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Tausend Und Eine Nacht
»Wer hilft mir in meinem Elend? Wie meine Krankheit wächst, so schwindet die Möglichkeit meiner Heilung.«
»Die Trennung von ihr hat mein Herz gebrochen, und die Zeit meine Freunde in Feinde verwandelt.«
»O mein Volk, ist keiner unter dir, der sich meines Zustandes erbarmt und meinen Klagen antwortet?«
»Der Tod ist mir willkommen mit allen seinen Schrecken; denn meine Hoffnung ist von des Lebens Glück abgeschnitten.«
»O Herr, ich beschwöre dich bei dem Auserkorenen, dem Verkündiger, dem Führer zum Heil, dem Inbegriff aller Wissenschaften und dem Ausbund der Beredten!«
»Erlöse mich, hebe mich empor aus meiner Erniedrigung und wende von mir alle Pein und Qual!«
Inzwischen zog ihm der Gefängniswärter seine reinlichen Kleider aus und legte ihm schmutzige an und führte ihn vor den Vezier.
Als Nureddin sich seinem Feinde gegenüber sah, der nach seinem Tode trachtete, weinte er und sagte zu ihm: »Bist du sicher gegen das Schicksal? Hast du nicht gehört, was ein Dichter sagt:
»Sie richteten ungerecht; aber nicht lange dauerte ihr Richteramt, bald war es, als hätten sie nie die Gewalt in Händen gehabt.«
Dann fuhr er fort: »Bedenke, daß der erhabene Gott tun kann, was ihm gefällt.«
Muin erwiderte: »Willst du mir vielleicht mit deiner Rede Furcht einjagen? Mag geschehen, was da will, wenn ich dir nur ganz Baßrah zum Trotze den Kopf habe abhauen lassen. Ein anderer Dichter hat gesagt:
»Wer seinen Feind auch nur einen Tag überlebt, hat seinen höchsten Wunsch erreicht.«
Hierauf befahl er seinen Dienern, ihn auf dem Rücken eines Maultiers vor ihm herzuführen. Die Diener, denen dies wehe tat, sagten zu Nureddin: »Erlaube uns, ihn mit Steinen tot zu werfen und in Stücke zu zerhauen, wenn es auch unser Leben kostet.« Nureddin sagte aber: »Tut dies nicht, ein Dichter hat gesagt:
»Mir ist eine Zeit bestimmt, die ich gewiß erreiche, und diese Bestimmung ist längst beschlossen und gesiegelt.«
»Ist diese Zeit vorüber, so muß ich sterben.«
»Wollten mich auch Löwen in ihren Wald schleppen, so könnten sie die mir bestimmte Lebensdauer nicht abkürzen.«
Man rief dann vor Nureddin aus: »Das ist die Strafe und zwar die geringste Strafe für jeden, der es wagt, dem König gegenüber Briefe zu fälschen.« Ganz Baßrah folgte ihm, bis er endlich unter den Fenstern des Palastes auf die Blutmatte hingeworfen wurde. – Der Scharfrichter näherte sich ihm und sprach: »Herr!« ich bin nur ein Sklave und kann mich der Ausübung meiner Pflicht nicht entziehen; wenn du noch etwas begehrest, so will ich dir es besorgen, denn du hast nicht mehr Zeit übrig, als der König braucht, um aufzustehen und sein Gesicht am offenen Fenster zu zeigen.«
Da sprach Nureddin, indem er das Haupt zur Rechten und zur Linken, nach vorne und hinten drehte:
»Schon seh ich den Henker, das Schwert und die Matte bereit und rufe Wehe über meine Schmach, über die Größe meines Elends!«
»Ist einer unter euch, der Mitleid mit mir fühlt, o so zeige er mir‘s und antworte auf meinen Jammerruf!«
»Mein Leben schwindet dahin, mein Schicksal naht heran.«
»Erbarmt sich jemand meiner, um Gottes Lohn zu verdienen, will jemand meinen Zustand betrachten und meine Qual mit einem Trunke Wassers erleichtern?«
Alle Leute weinten und der Scharfrichter brachte sogleich ein Gefäß mit Wasser und reichte es Nureddin. Allein Muin erhob sich von seinem Platze, zerschlug das Gefäß und rief dem Scharfrichter zu: »Hau‘ zu!«
Nureddin wurden jetzt die Augen verbunden. Während dies geschah, ertönte der ganze Platz von lauten Verwünschungen gegen den Vezier. Es entstand ein großes Geschrei und es wurde viel hin und her gefragt. Auf einmal erhob sich in der Entfernung eine große Staubwolke, und als der König von seinem Palast aus dieselbe erblickte, befahl er, mit der Hinrichtung zu warten und nachzusehen, was dies bedeute. – Muin, der wohl ahnte, was es sein könnte, drang in den König, dem Scharfrichter das Zeichen zu geben. »Nein,« erwiderte der König, »zuvor will ich wissen, was es neues gibt.« Unterdessen hatte sich die Staubwolke genähert. Es war der Großvezier Djafar mit seinem Gefolge.
Die Ursache seiner Ankunft war folgendes: der Kalif hatte nämlich dreißig Tage lang nicht mehr an Nureddin gedacht und niemand hatte ihn an denselben erinnert, bis er endlich eines Abends vor das Gemach der Enis Aldjelis kam; da vernahm er folgende Verse:
»Bist du nah oder fern, so schwebt dein Bild vor meiner Seele, und dein Andenken wird nie von meiner Zunge weichen.«
Die Sängerin weinte nach Beendigung ihres Gesanges so heftig, daß Harun Arraschid sich nicht enthalten konnte, die Türe zu öffnen und hineinzutreten. Als sie ihn erblickte, warf sie sich vor ihm zur Erde, küßte sie dreimal und sprach:
»O du, von reinem Stamm und edler Geburt, blühender Sprößling des erhabensten Hauses, ich erinnere dich an das huldreiche Versprechen deines Edelmuts, ferne sei von dir, es zu vergessen!«
Der Kalif fragte sie, wer sie sei. Sie antwortete: »Ich bin die Sklavin, welche dir Nureddin Ali, Vadhleddins Sohn, zum Geschenke gemacht hat und wünsche, daß du das mir gegebene Versprechen haltest, mich mit den Ehrengeschenken Nureddin nachzusenden: denn seit dreißig Tagen hat der Schlaf meine Augen geflohen.« Der Kalif ließ unverzüglich seinen Vezier zu sich rufen. – Als Djafar kam, sprach der Kalif zu ihm: »Dreißig Tage sind vorüber, ohne daß ich etwas von Nureddin gehört habe. Ich fürchte sehr, er ist hingerichtet worden; aber bei meinem Haupte und bei dem Grabe meiner Väter, wenn ihm ein Leid widerfahren, so vernichte ich den Schuldigen und sollte er mir noch so teuer sein! Reise daher sogleich nach Baßrah, wenn du länger verweilst, als man braucht, um den Weg zu machen, so laß ich dir den Kopf abschlagen. Du erzählst meinem Vetter, dem König, wie ich mit Nureddins Geschichte bekannt geworden, daß ich ihn mit einem Brief an ihn abgesandt habe. Findest du, daß er meinen Befehlen zuwider gehandelt hat, so führe ihn her zu mir, samt dem Vezier, wie du sie findest und bleibe ja nicht länger aus, als zur Reise nötig ist.« Djafar machte sich sogleich reisefertig und legte den Weg nach Baßrah ohne Aufenthalt zurück. Der König war schon von seiner Reise im voraus unterrichtet. Als Djafar bei seiner Ankunft die hin— und herwogende, aufgeregte Volksmenge sah, fragte er, was es denn gebe. Man erzählte ihm, was mit Nureddin geschehen sollte. Da beeilte er sich, zum König zu gelangen. Er grüßte ihn und eröffnete ihm die Ursache seiner Ankunft und die Befehle des Kalifen. Der Sultan ließ alsbald Muin festnehmen und Nureddin losbinden. Dieser bat Djafar, ihn vor den Fürsten der Gläubigen zu führen. Hierauf bedeutete Djafar dem König, er möchte sich bis am folgenden Morgen nach dem Morgengebete bereit halten, die Reise nach Bagdad anzutreten. Nach dem Morgengebet brach Djafar auf und führte den jetzt reuigen Muin, den König von Baßrah und Nureddin mit sich.
In Bagdad angekommen, stellte er sie dem Kalifen vor und nachdem er den Zustand, in welchem er Nureddin gefunden, ausführlich geschildert hatte, ging der Kalif auf Nureddin zu und sagte zu ihm: »Nimm dieses Schwert und schlage damit deinem Feinde den Kopf ab!« Nureddin nahm das Schwert und trat auf Muin zu. Muin aber sah ihn mit einem durchdringenden Blick an und sagte: »Wie ich an dir gehandelt habe, lag in meiner Natur; handle du jetzt nach der deinigen!« Auf diese Worte warf Nureddin das Schwert weg, wendete sich gegen den Kalifen und sagte: »Beherrscher der Gläubigen! er hat mich mit diesen Worten überlistet.« Er rezitierte dann folgenden Vers:
»Gebrauche List gegen ihn, wenn er naht, der Edle ist leicht durch ein gutes Wort zu hintergehen.«
Der Kalif sagte zu Nureddin: »Lasse du es sein.« Er rief aber Masrur herbei und befahl ihm, das Urteil an Muin augenblicklich zu vollstrecken. Der Kalif forderte dann Nureddin auf, seine Wünsche zu äußern. Er versetzte: »Ich sehne mich nach dem Fürstentum Baßrah, ich wünsche in deiner nähern Umgebung zu bleiben und deiner Person meine Dienste zu widmen.« Der Kalif willigte gern in dieses Begehren und nahm ihn in die Zahl seiner vertrautesten Gesellschafter auf. Dann ließ er die schöne Perserin holen, und wies dem reichlich beschenkten Paar einen prächtigen Palast in Bagdad zur Wohnung an. Nureddin führte das angenehmste Leben in der Nähe des Kalifen, bis ihn der Tod erreichte, der jeder Freude und jeder Vereinigung ein Ende macht.
Das ist die Geschichte Nureddins, schloß Schehersad, sie ist aber nicht wunderbarer, als die von dem Prinzen Kamr essaman, wie er Bedur, die Tochter des Königs Ghaiur, liebte und zu ihr reiste und sie heiratete, und welche Abenteuer sie und ihre Söhne Asad und Amadjad zu bestehen hatten.
In der folgenden Nacht begann Schehersad also zu erzählen:
Geschichte des Prinzen Kamr essaman mit Bedur
Einst herrschte im grauen Altertum vor vielen Jahrhunderten ein König, Namens Schah Seman, welcher Herr vieler Städte und Länder und großer tapferer Heere war. Er hatte vier Gemahlinnen, sämtlich Königstöchter, und sechzig Beischläferinnen, und residierte auf einer nicht weit von Persien liegenden Insel, welche Chalidan hieß.
Schah Seman war kinderlos. Er ließ daher eines Tages seinen Vezier vor sich kommen und klagte ihm sein Unglück, keine Kinder zu haben. »Großmächtigster König!« antwortete der Vezier, »in dergleichen Anliegen kann man allein zu dem erhabenen Gott (gepriesen sei er!) seine Zuflucht nehmen; darum rate ich dir, eine große Mahlzeit bereiten zu lassen, Fakire und Arme dazu einzuladen, daß sie nach Lust essen, und dann zu Gott beten, daß er dir ein Kind schenke. Vielleicht findet sich unter ihnen eine reine Seele, deren Gebet vor Gott angenehm ist, so daß dein Wunsch erfüllt wird, und du einen Sohn bekommst, welcher dir in der Regierung folgt, dein Geschlecht fortpflanzt und dein Gedächtnis nach deinem Tode erhält.«
Schah Seman befolgte diesen Rat des Veziers, der ihm vortrefflich dünkte. Er ließ sogleich reiche Almosen austeilen, lud Fakire zu einer gemeinschaftlichen Mahlzeit ein und eröffnete ihnen seine Absicht, daß sie für die Erhörung seines Wunsches zu Gott beten möchten.
Wirklich erlangte Schah Seman durch die Gnade des Himmels, was er begehrte: eine seiner Frauen fühlte sich nach einiger Zeit gesegneten Leibes. Der König war außer sich vor Freude und gab aufs neue viele Almosen und erwies sich wohltätig gegen Witwen und Waisen, bis endlich ihre Tage und ihre Nächte um waren und sie mit Gottes Hilfe einen Sohn gebar, ein Geschöpf dessen, dem alles sein Dasein verdankt. Man veranstaltete Freudenfeste, Trommeln und Jubelgeschrei ertönten und die Stadt wurde sieben Tage lang geschmückt. Man färbte dann die Augenlider des Knaben mit Kohel, kleidete ihn in Gold und Seide und brachte ihn seinem Vater, der ihn zwischen die Augen küßte und so schön fand, daß er ihm den Namen Kamr essaman (Mond der Zeit) gab. Dann bestellte man ihm Ammen und Diener, und das Kind wuchs kräftig heran, bis es 18 Monate alt war. Jetzt wurde der Knabe entwöhnt, und nachdem er das vierte Jahr zurückgelegt hatte, war er das vollkommenste Bild von Schönheit und Anmut, seine Worte bezauberten jedes Herz und jedermann sah mit Wohlgefallen nach ihm, wie nach einem blühenden Garten, so daß ein Dichter folgende Verse auf ihn dichtete:
»Wo er erscheint, spricht man: Gepriesen sei Gott, der ihn geschaffen und gebildet!«
»Er ist der Fürst unter den Schönsten der Schönen, und alle müssen bekennen: Wir sind deine Untertanen.«
Der Prinz Kamr essaman wurde immer größer und kräftiger. Als er das siebente Jahr erreicht hatte, schickte ihn sein Vater in die Schule und es dauerte nicht lange, so hatte derselbe den ganzen Koran gelernt und war in der arabischen Sprachwissenschaft, in Theologie und anderen Wissenschaften so bewandert, daß er eine Ausnahme unter den Ausnahmen machte.
Als der Prinz vierzehn Jahre zählte, hatte sich seine Schönheit im höchsten Grad entwickelt; ein frischer Flaum verbreitete sich über seine roten Wangen, deren Glanz durch ein braunes Fleckchen wie ein Ambrakügelchen gehoben wurde, so daß folgende Verse auch von ihm galten:
»Schlank ist sein Wuchs; seine Haare sind so schwarz und seine Stirn so glänzend weiß, daß die Welt dadurch zugleich in Dunkelheit gehüllt wird und in hellem Lichte strahlt.«
»Mißbilliget aber nicht das Mal auf seiner Wange: hat doch auch die Anemone schwarze Pünktchen.«
Der Sultan, der ihn so zärtlich liebte, daß er es keine Stunde ohne ihn aushalten konnte, sagte eines Tages zu seinem Vezier: »Wackerer Vezier! ich fürchte, es könnte meinen Sohn ein Mißgeschick treffen, darum möchte ich, um vor meinem Tode mich noch an ihm zu erfreuen, mich von der Regierung zurückziehen und ihm meinen Thron einräumen.« Der Vezier erwiderte: »Tapferer Fürst und mächtiger Löwe! meine Ansicht ist, daß du ihn zuvor vermählest, ehe du ihn auf den Thron erhebest, denn die Ehe hält den Mann in Schranken.«
Die Ansicht des Veziers gefiel Schah Seman, und er beschloß, sich mit seinem Sohne darüber zu besprechen, und ließ ihn alsbald zu sich rufen. Kamr essaman erschien, grüßte seinen Vater, küßte ihm die Hand und neigte bescheiden, wie ein wohlgebildeter Jüngling, den Kopf zur Erde. Der König sagte zu ihm: »Weißt du, mein Sohn, warum ich dich habe rufen lassen?« – »Herr!« antwortete der Prinz, »Gott allein kennt das Verborgene; ich weiß nicht, was du mir zu sagen hast.« – »Es geschieht«, fuhr der Sultan fort, »um dir zu sagen, daß es mein Wunsch ist, dich vermählt zu sehen und mich daran zu freuen. Was hältst du davon?«
Als Kamr essaman die Worte seines Vaters hörte, stieg ihm die Röte der Scham ins Gesicht; er schlug voll Verwirrung die Augen nieder, und Schweißtropfen standen auf seiner Stirne. Endlich antwortete er: »Mein Vater! ich habe keine Lust, mich zu vermählen und mein Herz fühlt keine Neigung zu den Frauen, wie sollte es auch, da doch ein Dichter gesagt hat:
»Fragt ihr mich über die Weiber, so weiß ich euch Bescheid zu geben; ich kenne ihre Fehler:«
»Wenn des Mannes Haupt weiß wird, oder sein Reichtum abnimmt, so hat ihre Liebe keinen Bestand.«
»Ich kann deinen Wunsch unmöglich erfüllen, sollte mir auch aus meiner Weigerung Tod und Verderben erwachsen.«
Der König war über den Widerwillen des Prinzen sehr betrübt. Seine Liebe zu ihm war aber so groß, daß er ihm nichts weiter sagte, sondern ein ganzes Jahr ruhig abwartete. Nach Verfluß eines Jahres ließ er ihn wieder zu sich rufen und sagte zu ihm: »Nun, mein Sohn, wirst du mir noch nicht gehorchen und mir gestatten, dir eine Gattin zu geben, damit ich vor meinem Tode mich an dir freue?«
Der Prinz ließ den Kopf ein wenig sinken, dachte eine Weile nach, erhob ihn dann wieder und antwortete: »Mein Vater! mein Entschluß, unverheiratet zu bleiben, steht fest, so lange ich lebe. Denn ich habe in Geschichtsbüchern und anderen Werken gelesen, wie viel Jammer und Unglück die Arglist der Weiber zu aller Zeit in der Welt verursacht hat. Wenn du es verlangst, so will ich dich mit ihrem Tun und Treiben bekannt machen: sie sind voll List und Trug und treulos in Wort und Tat. Ein Dichter hat sie mit den Worten bezeichnet:
»Ihre Fingerspitzen sind gefärbt, ihre Haare geflochten, ihr Turban hängt auf die Seite und viel Kummer geben sie zu schlucken.«
»Kannst du den Blitz in einem Netze fangen oder Wasser in einem Siebe schöpfen?«
Damit verließ Kamr essaman seinen Vater und ging seines Weges. Der König Schah Seman ließ seinen Vezier rufen und setzte ihn in Kenntnis von allem, was zwischen ihm und seinem Sohne sich zugetragen hatte. Dann sagte er zu ihm: »Da du mir doch den Rat erteilt hast, ihn zu vermählen, sage mir, was ich jetzt, da er sich so ungehorsam zeigt, mit ihm anfangen soll!« – »Mein König!« antwortete der Vezier, »gib dem Prinzen noch ein Jahr Frist. Nach Verfluß des Jahres läßt du ihn wieder vor dem ganzen Divan zu dir rufen und sprichst wieder von seiner Vermählung. Er wird sich gewiß schämen und es nicht wagen, dir zu widersprechen.« Der König nahm diesen Rat an und wartete wieder ein Jahr. Dann versammelte er den Divan und ließ seinen Sohn rufen. Als er erschien, küßte er die Erde vor seinem Vater und blieb stehen. Sein Vater sagte zu ihm: »Mein Sohn! ich habe dich zu dieser Stunde vor dieser großen Versammlung hierher rufen lassen, um wegen deiner Vermählung mit dir zu sprechen, denn ich möchte, daß du heiratest und ich vor meinem Tode noch an deiner Familie meine Freude habe. Vielleicht schenkt dir Gott einen Knaben, wodurch unser Andenken erhalten und unser Reich bei unserem Geschlechte bleibt. Ich habe schon zweimal deshalb mit dir gesprochen und du hast das Gespräch abgebrochen, deshalb habe ich dich jetzt hierher beschieden und ich verlange von dir eine Antwort.«
Als Kamr essaman dies hörte, geriet er vor Ärger ganz außer sich, er neigte den Kopf eine Weile zur Erde, dann antwortete er, indem er schnell den Kopf in die Höhe warf, mit jugendlicher Tollkühnheit: »Ich habe schon tausendmal erklärt, daß ich nicht heiraten wolle. Du bist eben jetzt bejahrt und altersschwach, dein Verstand hat abgenommen, darum schwatzest du Unsinn und bist kaum mehr imstande, eine Herde Schafe zu hüten.« Der Sultan fühlte sich tief verletzt durch diese Worte vor den Anwesenden. Mit königlichem Stolze schrie er jetzt seinen Sohn an, daß er vor Schrecken bebte. Hierauf ließ er ihn durch seine Waffenträger und Mameluken festnehmen und befahl ihnen, ihn in Ketten zu legen. Als sie ihn gebunden vor seinen Vater brachten, ließ er sein Haupt sinken, und seine Stirne war mit Schweiß bedeckt. Der König schmähte ihn und sagte: »Wehe dir! kann deinesgleichen mir eine solche Antwort geben? doch hat dich bis jetzt noch niemand gezüchtigt.« Er befahl dann den Mameluken, ihm die Bande abzunehmen und ihn einzusperren. Sie führten ihn in ein altes Gemach eines uralten Turms, in dessen Mitte eine römische Zisterne war. Alsbald kamen die Kammerdiener herbei, reinigten das Zimmer, brachten ein Ruhebett, eine Matratze, ein Kissen und eine Laterne und ließen dann den Prinzen allein, nur ein Diener blieb vor der Türe stehen. – Kamr essaman stand auf, wusch sich, verrichtete sein Abendgebet, und nachdem er noch einige Kapitel des Koran gelesen hatte, legte er sich nieder. Die Laterne stand zu seinen Füßen und eine Wachskerze brannte über seinem Haupte. Er schlief bis ein Dritteil der Nacht vorüber war, ohne zu ahnen, was das geheime Geschick ihm bereitete.
Sowohl das Gemach als der Turm waren nämlich seit Jahren nicht bewohnt und die römische Zisterne diente einer Fee zum Aufenthalte, einer von den Nachkömmlingen des verfluchten Iblis. Sie hieß Maimuna und war die Tochter Damerjads, eines Königs der Genien. Es war um Mitternacht, als Maimuna sich nach ihrer Gewohnheit aus dem Brunnen emporschwang. Sie war sehr verwundert, in dem Turm, in welchem sich seit vielen Jahren niemand aufgehalten hatte, Licht zu erblicken, und da das Licht von dem Gemache herkam, schwebte sie hinein. Sie fand zu ihrem Erstaunen einen schlafenden Diener, und ein Ruhebett, auf welchem ein junger Mann schlief. Da senkte sie ihre Flügel, näherte sich ihm und hob die Decke ein wenig auf und erblickte einen Jüngling, dessen Antlitz heller strahlte, als die Flamme des Lichts neben seinem Bette. Sie war ganz betroffen über diese Fülle von Schönheit, Anmut und reizender Körperbildung und sprach zu sich selber, nachdem sie im stillen den Schöpfer gepriesen: Bei Gott, ich will ihm nichts zuleide tun! Ein solches Gesicht verdient vor jedem Unheil bewahrt zu werden. Allein ich begreife nicht, welchen Anlaß er gegeben haben kann, daß er von seinen Leuten nach diesem verlassenen Orte gebracht worden ist. Nachdem sie sich dann zu ihm niedergebeugt und ihn auf die Wangen, auf den Mund und zwischen die Augen geküßt hatte, legte sie die Decke wieder, wie sie zuvor gewesen war, und schwang sich gen Himmel empor. Als sie eine Weile so geflogen war, vernahm sie einen Flügelschlag, was sie bestimmte, ihren Flug in derselben Richtung zu nehmen. Bald gelang es ihr, dem Geräusche nahe zu kommen, und sie erkannte, daß es von einem ungläubigen Geiste herrührte, welcher Dahnesch hieß und ein Sohn des Schamhurasch war. Als Dahnesch die gegen ihn herfahrende Maimuna erkannte, zitterte er vor Angst und Schrecken und sagte mit bittendem Tone zu ihr: »Ich beschwöre dich bei dem hohen, verehrten, unaussprechlichen Namen, sei gnädig gegen mich und tu‘ mir nichts zuleid; ich war ja nie dein Feind und bin dir nicht ebenbürtig.« »Verfluchter Geist!« erwiderte Maimuna, »du hast mich bei dem Heiligsten beschworen, doch sage mir zunächst, woher du kommst, und was du diese Nacht gesehen und getan hast?«
Dahnesch antwortete: »Ich will dir etwas Wunderbares erzählen, was ich diese Nacht gesehen habe. Wisse, Herrin! ich komme diese Nacht von dem äußersten China, von den innersten Inseln. Aber, du versprichst mir doch, mir zu verzeihen und mich in Freiheit zu lassen, wenn ich deine Neugier befriedigt habe?« – »Fahre fort, fahre fort, Verruchter!« erwiderte Maimuna, »und fürchte nichts. Hüte dich nur, mir etwas zu sagen, was nicht wahr ist: sonst reiße ich dir die Federn aus deinen Flügeln und schinde dir die Haut vom Leibe.« – Dahnesch erwiderte: »Gut, meine Herrin, so wisse denn, daß ich von den innersten Inseln komme, über welche Ghajur, der Herr des Meeres und der Inseln herrscht. Er hat eine einzige Tochter, von solcher Schönheit, wie man noch keine auf Erden gesehen hat. O ich kann mit meinen Lippen und meiner Zunge nicht einmal einen Teil ihrer Reize schildern. Doch will ich versuchen, sie zu beschreiben. Sie hat Haare so lang wie ein Roßschweif und in solcher Fülle, daß, wenn sie frei herunterwallen, sie ineinander verschlungenen Trauben gleichen. Unter diesen Haaren wölbt sich eine Stirn, glatt wie ein hellgeschliffener Spiegel und leuchtend wie die Strahlen der Sonne. Augen hat sie wie Narzissen, doch kann sie der wackerste Jäger nicht fesseln, das Weiße davon gleicht der Luft in der Morgendämmerung und das Schwarze der finstern Nacht; die Nase, fein und scharf wie eine geschliffene Schwertklinge, ist weder zu lang, noch zu kurz. An diese schließen zwei Purpurwangen, deren Färbung von der Röte der Kirsche in die Weiße des Marmors verschwimmt. Ihr Mund ist klein und rot wie die aufbrechende Knospe der Granatblüte; ihre Zähne gleichen einer Perlenschnur; wenn sie die Zunge zum Sprechen bewegt, so ertönt eine süße und anmutige Stimme, und was sie sagt, bekundet die Schärfe ihres Verstandes und die Lebhaftigkeit ihres Geistes. Ihre Lippen sind wie Korallen von Honig angefeuchtet. Ihr Kopf wiegt sich auf einem Nacken, der einer silbernen Waschkanne über einem marmornen Halse gleicht. Sie hat eine starke Brust, die zum Genusse reizt. An diese schließen sich ein Paar Oberarme, so rein und rund wie Perlen und Margarite. Die Vorderarme sind wie Silber mit Gold gepaart. Ihre Brüste gleichen Granatäpfeln, ihre Taille ist so zart, daß man glaubt, sie wollte fliegen und die runden glatten Schenkel und Beine werden von zierlichen Füßchen getragen, die Gott, so klein sie sind, doch stark genug gemacht hat, um alles, was darüber ist, in schwebender Bewegung zu halten. Der Vater dieser Prinzessin ist ein rauher Krieger und gewalttätiger, unerschrockener Herrscher, er besitzt große Heere und regiert über viele Länder, Städte und Inseln. Dieser König liebt seine Tochter so sehr, daß er ihr sieben Paläste hat bauen lassen. Der erste Palast ist von Bergkristall, der zweite von Erz, der dritte von feinem Stahl, der vierte von Blei, der fünfte von schwarzem Stein, der sechste von Silber und der siebente von gediegenem Gold. Alle sind mit unerhörter Pracht ausgeschmückt, mit den kostbarsten seidenen Teppichen und mit Gerätschaften und Gefässen von Gold und Silber versehen. Man sprach bald in allen Ländern von der Schönheit und Anmut dieser Prinzessin und Könige schickten Gesandte und ließen um sie werben. Wenn aber ihr Vater sich deshalb mit ihr besprach, sagte sie: ich habe keine Lust mich zu vermählen, ich bin Herrin und will mich nicht unter die Herrschaft eines anderen beugen. Der König ließ sie geraume Zeit in Ruhe, bis einst ein gewisser Fürst um sie werben ließ und große Reichtümer als Morgengabe sandte. Da wiederholte der König seinen Wunsch, sie zu vermählen. Sie zeigte sich aber ungehorsam, schrie ihren Vater an und nannte ihn einen Schwachkopf. Schließlich sagte sie zu ihm: wenn du mit mir noch einmal von meiner Vermählung sprichst, so mache ich meinem Leben ein Ende und du hast eine Tochter meinesgleichen verloren. Der König geriet in Zorn darüber und sagte: wenn dies dein fester Entschluß ist, so mußt du auch ein einsames, zurückgezogenes Leben führen. Er ließ sie daher in ein einzelnes Gemach in einem seiner Paläste einsperren, woselbst er ihr nur zehn alte Weiber zur Gesellschaft gab, und gestattete ihr nicht mehr, nach ihren Palästen zu gehen, und zeigte ihr, daß er sehr aufgebracht gegen sie sei. Zugleich ließ er durch seine Gesandten den fürstlichen Bewerbern sagen, seine Tochter sei geisteskrank geworden, er werde alles anwenden, um sie zu heilen und sie dann dem zur Frau geben, den das Glück begünstigt. »Nun, Maimuna«, fuhr Dahnesch fort, »verfehle ich nicht, jede Nacht mich bei ihr einzufinden, ihre Schönheit und Anmut zu bewundern und sie zwischen die Augen zu küssen; denn ich liebe sie so sehr, daß ich ihr nicht das geringste Leid zufügen kann. Ich beschwöre dich, meine Herrin, komm und sieh wie schön sie ist, um dich mit eigenen Augen zu überzeugen, daß ich wahr gesprochen.« Maimuna brach in ein lautes Gelächter aus, spuckte gegen Dahnesch aus und sagte zu ihm. »Wehe deinem Gesichte! Ich erwartete Wunder, was du mir erzählen würdest, und du unterhältst mich von einer Nichtswürdigen! Pfui, schäme dich! Was würdest du, Verruchter, erst sagen, wenn du meinen Geliebten gesehen hättest, bei welchem ich diese Nacht war? Fürwahr, du würdest närrisch darüber werden und zerplatzen.« – »Herrin«, erwiderte Dahnesch, »wer ist der Geliebte, von dem du sprichst?« – »Wisse«, antwortete ihm Maimuna, »daß es ihm ebenso ergangen ist, wie der Prinzessin, von welcher du mich hier unterhalten hast. Der König, sein Vater, wollte ihn mit aller Gewalt vermählen; er weigerte sich, und sein Vater ließ ihn in einen alten Turm sperren, der mir zum Aufenthalt dient und wo ich ihn diese Nacht erblickt habe.« – Dahnesch versetzte: »Meine Herrin, du wirst mir doch gestatten, deinen Prinzen zu sehen, um ihn mit meiner Geliebten zu vergleichen, damit ich erkenne, wer am schönsten ist, denn ich behaupte, daß meine Geliebte an Schönheit ihresgleichen in der Welt nicht findet.« – »Du lügst, Verruchter!« entgegnete Maimuna. »Ich will nicht den Eigensinnigen gegen dich spielen. Komm mit mir«, versetzte Dahnesch, »um meine Prinzessin zu sehen, und dann zeigst du mir deinen Prinzen.« Maimuna entschloß sich, dieser Aufforderung zu folgen, aber nur unter der Bedingung, daß Dahnesch eine Wette einging: wenn ihr Prinz schöner wäre, sollte Dahnesch verloren, würde aber die Prinzessin schöner gefunden, so sollte er gewonnen haben. Nachdem Dahnesch seine Zustimmung hierzu gegeben, sagte Maimuna: »So folge mir denn!« Dahnesch erwiderte aber: »Komm du zuerst mit mir, da wir doch der Prinzessin näher sind.« Sie begaben sich hierauf zusammen in das Gemach der Prinzessin und Maimuna fand sie so schön, daß sie zu Dahnesch sagte: »Ich beschwöre dich bei der Inschrift, die auf dem Siegelringe Salomos, des Sohnes Davids eingegraben ist, nimm sogleich die Prinzessin und lege sie neben den Prinzen.« Sie flogen dann beide wieder fort und trugen die Prinzessin mit sich und legten sie an die Seite Kamr essamans auf das Ruhebett, dann deckten sie ihr Gesicht auf und sie glichen zwei leuchtenden Vollmonden, wie der Dichter sagt: