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Onnen Visser
Onnen Visser
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Onnen Visser

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Der Leutnant ballte die Fäuste; er verzieh es dem lächelnden Schiffer nicht, ihn so blamiert zu haben. »Was hindert mich, dich auf dem Fleck niederzuschlagen, du Schuft?« rief er, halberstickt vom heftigsten Ärger.

Heye Wessel zog gemächlich seine beiden Hände aus den Taschen. »Diese da!« nickte er, »und ich glaube, ein wenig auch die guten Leute, welche uns sehen und hören.«

Die Erdarbeiter, schon aufgeregt durch das, was eben vor ihren Augen geschehen war, die widerrechtlich und jählings aus allen ihren Verhältnissen herausgerissenen Erdarbeiter riefen Hurra. »Wenn der Franzose dich anfaßt, soll er es bereuen, Heye Wessel! Hurra für Deutschland!«

Und brausend dröhnte der Klang, hundertstimmig getragen, durch die heitere Sommerluft dahin über das Wasser.

Des Leutnants Augen blitzten. »Ich vergelte es euch« schwor er in seinem Herzen. »Gebt acht, ich vergelte es euch! Ihr habt mich herausgefordert und die Folgen sollt ihr allein tragen.«

Äußerlich beherrschte er sich. Die Schaluppe und das Kanonenboot mußten beide noch stundenlang warten, ehe sie wieder in See stechen konnten, dann aber, als es geschah, riefen Hunderte von Stimmen den Franzosen allerlei Spottreden nach.

»Wollen Sie denn nicht die Kisten mitnehmen, Herr Leutnant? Es ist doch Ihre Beute – ha, ha, ha.«

»Wartet! Wartet!« murmelte der Offizier. »Meine Stunde schlägt auch noch.«

4

Die breiten Gräben hinter der Schanze wurden ausgeschaufelt und dann das Seewasser hineingeleitet; Mann nach Mann schoben sämtliche Inselbewohner ihre Karren mit Klei und Erde vom Ankerplatz herauf bis an die Stelle, wo Befestigungen errichtet wurden, um Deutschlands Freunde zu vertreiben und das geknechtete Land immer ärger in die Willkürherrschaft des Korsen hineinzudrängen.

Französische Soldaten hielten Wache mit geladenen Gewehren und deutsche Seeleute erbauten Schanzen, deren Kanonen sie selbst und ihre Brüder vernichten sollten.

Die Abendsonne schien warm herab auf das kleine Norderney, auf die grabenden und Erde fahrenden Männer und auf die einsamen Dünen, deren lange Grashalme im Winde schaukelten.

Langsam gleitend kroch Aheltje, die Hexe, von einem Zwerggebüsch zum andern. Hinter ihr ging die graue Katze, schleichend wenn sie schlich, stillstehend wenn ihr Fuß anhielt. Die Alte suchte Vogeleier und murmelte vor sich hin, sobald sie ein Nest gefunden hatte.

»Zwei Eier mußt du mir geben, Vogelmütterchen, die andern laß ich dir. Weiß, wie es tut, seine Kinder zu verlieren, hab‘ fünf blühende Knaben der See opfern müssen – keiner ist zurückgekommen. Ach, ach, welch ein Leben!«

Die Katze spann, sie suchte die Blicke ihrer Herrin, als wolle sie sagen: »Mich besitzt du ja noch, wir beide haben einander lieb!«

Aheltje umfaßte mit beiden Armen ihren Liebling. »Es gibt Eierkuchen, Murr, hörst du, Eierkuchen und gebratene Fische!«

»Miau!«

»Dich freut‘s auch, was? – Ach, Murr, wenn‘s doch die letzte Mahlzeit wär! Wenn die ›Hexe‹ endlich sterben dürfte!«

Sie drückte das blasse verkümmerte Gesicht gegen den grauen Pelz und sah traurig hinaus auf das Meer. »Sie werden die ›Zauberin‹ mit der Heugabel fassen und ohne Sarg ins offene Grab werfen, Murr – tief hinunter in den rieselnden weißen Sand, wo der Tote immer weiter versinkt, immer weiter. Kein Kreuz kommt an die Stätte, keine Blume – sie sind so böse gegen ein lahmes krankes Weib, die Menschen!«

Aheltje weinte vor sich hin. Heute morgen war sie im Dorfe gewesen, um den wenigen Badegästen ihre Seesterne und Seeigel anzubieten, aber rohe Buben hatten ihr einen Hund entgegengehetzt; noch blutete die linke Hand von dem Bisse desselben und das zerfetzte Kleid zeigte neue Risse. Auch Murrs Ohrläppchen hing durchlöchert herab – ach, welch ein böser Tag war doch wieder einmal über die arme Alte gekommen.

»Einerlei, Murr«, sagte sie mit zuckenden Lippen, »einerlei, wenn mich auch die Menschen hassen, weil ich so unglücklich und so verkrüppelt bin – schlecht machen sollen sie mich darum doch nicht, ich will sie immer lieb haben nach Gottes heiligem Willen! Komm, mein Tier, komm – wir müssen weiter!«

Der Graue schlich wieder hinter ihr her und die Alte suchte zwischen allen Gebüschen, in den Graspflanzen und Erdlöchern nach Nestern. So kamen die beiden an ein enges Tal, wo hohe überhängende Wände der Umgebung ein gebirgsartiges Aussehen verliehen; auf dem Grunde wuchsen zwerghafte Erlen, während nur ein schmaler beschwerlicher Weg seitwärts hinabführte.

Wilde Kaninchen lugten aus Erdlöchern hervor und huschten ängstlich in ihre verborgensten Spalten; Heidelerchen erhoben sich zwitschernd zum Himmel; Schwalbenpaare schossen nach allen Richtungen durch die Luft.

Es war hier in der entlegensten Einsamkeit der Dünen so still, so feierlich wie in einem weiten, von Glanz und Gold erfüllten Dome. Die wilden Bienen sangen das Lied zu Gottes Ehre, leise rauschend flüsterten die Erlenblätter von der Vergänglichkeit alles Irdischen und jenem Frieden, den das gute Gewissen dem Menschen in aller Trübsal, aller Anfechtung sichert.

Roter Abendschein fiel auf das Weib im Bettlergewande und umhüllte es ganz. Aheltje bog die Erlenbüsche auseinander; sie klopfte mit dem Knöchel der rechten Hand gegen einen harten Körper, daß es hell und metallisch erklang.

»Es liegt noch da, Murr, hörst du, niemand hat es entdeckt!« —

Dann machte sie sich wieder in den Zweigen zu schaffen, ihre Hand fuhr hinein und brachte, als sie zurückkam, blitzende Goldstücke mit sich, es war ein seltsamer Anblick, das Weib in Lumpen mit dem reichen Schatze auf dem Schoß, ein seltsamer, unbegreiflicher Anblick!

Immer mehr, immer mehr. Es glitzerte und funkelte, es spiegelte sich wie tausend Diamanten im Abendsonnenglanz – spielend reckte Murr die Pfoten und fuhr täppisch zu, als wolle er den Reichtum haschen.

Aus der Spalte sah scheu das wilde Kaninchen. So viel Gold – und doch Tränen im Auge, Blut an der Hand – wie kommt das?

»Ruhig Murr, wir besehen nur einmal den Schatz, wir berühren ihn, den Götzen dieser Welt – es ist so eigen schaurig, Gold durch die Finger laufen zu lassen wie bloßes Wasser! – aber uns gehört davon nichts. Nein, nichts! Magst ruhig schlafen, Geerd Kluin, deine Tausende sind in sicherer Hut!«

Sie wiegte den Kopf, halb lächelnd, halb schluchzend, sie legte mit leiser Hand die Münzen wieder in den eisernen Topf unter dem Wurzelgeflecht der Erlen. »Seltsame Welt, blinde törichte Menschen! Vielleicht darbt und hungert der reiche Mann im fernen Hamburg und alles, was ihn erquickt, ist der Gedanke an sein vergrabenes Geld! Vielleicht sieht er‘s nie wieder, aber das letzte Stündlein wird ihm leichter, weil er weiß, daß auch andere es nicht erlangen werden.«

Sie deckte den Topf sorgfältig zu. »Liege, liege bis an den jüngsten Tag, bis Gott die Welt vor das Gericht fordert, Gute und Arge – alles was lebt!«

Sie raffte ihre Eier zusammen und die Wanderung über das zerklüftete Gebiet begann aufs neue.

Es wurde allmählich dunkel; Aheltje schlich an der Stelle des heutigen neuen Kirchhofes und der verstreuten einzelnen Häuser hinter der Marienstraße vorüber, ihrer Hütte zu; da sah sie vor sich auf dem Kamm einer Düne die hohe Gestalt eines Mannes, der seine Augen mit der Hand beschützte.

»Peter Witt!« murmelte die Alte. »Kain!«

Und sie lachte laut und verächtlich.

Der Genannte wandte den Kopf. »Du bist es, Hexe! Was hast du da, he? Zauberkräuter, denke ich!«

Er wollte ihr das zerrissene Tuch wegnehmen, aber sie schlug ihn derb auf die Finger. »Zauberkräuter!« wiederholte sie spöttisch. »Sollen deine Hände verbrennen, Peter Witt?«

»Ist‘s wahr?« flüsterte er, einen Schritt zurückweichend. »Du bist gut Freund mit den Schmugglern, alte Aheltje, du kochst ihnen wohl gar den Trank, der unsichtbar macht?«

»Ha, ha, ha – Murr, lachst du nicht? Das war kostbar, Peter Witt, dafür solltest du eigentlich noch einen besonderen Orden haben, einen französischen natürlich.«

»Den bekomme ich auch noch«, rief er eifrig, »allen deinen Künsten zum Trotz, alte Hexe. Sieh dahin, die englischen Schiffe sind fort!«

»Und was kümmert das dich, Peter Witt?«

»Viel! Viel!« rief der Spion. »Wo wird jetzt das Gut gelandet, wo arbeiten die Schmuggler? Ich will und muß es erfahren, so kann die Sache nicht länger fortgehen. Diese beiden Haupthähne, Visser und der lange Lümmel, der Heye Wessel, führen die Zollbeamten an der Nase herum – sie stehen mit dem Teufel im Bunde.«

Er rannte fort, verfolgt von dem Lachen der Alten, und während sie ihre Hütte aufsuchte, ging er in das Dorf hinab.

»Ich will auf den Grund sehen«, murmelte er, »ich will es und müßte mich‘s Gott weiß was kosten!«

Zwischen den Häusern herrschte fast vollständige Dunkelheit; Schritt für Schritt stieg der Franzosenfreund durch den tiefen losen Sand einem niederen Gebäude zu, in dem sich damals die einzige kleine Schenke des Ortes befand. Schräg gegenüber lag das Wohnhaus des Kapitäns, während neben demselben ein halbzerfallener Stall das schiefe Dach der Straße zuneigte.

In der Wirtsstube war niemand als die Frau des Eigentümers, der sich zum Fischfang auf dem Meere befand; sie gab dem Gaste das verlangte Getränk und kümmerte sich dann mehr um ein krankes Kind, das sie in Schlaf wiegte, als um ihn.

Peter Witt pries den Zufall; er konnte nun, selbst ungesehen, das Haus des Kapitäns beobachten, und das war es eben, was er wollte.

Klaus Visser hatte sich heute krank melden lassen, die »Taube« lag auf dem Watt vor Anker – das schien verdächtig.

Peter Witt spähte. Hinter den verhüllten Fenstern des Kapitäns glänzte freundlicher Lichtschein, man sah auch Schatten vorüberhuschen und zuweilen klangen Stimmen auf die Straße hinaus. Endlich, als es ganz dunkel geworden war, erschien ein Mann und schlüpfte schnell, als wolle er nicht gesehen werden, zur Tür hinein.

Ein Strom von Hitze ergoß sich durch die Adern des Lauschenden.

»Jakob Brahms aus Neßmersiel«, dachte er, »was kann der wollen?«

Sein Entschluß war schnell gefaßt, er bezahlte den genossenen Branntwein und ging fort, um dann von der Hinterseite der Häuser her das Anwesen des Kapitäns wieder zu erreichen. Eine niedere Tür zum Hofe stand immer offen, Peter Witt schlüpfte hinein, gelangte in die Holzkammer und preßte nun lauschend das Ohr gegen die Tür des Wohnzimmers.

Sein Herz schlug, als wolle es springen. Wenn er entdeckt würde, dann stand vielleicht das Leben selbst auf dem Spiel; Jakob Brahms war ein Mann, der mit sich nicht spaßen ließ, das wußte er.

»Es geht nicht anders«, erklang in diesem Augenblick die Stimme des Kapitäns, »wir können hier nichts mehr ausrichten; es ist heute eine Verstärkung von mehreren hundert Mann und zwei Kanonenbooten angelangt. Weißt du, welch eine neue Teufelei sich die Kerle ausgesonnen haben?«

»Nun?« fragte der aus Neßmersiel.

»Jede Schaluppe erhält, sobald sie die Anker lichtet, vier Mann französische Besatzung. Allein dürfen wir nicht mehr in See gehen – damit ist das Geschäft zerstört.«

Jakob Brahms schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das ist unerhört! Visser, das kann nicht wahr sein!«

Der Kapitän seufzte. »Doch! Doch! Es ist gestern verlesen worden. So gut die Machthaber den Leuten das bißchen Eigentum aus dem Hause holen und es auf offenem Markte verbrennen, können sie auch unbescholtene Bürger wie Gefangene behandeln und sie mit Wächtern umgeben. Vier Mann für jede Schaluppe und Konfiskation des Fahrzeuges, das ohne dieselben auf offener See betroffen wird.« Der andere ließ die Arme sinken. »Das ist ja unerhört«, sagte er.

»Gewiß ist es unerhört und wird auch im Verein mit den Kanonen von der neuen Schanze herab den englischen Handel lahm legen – nur die Waren aus diesen beiden Schiffen müssen noch an Land gebracht werden – Heye Wessel und ich haben‘s übernommen.«

»Daß dich!« dachte der Lauscher. »Die Nachricht ist Gold wert!«

»Aber wie führen wir‘s aus?« setzte der Kapitän hinzu. »Ich habe dir eine Botschaft geschickt, Jakob, damit du kommen und mir raten solltest. Was fange ich an?«

Der Brahms trank den Branntwein, welcher vor ihm auf dem Tisch stand, und sah dann durch das Glas, als lese er dort des Rätsels Lösung.

»Du, Visser«, sagte er endlich, »ist auf Baltrum noch keine Besatzung, weißt du es gewiß?«

»Ganz gewiß; es ist keine da.«

Jakob Brahms schlug wieder auf die Tischplatte. »Dann müssen die Engländer den Kaffee auf Baltrum landen und von dort bringen wir ihn über das Watt nach Neßmersiel.«

Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Unmöglich, Jakob, ganz unmöglich. Dort stehen vier Zollwächter auf dem Deiche.«

»Die ich unschädlich machen werde, Visser, verlasse dich darauf. Wann hast du übrigens wieder deinen freien Tag?«

»Nächsten Sonnabend!«

»Gut, dann kannst du öffentlich auf einer der Schaluppen die Erde anfahren, nach Norddeich reisen und zu Lande weiter nach Neßmersiel; von da durchs Watt nach Baltrum – du und die übrigen. Ihr seid bei Beginn der Dunkelheit sämtlich an Ort und Stelle; für das weitere laßt ihr mich sorgen.«

Der Kapitän wiegte den Kopf. »Du mußt mir das erst etwas deutlicher erklären, mein guter Jakob«, sagte er mit geheimer Unruhe.

»In welchen Räumen könnten auf Baltrum ganze Schiffsladungen voll Kaffee verborgen werden?«

»In den Ställen und Scheunen eines sicheren vertrauten Mannes, für den ich einstehe. Andreas Fokke, der Fuhrmann ist‘s.«

Ein leises gedehntes Pfeifen verriet die Befriedigung des Kapitäns. »Andreas Fokke!« wiederholte er. »Hm, hm, Jakob, laß dir sagen, daß ich den Mann ganz genau kenne. Wir hatten schon, ehe noch eine Besatzung nach Norderney kam, unser Lager in seinen Scheunen.«

»Sieh! Sieh! Du wolltest mich also erst ein wenig aushorchen, Schlauberger?«

»Aufrichtig gestanden, ja. Aber nun bin ich mit dir einverstanden, Jakob – wir gehen nach Baltrum, dabei bleibt es. Nur eins beunruhigt mich! Wie gelangt die Nachricht an Bord der beiden Engländer?«

»Dafür laßt mich sorgen. In Neßmersiel sind Handelsleute genug, die täglich hinüberfahren – einem unter ihnen gebe ich die Bestellung schriftlich mit«

»Und du kennst auch an Ort und Stelle Räumlichkeiten, die den Kaffee aufnehmen können?«

»Mehr als genug. Ich selbst habe Scheunen und Ställe, mehrere andere vertraute Leute auch. Wir fahren mit acht Lastwagen.«

»Das wird genügen, Jakob. Es ist doch immer gut, wenn man mit vernünftigen Kameraden eine Angelegenheit erst überlegt!«

»Bringe uns noch eine von den grünen Flaschen, Mutter«, setzte er dann hinzu. »Wenn das Geschäft gelingt, haben wir Tausende verdient.«

Die alte Frau seufzte. »Ja, wenn! Mir ist bei diesen Geschichten immer himmelangst, das kann ich euch sagen.«

»Nun, Alte, dieses Mal wird ja das letzte sein. Bitte nur den lieben Gott, daß der Fuchs, der Peter Witt, von dem allen keine Kenntnis erlange. Der Verräter schnüffelt seit Heye Wessels prachtvoller Kriegslist fortwährend zwischen den Schaluppen herum, er will sich noch solch ein buntes Spielzeug verdienen, dafür würde er ganz Deutschland an seine geliebten Franzosen ausliefern, glaube ich.«

Jakob Brahms lächelte. »Erwischt man den Patron, so bekommt er eins auf den Kopf«, war seine kaltblütige Erklärung. »Man schlägt ihn nieder wie einen tollen Hund.«

Der Lauscher hörte jedes Wort, er ballte heimlich die Faust, dann aber überflog ein höhnisches Lächeln sein Gesicht. Geräuschlos, wie er gekommen war, glitt er auch wieder hinaus und über den Hof auf die Straße.

»Bete nur, Frau Douwe«, knirschte er, »bete fleißig. Wir werden ja sehen, wer den Sieg behält, du oder ich.«

Die beiden Männer drinnen im Zimmer beredeten unterdessen alle Einzelheiten ihres Planes; auch Onnen kam hinzu und bat so lange, bis ihm erlaubt wurde, den beabsichtigten Zug mitzumachen. »Gottlob, daß es der letzte ist«, rief er. »Ich will lieber Kaffee und Zucker entbehren als meinen Vater mit den Gesetzen im Streit wissen.«

»Du bist ein Grünschnabel«, rief halb ärgerlich der Kapitän. »Franzosengesetze verlache ich, sie sind für deutsche Männer nichts als Plunder, ich pfeife darauf!«

Frau Douwe suchte ihn zu beschwichtigen. »Du sagst ja selbst, daß es nun zu Ende ist, Vater! – Ach, ich will ganz frei aufatmen, sobald nur diese unheimlichen Streifzüge aufhören.«

Jakob Brahms verabschiedete sich und die kleine Familie blieb allein, um bald darauf die nächtliche Ruhe zu suchen. Aber der Kapitän konnte lange nicht einschlafen, und als er endlich die Augen schloß, da quälten ihn schwere Träume – mitten in der Nacht fuhr er plötzlich auf.

»Mutter, Mutter, hörst du denn nichts?«

Frau Douwe erwachte. »Was gibt es, Klaus?« rief sie sehr erschrocken.

»Da, da, der Himmel und die Erde sind rot – über ganz Norderney schlägt eine riesige Blutwelle!«

»Klaus, mein bester Klaus, so wache doch auf!«

Sie rüttelte ihn am Arme, sie streichelte sein eiskaltes Gesicht.

»Was hast du denn, Klaus? So sprich doch ein vernünftiges Wort!«

Endlich erwachte er. Die kleine Öllampe brannte auf dem Tisch, vom Fenster herab hingen saubere weiße Vorhänge; das ganze trauliche Zimmer machte den angenehmsten, gemütlichsten Eindruck Klaus Visser schauderte.

»Ich sah eine große Blutwelle, Mutter! Hab ich dich sehr erschreckt, du Arme? – Ach, es war schauerlich, die Woge ging hoch über unser Haus hinweg.«

Frau Douwe weinte. »Ach, wenn du das als Warnung nehmen wolltest, mein guter Klaus, wenn du dich bitten ließest!«

Er wandte verdrießlich den Kopf. »Ein Traum, weiter nichts! Mir träumte auch schon einmal von einem Riesenschellfisch, der nach mir schnappte – und ist später doch keinerlei Böses passiert. Ich wollte nur, es wäre erst Sonnabend.«