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Winnetou 3
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Winnetou 3

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»Bob laufen wieder wie Hirsch; Blut sein gut‘ Arznei für durstig.«

Wirklich hatte auch mich der seltsame Trunk so erquickt, daß alles Fieber aus meinen Gliedern gewichen war, und neben mir stand jetzt der kleine Sam, der dieselbe glückliche Änderung verspürte. Er war herbeigekommen, um uns zuzuhören, und sah um mehrere Hunderte von Prozenten besser aus als vor noch kaum fünf Minuten.

Die Gesellschaft, in welcher sich Bernard Marshall befunden hatte, mußte ebenso erschöpft gewesen sein wie wir, sonst hätte der wackere junge Mann seinen treuen Diener sicherlich nicht im Stiche gelassen. Vielleicht hatten Durst und Fieber so in seinen Eingeweiden gewühlt, daß er gar nicht mehr Herr seiner Gedanken und Sinne gewesen war. Die letzte Angabe Bobs ließ mich vermuten, daß er seine Richtung, ebenso wie wir, nach Westen hatte; aber, wie ihn erreichen, wie ihm Hilfe bringen, da wir dieser Hilfe selbst so sehr bedurften und nicht im stande waren, unsere Pferde zu gebrauchen?

Ich sann und sann, konnte aber zu keinem rettenden Gedanken kommen, obgleich ich annehmen mußte, daß die Gesellschaft nicht weit gelangt sein könne. Wie aber kam es, daß keine Spur von ihr zu bemerken war?

Ich wandte mich zu Sam:

»Bleibe hier bei den Pferden, die sich vielleicht so weit erholen, daß sie später noch eine Meile laufen können. Bin ich in zwei Stunden noch nicht zurück, so folgst du meiner Spur.«

»Well, Charley; wirst nicht allzuweit kommen, denn dieser kleine Schluck Coyotensaft kann zum Beispiel unmöglich lange anhalten.«

Es versteht sich von selbst, daß wir uns jetzt nicht mehr, wie am ersten Tage unserer Bekanntschaft, ›lhr‹ sondern ›Du‹ nannten. Ich meine das ›Du‹ der Westläufersprache.

Ich untersuchte den Boden und fand, daß die Spuren Bobs von dem Orte, an welchem er gelegen hatte, nach Norden gingen. Ihnen folgend, gelangte ich nach ungefähr zehn Minuten an eine Stelle, wo die Fährte von zehn Pferden von Ost nach Westen lief. Hier hatte ihn die Mattigkeit von seinem Tiere geworfen, ohne daß man es bemerkt zu haben schien; vielleicht war er eine gute Strecke hinter seinem Trupp zurück gewesen. Ich folgte den Spuren und fand, daß sein Tier den andern gefolgt war, doch schienen sämtliche Pferde entsetzlich müde gewesen zu sein, denn alle waren von Zeit zu Zeit gestolpert, und ihr Gang war so schleppend gewesen, daß sie von Schritt zu Schritt mit den Schärfen ihrer Hufe leicht über den Sand gestrichen waren.

Dies machte die Spuren außerordentlich kenntlich, so daß ich ihnen ohne alle Mühe schnell zu folgen vermochte. Ich sage ›schnell‹, und es ging auch schnell, obgleich ich heute noch nicht zu sagen vermag, ob der grausige Trunk oder die Besorgnis um Bernard Marshal mir so plötzlich diese unerwarteten Kräfte verlieh.

So war ich wohl eine Meile weit vorangekommen, als ich einige vereinzelt stehende Kaktusstauden bemerkte, die so vollständig abgedorrt waren, daß sie beinahe eine gelbe Farbe angenommen hatten. Nach und nach standen sie in einzelnen Gruppen, welche allmählich immer häufiger wurden, bis sie endlich eine unabsehbare und geschlossene Strecke bildeten, welche sich weit bis über die Linie des Horizontes hinüberzog.

Natürlich ging die von mir verfolgte Fährte nicht in die gefährlichen Gewächse hinein; sie führte um dieselben herum, und ich folgte ihr, doch nicht lange, denn plötzlich kam mir ein Gedanke, der mich sofort mit neuen Kräften erfüllte.

Wenn in den glühenden Niederungen der Halbinsel Florida die jedes Wasser verzehrende Hitze so groß wird, daß Mensch und Tier verschmachten will, und dennoch die Erde bleibt wie ›flüssiges Blei und der Himmel wie glühendes Erz‹, ohne die kleinste Wolke sehen zu lassen, so stecken die verschmachtenden Leute das Schilf und alles sonstige ausgedorrte Gesträuch in Brand, und siehe da, der Regen kommt. Ich selbst hatte dies zweimal beobachtet, und wer einigermaßen mit den Gesetzen, Kräften und Erscheinungen der Natur vertraut ist, kann sich den Vorgang ganz gewiß erklären, ohne eine wissenschaftliche Erörterung zu verlangen.

Hieran dachte ich in diesem Augenblick; kaum war‘s gedacht, kniete ich auch bereits bei den Pflanzen, um mir mit dem Messer die nötigen Zündfasern abzuschleißen. Einige Minuten später flackerte ein lustiges Feuer empor, welches erst langsam und dann immer schneller weiter um sich griff, bis ich endlich vor der Fronte eines Glutmeeres stand, dessen Grenzen nicht abzusehen waren.

Ich hatte bereits mehrere Prairiebrände erlebt, keiner aber war mit diesem donnernden Getöse über den Boden geschritten wie diese Kaktushölle, in welcher die einzelnen Pflanzen mit Büchsenschuß ähnlichem Knalle platzten, so daß es klang, als habe sich ein ganzes Armeekorps zum Einzelgefechte aufgelöst. Die Lohe stieg himmelan, und über ihr webte und zitterte ein Meer von glühenden Dünsten, durchschossen und durchflogen von den Kaktussplittern, welche von der Hitze wie Pfeile emporgeschnellt wurden. Der Boden zitterte merklich unter meinen Füßen, und in den Lüften hallte es dumpf wie das Getöse einer Schlacht.

Das war die beste Hilfe, welche ich – wenigstens jetzt —Bernard Marshal und den Seinen bringen konnte. Ich kehrte zurück, unbesorgt, ob ich ihre Spuren später sehen würde oder nicht. Die Hoffnung stärkte mich so, daß ich zu dem Wege kaum eine halbe Stunde gebraucht hätte; doch war es nicht nötig, denselben ganz zurückzulegen, denn bereits auf der Hälfte desselben kam mir Sam mit Bob und den beiden Pferden, welche sich wieder ein wenig fortzuschleppen vermochten, entgegen.

»Zounds, Charley, was ist denn eigentlich da vorn los? Erst dachte ich, wir hätten ein Erdbeben, jetzt aber glaube ich zum Beispiel, daß dieser höllische Sand gar noch in Brand geraten ist.«

»Der Sand nicht, Sam, aber der Kaktus, welcher dort in Menge steht.«

»Wie fängt der Feuer? Ich glaube doch nicht, daß du ihn angezündet hast.«

»Warum nicht?«

»Wahrhaftig, er ist‘s gewesen! Aber sage doch, Mensch, zu welchem Zwecke!«

»Um Regen zu bekommen.«

»Regen? Nimm es mir nicht übel, Charley, aber ich glaube, du bist zum Zeitvertreibe ein wenig übergeschnappt!«

»Weißt du nicht, daß bei manchen Wilden die Übergeschnappten für sehr gescheite Leute gelten?«

»Ich hoffe nicht, daß du behaupten willst, etwas Gescheites angefangen zu haben! Die Hitze ist ja vielmehr doppelt so groß geworden als vorher.«

»Die Hitze ist gestiegen, und mit ihr wird sich die Elektrizität entwickeln.«

»Bleibe mir zum Beispiel mit deiner Elektrizität vom Leibe! Ich kann sie nicht essen; ich kann sie nicht trinken; ich weiß überhaupt gar nicht, was für eine fremde Kreatur ich unter ihr zu verstehen habe.«

»Du wirst sie bald zu hören bekommen, denn in kurzer Zeit werden wir das schönste Gewitter haben und vielleicht auch ein wenig Donner dabei.«

»Nun halte auf! Armer Charley, du bist wirklich übergeschnappt!«

Er blickte mich so besorgt an, daß ich erkennen mußte, er spaße nicht. Ich deutete empor.

»Siehst du diese Dünste, welche sich bereits zusammenballen?«

»Alle Wetter, Charley, am Ende bist du nicht ganz so sehr verrückt, wie ich gedacht habe!«

»Sie werden eine Wolke bilden, die sich mit Heftigkeit entladen muß.«

»Charley, wenn dies wirklich so ist, dann bin ich ein Esel und du bist der klügste Kerl in den Vereinigten Staaten und auch etwas darüber hinaus.«

»Ist nicht so schlimm, Sam. Ich habe das Ding in Florida gesehen und es hier einfach nachgemacht, weil ich denke, daß uns eine Handvoll Regen nicht sehr viel schaden wird. Schau, da hast du bereits die Wolke! Sobald der Kaktus niedergebrannt ist, geht es los. Und wenn du es nicht glauben willst, so sieh nur deine Tony an, wie sie mit dem Schwanzstummel wirbelt und die Nüstern aufwirft! Auch mein Mustang riecht bereits Regen, der sich allerdings nicht viel weiter als über die Brandstrecke verbreiten wird. Kommt vorwärts, daß er uns auch richtig erwischen kann!«

Zwar liefen wir, aber wir hätten uns jetzt ebenso gut auch aufsetzen können, denn unsere Tiere zeigten sich so munter, wie es ihre Kräfte nur immer gestatteten, und drängten förmlich vorwärts. Ihr Instinkt ließ sie die ersehnte Erquickung wittern.

Meine Prophezeiung traf ein. Eine halbe Stunde später hatte sich die kleine Wolke so ausgebreitet, daß der ganze Himmel über uns bis rund um den Horizont tief schwarz erschien; dann brach es los, nicht allmählich wie in gemäßigteren Breiten, sondern plötzlich, als ob die Wolken aus festen Gefäßen beständen und umgestürzt worden seien. Es war, als trommelten zwanzig Fäuste auf unsern Schultern, und in der Zeit von nur einer Minute waren wir so vollständig durchnäßt, als wären wir in den Kleidern durch einen Fluß geschwommen. Die beiden Pferde standen erst ruhig und ließen die stürzende Flut mit freudigem Schnauben über sich ergehen; dann aber begannen sie allerlei Kapriolen zu machen, und bald konnten wir bemerken, daß ihre Kräfte vollständig zurückgekehrt waren. Wir selbst empfanden ein ganz außerordentliches Wohlbehagen, hielten unsere Decken auf, um das kostbare Naß zu sammeln, und füllten, was wir nicht tranken, in unsere Schläuche.

Am freudigsten gebärdete sich Bob, der Neger; er schlug Räder und Purzelbäume und schnitt Grimassen, die infolge seiner Physiognomie und der konträren Farbe seines Haares und seines Gesichtes ganz unbeschreiblich waren.

»Massa, Massa, oh, oh, Wasser, schön‘Wasser, gut‘Wasser, viel Wasser! Bob sein gesund, Bob sein stark, Bob wieder laufen, fahren und reiten bis nach Californ‘! Wird auch haben Wasser Massa Bern‘?«

»Wahrscheinlich, denn ich glaube nicht, daß er weit über die Kaktusstrecke hinausgekommen sein wird. Aber so trinke doch; es wird gleich aufhören, zu regnen!«

Er hob seinen breitrandigen Hut, der ihm entfallen war, von der Erde auf, hielt die untere Seite desselben empor, riß die wulstigen Lippen auseinander, daß ein Abgrund entstand, welcher von einem Ohre bis zum andern reichte, warf den Kopf nach hinten und goß sich den erquickenden Trank zwischen die klaffenden Zähne.

»Oh, ah, gut, Massa; Bob trinken noch groß viel mehr!« Er hielt den Hut wieder empor, sah sich aber getäuscht. »Ah, Regen all sein; kein Wasser mehr kommen!«

Wirklich hörte nach einem letzten Schlage des Donners, welcher ununterbrochen erschollen war, der Regen ebenso plötzlich auf, wie er eingetreten war; doch brauchten wir ihn auch nicht mehr, denn unser Durst war vollständig gestillt, und dazu hatten wir die Schläuche bis zum Überlaufen füllen können.

»Jetzt laßt uns ein wenig essen,« meinte ich, »und dann schnell vorwärts, damit wir Marshal erreichen!«

Das Mahl war in einigen Minuten beendet; es bestand nur in einem Stück dürren Büffelfleisches. Dann setzten wir uns auf und trabten vorwärts, wobei sich Bob als ein so guter Läufer erwies, daß er sehr leicht Schritt mit uns zu halten vermochte.

Allerdings waren die Spuren durch den Regen vollständig verwischt, doch kannte ich ja ihre Richtung, und es dauerte auch nicht lange, so bemerkte ich einen Flaschenkürbis, weicher an der Erde lag und jedenfalls von einem der Leute fortgeworfen worden war.

Die Kaktusstrecke mußte sich weit von Ost nach West hingezogen haben, denn die schwarze Brandfläche wollte gar nicht enden. Dies war mir jedoch lieb, da ich daraus schließen konnte, daß die Gesuchten von dem Regen mitbetroffen worden waren. Endlich aber hörte die Brandstätte doch auf, und gleich nachher erblickte ich in der Ferne eine dunkle Gruppe, welche aus Menschen und Tieren bestehen mußte. Ich nahm das Fernrohr zur Hand und zählte neun Männer und zehn Pferde. Acht der Gestalten saßen am Boden, die neunte aber befand sich zu Pferde und trennte sich eben von der Gruppe, um im Galopp in gerader Richtung auf uns zuzuhalten. Da aber schien er uns zu bemerken und parierte sein Tier. Ich fixierte ihn schärfer und erkannte Bernard Marshal.

Ich erriet sein Vorhaben. Er hatte sich in einem Zustande solcher Auflösung und Gleichgültigkeit befunden, daß er ebenso wie die Andern auf das Verschwinden seines Dieners gar nicht geachtet hatte; durch den erquickenden, neu belebenden Regen nun war er wieder in den Besitz seiner geistigen Spannkraft gelangt und hatte es als seine erste Pflicht erkannt, Bob aufzusuchen und zur Gesellschaft zurückzubringen. Das sah ich auch an dem zweiten Pferde, welches er am Zügel mit sich führte. Daß sich ihm keiner der Andern anschloß, wollte nicht sympathisch auf mich wirken, und ich hätte wetten mögen, daß sie aus lauter Yankees bestanden, denen das Leben eines ›Niggers‹, wenn er noch dazu nicht ihr eigener Diener ist, so viel wie eine taube Nuß gilt.

Er musterte unsern kleinen Trupp, rief einige Worte zurück, und sofort saßen alle auf ihren Pferden und hatten die Waffen zur Hand.

»Vorwärts, Bob; legitimiere uns!« gebot ich dem Neger.

Er setzte sich in Dauerlauf, und wir folgten ihm in einem guten Schritte. Als Marshal seinen Diener erkannte, war aller Argwohn verschwunden; die Gesellschaft stieg wieder ab und erwartete uns in friedlicher Haltung. Wir hatten Bob nur einen geringen Vorsprung gelassen und vernahmen also seine Meldung, welche er dem Juwelier zurief.

»Nicht schießen, Massa, nicht stechen; sehr gut‘ schön‘ Männer kommen; Massa Charley sein, der totschlagen bloß Indsmen und Spitzbub, aber laß leben Gentleman und Nigger!«

»Charley, ist‘s möglich!« rief der Überraschte und fixierte mich einen Augenblick.

Ich hatte mich in seiner Heimat etwas mehr gentlemanlike getragen, als es in der Savanne möglich ist; ein Gesicht mit einem nur kleinen Bärtchen erkennt man nach Monaten nicht sofort wieder, wenn es sich hinter einem verwilderten Vollbart verbirgt; und da er mich überdies in meinem gegenwärtigen Habitus noch nie gesehen hatte, so nahm ich es ihm gar nicht übel, daß er mich nicht schon von weitem erkannte. Jetzt aber war ich ihm vielleicht nur dreißig Pferdelängen nahe gekommen, und nun sah er, daß Bob ihn recht berichtet hatte. Im Nu war er bei mir und reichte mir die Hand vom Pferde herüber.

»Charley, ist‘s wahr? Seid Ihr es wirklich? Ich denke, Ihr wolltet nach Fort Benton und den Schneebergen! Wie kommt Ihr herab nach dem Süden?«

»War auch oben, Bernard, schien mir aber zu kalt und bin daher ein klein wenig heruntergerückt. Übrigens Gott zum Gruß hier in dem Estaccado! Wollt Ihr mich Euren Kameraden vorstellen?«

»Natürlich! Charley, ich sage Euch, tausend Dollars sind mir nicht so lieb als Eure Gegenwart. Steigt ab, und tretet näher!«

Er nannte den Männern meinen Namen und mir die ihrigen und stürmte dann mit tausend Fragen, die ich ihm so gut wie möglich beantwortete, auf mich ein. Die Andern waren lauter Yankees, fünf Voyageurs der Pelzkompagnie mit ganz vortrefflicher Ausrüstung und drei Personen, welche sich so mit Waffen behangen hatten, daß sie keine Westmänner sein konnten; jedenfalls waren es die Kaufleute, von denen Bob gesprochen hatte, die ich aber mehr für Abenteurer hielt, welche nach dem Westen gingen, um ihr Glück auf irgend eine ehrliche oder unehrliche Weise zu suchen. Der älteste der Voyageurs, der mir als Williams genannt wurde, war der Anführer der Truppe und schien mir ein ganz passabler ›Waschbär‹ zu sein, wie man sich im Westen auszudrücken pflegt. Er wandte sich, als die ersten, nicht viel bedeutenden Fragen Bernards beantwortet waren, an mich. Der kleine Sam schien keinen imponierenden Eindruck auf ihn zu machen.

»Wir wissen jetzt so ungefähr, wer ihr seid und woher ihr kommt; nun laßt uns auch erfahren, wohin ihr wollt!«

»Vielleicht nach dem Paso del Norte, vielleicht auch wo anders hin, Sir, je nachdem wir Beschäftigung bekommen.«

Ich hielt es nicht für nötig, ihm mehr zu sagen, als er vorläufig zu wissen brauchte.

»Und was ist eure Beschäftigung?«

»Uns ein wenig in der Welt umzusehen.«

»Lack-a-day, das ist eine Arbeit, bei der man keine Langweile hat, trotzdem man sich dabei nicht anzustrengen braucht. Da müßt Ihr jawohl ein sehr wohlhabender, wo nicht gar ein reicher Mann sein; man sieht das auch Euren blanken Waffen an!«

Mit dieser Vermutung befand er sich allerdings auf dem Glatteise, denn ich besaß eben nur diese Waffen und nebenbei einige Kleinigkeiten, die ich daheim gelassen hatte. Auch gefiel mir die Frage nicht, und noch weniger der lauernde Blick und der halb spöttische, halb hastige Ton, mit dem sie ausgesprochen wurde. Der Mann war sehr unvorsichtig und flößte mir trotz seines wohlbeschaffenen Äußern kein Vertrauen ein; ich beschloß, ihn scharf aufs Korn zu nehmen, und antwortete daher weder bejahend noch verneinend:

»Ob arm, ob wohlhabend, das ist in dem Estaccado so ziemlich gleich, sollte ich meinen.«

»Da habt Ihr Recht, Sir. Noch vor einer halben Stunde waren wir alle am Verschmachten, und nur ein reines Mirakel hat uns gerettet, ein Wunder, wie es hier noch niemals vorgekommen ist.«

»Welches?«

»Der Regen natürlich. Oder kommt ihr vielleicht aus einer Richtung, in welcher er euch nicht treffen konnte?«

»Er hat uns getroffen, denn wir haben ihn ja erst fertig gemacht.«

»Fertig gemacht? Was wollt Ihr damit sagen, Sir?«

»Daß wir ebenso verschmachtet waren, wie Ihr, und erkannten, daß wir nur dann Rettung finden konnten, wenn wir Wolken, Blitz und Donner machten.«

»Hört, Master Schlabbermaul, ich will nicht hoffen, daß Ihr uns für Leute haltet, denen man einen Bären für einen Wipp-poor-will geben kann, sonst würde es nach wenigen Augenblicken mit Eurer Haut sehr schlecht beschaffen sein. Ihr wart gewiß einmal da drüben in Utah am großen Salzsee und gehört zu den ›Heiligen der letzten Tage‹, die auch so ähnliche Wunder tun wie Ihr.«

»Allerdings war ich einmal drüben, habe es jetzt aber nicht mit den letzten Tagen, sondern zunächst mit dem heutigen Tage und mit Euch zu tun. Werdet Ihr uns beiden erlauben, uns Euch anzuschließen?«

»Warum nicht? Besonders da Ihr mit Master Marshal bekannt seid. Wie kommt es denn, daß Ihr Euch zu zweien in den Llano Estaccado wagt?«

Ich folgte meinem Mißtrauen, indem ich mich leichtsinnig und unerfahren stellte:

»Was gibt es da zu wagen? Der Weg ist abgesteckt; man geht also hinein und kommt glücklich wieder heraus.«

»Good lack, seid Ihr rasch fertig! Habt Ihr einmal von den Stakemen etwas gehört?«

»Was sind das für Leute?«

»Da hat man es! Ich will nicht von ihnen reden, denn man soll den Teufel nicht an die Wand malen; aber das sage ich Euch: wer zu zweien sich in den Estaccado wagt, der muß ein Kerl sein wie Old Firehand, Old Shatterhand, oder so klug und schlau wie Sans-ear, der alte Indsmentöter. Habt Ihr vielleicht einmal von einem dieser Leute gehört?«

»Möglich, habe es aber wohl wieder aus der Acht gelassen. Wie lange werden wir noch reiten, ehe wir aus dem Estaccado herauskommen?«

»Zwei Tage.«

»Natürlich sind wir auf der rechten Straße?«

»Warum sollten wir es nicht sein?«

»Weil es mir vorkam, als ob die Pfähle plötzlich nach Südost statt nach Südwest gingen.«

»Das kann wohl Euch so vorkommen, nicht aber einem alten, erfahrenen Voyageur, wie ich bin. Ich kenne den Estaccado wie meinen Kugelbeutel.«

Mein Verdacht wurde größer. War er wirklich so erfahren, so mußte er sicher wissen, daß er aus der Richtung geraten war. Ich beschloß, ihn noch etwas näher anzulaufen.

»Wie kommt es, daß die Kompagnie Euch so tief nach dem Süden schickt? Es scheint mir, daß es mehr Pelzwerk im Norden gibt als hier.«

»Was Ihr weise und klug seid! Pelz ist Fell, und Fell ist Pelz. Abgerechnet, daß es graue und schwarze Bären, Racoons, Opossums und andere Pelztiere auch hier in Menge gibt, gehen wir nach Mittag, um uns bei der Herbstwanderung der Büffel einige tausend Felle zu holen.«

»Ah so! Ich habe geglaubt, daß Ihr sie droben in den Parks und so da herum viel leichter haben könnt. Übrigens seid Ihr als Voyageur in einer sehr guten Lage, da Ihr von keinem Indsman etwas zu befürchten habt. Man hat mir erzählt, daß die Kompagnie ihre Voyageurs zugleich als Briefträger und Stafetten benützt, und ein solcher Brief soll der beste Talisman gegen die Feindseligkeiten der Indianer sein. Ist das wahr?«

»Ja. Wir können, statt die Feindseligkeiten der Roten zu befürchten, uns stets auf ihre Hilfe verlassen.«

»So seid Ihr wohl auch mit solchen Briefen versehen?«

»Natürlich. Ich brauche nur das Siegel vorzuzeigen, so gewährt mir jeder Indianer seinen Schutz.«

»Ihr macht mich neugierig, Sir. Laßt mich doch einmal ein solches Siegel sehen!«

Ich bemerkte, daß er in Verlegenheit kam, sie aber unter einer zornigen Miene zu verbergen suchte.

»Habt Ihr schon einmal etwas vom Briefgeheimnis gehört, Mann? Ich habe die Erlaubnis, nur Indsmen das Siegel zu zeigen.«

»Ich habe nicht verlangt, den Inhalt des Briefes kennen zu lernen. Ihr scheint also gar nie in die Lage zu geraten, Euch auch einmal vor einem Weißen legitimieren zu müssen!«

»In einem solchen Falle legitimiert mich meine Büchse. Merkt Euch das!«

Ich nahm eine Miene an, als fühle ich mich außerordentlich beherrscht von ihm, und schwieg in möglichst wohlgespielter Verlegenheit. Der kleine Sam blinzelte nicht mich – denn das hätte ihn verraten können – sondern seine Tony mit ein Paar Augen an, als ob er mit ihr im höchsten Grade einverstanden sei, und ich drehte mich zu Marshal herum:

»Bob hat mir erzählt, wohin Ihr wollt, Bernard, und aus welchem Grunde Ihr diese Reise unternehmt. Habt Ihr keine Spur von dem Mörder, der Euch um alles gebracht hat?«