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Winnetou 3
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Winnetou 3

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»Sollte mich aber zum Beispiel wundern, wenn Fred Morgan nicht wiederkäme, um wenigstens den Versuch zu machen, sein Pferd und mit ihm die Steine wiederzufinden!«

»Möglich, aber wahrscheinlich nicht. Wer will ein Pferd, welches vor dem Feuer flieht, wiederfinden? Und dazu weiß er ja, daß außer den Railroaders noch andere Leute hier sind, vor denen er sich nicht sehen lassen darf, wenn er nicht die höchste Gefahr laufen will.«

»Er hat mich ebenso gut erkannt, wie ich ihn, und es sollte mich wundern, wenn er nicht Lust hätte, mir eine Kugel oder ein scharfes Eisen zu geben!«

»Das müssen wir abwarten; heute aber sind wir jedenfalls sicher. Trotzdem können wir uns von der Bahn eine Strecke zurückziehen, welche groß genug für die Überzeugung ist, daß wir nicht gestört werden.«

»Well, also vorwärts!«

Er setzte sich auf; ich bestieg meinen Mustang, und wir ritten vielleicht eine englische Meile weit nach Norden. Hier machten wir Halt, hobbelten unsere Tiere an und wickelten uns in unsere Decken.

Ich war wirklich müde geworden und schlief sehr bald ein. Später war es mir einmal wie im Traume, als hörte ich den Zug von Ost nach West vorüberrollen; doch kam ich nicht zur rechten Munterkeit und schlief wieder ein.

Als ich erwachte und mich aus der Decke wickelte, war es noch sehr früh am Tage; dennoch saß Sam bereits vor mir und rauchte behaglich eine der Zigarren, die wir gestern abend erhalten hatten.

»Good morning, Charley! Es ist wirklich ein Unterschied zwischen diesem Kraute und Euern Patent-Smokers, deren Manufaktur Ihr dort unterm Sattel habt. Nehmt Euch auch eine, und dann wollen wir an das Werk gehen. Auf das Frühstück müssen wir verzichten, bis wir Wasser finden.«

»Wenn wir es nur bald treffen; das ist wünschenswert um unserer Pferde willen, die kein Futter haben. Uebrigens kann ich meine Zigarre auch zu Pferde genießen.«

Ich steckte mir eine an und hobbelte dann mein Pferd los. »Wie reiten wir?« fragte Sam.

»Eine Schneckenlinie von hier aus bis an den Ort, wo der Zug gestanden hat; da kann uns keine Spur entgehen.«

»Aber nicht nebeneinander.«

»Nein; wir nehmen natürlich genügenden Abstand. Vorwärts!«

Die feine Asche des niedergebrannten Grases hatte die Spuren der flüchtigen Ogellallahs sehr deutlich aufgenommen, wie sich vermuten ließ, aber der Luftzug hatte sie während der Nacht so vollständig verweht, daß nicht das Geringste zu bemerken war. So kamen wir endlich resultatlos an Ort und Stelle.

»Habt Ihr etwas gesehen, Charley?« erkundigte sich Sam.

»Nein.«

»Ich auch nicht; der Kuckuck hole den Wind, der immer nur dann kommt, wenn er zum Beispiel gar nicht gebraucht werden kann! Hättet Ihr den Brief nicht gefunden, so wüßten wir wahrhaftig nicht, was wir anfangen sollten.«

»Also fort, nach dem Rio Pecos!«

»Well! Vorher aber will ich den Roten sagen, wem sie das gestrige Vergnügen zu verdanken haben.«

Während ich abstieg und mich auf den Damm ausstreckte, begann er sein Werk, an dem ich mich nicht zu beteiligen vermochte, und bald lagen die toten Indsmen nebeneinander, die abgeschnittenen Ohren in den Händen.

»Nun kommt!« meinte Sam. »Wir haben einen weiten Ritt bis zum nächsten Wasser, und ich bin begierig, zu erfahren, wer ihn besser aushält, Euer Mustang oder meine alte Tony.«

»Euer Tier hat etwas weniger zu tragen als das meinige.«

»Well, Charley, etwas weniger Menschenfleisch, aber dafür etwas mehr Grütze. Mann, daß mir dieser Fred Morgan entkommen ist, dafür kann ich nicht; daß Ihr aber die beiden Häuptlinge nicht gehörig ausgelöscht habt, das vergebe ich Euch zum Beispiel erst dann, wenn Ihr mir den Morgan fangen helft!«

Die Stakemen

Zwischen Texas, Arizona, Neu-Mexiko und dem Indianer-Territorium, oder anders ausgedrückt, zwischen den Ausläufern des Ozarkgebirges, der untern und der obern Sierra Guadelupe und den Gualpabergen, rings eingefaßt von den Höhen, welche den obern Lauf des Rio Pecos und die Quellen des Red River, Sabine, Trinidad, Brazos und Colorado umgrenzen, liegt eine weite, furchtbare Strecke Landes, welche die ›Sahara der Vereinigten Staaten‹ genannt werden könnte.

Wüste Flächen dürren, glühenden Sandes wechseln mit nackten, brennenden Felslagerungen, die nicht im stande sind, auch nur der allerdürftigsten Vegetation die kärgsten Bedingungen des kürzesten Daseins zu bieten; schroff und unvermittelt folgt die kalte Nacht auf die Hitze des Tages; kein einsamer Dschebel, kein grünendes Wadi unterbricht wie in der Sahara die tote, einförmige Wüste; kein stiller Bir lockt mit seiner belebenden Feuchtigkeit eine kleine Oase hervor; sogar der durch den Steppencharakter vermittelte Übergang von den reichbewaldeten Berggebieten zur leblosen Wildnis fehlt gänzlich, und der Tod tritt dem Auge allüberall unverhüllt in seiner fürchterlichsten Gestalt entgegen. Nur hier und da steht – man weiß nicht, durch welche Kraft hervorgerufen und erhalten – ein einsamer, lederartiger Mezquite-Strauch, gleichsam zum Hohne für den nach einem grünen Punkte sich sehnenden Blick, und ebenso erstaunt trifft man zuweilen auf eine wilde Kaktusart, die entweder wenige einzelne Exemplare oder Gruppen bildet oder auch weite, ausgedehnte Gebiete eng bestandet, ohne daß man sich ihr Dasein enträtseln und erklären kann. Aber weder der Mezquite noch der Kaktus gibt einen erfreulichen, wohltuenden Anblick; graubraun ist ihre Farbe und unschön ihre Gestalt; sie werden von dickem Sandstaube bedeckt, und wehe dem Pferde, dessen Reiter so unvorsichtig ist, es in eine solche Kaktusoase zu lenken. Es wird von den haarscharfen, stahlharten Stacheln so an den Füßen verwundet, daß es nie wieder gehen lernt. Der Reiter muß es sofort aufgeben, und es kommt sicher elend um, wenn er es nicht tötet.

Trotz aller Schrecken, welche diese Wüste bietet, hat es doch der Mensch gewagt, sie zu betreten. Es führen Straßen durch sie, hinauf nach Santa Féé und Fort Union, hinüber nach dem Paso del Norte und hinunter in die wohlbewässerten Prairien und Wälder von Texas. Aber bei diesem Worte ›Straße‹ darf man nicht an den Wegebau denken, welcher in zivilisierten Ländern diese Bezeichnung trägt. Wohl reitet ein einsamer Jäger oder Rastreador, eine Gesellschaft kühner Wagehälse oder ein zweideutiger Pulk Indianer in schnellster Eile durch die Wüste; wohl knarrt ein schneckengleich langsamer Ochsenkarrenzug durch die trostlose Einöde, aber einen Weg gibt es nicht, nicht einmal jene viertelstundenbreit auseinander gehenden Geleise, wie man sie in der Lüneburger Heide oder in dem Sande Brandenburgs findet; jeder reitet oder fährt seine eigene Bahn, so lange ihm der Boden noch einige wenige Merkmale bietet, an denen er erkennen kann, daß er überhaupt sich noch in der richtigen Richtung befindet. Aber diese Merkmale hören nach und nach selbst für das geübteste Auge auf, und von da an hat man die Maßregel getroffen, diese Richtung vermittelst Pfählen zu bezeichnen, welche von Zeit zu Zeit in den Boden gesteckt worden sind.

Dennoch aber fordert die Wüste ihre Opfer, die, ihre Größenverhältnisse in Betracht gezogen, viel zahlreicher und auch schrecklicher sind, als diejenigen, welche die Sahara Afrikas und die Schamo Hochasiens als furchtbaren Tribut entgegennehmen. Menschenleichen, Tierkadaver, Sattelfragmente, Wagenreste und andere schauerliche Überbleibsel liegen am und im Wege und erzählen stumme Geschichten, die zwar das Ohr nicht hören, aber das Auge desto deutlicher bemerken kann. Und darüber schweben hoch in den Lüften die Aasgeier, die jeder lebenden Bewegung, die sich unten zu erkennen gibt, mit beängstigender Ausdauer folgen, als wüßten sie, daß ihnen ihre sichere Beute nicht entgehen kann.

Und wie heißt diese Wüste? Die Bewohner der umliegenden Territorien geben ihr verschiedene, bald englische, bald französische oder spanische Namen; weithin aber ist sie wegen der eingerammten Pfähle, welche den Weg bezeichnen sollen, als Llano estaccado bekannt. – – —

In der Richtung von den Zuflüssen des Red River her nach der Sierra Rianca zu ritten zwei Männer, deren Pferde fürchterlich ermüdet schienen. Die armen Tiere waren beinahe bis auf die Knochen abgemagert, sahen struppig aus wie ein Vogel, der am nächsten Morgen tot im Käfig liegen wird, und schleppten ihre kraftlosen Glieder, bei jedem Schritte stolpernd, so langsam fort, daß man jeden Augenblick ihr Zusammenbrechen erwarten konnte. ihre Augen waren blutig rot unterlaufen; die Zunge hing ihnen trocken zwischen den Lefzen hervor, die ihre Spannkraft vollständig verloren hatten, und trotz der sengenden Tageshitze war an ihrem ganzen Körper kein einziger Tropfen Schweißes und an dem Gebisse kein winziges Flöckchen Schaum zu bemerken, ein Zeichen, daß außer dem von der Wüstenglut eingedickten Blute nicht eine Spur von Feuchtigkeit mehr in dem Körper zu finden sei.

Diese beiden Pferde waren die Tony und mein Mustang, und folglich konnten die Reiter wohl kaum andere sein, als der kleine Sam und ich.

Fünf Tage ritten wir bereits durch den Llano estaccado, in welchem wir erst hier und da noch einiges Wasser getroffen hatten; jetzt aber gab es weit und breit keine Spur mehr davon, und ich hatte den Gedanken nicht von mir weisen können, wie praktisch die Überführung von numidischen Kamelen in diese Wüste sein würde. Jetzt nun fielen mir Uhlands Worte ein:

»Den Pferden war‘s so schwach im Magen,

Fast mußte der Reiter die Mähre tragen;«

aber an die Ausführung des letzten Verses, selbst wenn sie sonst möglich gewesen wäre, konnte gegenwärtig nicht gedacht werden, da sich die Reiter ganz und genau in demselben hoffnungslosen Zustande befanden, wie ihre Tiere.

Der kleine, zusammengetrocknete Sam hing auf dem Halse seiner Stute, als werde er nur durch einen glücklichen Zufall auf dem Pferde festgehalten; sein Mund war geöffnet, und seine Augen zeigten jenen stieren, seelenlosen Blick, der die Nähe der vollständigen Apathie erkennen läßt. Mir selbst war es, als seien die Lider mit Blei beschwert; der Schlund war so trocken, daß ich kein Wort zu sprechen versuchte, grad als ob jeder Laut mir die Kehle zersprengen oder aufreißen müsse, und durch die Adern glühte es wie flüssiges Erz. Ich fühlte, daß es kaum noch eine Stunde dauern könne, bis wir vom Pferde sinken und verschmachtend liegen bleiben würden.

»Was – – ser!« stöhnte Sam.

Ich erhob den Kopf. Was sollte ich antworten? Ich schwieg. Da stolperte mein Pferd und blieb stehen; ich gab mir die möglichste Mühe, aber es war nicht weiter fortzubringen. Die alte Tony folgte augenblicklich diesem Beispiele.

»Absteigen!« meinte ich, und jeder einzelne Laut dieses Wortes tat meinen Stimmwerkzeugen wehe. Es war, als sei der Sprachgang von der Lunge bis zu den Lippen mit Tausenden von Nadeln besteckt.

Ich kroch vom Pferde, nahm es beim Zügel und schritt schweigend voran; es folgte mir langsam, von seiner Last befreit. Sam zog seine Rosinante hinter sich her, war aber augenscheinlich noch matter als ich. Er taumelte förmlich und drohte bei jedem Schritte umzusinken. So schleppten wir uns wohl noch eine halbe englische Meile weiter, bis ich einen lauten Seufzer hinter mir hörte. Ich sah mich um. Mein guter Sam lag im Sande und hatte die Augen geschlossen. Ich trat zu ihm und setzte mich bei ihm nieder, still und wortlos, denn keine Rede konnte unsere Lage ändern.

Das also sollte der Abschluß meines Lebens, das Ziel meiner Wanderungen sein! Ich wollte denken an die Eltern, an die Geschwister daheim im fernen Deutschland, wollte meine Gedanken zum Gebete sammeln – es ging nicht, denn mein Gehirn kochte. Wir waren die Opfer eines unerhört grausamen Kunstgriffes, der vor uns bereits gar Manchem das Leben gekostet hatte.

Von Santa Féé herab und dem Paso del Norte herüber kommen häufig Trupps von Goldsuchern, die in den Minen und Diggins von Californien glücklich gewesen sind und nun mit dem Ertrage ihrer Arbeit nach dem Osten wollen. Sie haben den Llano estaccado zu durchschneiden, und hier ist es, wo grad ihrer eine Gefahr lauert, die ihren Ursprung nicht in den Boden- und klimatischen Verhältnissen hat und neben ihnen dann auch noch Andere trifft. Leute, welche in den Minen unglücklich gewesen sind und die Lust an ehrlicher Arbeit verloren haben, heruntergekommene Subjekte, die der Osten ausspeit, die Vertreter aller möglichen Korruption, ziehen sich am Saume des Estaccado zusammen, um den Goldsuchern aufzulauern. Da diese meist kräftige, abgehärtete Gestalten sind und ihren Mut in tausend Drangsalen und Kämpfen erprobt haben, so ist es auf alle Fälle gefährlich, mit ihnen anzubinden. Daher sind die Freibeuter auf eine Idee gekommen, welche grausamer und infamer nicht gedacht werden kann: sie nehmen nämlich die den Weg weisenden Pfähle fort und stecken sie in einer falschen Richtung ein, welche den Reisenden in das tiefste Grauen der Wüste führt und ihn dem Tode des Verschmachtens in die Arme bringt. Dann wird es ihnen leicht, sich das Eigentum der Toten ohne sonderliche Mühe und Gefahr anzueignen, und die Gebeine von Hunderten bleichen auf diese Weise in tiefer Einsamkeit im Sonnenbrande, während ihre Angehörigen daheim vergeblich auf die Rückkehr warten und nie im Leben wieder etwas von ihnen zu hören bekommen.

Wir waren bisher den Pfählen mit Vertrauen gefolgt, und erst gegen Mittag hatten wir bemerkt, daß sie uns in eine falsche Richtung führten. Seit wann wir vom richtigen Kurse abgewichen waren, wußte ich nicht; umzukehren war daher nicht geraten, zumal unser Zustand uns jede Minute teuer werden ließ. Sam konnte unmöglich weiter, und auch ich wäre wohl kaum noch eine Meile fortgekommen, selbst wenn ich meine wenige noch übrige Kraft bis auf das äußerste hätte anstrengen mögen. Es war gewiß: noch lebend befanden wir uns bereits im Grabe, wenn uns nicht irgend ein glücklicher Umstand zur Hilfe kam, und das mußte bald geschehen.

Da erscholl hoch über mir ein schriller, heiserer Schrei. Ich blickte empor und gewahrte einen Geier, welcher sich augenscheinlich erst vor kurzem und zwar ganz in der Nähe von der Erde erhoben hatte. Er beschrieb einen Kreis über uns, als betrachte er uns bereits als seine gewisse, unentrinnbare Beute. Es mußte sich nicht weit von uns ein Opfer der Wüste oder der Stakemen, wie die Räuber des Estaccado genannt werden, befinden, und ich warf den Blick in die Runde, um vielleicht eine Spur davon zu entdecken.

Obgleich die Hitze der Sonne und des Fiebers das Blut in die Gefäße meiner Augen trieb, so daß sie schmerzten und ihren Dienst versagen wollten, gewahrte ich doch in der Entfernung von ungefähr tausend Schritten einige Punkte, welche weder Steine noch sonstige Erhöhungen sein konnten. Ich nahm mein Doppelgewehr und bemühte mich, näher zu kommen.

Noch hatte ich die Hälfte der Entfernung nicht zurückgelegt, so erkannte ich drei Coyoten und, etwas weiter von ihnen, einige Geier. Die Tiere saßen rund um einen Körper, den ich nicht genau erkennen konnte. Es mußte ein Tier oder ein Mensch sein, der noch nicht ganz tot war, sonst hätten sich die gefräßigen Geschöpfe längst in seine Leiche geteilt. Gleichwohl erfüllte mich die Gegenwart der Coyoten mit einem Anfluge von Hoffnung, da diese Tiere, welche nicht lange ohne Wasser zu leben vermögen, sich nicht weit in die unwirtbaren Strecken der Wüste hineinwagen können. Übrigens mußte ich sehen, welcher Art der Körper war, den sie umringt hielten, und schon erhob ich den Fuß, um weiter zu gehen, als mir ein Gedanke kam, der mich schnell die Büchse in Anschlag bringen ließ.

Wir waren dem Verschmachten nahe; Wasser gab es hier nicht, aber konnte uns nicht das Blut dieser Tiere wenigstens einigermaßen eine Erquickung bringen? Ich legte also an, aber meine Schwäche und das Fieber waren so groß, daß die Mündung des Gewehres um mehrere Zoll weit hin und her wankte. Ich ließ mich also nieder, stemmte den Arm auf das Knie und hatte nun einen sicheren Schuß.

Ich drückte los und noch einmal; – zwei Coyoten wälzten sich im Sande; dieser Augenblick ließ mich alle meine Schwäche vergessen, und im eiligen Laufe rannte ich hinzu. Der eine Wolf war durch den Kopf getroffen, der andere Schuß war so schülerhaft ausgefallen, daß ich mich dessen zeitlebens geschämt hätte, wenn mein Zustand nicht ein so krankhafter gewesen wäre. Die Kugel hatte dem zweiten, aufspringenden Tiere die beiden Vorderbeine zerschmettert, so daß es sich heulend im Sande wälzte.

Ich zog das Messer, öffnete dem ersten Wolfe die Halsader und sog mit den Lippen das Blut mit einer Begierde ein, als ob es olympischer Nektar sei; dann nahm ich den Lederbecher vom Gürtel, ließ ihn voll laufen und trat zu dem Manne, welcher wie tot in der Nähe lag. Es war ein Neger, und kaum hatte ich den Blick in sein jetzt nicht schwarzes, sondern schmutzig dunkelgraues Gesicht geworfen, so hätte ich vor Überraschung beinahe den Becher fallen lassen.

»Bob!«

Er öffnete bei diesem Rufe die Augenlider ein wenig.

»Wasser!« seufzte er.

Ich kniete neben ihm nieder, hob seinen Oberleib empor und hielt ihm die Schale an den Mund.

»Trinke!«

Er öffnete die Lippen, aber sein ausgetrockneter Schlund vermochte kaum mehr zu schlucken, und es dauerte lange, ehe ich ihm die ekelhafte Flüssigkeit eingeflößt hatte. Dann sank er wieder hinüber.

Jetzt mußte ich an Sam denken. Ich hatte mit Vorbedacht zuerst das Blut des tödlich getroffenen Coyoten genommen, denn dieses mußte eher gerinnen als dasjenige des andern, der bloß äußerlich verletzt war.

Ich trat zu ihm, und obgleich das Tier wütend nach mir biß, schonte ich doch jetzt noch sein Leben, faßte es beim Genick und schleppte es bis zu Sans-ear hin. Dort drückte ich es zur Erde, daß es sich nicht zu bewegen vermochte, und öffnete ihm die Ader.

»Sam, hier trink!«

Er hatte in vollständiger Apathie am Boden gelegen; jetzt aber richtete er sich auf.

»Trinken? Oh!«

Hastig ergriff er den Becher und leerte ihn mit einem Zuge. Ich nahm ihm denselben aus der Hand und füllte ihn nochmals; Sam trank ihn zum zweitenmale aus.

»Blut,fie —! Ah, brrr, ooooh, das ist besser, als man denken sollte!«

Ich schlürfte die wenigen Tropfen, welche es noch gab, und sprang dann auf. Der entflohene dritte Coyote war zurückgekehrt und machte sich trotz der Anwesenheit des Negers mit seinem toten Genossen zu schaffen. Ich lud meine Büchse wieder, pirschte mich näher und schoß ihn nieder. Mit Hilfe seines Blutes brachte ich den Schwarzen so weit, daß er zur völligen Besinnung und zum Gebrauche seiner Glieder kam.

Der Reisende hat sehr oft Begegnungen zu verzeichnen, welche geradezu wunderbar erscheinen müssen; eine solche war mein jetziges Zusammentreffen mit dem Neger, den ich sehr gut kannte. Ich hatte in dem Hause seines Herrn, des Juweliers Marshall in Louisville, eine mehrtägige Gastfreundschaft genossen und damals den treuen, stets lustigen Schwarzen liebgewonnen. Die zwei Söhne des Juweliers hatten mit mir einen Jagdausflug in die Cumberlandsberge gemacht und mich dann an den Mississippi begleitet. Beide waren prächtige Jungens gewesen, deren Gesellschaft mir behagte. Wie nun kam Bob, der alte, weißhaarige Schwarze, hierher in den Llano estaccado?

»Geht es jetzt besser, Bob?« fragte ich ihn.

»Besser, sehr besser, oh, ganz besser.« Er stand auf und schien mich erst jetzt zu erkennen. »Massa, sein es möglich? Massa Charley, der ganz‘ viel‘ groß‘ Jäger! Oh, Nigger Bob sein froh, daß treffen Massa, denn Massa Charley retten Massa Bern‘, der sonst sein tot, ganz viel tot.«

»Bernard? Wo ist er?«

»O, wo sein Massa Bern‘?« Er blickte sich um und zeigte nach Süden. »Massa Bern‘ sein dort! Oh nein, sein dort -oder dort – oder dort!« Er drehte sich dabei um seine eigene Achse und zeigte nach West, Nord und Ost. Der gute Bob konnte selbst nicht sagen, wo sein junger Massa sei.

»Was tut Bernard hier in dem Llano estaccado?«

»Was tun? Bob nicht wissen das, denn Bob doch nicht sehen Massa Bern‘, der sein fort mit all ander Massa.«

»Wer sind die Leute, mit denen er reist?«

»Leute sein Jäger, sein Kaufmann, sein – – oh Bob nicht alles wissen!«

»Wo wollte er hin?«

»Nach Californ‘, nach Francisco zu jung Massa Allan.«

»So ist Allan in Francisco?«

»Massa Allan dort sein, kaufen groß viel Gold für Massa Marshal. Aber Massa Marshal nicht mehr brauchen Gold, weil Massa Marshall sein tot.«

»Master Marshal ist gestorben?« fragte ich erstaunt, denn der Juwelier war damals noch außerordentlich rüstig gewesen.

»Ja, aber nicht tot von Krankheit, sondern tot von Mord.«

»Ermordet ist er worden?« rief ich entsetzt. »Von wem?«

»Bob nicht wissen Mörder, auch niemand wissen Mörder. Mörder kommen in Nacht, stoßen Messer in Brust von Massa Marshal und nehmen mit all Stein‘, Juwel‘ und Gold, was gehören Massa Marshal. Wer Mörder sein und wohin Mörder gehen, das nicht wissen Sheriff, auch nicht Jury, auch nicht Massa Bern‘ und auch nicht Bob.«

»Wann ist dies geschehen?«

»Das war sein vor viel‘ Woch‘, vor viel‘ Monat‘, fünf Monat‘ nun vorbei. Massa Bern‘ sein werden ganz viel arm; Massa Bern‘ schreiben an Massa Allan in Californ‘, aber nicht erhalten Antwort und darum selbst gehen nach Californ‘, um zu suchen Massa Allan.«

Das war nun allerdings eine fürchterliche Nachricht, welche ich hier erhielt. Ein Raubmord hatte das Glück dieser so außerordentlich braven Familie zerstört, dem Vater das Leben gekostet und seine beiden Söhne in Armut gestürzt. Alle Steine und Juwelen waren verschwunden? Ich mußte unwillkürlich an die Diamanten denken, welche ich Fred Morgan abgenommen hatte und noch immer bei mir trug. Aber was konnte den Täter von Louisville weg in die Prairie treiben?

»Wie seid Ihr gereist?« fragte ich weiter.

»Von Memphis nach Fort Smith und dann über das Gebirge nach Preston, Massa. Bob sein ‚fahren, ‚reiten, ‚laufen bis in groß‘, furchtbar‘ Wüste Estaccad‘, wo niemand mehr haben find‘ Wasser. Da werden müd Pferd und Bob; da haben Durst groß wie Mississippi Pferd und Bob; da fallen Bob vom Pferd, Pferd laufen fort und Bob bleiben liegen. Nun ganz groß sehr Not haben Bob und sterben vor Durst immer mehr, bis kommen Massa Charley und geben Bob Blut in Mund. O, Massa, retten Massa Marshal, und Bob haben lieb Massa Charley so groß, so viel wie ganze Welt in ganze Erde!«

Das war nun allerdings ein Verlangen, für dessen Erfüllung ich auch nicht die mindeste Hoffnung haben konnte. Woher das Vertrauen des Negers kam, konnte ich nicht sagen, und zu entsprechen vermochte ich demselben vielleicht ebensowenig. Dennoch fragte ich weiter:

»Wie stark war eure Gesellschaft?«

»Sehr groß stark, Massa; neun Männer und Bob.«

»Wohin wolltet ihr zunächst?«

»Das Bob nicht wissen. Bob immer reiten hinterher und nicht hören, was viel‘ Massa sagen.«

»Du hast ein Messer und einen Säbel. Hattet ihr alle Waffen?«

»Nicht groß‘ Kanone und Haubitz, aber viel Flint und Büchs und Messer und Pistol und Revolver.«

»Wer war euer Führer?«

»Ein Mann, heißen Williams.«

»Erinnere dich noch einmal genau, wohin sie geritten sind, als du vom Pferde fielst!«

»Weiß nicht mehr. Dahin, hierhin, dorthin.«

»Wann war es? Zu welcher Tageszeit?«

»Es sein Abend bald und – ah, oh, jetzt wissen Bob: Massa Bern‘ reiten grad in Sonne hinein, als Bob fallen vom Pferd.«

»Gut! Kannst du wieder gehen?«