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Tausend Und Eine Nacht
Die Prinzessin fiel hierauf über die Alte her, warf sie zu Boden und schlug sie, bis sie in Ohnmacht fiel. Als sie wieder zu sich kam, begab sie sich zu der Mutter der Prinzessin und erzählte ihr, was sich zwischen ihr und der Prinzessin zugetragen. Dann fuhr sie fort: »Eile zu deiner Tochter, denn sie ist von Sinnen.« Die Königin eilte zur Prinzessin. Nachdem sie sich gegenseitig begrüßt hatten, ließ sich die Königin neben ihrer Tochter auf den Divan nieder und erkundigte sich nach ihrem Befinden und nach dem Sinne ihrer an die Sklavin gerichteten Worte. »O meine Mutter«, antwortete die Prinzessin, »du willst mich auch verspotten; aber ich erkläre, daß ich eher keine Ruhe haben werde, als bis der liebenswürdige Jüngling, der die verflossene Nacht bei mir geschlafen hat, mein Gemahl ist.« Zugleich sprach sie folgende Verse eines Dichters:
»Ach, wie wunderbar war seine Schönheit! und doch ist seine Schönheit nur ein geringer Teil seiner Eigenschaften. In allen seinen Bewegungen liegt ein Zauber.«
»Wenn jemand zu dem Monde sagte: Rühme dich! so würde er sprechen: Ich verdanke meinen Glanz den Tulpen seiner Wangen.«
»Wie der Punkt im Buchstaben, so entsage ich ihm doch nicht, möge ihm Gott auch diese als Tugenden anrechnen.«
»Ich hörte nicht auf, von der Zeit zu fordern, daß sie mich mit ihm vereinige, und er in meine Nähe komme; allein sich fern zu halten, scheint ihm eigen zu sein.«
»Ich verzieh dem Schicksal all seine Ungerechtigkeit, als es ihn zu mir führte, und warf einen Schleier über all seine Unbilden.«
»In fester Umarmung haben wir die Nacht zugebracht: trunken war er von meinen Liebkosungen und ich von dem Becher seines Mundes.«
»Ich drückte ihn fest an mich, wie ein Geiziger seinen Reichtum hält, aus Furcht, es möchte mir eine von seinen Schönheiten geraubt werden.«
»Ich hielt ihn in meinen Armen, als wäre er eine Gazelle, von der ich besorgte, sie möchte mir entfliehen.«
»Wehe dir, meine Tochter!« erwiderte die Königin, »was sollen diese Reden bedeuten?« Die Prinzessin rief: Verruchte Alte! Der König, mein Vater, sucht schon lange mich zur Vermählung zu bewegen, als ich keine Lust dazu hatte: jetzt ist mir diese Lust gekommen, und ich will durchaus den Jüngling, der vergangene Nacht bei mir war, zum Gatten haben, oder ich bringe mich um.«
Die Königin sprach: »Es ist kein Mann zu dir hereingekommen.« Die Prinzessin aber fiel über sie her, schnitt ihr die Haare ab und schlug sie, wobei sie immer wiederholte: »Du lügst, du weißt es, sage mir, wo mein Geliebter ist!« Die Königin rief: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei dem erhabenen Gott!« machte sich mit Hilfe der Sklavinnen von Bedur los und eilte fort zum König. Dieser war eben vom Bett aufgestanden, als die Königin eintrat und ihm zurief: »Stehe auf, geh zu deiner Tochter, denn sie ist wahnsinnig geworden.« Der König machte sich auf und begab sich zu der Prinzessin. Er grüßte sie, und Bedur erwiderte seinen Gruß und küßte ihm die Hand. Hierauf fragte der König: »Meine Tochter, welche Reden habe ich von deiner Mutter hören müssen?«
Bedur antwortete: »Mein Vater, reden wir nicht davon; gib mir nur schnell den Jüngling zum Gatten, der diese Nacht bei mir geschlafen hat.« – »Was, meine Tochter«, versetzte der König, »hat jemand diese Nacht bei dir geschlafen?« – »Mein Vater«, erwiderte die Prinzessin, »es war ein schöner Jüngling mit schmachtenden Augen, und er lag in meinen Armen bis zum Morgen.« Als der König dies hörte, hielt er sie für besessen, kniete auf sie und ließ sie in ein Gemach bringen und verließ sie höchst traurig, nachdem er einige alte Frauen und Eunuchen vor die Türe gestellt hatte. Er berief dann den Vezier und die Großen seines Reichs und setzte sie in Kenntnis von dem, was seiner Tochter widerfahren war. Er sagte ihnen, daß er an ihrem Finger einen wertvollen Ring gesehen habe, und fügte hinzu: »Wenn jemand so geschickt ist, ihre Heilung zu unternehmen und zu bewirken, so will ich sie ihm zur Frau geben und ihm die Hälfte meines Reiches schenken; wer aber ihre Heilung unternimmt und sie nicht zu bewirken imstande ist, dem schwöre ich zu, daß ihm der Kopf abgeschlagen wird und keine Fürbitte was nützt.«
Als die Anwesenden die Worte des Königs vernahmen, wünschten sie ihm alle, daß Gott die Prinzessin heilen möchte. Unter den Anwesenden war auch ein Emir, welcher der Beschwörungskunst kundig war, er sagte dem König: »Ich will sie heilen.« Der König hielt ihm nochmals die Bedingungen vor, unter denen er es wagen müßte; jener bestand darauf, die Heilung zu versuchen. Er ließ sich von dem König zu Bedur begleiten und nahm allerlei Beschwörungen mit ihr vor. Als die Prinzessin den Mann sah, sagte sie zu ihrem Vater: »Wozu bringst du diesen Mann her? Schämst du dich nicht, einen fremden Mann herzuführen?« – »Meine Tochter«, erwiderte der König, »ich habe ihn nur hierher gebracht, damit er den bösen Geist austreibe, der von deiner Seele Besitz genommen hat.« – »Von meiner Seele«, versetzte die Prinzessin, »hat niemand anders Besitz genommen, als der schöne Jüngling, den ich von ganzem Herzen liebe.« Der Emir erkannte wohl, daß ihr Wahnsinn nichts anderes als eine heftige Liebe sei. Er wagte es nicht, dies dem König zu erklären, sondern küßte die Erde vor ihm und sagte: »Mein König! ich weiß kein Mittel gegen ihr Übel.« Der König ließ ihn sogleich festnehmen und hinrichten.
So blieb nun die Sache eine Zeit lang, und dem König schmeckte weder Speise noch Trank. Er ließ in seiner Hauptstadt, auf den anderen Inseln, in den Festungen am Meere und in allen Ortschaften des platten Landes ausrufen: jeder Sterndeuter möchte zum König kommen. Da kam einer, den jemand im Spital getroffen hatte, und erbot sich, die Prinzessin zu heilen und willigte ein, sein Leben zu verwirken, wenn es ihm nicht gelingen sollte. Der König ließ ihn durch einen Diener zur Prinzessin führen. Als der Sterndeuter in Bedurs Zimmer trat und die Ketten an ihrem Hals erblickte, glaubte er nicht anders, als daß sie in der Tat wahnsinnig sei. Er zog aus seinem Sack kupferne Federn, Blei und Papier, zündete Feuer an, streute Weihrauch darauf, spielte die Mandoline und machte alle möglichen Beschwörungen. Die Prinzessin fragte, was alle diese Anstalten bedeuten. Der Sterndeuter antwortete: »Ich bin ein Sterndeuter und will den bösen Geist beschwören, von welchem du besessen bist. Ich will ihn in eine von diesen kupfernen Büchsen sperren, sie mit Blei verschließen und in das Meer werfen, wo es am tiefsten ist.« – »Verfluchter, schweig!« rief die Prinzessin aus; »ein schöner, anmutiger Jüngling, der bis zum Morgen bei mir geschlafen, hat sich meines Herzens bemächtigt, kannst du mir den wieder herbringen und mich mit ihm vereinen?« Bei diesen Worten fing die Prinzessin an zu weinen, und der Sterndeuter sagte zu ihr: »Wenn es sich so verhält, Gebieterin, dann wende dich an deinen Vater: der und nicht ich kann dir verschaffen, was du begehrst.« Hierauf packte er seine Gerätschaften wieder zusammen und entfernte sich, höchst verdrießlich.
Als er vor den König kam, sagte er: »Habt ihr mich zu einer Wahnsinnigen oder zu einer Verliebten gebracht?« Der König ergrimmte über diese Worte und ließ ihm den Kopf abschlagen. So kam noch ein Dritter und Vierter, welche dasselbe Los hatten, wie die beiden ersten. Der König ließ ihre Köpfe auf der Zinne seines Palastes aufstecken; aber es kamen noch viele, bis endlich hundert und fünfzig Köpfe auf der Zinne des Schlosses hingen, zu deren Betrachtung täglich eine große Schar aus der Stadt herbeiströmte. Nun hatte die Amme der Prinzessin einen Sohn, Namens Marsawan, der mit Bedur erzogen und gesäugt worden, folglich ihr Milchbruder war und erst im Jünglingsalter von ihr getrennt worden war. Marsawan hatte Astronomie und Astrologie, Sympathie und Magie studiert und er war darin sehr geschickt geworden. Auch hatte er sich auf Reisen begeben, und zehn Jahre lang unter Ärzten und Wahrsagern gelebt.
Als Marsawan endlich in die Hauptstadt zurückkam, sah er die auf der Zinne des Palastes aufgesteckten Köpfe, und er erkundigte sich nach der Prinzessin, seiner Milchschwester, und man erzählte ihm ihre Geschichte. Hierauf begab er sich zu seiner Mutter, die ihn alsbald fragte, ob er schon wisse, was seiner Milchschwester zugestoßen, und erzählte ihm alles ausführlich. Er erwiderte, er habe schon davon gehört und fragte, ob sie ihm nicht dazu verhelfen könnte, die Prinzessin Bedur heimlich zu sehen, ohne daß der König, ihr Vater, etwas davon erfahre.
Als Marsawans Mutter dies hörte, senkte sie den Kopf; nach einer Weile erhob sie ihn wieder und sagte zu ihm: »Mein Sohn! warte bis morgen früh, dann werde ich ein Mittel ausfindig machen.« Sie wandte sich an den Diener, der die Wache an der Türe hatte, und sagte zu ihm: »Ich habe eine Tochter, die ich mit der Prinzessin gesäugt, und vor einiger Zeit verheiratet habe; sie denkt viel an die Prinzessin, wegen des Unglücks, das ihr widerfahren, ich wünschte daher, sie zu ihr zu bringen, daß sie nach ihr sehe, und sie dann wieder verlasse, ohne daß jemand etwas davon erfahre.« Der Verschnittene sagte zu ihr: »Komm in Gottes Namen diese Nacht mit deiner Tochter, nachdem sich der König entfernt hat.« Die Amme küßte dem Diener die Hand und entfernte sich.
Sobald die Nacht anbrach, ging sie zu ihrem Sohne Marsawan, zog ihm Frauenkleider an, verschleierte ihn und führte ihn nach dem Palaste. Der Verschnittene ließ sie eintreten. Marsawan setzte sich, nachdem er das Obertuch abgenommen und Bücher und Amulette und Beschwörungssprüche aus seiner Tasche gezogen hatte. Die Prinzessin begrüßte ihn und beklagte sich über seine lange Abwesenheit, während derer sie nichts von ihm gehört. Er erwiderte: »O meine Schwester, ich bin aus der Fremde zurückgekommen, als ich Dinge über dich gehört, die meinem Herzen heißen Schmerz bereiteten, in der Hoffnung, dich retten zu können.« Diese aber rief aus: »Wie, mein Bruder! auch du glaubst, ich sei wahnsinnig geworden?« Und sie sprach folgende Verse:
»Sie sagen, Liebe habe meinen Verstand verrückt; ich aber antworte ihnen: Ist das nicht die wahre Wonne des Lebens, wenn Liebe so heftig ist, daß sie den Verstand raubt?«
»Es ist wahr, ich bin verrückt, bringt mir den, um dessen willen ich wahnsinnig bin, und wenn er meinen Wahnsinn heilt, so tadelt mich nicht.«
Aus diesen Reden erkannte Marsawan, daß sie verliebt war und bat sie, ihm alles zu erzählen, was ihr widerfahren sei. Bedur tat es und verschwieg ihm auch nicht den geringsten Umstand.
Als die Prinzessin geendigt hatte, stand Marsawan eine Zeitlang nachdenkend mit niedergeschlagenen Augen. Endlich erhob er den Kopf und sprach: »Meine Schwester, ich kann nicht daran zweifeln, daß sich alles so verhält, wie du gesagt hast. Ich bitte dich nur, den Mut nicht sinken zu lassen und noch eine Weile Geduld zu tragen, ich will alle Länder durchreisen, vielleicht bringe ich dir Trost.«
Nach diesen Worten nahm Marsawan Abschied von der Prinzessin, und bei seinem Weggehen hörte er sie noch folgende Verse sagen:
»Die Sehnsucht malt dein Bild in meinem Herzen, obgleich es schon lange ist, daß wir uns besuchten.«
»Die Hoffnung bringt dich mir nahe, gleich einem Blitz, der in die Augen dringt und verschwindet.«
»O, zögere nicht länger! Du bist das Licht meiner Augen; so lange du dich entfernt hältst, bleibt alles dunkel um mich her.«
»Freut dich die Trennung von mir, so freue ich mich mit deiner Freude.«
»Sei stille, mein Herz, und enthalte dich, ihm Vorwürfe zu machen; denn an dem Tage, wo wir uns finden, müßtest du dich selbst darüber anklagen.«
»Klagt er ja doch mich auch nicht an, und doch verstehen sich unsere Herzen.«
Die Liebesklagen, welche Marsawan beim Weggehen von ihr noch gehört hatte, gingen ihm zu Herzen und trieben ihn zu solcher Eile, daß er sich sogleich reisefertig machte und am folgenden Morgen die Stadt verließ. Er zog von Ort zu Ort, von Land zu Land und von Insel zu Insel und überall, wo er hinkam, hörte er nur von der Prinzessin Bedur und von ihrer Geschichte.
Nach Verfluß von vier Monaten gelangte er nach Tarf, wo er nicht mehr von der Prinzessin Bedur, sondern von dem Prinzen Kamr essaman und seiner Krankheit sprechen hörte, und von dem bösen Geiste, der ihm den Verstand getrübt. Er erkundigte sich, in welcher Stadt dieser Prinz lebe, und erfuhr, daß er zu Lande sechs Monate, zu Wasser aber nur einen Monat brauche, um sie zu erreichen. – Marsawan bestieg einen eben reisefertigen Kauffahrer, auf welchem er nach Verlauf eines Monats die Hauptstadt von Schah Semans Königreich erblickte, denn das Schiff war nur noch eine Tagesreise weit vom Ufer entfernt. Da stieß das Schiff auf einen Felsen. Die Bretter flogen auseinander und das Schiff versank mit allem, was darauf war. Marsawan wurde aber von der Strömung dem Ufer zugetrieben. So gelangte er bis in die Nähe des Schlosses, in welchem Kamr essaman sich aufhielt. Zufälligerweise war es an einem Tage, an welchem die Emire dem König ihre Aufwartung machten. Der König saß auf dem Ruhebette und hatte den Kopf seines kranken Sohnes auf dem Schoße liegen, während ein Diener die Fliegen von ihm verscheuchte. Der Prinz rief in einem fort: »O ihr Wuchs! o ihre Wangen!« Endlich schlief er ein, und der Vezier, der ihm zu Füßen saß, blickte nach dem Meere hin und sah, wie Marsawan dem Ertrinken nahe war. Voll Mitleid mit ihm, benachrichtigte er den König davon und sagte: »Wenn du es erlaubst, so will ich hingehen und ihn vom Tode retten: wer weiß, ob nicht Gott auch deinen Sohn von seinem Übel befreit.«
Der König willfuhr der Bitte, und der Vezier öffnete die Türe, die nach dem Meere führte und ging den Damm entlang und kam gerade am Ufer an, als Marsawan noch einmal aus den Wellen auftauchte. Er reichte ihm die Hand und half ihm heraus und wartete eine Weile, bis er wieder zu sich gekommen war, dann zog er ihm seine Kleider aus und gab ihm andere. Dann sagte er ihm: »Mein Sohn! Ich bin das Werkzeug deiner Rettung, und so kann vielleicht durch dich auch anderen geholfen werden.«
Marsawan bat, ihm zu erzählen, wem geholfen werden sollte und der Vezier sagte ihm alles, was sich mit Kamr essaman zugetragen hatte, von Anfang bis zu Ende.
Die Erzählung des Veziers traf genau mit demjenigen zusammen, was Marsawan schon anderwärts gehört hatte, er konnte jetzt nicht mehr zweifeln, daß der Prinz Kamr essaman derjenige sei, für den die Prinzessin von China in Liebe entbrannte, und er sah sich am Ziel seiner Wünsche. Er folgte dann dein Vezier ins Schloß. Dieser setzte sich zu den Füßen des Prinzen, während Marsawan vor letztern hintrat. Als er ihn erblickte, rief er: Gepriesen sei der Schöpfer! Sein Wuchs, seine Farbe, seine Wangen sind wie die der Prinzessin. Als der Prinz die Augen aufschlug und mit seinen Ohren aufhorchte, sprach Marsawan, nach dem Gebete über Mohammed, folgende Verse:
»Ich sehe dich kummervoll und vernehme dein Seufzen. Deine Gedanken schwärmen bis zu den äußersten Wolken des Himmels.«
»Hat Liebe sich deiner bemächtigt, oder bist du von Pfeilen getroffen? Denn alles, was ich an dir sehe, ist Zeichen eines verwundeten Herzens.«
»Hüte dich, an nächtliche Besuche mich zu erinnern; denn schon der Mund, der von ihr spricht, erregt meine Eifersucht.«
»Ich beneide ihre Kleider, weil sie ihren zarten Körper umgeben, und den Becher mit Getränk, weil er ihre Lippen berührt.«
»Tödlich bin ich verwundet, doch nicht von der Schneide des Schwerts, sondern von Blicken, die gleich Pfeilen in mich drangen.«
»Als wir uns begegneten, fand ich ihre Fingerspitzen rot, als wären sie mit dem Safte des Drachenblutes gefärbt.«
»Ach, sagte ich zu ihr, wie kannst du deine Hände noch färben, wenn ich ferne von dir bin? Ist das der Lohn für Liebespein und Trennungsschmerz?«
»Bei deinem Leben, antwortete sie mir, und ihre Rede schleuderte einen unauslöschlichen Liebesbrand in mein Herz, und kam aus einem Herzen, das aus seiner Liebe kein Geheimnis macht: das ist nicht Farbe, womit ich meine Finger gefärbt habe! laß dich durch diesen Schein nicht trügen und vermehre nicht deinen Kummer durch solche Vermutung;«
»Wisse, als ich dich ferne von mir sah, der du mein Ober— und Unterarm warst, entquoll Blut meinen Augen: davon sind meine Finger so rot.«
»Leicht hätte ich mich trösten können, wenn ich zuerst geweint hätte; aber sie weinte vor mir, und ihre Tränen brachten auch mich zum Weinen und der Vorzug gebührte dem Vorangehenden.«Dieser Vers kommt bei älteren Dichtern vor, es fehlt aber das Vorhergehende, in welchem von einer klagenden Taube die Rede ist.
»O scheltet mich nicht, daß ich sie liebe: denn bei meiner Liebe! es ist schon Leid genug bei der Liebe!«
»Schönheit sondergleichen hat ihr Antlitz geschmückt, und in keinem Lande hat mein Aug‘ etwas Ähnliches gesehen.«
»Schmachtend sind ihre Augen, fein ihr Wuchs; Rosen sind ihre Wangen, und Wohlgeruch ist ihr Mund. Sie hat die Weisheit Lokmans und die Schönheit Josephs, die Stimme Davids und die Keuschheit Marias.«
»Aber ich empfinde den Schmerz Jakobs und die Angst des Jonas, die Qualen Hiobs und die Reue Adams.«
»Schont ihres Lebens, wenn ihr auch Macht habt, sie zu töten; fragt sie nur, wie sie mein unschuldiges Blut vergießen mochte.«
Der Prinz Kamr essaman fühlte bei diesen Worten Marsawans eine süße Erquickung in seinem Herzen, seine Zunge bewegte sich in seinem Munde und er gab seinem Vater durch Winke zu verstehen, er möchte erlauben, daß der Fremdling sich neben ihn setze. Der König, außer sich vor Freude, stand auf und setzte Marsawan zu Häupten seines Sohnes. Er fragte ihn dann, wer er sei und woher er komme, und nachdem Marsawan ihm geantwortet hatte, er sei ein Untertan des mächtigen Königs von China und komme aus dessen Staaten, sagte er: »Wollte Gott, daß du meinen Sohn von seiner Krankheit heilen könntest.« »So Gott will, wird es geschehen,« erwiderte Marsawan. Er näherte sich hierauf dem Ohre des Prinzen und sprach zu ihm: »Mein Herr, fasse Mut und höre auf, dich so zu betrüben! Frage nicht nach der, um welcher willen du leidest, noch nach ihrem Zustande: du hast dein Geheimnis in deine Brust verschlossen und bist dadurch krank geworden; sie aber hat alles geoffenbart und leidet noch mehr; ihr Zustand grenzt an Wahnsinn, und sie trägt deshalb Ketten an Händen und Füßen.«
Marsawans Worte brachten auf den Zustand Kamr essamans eine so mächtige Wirkung hervor, daß dieser seinen Vater herbeiwinkte, um ihn im Bette aufrecht zu setzen. Der König und der Vezier richteten ihn empor und unterstützten ihn mit zwei Polstern. Die Emire waren hoch erfreut und der König ließ die Pauken schlagen und sagte zu Marsawan: »Das verheißt uns eine glückliche Zukunft.« Dann ließ er Speisen und Getränke bringen. Kamr essaman trank und aß, der Sultan war beglückt durch die Genesung seines Sohnes, der sich den ganzen Abend von Marsawan erzählen ließ, was er von der Prinzessin Bedur wußte. Zuletzt sagte Marsawan: »Mein Herr! was dir mit deinem Vater widerfahren ist, hat sich auch bei ihr mit ihrem Vater ereignet, doch fasse Mut und stärke dein Herz, ich werde dich zu ihr bringen und euch vereinen.« So unterhielt er den Prinzen, bis er gegessen und getrunken und sich wieder gestärkt hatte.
Der König ließ die Stadt sieben Tage hintereinander festlich schmücken, Geschenke unter die Truppen austeilen, alle Gefängnisse öffnen, jede Gewalttat aufhören und die Zölle abschaffen. Als der Prinz mit Marsawan allein war, sagte er zu ihm: »Wie wird es mir mit der Reise gehen? Mein Vater liebt mich so sehr, daß er sich nicht eine Stunde von mir trennen kann; sage mir, wie ich es angreifen soll: ich werde deinem verständigen Rat pünktlich gehorchen und mich in allem deinen Befehlen fügen.« Bei diesen Worten konnte der Prinz seine Tränen nicht zurückhalten. – »Mein Herr«, antwortete Marsawan, »der Zweck meiner Reise hierher war kein anderer, als meinem Herrn, dem König Ghejjur, seine Tochter geheilt wieder zu geben, ich rate dir nun: bitte den König, deinen Vater, er möchte dir vergönnen, morgen mit mir auf die Jagd zu gehen. Willigt er ein, so besteigst du ein gutes Pferd und führst ein zweites neben dir her, ich tue desgleichen, und wir nehmen auch einen Sack Geld mit auf die Reise und flehen Gott um seinen Schutz an.
Am folgenden Morgen ging der Prinz Kamr essaman zu seinem Vater und bezeigte ihm seinen Wunsch, mit Marsawan auf die Jagd zu reiten. »Ich erlaube es gern«, antwortete der König, »jedoch nur unter der Bedingung, daß du nicht mehr als eine Nacht ausbleibest. Du weißt, daß ich fern von dir am Leben keine Freude habe und eine längere Abwesenheit würde mir Sorge machen: denn ich befinde mich in dem Zustande, welchen der Dichter beschreibt:
»Lebte ich im schönsten Wohlbehagen und besäße das Reich der Chosroen, ja die ganze Welt, so würde das alles in meinen Augen nicht den Wert der Flügel einer Mücke haben, wenn mein Auge dich nicht sähe.«
Der König ließ alles zu dem Ausfluge vorbereiten, vier Pferde satteln und einen Dromedar mit Wasser und Lebensmitteln bepacken. Hierauf nahm er von seinem Sohne Abschied, schloß ihn in seine Arme, küßte ihn und war voller Angst und Sorge. Er wollte ihm einen Diener mitgeben, aber Kamr essaman schlug es aus und ritt mit Marsawan hinweg.
Sie beschleunigten ihre Reise und ritten den ganzen Tag. Abends stiegen sie ab, stärkten sich mit Speise und Trank und ritten dann wieder die ganze Nacht durch bis zum Morgen.
Beim Anbruche des Tages befanden sie sich auf einem Kreuzwege. Marsawan tötete eines von den Pferden, zog ihm die Haut ab und begrub dieselbe samt den Knochen; das Fleisch aber nahm er und schnitt es in Stücke. Hierauf nahm er Kamr essamans Mantel, Oberkleid und Hemd, zerriß sie, färbte sie mit Blut und wickelte einige Stücke von dem Pferdefleisch hinein. Auf gleiche Weise machte er es mit seinem eigenen Oberkleid und warf die Fetzen hierhin und dorthin rechts und links auf den Kreuzweg. Kamr essaman fragte Marsawan, was er damit beabsichtige. »Mein Herr«, antwortete Marsawan, »nur dadurch kann unsere Sache gelingen, denn sobald der König, dein Vater, sehen wird, daß wir länger als eine Nacht ausbleiben, wird er uns nachreiten und uns einholen, oder Postboten nachschicken und uns aufsuchen lassen. Kommen sie nun bis hierher und finden diese zerrissenen Kleider und die Spuren von Fleisch und Blut, so werden sie nicht zweifeln, daß uns entweder Straßenräuber ermordet oder wilde Tiere gefressen haben. Der König wird die Hoffnung aufgeben, dich lebend wieder zu finden, und wir können indessen gemächlich unsere Reise fortsetzen.« – »Du hast wohl getan«, erwiderte Kamr essaman. – Sie setzten hierauf ihre Reise ohne ferneren Aufenthalt fort, bis ihnen endlich nach Verfluß geraumer Zeit die Inseln des Königs Ghejjur entgegenleuchteten. Dieser Anblick erfüllte sie mit großer Freude. Sie wünschten sich gegenseitig Glück, und Kamr essaman dankte dem Marsawan für das, was er getan.
In der Stadt angekommen, stieg Marsawan mit dem Prinzen vor einem Chan ab, woselbst sie drei Tage blieben. Am vierten Tage gingen sie zusammen ins Bad und als sie herauskamen, zog Marsawan dem Prinzen das Gewand eines Kaufmanns an, dann ließ er ihm eine goldene geomantische Tafel machen, welche mit Edelsteinen besetzt war, nebst anderen Instrumenten, wie sie Sterndeuter haben und sagte ihm: »Gehe jetzt, stelle dich unter das Tor des königlichen Palastes und rufe, du seist ein Sterndeuter. Der König wird dich sogleich kommen lassen und zu deiner Geliebten führen. Sobald diese dich sieht, wird sie geheilt sein, und der König, voll Freude, wird dich mit ihr vermählen und dir Anteil an seiner Regierung geben.« Kamr essaman merkte wohl auf alles, was Marsawan ihm angab, verließ den Chan in obigem Aufzug mit seinem Apparat, ging nach dem königlichen Palast und rief hier mit lauter Stimme: »Ein Sterndeuter, ein Sterndeuter.«
Die Neuigkeit verbreitete sich schnell in der ganzen Stadt und versammelte eine unzählige Volksmenge um den Prinzen Kamr essaman. Denn es war schon lange Zeit vergangen, daß sich ein Sterndeuter gemeldet hatte. »Wo denkst du hin, Herr?« sagten die Leute zu ihm, »setze dein Leben nicht einem gewissen Tode aus, um eine Prinzessin zur Frau zu bekommen; haben dich die Köpfe, die du dort siehst, nicht abgeschreckt? Um Gottes Willen, tu dies nicht!«
Aber der Prinz Kamr essaman wiederholte seinen Ausruf. »Du bist ein Eigensinniger«, riefen sie, »bei Gott, erbarme dich deiner Jugend!« – Kamr essaman rief zum dritten Mal: »Ein Sterndeuter, ein Sterndeuter!« und jetzt endlich kam der Großvezier des Königs und führte ihn hinein. Sobald der Prinz den König erblickte, warf er sich nieder und küßte den Boden vor ihm. Der König ließ ihn näher treten und sich neben ihn setzen. »Mein Sohn«, sagte er zu ihm, »nenne dich nicht einen Sterndeuter und unterwirf dich meiner Bedingung nicht, denn ich habe beschlossen, den hinrichten zu lassen, der zu meiner Tochter geht, ohne sie zu heilen und sie nur dem zur Frau geben, der sie heilt. Laß dich von ihrer Schönheit und Anmut nicht verleiten, denn bei dem erhabenen Gott, ich lasse dir den Kopf abschlagen, wenn du sie nicht heilst.« Kamr essaman erwiderte: »Ich unterwerfe mich deinen Bedingungen bereitwillig.«