für immer verloren und würde nicht zurückkehren.

„Toya…“, flüsterte Kyou, als er in der Nacht verschwand, das Sinnbild eines Racheengels…

*****

Der Park war um diese Tageszeit immer friedlich. Es war ein ruhiger Nachmittag und die Sonne stand hoch am Himmel. Kotaro spazierte gemächlich zwischen den Bäumen in der Mitte, wo ein großer Marmorblock stand. Er hatte keine Ahnung, woher dieser kam… er war schon immer dagewesen, seit er denken konnte. Er war sogar älter als die Stadt selbst. Alles, was er mit Sicherheit wusste, war, dass er ein überwältigendes Gefühl des Friedens fühlte, wenn er in seiner Nähe war.

‚Wer hätte gedacht, dass so ein rechteckiger Felsbrocken solch beruhigende Gedanken hervorrufen kann?‘ murmelte Kotaro vor sich hin.

Einem kleinen Pfad zwischen den Bäumen folgend ging er zu dem Stein, sodass er ihn ansehen konnte. Obwohl es kein völlig zufriedenstellender Tag gewesen war… mit der Gewissheit, dass der Felsen noch dastand, fühlte er sich gleich viel besser.

Kotaro blieb mitten im Schritt stehen, als er zu der Lichtung kam, und runzelte die Stirn über die Person, die im Schneidersitz auf dem Stein saß, ihre Ellbogen auf die Knie und das Kinn in die Hände gestützt. Kurzes, violettes Haar bewegte sich leicht in der sanften Brise, sodass der Mann fast aussah wie ein Kind.

„Was, zur Hölle, machst du hier?“, fragte Kotaro scharf.

Kamui grinste, ohne ihn anzusehen. Stattdessen nickte er in die Richtung der Uni in der Ferne. „Darauf warten, dass meine Vorlesung anfängt.“

Kotaro schüttelte den Kopf und ging weiter, ehe er wieder stehenblieb und herumwirbelte, um Kamui anzusehen. „Wovon redest du da? Du gehst überhaupt nicht auf diese Uni.“

Kamui zwinkerte ihm zu, ehe er langsam verblasste und dann weg war und nur einen Wirbel aus glitzerndem Regenbogenstaub hinterließ.

Kotaro schaute wütend auf den Staub, der in der Luft schwebte, ehe auch dieser verschwand. „Manchmal ist dieser Junge echt undurchschaubar“, erklärte er der nun verlassenen Lichtung, dann senkte sich sein Blick, als würde er den Stein streicheln. Er hörte das Geräusch schneller Schritte auf dem Asphalt, aber bemerkte es kaum, bis ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte. Er zuckte scharf zusammen und wirbelte herum, um Hoto und Toki zu sehen, die vornüber gebeugt standen, ihre Hände auf ihren Knien und schwer um Atem ringend.

„Was ist denn mit euch passiert?“, fragte Kotaro mit einem Grinsen, als er sich wieder von seinem Schock erholt hatte.

Hoto winkte mit einem Blatt Papier vor seinem Gesicht. „Für dich… von der Polizei… wichtig.“

Kotaro griff nach dem Zettel. „Von der Polizei, ja? Muss wirklich wichtig sein, wenn es euch beide dazu bringt, einen Marathon zu laufen.“

Toki nickte, ehe er sich zu Boden fallen ließ und auf die Seite drehte, um sich auszuruhen. Hoto senkte sich nur auf seine Knie und legte seinen Kopf auf das Gras.

„Ihr beide seid die größten Schwächlinge, die ich je gesehen habe“, beschwerte sich Kotaro gutmütig.

„Seitenstechen“, winselte Toki. „Muss zurück… in ein… klimatisiertes… Büro.“

Kotaro seufzte resignierend und ließ die beiden in der warmen Sonne liegen, ehe er den Zettel auseinanderfaltete. Seine Hand ballte sich zur Faust, sodass das Papier zerknüllt wurde, das er gerade von der Polizeistation in der Nähe das Campus bekommen hatte. Ein weiteres Mädchen war spurlos verschwunden. Er war schon eine ganze Weile damit beschäftigt, das Verschwinden von vielen jungen Mädchen zu untersuchen, was ihn letztendlich auch zu der Uni geführt hatte, wo er nun der Chef des Sicherheitsdienstes war.

Seine Gedanken wanderten sofort zu seiner geliebten Kyoko. Er hatte sie wiedergefunden und so wie er es erwartet hatte… war Toya nicht weit. Eine Sache, die ihn überrascht hatte, war die Tatsache, dass Toya normal wiedergeboren worden war… völlig menschlich, oder so schien es wenigstens.

Manchmal konnte er den wahren Toya direkt unter der Oberfläche fühlen… unbemerkt von den anderen, aber bisher war dieser Teil von ihm noch nicht erwacht. „Danke Gott für einen kleinen Gefallen.“ Kotaro fuhr sich nervös mit der Hand durch sein zerzaustes Haar.