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Internationales Privatrecht
Das Haager Testamentsformübereinkommen ist – ebenfalls als loi uniforme – zeitlich anwendbar auf alle Erbfälle, in denen der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens verstorben ist (Art. 8 des Übk.), auch wenn die letztwillige Verfügung früher errichtet wurde; Art. 13 des Übereinkommens erlaubt jedoch jedem Vertragsstaat einen Vorbehalt, das Übereinkommen nur auf letztwillige Verfügungen anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten errichtet wurden.
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b) Es bestehen zwei Techniken der innerstaatlichen Inkraftsetzung von völkervertraglichem IPR.
aa) Der Gesetzgeber kann es bei der Ratifikation durch Bundesgesetz belassen, mit der Folge, dass die Kollisionsnormen des jeweiligen völkerrechtlichen Vertrages unmittelbar anzuwenden sind. Dies hat den Vorteil, dass am völkervertraglichen Charakter der Norm kein Zweifel besteht und der Vorrang gegenüber deutschem IPR nach Art. 3 Nr 2 zweifelsfrei erkennbar ist. In der Praxis werden allerdings völkervertragliche Normen (die nicht im EGBGB stehen) leichter übersehen; erst recht gilt dies, wenn Deutschland einen Vorbehalt[84] gegen die Anwendung einer einzelnen Bestimmung erklärt hat, der nicht aus dem Konventionstext, sondern nur aus dem Zustimmungsgesetz erkennbar ist. Möglich wäre in diesem Fall eine Hinweisnorm im EGBGB, eine Technik, die der deutsche Gesetzgeber jedoch nur in Art. 3 Nr 1 für EuIPR nutzt.
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bb) Die andere Technik besteht in der Inkorporierung des Übereinkommens in deutsches IPR, insbesondere in das EGBGB. Dies hat den Vorteil leichter Erkennbarkeit; überdies wird bei den heute verbreiteten lois uniformes vermieden, dass in der Praxis der Völkervertrag irrtümlich nur im Verhältnis zu Vertragsstaaten angewendet wird.
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In Anwendung dieser Technik ist jedoch fraglich, ob gleichwohl für das Übereinkommen selbst der Vorrang nach Art. 3 Abs. 2 S. 1 gilt; selbst wenn der inkorporierte Text völlig dem Übereinkommen entspricht, kann die Vorrangfrage bedeutsam werden, weil für Völkerverträge andere Auslegungsregeln gelten als für nationales IPR. Erst recht stellt sich die Konkurrenzfrage, wenn der inkorporierte Text vom Vertrag inhaltlich abweicht.
– Unstrittig geht das Übereinkommen vor, soweit die inkorporierten Kollisionsnormen von dem Übereinkommen abweichen.109
– Decken sich die inkorporierten Normen inhaltlich mit dem Völkervertrag, so wollen einige Autoren die inkorporierte Norm anwenden, da deren Anwendung den Vorrang völkervertraglichen Kollisionsrechts nicht verletze.[85] Nach zutreffender hM geht hingegen auch in diesem Fall die völkervertragliche Kollisionsnorm als solche vor; anderenfalls besteht die Gefahr, dass der völkervertragliche Charakter der Norm bei der Auslegung aus dem Blickfeld gerät. Die inkorporierte Norm hat nur eine Hinweisfunktion und ist Auffangnorm, soweit der zeitliche, räumliche, sachliche oder persönliche Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht reicht.[86]Daher war der mit Inkrafttreten des Haager Unterhaltsstatutprotokoll 2007 aufgehobene[87] Art. 18 schon vorher praktisch bedeutungslos, da ihm das Haager Unterhaltsstatutübereinkommen 1973 als loi uniforme vorging. Ebenso waren Art. 26 Abs. 1 bis 4 aF nur eine scheinbare Inkorporierung des vorrangig und universell geltenden Haager Testamentsformübereinkommens, was Art. 26 Abs. 1 nunmehr voraussetzt. Inkorporierung kann hingegen eine bedeutende rechtsvereinheitlichende Funktion haben, wenn ein Übereinkommen nicht loi uniforme ist. So hat das Vereinigte Königreich das Zuständigkeitssystem des Brüsseler EuGVÜ (Vorgänger zu Brüssel I- und Ia-VO) durch Inkorporierung in den Civil Jurisdiction and Judgements Act weitgehend auch auf Fälle im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar gemacht.
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– Etwas anderes gilt nur, wenn Abweichungen vom Übereinkommen bei Zeichnung oder Ratifikation zulässigerweise vorbehalten wurden. Möglich ist sogar, dass ein Vorbehalt dahingehend erklärt wird, ein Übereinkommen nicht unmittelbar, sondern nur transformiert – und ggf modifiziert – in Kraft zu setzen.
So hatte die Bundesrepublik Deutschland bei der Zustimmung zu dem Römischen EWG-Vertragsstatutübereinkommen (Rom I-Übereinkommen) erklärt, dass dessen Art. 1-21 innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung finden. Diese Artikel wurden mit redaktionellen Änderungen in Art. 27 ff aF inkorporiert. Dabei wurde Art. 7 Abs. 1 des Übereinkommens nicht übernommen (sedes materiae war Art. 34 aF), was nicht schon wegen des Inkorporierungsvorbehalts zulässig ist. Deutschland hatte jedoch gegen Art. 7 Abs. 1 des Übereinkommens einen nach Art. 22 Abs. 1 lit. a des Übk. zulässigen Vorbehalt erklärt. All dies ist gegenüber der dem Rom I-Übk. nachfolgenden Rom I-VO, die unmittelbar geltendes Recht und Vorbehalten nicht zugänglich ist, nicht möglich. Da auch die Rom I-VO als loi uniforme konzipiert ist, waren Art. 27 ff aufzuheben.
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c) Nur ein Scheinproblem stellt sich, wenn der deutsche Gesetzgeber inkorporiertes völkervertragliches IPR durch ein späteres Gesetz ändert, ohne hierzu völkervertraglich befugt zu sein. Teilweise wird hier ein Konflikt mit dem Grundsatz lex posterior derogat legi anteriori (lat. ein späteres Gesetz hebt ein früheres auf) gesehen. Tatsächlich verhält es sich aber einfacher: Da der deutsche Gesetzgeber dem völkerrechtlichen Vertrag nicht durch Inkorporierung einseitig dessen Natur entziehen kann und daher weiter Art. 3 Nr 2 gilt, geht der – unbeschadet der Inkorporierung immer noch als solcher bindende – völkerrechtliche Vertrag auch einer späteren deutschen Kollisionsnorm zum selben Gegenstand vor.
4. Auslegung völkervertraglichen IPR
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a) Die Auslegung völkervertraglicher Kollisionsnormen folgt besonderen Regeln, die sich aus ihrer Natur als internationales Einheitsrecht ergeben.
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Es darf nicht ohne weiteres von der Begriffsbedeutung eines verwendeten Rechtsbegriffes im deutschen Recht ausgegangen werden; vielmehr ist einer einheitlichen, „vertragsautonomen“ Auslegung der Vorzug zu geben, um die einheitliche Auslegung in den Vertragsstaaten sicherzustellen.
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b) Dennoch kommt dem Wortlaut der Regelung stärkere Bedeutung zu, als im nationalen Recht; die am Wortlaut orientierte Auslegung bietet die beste Gewähr, dass sich keine aus der jeweiligen lex fori entlehnte Teleologie einschleicht, die das Übereinkommen in Wirklichkeit nicht anstrebt. Jedoch ist zur Vermeidung einer Orientierung an Begrifflichkeiten des eigenen Rechts der Wortlaut in den verschiedenen offiziellen Vertragssprachen zu untersuchen; bei Haager Abkommen, die überwiegend nur in Englisch und Französisch erstellt werden, ist dies zu bewältigen; bei EWG-/EG-Übereinkommen mit zunehmendem Teilnehmerkreis stellte sich eine von einzelnen nicht mehr zu bewältigende Aufgabe; das resultierende Problem ist bei den den Übereinkommen nachfolgenden EG-/EU-Verordnungen nicht geringer, zumal die Sprachversionen oft grundlos voneinander abweichen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die rechtsvergleichende Methode der Auslegung. Systembegriffe in den verschiedenen Sprachen haben oft ihre Wurzel in Systembegriffen des zugehörigen nationalen Rechts. Die Erkenntnis der Wortbedeutung kann dann nicht als philologische Aufgabe verstanden werden, sondern ist vor allem rechtsvergleichende Aufgabe.
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Allerdings verwenden völkervertragliche Übereinkommen gelegentlich bewusst neutrale, in der zur jeweiligen Sprache gehörigen Rechtsordnung nicht besetzte Begriffe, um divergierende Auslegungen zu vermeiden. Dies setzt voraus, dass schon bei der Aushandlung des Übereinkommens die Probleme erkannt wurden, und beschränkt sich daher auf Sternstunden der internationalen Vertragspraxis. So haben die jüngeren Haager Übereinkommen den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts aufgegriffen, der als Kompromissformel zwischen dem – jeweils unterschiedlichen – deutschen, schweizerischen und österreichischen Wohnsitz, den romanisch-französischen Begriffen der résidence und des domicile (bzw italienisch residenza, domicilio und spanisch residencia, domicilio) sowie dem Common Law-Verständnis von residence und domicile sogar Eingang in nationale IPR-Kodifikationen gefunden hat (vgl Art. 14 Abs. 1 Nr 2).
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c) Historische Auslegung kann für die einheitliche Anwendung von Nutzen sein; Quellen der historischen Auslegung sind jedoch meist nur die – nicht immer veröffentlichten – Materialien des jeweiligen Übereinkommens, in Einzelfällen auch Materialien, die auf eine Querverbindung zwischen mehreren (insbesondere Haager) Übereinkommen hinweisen. Wie jede historische Auslegung findet auch die Quellenauslegung bei Völkerverträgen ihre Grenze dort, wo die Rechtstatsachen dem Wandel der Zeit unterliegen.
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d) Systematische Auslegung ist meist wenig fruchtbar; völkervertragliche Kollisionsnormen stehen selten in einem über den jeweiligen Vertrag hinausweisenden Zusammenhang.
Zwischen dem KSÜ und dem Haager Kindesentführungsübereinkommen besteht insofern ein Zusammenhang, als die Fortdauer der Zuständigkeit in Fällen der Kindesentführung (Art. 7 KSÜ) auf die Jahresfrist in Art. 12 KEntfÜ abgestimmt werden sollte und deshalb die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Verbringungsstaat nicht – wie früher – schon nach 6, sondern erst nach 12 Monaten anzunehmen ist.
Andererseits sind systematische Brüche mit dem eigenen nationalen Kollisionsrecht ggf hinzunehmen, um eine einheitliche Anwendung zu sichern.
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e) Teleologische Auslegung bedeutet bei völkervertraglichen Kollisionsnormen die schwierige Suche nach gemeinsamen Normzwecken aus der Sicht der Vertragsstaaten. Einerseits soll auch im Einheitsrecht die hinter der Kollisionsnorm stehende Wertung entscheiden. Andererseits muss sich der nationale Rechtsanwender davor hüten, die Norm in das Gefüge seiner eigenen Rechtsordnung hinein zu interpretieren. Häufig wird bei jüngeren Übereinkommen die teleologische Interpretation nicht ohne die historische Methode auskommen, indem sie den Quellen die Zielsetzungen entnimmt und die Wege, auf denen die Zielsetzungen erreichbar sind, überzeugend entwickelt. Bei dem relativ großen und daher rechtssoziologisch sehr inhomogenen Kreis der Haager Vertragsstaaten kann es daher schwierig sein, gemeinsame Teleologien zu finden.
Literatur:
zu Kollisionsnormen im deutschen Recht: Staudinger/F.Sturm/G.Sturm (2012) Einl. 388-397 zum IPR; eine ein- bis zweijährlich überarbeitete Sammlung praktisch relevanter völkerrechtlicher Abkommen zu IPR und IZPR findet sich in Jayme/Hausmann Internationales Privat- und Verfahrensrecht (18. Aufl., 2016); eine chronologische Auflistung aller aktuellen Haager Abkommen/Übereinkommen mit Details zu Geltung und Vorbehalten: www.hcch.net.
Teil I IPR: Grundlagen › § 1 Einführung und Abgrenzung › F. Die Funktion des IZPR/EuZPR
I. IZPR: Begriff
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Das Internationale Zivilprozessrecht (IZPR) ist der Teil des deutschen Zivilprozessrechts, der sich mit den prozessrechtlichen Fragen in Zivilprozessen mit Auslandsberührung befasst. Internationales Zivilverfahrensrecht (IZVR) reicht weiter und umfasst neben dem IZPR auch das Verfahren mit Auslandsberührung in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Internationale Insolvenzrecht. Zum IZVR im weiten Sinn rechnet auch das Recht der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.
II. EuZPR: Begriff
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EU-einheitliches Europäisches Zivilprozessrecht (EuZPR)[88] bestand bis zum Amsterdamer EG-Vertrag nur aus dem völkervertraglichen Brüsseler EWG-Übereinkommen (EuGVÜ) und wird seit einigen Jahren als sekundäres Europarecht in zahlreichen EG-Verordnungen[89] geregelt, die teilweise nur Verfahrensrecht enthalten, teilweise ein Sachgebiet regeln und daher Verfahrensrecht und IPR (vgl Rn 91) enthalten. Zuständigkeit, Beachtung der Rechtshängigkeit, Anerkennung und Vollstreckung betreffen die Brüssel Ia-VO (VO EU 1215/2012, ABl. EU 2012 L 351/1),[90] Brüssel IIa-VO[91] (VO EG 2201/2003, ABl. EU 2003 L 338/1), EG-VollstrTitelVO (VO EG 805/2004, ABl. EU 2004 L 143/15), EG-UntVO[92] (VO EG 4/2009, ABl. EU 2009 L 7/1), EU-ErbVO (VO EU 650/2012, ABl. EU 2012 L 201/107), sowie ab 29.1.2019 die in Verstärkter Zusammenarbeit erlassenen EU-EheGüterVO (VO EU 2016/1103, ABl. EU 2016 L 183/1) und EU-ELPGüterVO (VO EU 2016/1104, ABl. EU 2016 L 183/30).
Rechtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten regeln die EG-ZustellVO 2007[93] (VO EG 1393/2007, ABl. EU L 324/79) und die EG-BeweisVO (VO EG 1206/2001, ABl. EG 2001 L 174). Vereinfachte Erkenntnisverfahren samt Vollstreckungsregeln für Mahnsachen und geringwertige Sachen schaffen EG-MahnVO (VO EG 1896/2006, ABl. EU 2006 L 399/1) und EG-BagatellVO (VO EG 861/2007, ABl. EU 2007 L 199/1).
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Eine Konzentration des EuZPR in einem möglichst systematisch geordneten Rechtsinstrument[94] täte Not, da der Überblick für gelegentlich mit dem EuZPR befasste Praktiker kaum noch zu wahren ist und weitere Verordnungspläne die äußere Vielfalt, vor allem aber die Querbezüge zwischen den Rechtsinstrumenten weiter vermehren.
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Erhebliche Bedeutung hat bei verfahrensrechtlichen Verordnungen die Bestimmung des Kreises der Mitgliedstaaten, weil hiervon teils die Anwendung des Zuständigkeitsrechts, jedenfalls aber die Anwendung der Rechtshängigkeits-, Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln abhängt. Einerseits nehmen grundsätzlich Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich an den Verordnungen zum EuIPR und EuZPR nicht teil.[95] Irland und UK haben jedoch eine Opt-in-Möglichkeit[96] die zu allen Verordnungen mit Ausnahme der EU-ErbVO ausgeübt wurde. Gegenüber Dänemark, das bis zum Vertrag von Lissabon kein Opt-in ausüben konnte,[97] galt das EuGVÜ zunächst weiter. Aufgrund eines Anwendungsübereinkommens[98] ist seit dem 1.7.2007 die Brüssel I-VO anwendbar. Der Brüssel Ia-VO konnte sich Dänemark auf dieser Grundlage ebenfalls anschließen.[99] Im Übrigen ist Dänemark, soweit nicht einzelne Anwendungsübereinkommen[100] geschlossen werden, Drittstaat iSd VOen des EuZPR und EuIPR. Für die in Verstärkter Zusammenarbeit erlassenen Verordnungen bestimmt sich der Kreis der Mitgliedstaaten nur positiv durch die sich der Zusammenarbeiten anschließenden EU-Mitglieder. Auskunft über den Stand bei Erlass geben die jeder Verordnung vorangestellten Erwägungsgründe.[101]
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Das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 16.9.1988 (BGBl. 1994 II 519) wurde als „Parallelabkommen“ zum EuGVÜ für die EFTA und die EU entwickelt und gilt aus deutscher Sicht im Verhältnis zu Vertragsstaaten, die nicht EU-Mitglieder sind. Am 1.1.2010 ist für die EU das an die Brüssel I-VO angepasste Luganer Übereinkommen 2007[102] in Kraft getreten. Außerhalb der EU-Mitgliedsstaaten sind für das IZPR völkervertragliche (Haager) Übereinkommen bedeutsam.
III. IZPR: Themen
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1. Die zentralen Themen des IZPR sind die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, sowie die Beachtung der Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes vor ausländischen Gerichten. Das EuZPR (Brüssel I-VO, Brüssel Ia-VO, Brüssel IIa-VO, EG-VollstrTitelVO, EU-UntVO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO, EU-ELPGüterVO, EG-MahnVO, EG-BagatellVO) regelt diese Fragen zwischen den Mitgliedsstaaten weithin (abhängig vom sachlichen Anwendungsbereich) vereinheitlicht, jedoch nach im Einzelnen sehr verschiedenen Modellen.
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Wann hingegen ausländische Gerichte international zuständig sind, ist außerhalb des Anwendungsbereichs von EuZPR und Völkerverträgen Sache des IZPR des jeweiligen Staates. Aus deutscher Sicht interessiert diese Frage nur, wenn die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen in Deutschland zu prüfen ist (und wird dann nach deutschen Maßstäben geprüft: vgl § 328 Abs. 1 Nr 1 ZPO; § 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG). Einer deutschen Zuständigkeit steht dagegen eine autonome (selbst eine dort ausschließliche) ausländische Zuständigkeit nicht entgegen. Ein zuständiges deutsches Gericht kann sich auch nicht (als forum non conveniens) für unzuständig erklären, wenn es meint, ein zuständiges ausländisches Gericht könne den Streit besser entscheiden. Ebenfalls nur höchst ausnahmsweise hat die Frage, ob ein deutsches Urteil in einem anderen Staat anerkannt wird, für eine deutsche Entscheidung Bedeutung (vgl § 98 Abs. 1 Nr 4 FamFG).
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2. Daneben befasst sich das IZPR mit Fragen der Rechtshilfe im Ausland, vor allem der Zustellung und der Beweisaufnahme. Die Zustellung innerhalb der EU bestimmt sich nach der EG-ZustellVO, die Beweisaufnahme nach der EG-BeweisVO. Im Übrigen gehen häufig die von zahlreichen Staaten ratifizierten Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 15.11.1965[103] und über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen v. 18.3.1970[104] dem deutschen IZPR vor.
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3. Hinzu kommen Einzelprobleme wie die Sicherheitsleistung von ausländischen Klägern wegen der Prozesskosten vor deutschen Gerichten (vgl § 110 ZPO) und die Behandlung des Auslandsbezuges als Arrestgrund (vgl § 917 Abs. 2 ZPO).
IV. IZVR: Begriff
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Das IZVR behandelt im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ebenfalls Fragen der internationalen Zuständigkeit und der Anerkennung von Entscheidungen, wobei sich teilweise Sonderprobleme ergeben, ua Fragen der Erbscheinserteilung bei Auslandsberührung (zB bei ausländischem letztem Wohnsitz oder ausländischer Staatsangehörigkeit des Erblassers), der Wirkung ausländischer Adoptionen im Inland und der Führung von Vormundschaften über Ausländer. Ein wesentlicher Bereich des IZVR der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Anordnung von Schutzmaßnahmen (Vormundschaft, Eingriffe in die elterliche Sorge), ist durch die Brüssel IIa-VO, das KSÜ, teils noch das MSA, sowie das ErwSÜ mitbestimmt. Das Haager Adoptionsübereinkommen 1993 (ausgeführt im AdWirkG) betrifft darüber hinaus auch die Zusammenarbeit bei internationalen Adoptionen.
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Vor allem für statusgestaltende Akte im Familienrecht lässt sich das auslandsbezogene Problem häufig sowohl verfahrensrechtlich als auch kollisionsrechtlich formulieren, so dass Abgrenzungsschwierigkeiten auftauchen. Die Anerkennung der Wirksamkeit einer Rechtsgestaltung kann dann entscheidend davon abhängen, ob man sie von der materiell-rechtlichen Prüfung nach dem (aus deutscher Sicht) anwendbaren Recht abhängig macht (Wirksamkeitsprinzip), oder ob man den ausländischen Statusakt als wirksam anerkennt (Anerkennungsprinzip mit Wirksamkeitserstreckung). Grundsätzlich kann ein Privatrechtsakt nur materiell auf seine Wirksamkeit geprüft werden, während der Rechtskraft fähige Gestaltungswirkungen einer Entscheidung verfahrensrechtlich anerkennungsfähig sind.
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Wurde ein Kind im Ausland adoptiert, so kann man verfahrensrechtlich nach der Anerkennungsfähigkeit der Adoptionsentscheidung fragen, aber auch materiell-rechtlich die Wirksamkeit der Adoption als statusverändernden Akt nach dem von den deutschen Kollisionsnormen berufenen Recht prüfen. Welcher Zugang zu dem Problem der richtige ist, hängt nach hM von der Art der erfolgten ausländischen Adoption (gerichtliche Entscheidung oder Vertrag) ab (vgl dazu Rn 1046 ff). Wird die Elternschaft zu einem Kind in einem ausländischen Geburtsregister eingetragen, so ist dies keine konstitutive Entscheidung, so dass nur materiell-rechtliche Abstammungsprüfung nach dem vom deutschen IPR berufenen Recht in Betracht kommt.[105] Hat hingegen ein ausländisches Gericht den Status festgestellt, so ist eine verfahrensrechtliche Anerkennung möglich, auch wenn nicht das aus Sicht des IPR richtige Recht angewendet wurde.[106]
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Völkerverträge verpflichten gelegentlich zur Anerkennung, auch wenn keine verfahrensrechtlich anerkennungsfähige gerichtliche Entscheidung vorliegt; so fordert Art. 9 des von Deutschland nicht gezeichneten Haager Eheschließungsabkommens vom 14.3.1978 die in einem anderen Vertragsstaat wirksam geschlossene Ehe auch materiell-rechtlich (ohne Einschaltung des IPR) als wirksam anzuerkennen („Anerkennungsprinzip mit Wirkungserstreckung“). Auch das Haager Adoptionsübereinkommen vom 29.5.1993 fordert die wechselseitige Anerkennung von nach dessen Regeln erfolgten Adoptionen in einem Vertragsstaat unbeschadet des auf die Adoption anwendbaren Rechts.
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In der Rechtsprechung des EuGH seit einigen Jahren bestehende Tendenzen[107] zum Prinzip einer Anerkennung von Registereintragungen betreffen das Namensrecht, dort die in einem Mitgliedstaat zulässige und registrierte (aber nicht rechtskräftig judizierte und damit nicht verfahrensrechtlich anzuerkennende) Namensführung[108]; danach ist der im Geburts-Mitgliedstaat bestimmte Name anzuerkennen und verdrängt das nach dem IPR des Heimatstaates bestimmte Namensstatut, obgleich dieser „Anerkennung“ keine gerichtliche Entscheidung, sondern nur eine Personenstandsregistereintragung zugrundeliegt. Ob dieser Ansatz einer Registeranerkennung europarechtlich zwingend auch auf andere personenstandsrechtlich beurkundete Verhältnisse übertragen werden muss, ist strittig. Teilweise wird auch für einen in einem anderen Mitgliedstaat eingetragenen Personenstand, insbesondere eine Vaterschaftsanerkennung, eine Anerkennungspflicht angenommen.[109] Die Kommission hat unter dem Titel „Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger“ ein Grünbuch[110] aufgelegt, das eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts in Bezug auf Statusverhältnisse anstrebt. Die namensrechtliche Frage wird im deutschen IPR in Umsetzung der EuGH-Anforderungen durch eine auslandsbezogene Sachnorm unter deutschem Namensstatut (Wahlrecht nach Art. 48) gelöst, was eine verfahrensrechtliche Anerkennung von Eintragungen vermeidet.
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Ähnliche Probleme stellen sich, wenn Statusänderungen im Ausland ohne Mitwirkung eines Gerichts erfolgen können, während sie im Inland nur durch eine gerichtliche Entscheidung erfolgen (zB die Ehescheidung, die im islamischen Recht – und damit in Staaten, die einer interpersonalen Rechtsspaltung nach Religionen folgen, für Muslime – als Rechtsgeschäft erfolgt).