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Atropos
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Atropos

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XI

Davide Pagliarini hatte Mühe, den Unfall aus seinem Kopf zu bekommen. Er träumte nachts davon, wie von einem wiederkehrenden Alptraum, und er hätte alles darum gegeben, den Vorfall ungeschehen zu machen.

Idiot, wiederholte er immer wieder, ich bin ein Idiot, ich habe einen Jungen getötet!

Er wartete auf das Gerichtsurteil, in der Hoffnung, durch einen guten Anwalt zumindest seine Strafe mildern zu können. Währenddessen lebte er mit Gewissensbissen.

Am späten Vormittag klingelte es an der Tür.

„Wer ist da?", fragte er durch die Gegensprechanlage.

„Ein Einschreiben. Sie müssen unterschreiben".

Der Briefträger.

Pagliarini ging zum Eingang des Gebäudes hinunter, unterschrieb, nahm den Umschlag und kehrte in seine Wohnung zurück.

Der Absender war der Gerichtshof von Bologna.

Thema: Vorladung vor Gericht.

Er öffnete den Umschlag und stellte fest, dass er nach genau zwei Wochen um zehn Uhr erscheinen sollte und dass er, falls er nicht persönlich einen Verteidiger finden würde, einen Pflichtverteidiger bekommen würde.

Er legte den Umschlag auf den Couchtisch im Wohnzimmer und wählte dann die Telefonnummer seines Anwalts.

„Es ist endlich soweit." sagte Pagliarini, nachdem die Sekretärin den Anruf in das Büro des Anwalts durchgestellt hatte.

„Bewahren Sie die Ruhe und Sie werden sehen, dass wir hier rauskommen."

Der Anwalt kannte bereits die ganze Geschichte, die ihm Pagliarini selbst am Tag nach dem Unfall telefonisch mitgeteilt hatte.

Sie werden mich verurteilen, hatte er gesagt, ich habe keinen Trumpf in der Hand, um mich da rauszuwinden.

Der Anwalt hatte auch damals noch versucht, seinen Mandanten zu beruhigen, indem er ihm sagte, dass sie etwas finden würden, das ihm zumindest zu einer Strafminderung, wenn nicht sogar zur Zahlung einer Geldstrafe verhelfen würde. Obwohl ihm klar war, dass es bestimmt unangenehm werden würden, wenn die Angehörigen des Opfers davon erfuhren.

Wir werden es schaffen, sagte ihm der Anwalt noch einmal, Sie werden sehen, dass wir es schaffen werden.

Sie würden es bald herausfinden: dieser Tag würde kommen, und Davide Pagliarini war trotz der beruhigenden Worte seines Anwalts sehr besorgt.

Sie kamen überein, sich am nächsten Tag zu treffen und besser von Angesicht zu Angesicht darüber zu sprechen.

Als sich Pagliarini und der Anwalt in dessen Büro trafen, fassten sie die Angelegenheit zunächst noch einmal zusammen.

„Ich kam aus der Diskothek heraus. Als ich auf den Umgehungsstraßen von Bologna war, war ich richtig euphorisch, ich drückte das Gaspedal ganz durch, ohne zu merken, wie schnell ich fuhr. Als ich an einer Kreuzung ankam, die Ampel stand auf grün, habe ich den Jungen erfasst, der auf dem Fußgängerüberweg die Straße überquerte".

„Diese Person überquerte die Straße, obwohl sie wusste, dass sie es in diesem Augenblick nicht hätte tun sollen. Die Fußgängerampel stand auf Rot, denke ich".

Pagliarini nickte, in der Hoffnung, dass seine Erinnerung echt und nicht durch Drogen getrübt war.

„Nun, sehen Sie, da haben wir bereits einen Punkt zu unserem Vorteil gefunden.

„In Ordnung", sagte Pagliarini, „aber was ist mit der Tatsache, dass ich gefahren bin, nachdem ich eine dieser verdammten Pillen genommen hatte? Verdammt, ich hatte noch nie welche genommen, ich wurde von dem Typen da drin abgezockt, der sie mir gegeben hat. Er sagte ‚Du wirst dich besser fühlen', und ich habe mich überreden lassen.

Der Anwalt dachte einen Moment nach.

„Die Sache mit der Pille wirkt sich nicht zu unseren Gunsten aus", sagte er, „aber wir werden es irgendwie schaffen. Sie müssen mir vertrauen."

„Hoffentlich. Und was muss ich in diesen Tagen tun? Irgendwas Bestimmtes? Brauchen Sie eine Erklärung von mir?"

„Im Moment nicht. Sie werden alles dem Gericht erzählen. Versuchen Sie, ruhig zu bleiben, und alles wird sich klären."

„Ich zähle auf Ihre Erfahrung."

„Großartig. Gehen Sie jetzt nach Hause und entspannen Sie sich. Ich werde mich wieder melden."

„Ich danke Ihnen vielmals."

„Gern geschehen. Das ist schließlich mein Job."

Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, begann der Anwalt darüber nachzudenken, wie er vor Gericht vorgehen könnte, und Davide Pagliarini kehrte nach Hause zurück. Er würde den Rat befolgen, den man ihm gegeben hatte: absolute Entspannung bis zum Tag der Anhörung.

XII

Am frühen Morgen desselben Tages klingelte es bei Mariolina Spaggesi und sie fragte durch die Gegensprechanlage, wer es sei.

„Da sind Blumen für Sie, Signora", war die Antwort.

„Bitte, kommen Sie hoch", sagte die Frau und begann, über den möglichen Absender dieses willkommenen Geschenks zu spekulieren.

Als sie den Boten mit dem Blumenstrauß in der Hand sah, änderte sich ihr Gesichtsausdruck.

„K... k... kommen Sie rein", forderte sie den Mann vor sich stammelnd auf. Sie meinte, ihn bereits gesehen zu haben, vielleicht war es der Blumenhändler, der nicht weit von ihrem Haus entfernt in der gleichen Straße seinen Laden hatte.

„Legen Sie sie einfach hier ab."

Der Mann überquerte die Schwelle der Wohnung, folgte den ihm gegebenen Anweisungen und verabschiedete sich gleich darauf wieder mit der Bemerkung, er müsse schnell zum Geschäft zurück, da er allein sei und nur einen Zettel an der Eingangstür hinterlassen habe, um mögliche Kunden wissen zu lassen, dass er in wenigen Minuten zurück sein würde.

Mariolina Spaggesi schloss die Tür und ging schnell auf den Blumenstrauß zu, der ihr gerade geliefert worden war.

Ein Strauß Chrysanthemen?, überlegte sie.

Sie sah, dass ein Papierumschlag mit der Aufschrift FÜR MARIOLINA an der Folie befestigt worden war, mit der die Blumen eingeschlagen waren.

Sie öffnete den Umschlag und stieß auf eine Visitenkarte.

MASSIMO TROVAIOILI

Marketingleiter

Tecno Italia S.r.l.

Die Frau hatte das Gefühl, sie würde ohnmächtig werden und musste sich hinsetzen.

Sie drehte die Karte um und sah, dass auf der Rückseite mit einem Kugelschreiber BIS BALD! geschrieben worden war.

Nach einigen Minuten stand sie von ihrem Stuhl auf, nahm ein Glas und füllte es zweimal mit Wasser. Sie musste etwas trinken.

Sie spülte das Glas ab und ging dann ins Bad, um sich ihr Gesicht zu kühlen.

Wie konnte das sein?

Der Tradition gemäß wurden Chrysanthemen immer mit Toten in Verbindung gebracht, und Massimo Trovaioli...

Sie nahm den Hörer ab und wählte die Notrufnummer 113 der Polizei.

„Ich werde... verfolgt..." sie konnte kaum sprechen, als ihr jemand auf der anderen Seite antwortete.

„Bleiben Sie ruhig, Signora“, sagte der Beamte am Telefon, „und erzählen Sie, was passiert ist."

„Ich... werde heimgesucht... von einem Toten!"

„Das ist unmöglich. Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?"

„Ja. Ja, es geht mir gut." sagte sie. „Ich werde heimgesucht... von einem toten Mann!", schrie sie.

„Wo wohnen Sie?", fragte der Beamte schließlich und versuchte, sie schnell wieder los zu werden, „Ich schicke jemanden vorbei".

Die Frau gab ihre Adresse an und beendete den Anruf mit der Bitte, sich zu beeilen.

Als zwei Streifenpolizisten eintrafen, fanden sie Mariolina Spaggesi in Panik vor.

„Versuchen Sie, sich zu beruhigen Signora. Bitte erzählen Sie uns, was hier vor sich geht", bat einer der beiden Polizisten.

Die Frau erzählte ihnen von dem Umschlag, den sie ein paar Tage zuvor erhalten hatte, und von den Blumen, die sie am Morgen bekommen hatte.

„Wer ist Massimo Trovaioli?", fragte ein Polizist.

„Meine letzter Exmann."

„Und er könnte etwas gegen sie haben? Sind Sie im Streit auseinander gegangen?"

„Er ist... tot!", schrie die Frau. „Er ist der... Tote... der mich heimsucht!"

Spaggesi hörte gar nicht mehr auf, zu schreien, wobei sie das Wot tot jedes Mal besonders betonte.

„Entschuldigen Sie," sagte der andere Polizist, „wir wussten das nicht. Bitte entschuldigen Sie uns. Es tut uns leid."

„Das macht nichts", antwortete die Frau nach einer Schweigeminute, in der sie versuchte, ihre Nerven zu beruhigen.

„Haben Sie gesehen, wer Ihnen diese Blumen gebracht hat?" wurde sie gefragt.

„Ich... es sah aus wie... der Blumenhändler... der hier unten, in der Via San Vitale, aber ich bin mir nicht sicher. Ich laufe immer sehr schnell und achte nicht so sehr auf die Geschäfte".

„Wir werden das überprüfen", versicherte ihr einer der beiden Streifenpolizisten und wandte sich dann mit vielsagendem Blick an seinen Kollegen. „Sie müssen in der Zwischenzeit ruhig bleiben. Versprechen Sie es?"

„Ich werde es versuchen", antwortete die Frau. „Ich werde es versuchen."

„Gut. Wir werden uns bemühen, diese Angelegenheit sofort zu klären. Es wird wahrscheinlich ein Missverständnis sein".

„Ich habe Angst", sagte Spaggesi, „Bitte tun Sie etwas", flehte sie, als hätte sie die letzten Worte der beiden Polizisten nicht gehört.

„Beruhigen Sie sich einfach und trinken Sie ein Glas kaltes Wasser."

Der Polizist, der dem Wasserhahn am nächsten stand, nahm das dort befindliche Glas, füllte es mit Wasser und reichte es der Frau.

„Trinken Sie in kleinen Schlucken, das wird Ihnen helfen, sich besser zu fühlen.

Die Frau trank wie ihr geheißen und fragte die beiden Polizisten im Sitzen, ob es ihnen was ausmachen würde, wenn sie sie nicht bis zur Tür begleiten würde.

„Kein Problem, Signaora."

Mariolina Spaggesi blieb allein sitzen und dachte reglos über das Geschehene nach, beruhigt durch die Worte der beiden Polizisten: sie würden sich mit dem Problem befassen, in der Hoffnung, es zu lösen.

Als die beiden Agenten, den Anweisungen Spaggesis folgend, im Blumenladen eintrafen, fanden sie einen Zettel an der Tür: KOMME GLEICH ZURÜCK.

Der vermutliche Eigentümer näherte sich schnellen Schritts, den er auf den letzten Metern noch beschleunigte, als er die beiden wartenden Polizisten sah.

„Suchen Sie mich?", fragte er, „Ist etwas passiert? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?

„Können wir reinkommen?", fragte einer der beiden Polizisten.

„Natürlich, bitte sehr, treten Sie ein."

Der Mann öffnete die Glastür und ließ die beiden Beamten hinein.

„Bitte, was ist passiert? Ich habe Sie nicht gerufen. Mir ist nichts gestohlen worden".

„Darum sind wir nicht hier", schnitt ihm der Beamte das Wort ab.

„Dann erklären Sie es mir."

„Eine Person sagt, sie habe einen Blumenstrauß von einem Toten erhalten", begann der dienstältere der beiden Beamten.

„Unmöglich", sagte der Blumenhändler, „Tote schicken niemandem Blumen."

„ Sie sagt auch, dass sie ihr von Ihnen oder einem Ihrer Mitarbeiter gebracht wurden.

Der Blick des Mannes wurde ärgerlich.