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Winnetou 2
Winnetou 2
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Winnetou 2

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»All devils! Sollen wir uns ruhig lynchen lassen, Master?« rief Old Death verdrießlich.

»Nein. Haltet euch an passive Gegenwehr! Im richtigen Augenblicke wird mein Mittel wirken. Wir wollen diese Halunken durch ein Bad abkühlen. Verlaßt euch auf mich! Habe keine Zeit zur Explikation. Die Kerle nahen schon.«

Wirklich kam grad jetzt die Rotte aus der Restauration gestiegen. Der Kapitän wendete sich schnell von uns ab und erteilte dem Conductor einige leise Befehle. Dieser eilte zum Steuermanne, bei welchem die zwei zum Boote gehörigen Deckhands standen. Kurze Zeit später sah ich ihn beschäftigt, den ruhigeren Passagieren heimliche Weisungen zuzuflüstern, konnte aber nicht weiter auf ihn achten, da ich mit Old Death von den Sezessionisten in Anspruch genommen wurde. Nur so viel bemerkte ich im Verlaufe der nächsten zehn Minuten, daß die erwähnten friedlichen Reisenden sich möglichst eng am Vorderdeck zusammenzogen.

Kaum hatten die betrunkenen Sezessionisten die Restauration verlassen, so waren wir beide von ihnen umringt. Wir hatten nach der Weisung des Kapitäns die Gewehre weggelegt.

»Das ist er!« rief der Sprecher von gestern, indem er auf mich deutete. »Ein Spion der Nordstaaten, die es mit Juarez halten. Gestern noch ging er als feiner Gentleman gekleidet; heute hat er einen Trapperanzug angelegt. Warum verkleidet er sich? Meinen Hund hat er mir getötet, und beide haben uns mit ihren Revolvern bedroht.«

»Ein Spion ist er, ja, ein Spion!« riefen die andern wirr durcheinander. »Das beweist die Verkleidung. Und er ist ein Deutscher. Bildet eine Jury! Er muß am Halse baumeln! Nieder mit den Nordstaaten, mit den Yankees und ihren Geschöpfen!«

»Was treibt ihr da unten, Gentlemen?« rief in diesem Augenblicke der Kapitän von oben herab. »Ich will Ruhe und auch Ordnung an Bord. Laßt die Passagiere ungeschoren!«

»Schweigt, Sir!« brüllte einer aus der Rotte hinauf. »Auch wir wollen Ordnung, und wir werden sie uns jetzt verschaffen. Gehört es zu Euren Obliegenheiten, Spione an Bord zu nehmen?«

»Es gehört zu meinen Obliegenheiten, Leute zu befördern, welche die Passage bezahlen. Kommen Führer der Sezessionisten zu mir, so sollen sie mitfahren dürfen, vorausgesetzt, daß sie zahlen und anständig sind. Das ist meine Loyalität. Und wenn ihr mir mit der eurigen das Geschäft verderbt, so setze ich euch ans Ufer und ihr mögt zu Lande nach Austin schwimmen.«

Ein höhnisches, wieherndes Gelächter antwortete ihm. Man drängte Old Death und mich so eng zusammen, daß wir uns nicht rühren konnten. Wir protestierten natürlich, doch wurden unsere Worte durch das fast tierische Geschrei dieser rohen Bande verschlungen. Man stieß uns vom ersten Platze fort, hinaus, bis an die rauchende Esse, an welcher wir aufgeknüpft werden sollten. Dieselbe war oben mit eisernen Ösen versehen, durch welche Taue liefen, also eine wunderbar schöne und praktische Vorrichtung, um jemanden aufzuhängen. Man brauchte die Taue nur schlaff zu lassen und uns mit der empfindlichen Gegend des Halses an dieselben zu befestigen, um uns dann gemächlich emporzuhissen. Hier also wurde ein Kreis um und ein Gerichtshof über uns gebildet. Das letztere war eine reine Lächerlichkeit. Ich glaube, die Schufte sind gar nicht dazu gekommen, sich zu fragen, warum wir gar nicht Miene machten, uns zur Wehr zu setzen; sie sahen doch, daß wir im Besitz von Messern und Revolvern waren, uns derselben aber nicht bedienten. Das mußte doch einen Grund haben.

Old Death mußte sich gewaltige Mühe geben, ruhig zu erscheinen. Seine Hand zuckte öfters nach dem Gürtel; aber sobald dann sein Blick nach dem Kapitän flog, winkte dieser verstohlen ab.

»Na,« meinte er zu mir, und zwar deutsch, um nicht verstanden zu werden, »ich will mich noch fügen. Aber wenn sie mir es zu toll treiben, so haben sie in einer einzigen Minute unsere vierundzwanzig Kugeln im Leibe. Schießt nur gleich, wenn ich anfange!«

»Hört ihr es!« rief der ofterwähnte Rowdy. »Sie reden deutsch. Es ist also erwiesen, daß sie verdammte Dutchmen sind und zu den Schuften gehören, welche den Südstaaten am meisten zusetzen. Was wollen sie hier in Texas? Sie sind Spione und Verräter. Machen wir es kurz mit ihnen!«

Seinem Vorschlage wurde brüllend beigestimmt. Der Kapitän rief ihnen eine strenge Mahnung zu, wurde aber wieder ausgelacht. Dann warf man die Frage auf, ob man nun den Indianer prozessieren oder uns vorher hängen solle, und man entschied sich für das erstere. Der Vorsitzende schickte zwei Männer ab, den Roten herbeizuholen.

Da wir rundum von Menschen umgeben waren, konnten wir Winnetou nicht sehen. Wir hörten einen lauten Schrei. Winnetou hatte einen der Abgesandten niedergeschlagen und den andern über Bord geschleudert. Dann war er in die aus Eisenblech gefertigte Kabine des Conductors geschlüpft, welche sich am Radkasten befand. Diese hatte ein kleines Fensterchen, durch welches jetzt die Mündung seiner Doppelbüchse schaute. Natürlich erregte der Vorfall einen fürchterlichen Lärm. Alles rannte an die Schiffsbrüstung, und man schrie dem Kapitän zu, einen Mann ins Boot zu senden, um den in das Wasser Expedierten aufzufischen. Er kam diesem Rufe nach und gab einem der Deckhands einen Wink. Der Mann sprang in das am Hinterteile befestigte Boot, löste das Tau, an welchem es gehalten wurde, und ruderte nach dem Betreffenden, welcher glücklicherweise ein wenig schwimmen konnte und sich alle Mühe gab, über Wasser zu bleiben.

Ich stand mit Old Death allein. Von Hängen war einstweilen keine Rede mehr. Wir sahen die Augen des Steuermanns und der übrigen Schiffsleute auf den Kapitän gerichtet, welcher uns näher winkte und mit unterdrückter Stimme sagte:

»Paßt auf, Mesch‘schurs! jetzt geh ich ihnen das Bad. Bleibt nur ruhig an Bord, es mag geschehen, was da wolle. Macht aber so viel Lärm wie möglich!«

Er hatte stoppen lassen, und das Schiff wurde langsam abwärts getrieben, dem rechten Ufer zu. Dort gab es eine Stelle, über welche sich das Wasser brach, eine seichte Bank. Der Fluß war von da bis zum Ufer überhaupt nicht tief. Ein Wink vom Kapitän – der Steuermann nickte lächelnd und ließ das Boot gerade gegen die Bank treiben. Ein kurzes Knirschen unter uns, ein Stoß, daß alle taumelten, viele aber niederstürzten -wir saßen fest. Das lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit vom Kahne auf das Schiff. Die ruhigen Passagiere waren alle vom Conductor unterrichtet worden, schrieen aber laut Verabredung, als ob sie die höchste Todesangst auszustehen hätten. Die andern, welche an einen wirklichen Unfall glaubten, stimmten natürlich mit ein. Da tauchte einer der Deckhands hinten auf, kam scheinbar voller Entsetzen zum Kapitän gerannt und schrie:

»Wasser im Raume, Capt‘n! Das Riff hat den Kiel mitten entzwei geschnitten. In zwei Minuten sinkt das Schiff.«

»Dann sind wir verloren!« rief der Kapitän. »Rette sich, wer kann! Das Wasser ist seicht bis zum Ufer. Schnell hinein!«

Er eilte von seinem Platze herab, warf den Rock, die Weste und die Mütze von sich, zog in höchster Eile die Stiefel aus und sprang über Bord. Das Wasser ging ihm nur bis an den Hals.

»Herunter, herunter!« schrie er. »Jetzt ist es noch Zeit. Wenn das Schiff sinkt, begräbt es in seinem Strudel alle, die sich noch an Bord befinden!«

Daß der Kapitän der erste war, der sich rettete, daß er sich vorher halb entkleidete, darüber dachte keiner der Sezessionisten nach. Das Entsetzen hatte sie ergriffen. Sie sprangen über Bord und arbeiteten sich schleunigst nach dem Ufer, ohne darauf zu achten, daß der Kapitän nach der andern, dem Ufer abgekehrten Seite des Schiffes schwamm und dort am schnell niedergelassenen Fallreep an Bord stieg. Das Schiff war nun gesäubert, und wo eine Minute vorher der bleiche Schrecken geherrscht hatte, ertönte jetzt ein lautes lustiges Lachen.

Eben als die ersten der sich Rettenden an das Land stiegen, gab der Kapitän den Befehl, vorwärts zu dampfen. Das seicht gehende, unten breit und sehr stark gebaute Fahrzeug hatte nicht den mindesten Schaden gelitten, und gehorchte willig dem Drucke der Räder. Seinen Rock wie ein Flagge schwenkend, rief der Kapitän zum Ufer hinüber:

»Farewell, Gentlemen! Habt ihr wieder einmal Lust, eine Jury zu bilden, so hängt euch selber auf. Eure Sachen, welche sich noch an Bord befinden, werde ich in La Grange abgeben. Holt sie euch dort ab.«

Es läßt sich denken, welchen Eindruck diese höhnischen Worte auf die Gefoppten machten. Sie erhoben ein wütendes Geheul, forderten den Kapitän auf, sie augenblicklich wieder aufzunehmen, drohten mit Anzeige, Tod und anderen Schreckmitteln, ja schossen ihre Gewehre, soweit dieselben nicht naß geworden waren, auf den Steamer ab, doch ohne irgend welchen Schaden anzurichten. Endlich brüllte einer in ohnmächtiger Wut zu dem Kapitän herüber:

»Hund! Wir warten hier auf deine Rückkehr und hängen dich an deiner eigenen Esse auf!«

»Well, Sir! Kommt dann gefälligst an Bord! Bis dahin aber laßt mir die Generale Mejia und Marquez grüßen!« Jetzt hatten wir volle Kraft und dampften in beschleunigtem Tempo weiter, um die versäumte Zeit einzuholen.

Die Kukluxer

Obiges Wort ist noch heute ein sprachliches Rätsel, das verschiedentliche Lösungen gefunden hat. Der Name des berüchtigten Kukluxklan, oder anders geschrieben Ku-Klux-Klan, soll nach einigen nur eine Nachahmung des Geräusches sein, welches durch das Spannen des Gewehrhahnes hervorgebracht wird. Andere setzen ihn zusammen aus cuc, Warnung, gluck, glucksen und clan, dem schottischen Worte für Stamm, Geschlecht oder Bande. Mag dem sein, wie ihm wolle; die Mitglieder des Ku-Klux-Klan wußten wohl selber nicht, woher ihr Name stammte und was er zu bedeuten hatte; es war ihnen auch gewiß ganz gleichgültig. Einem von ihnen war das Wort vielleicht in den Mund gekommen, die andern fingen es auf und sprachen es nach, ohne sich um den Sinn oder Unsinn dieser Bezeichnung zu bekümmern.

Nicht so unklar war der Zweck, welchen diese Verbindung verfolgte, die zuerst in einigen Grafschaften Nordkarolinas auftrat, dann sich schnell über Südkarolina, Georgien, Alabama, Mississippi, Kentucky und Tennessee verbreitete und endlich gar ihre Glieder auch nach Texas sandte, um dort für ihre Zwecke tätig zu sein. Der Bund umfaßte eine Menge grimmiger, gegen die Nordstaaten erbitterter Feinde, deren Aufgabe es war, mit allen Mitteln, auch den unerlaubtesten und verbrecherischsten, gegen die nach der Beendigung des Bürgerkrieges eingetretene Ordnung anzukämpfen. Und in der Tat hielten die Kukluxer eine ganze Reihe von Jahren hindurch den Süden in beständiger Aufregung, machten jeden Besitz unsicher, hemmten Industrie und Handel, und selbst die strengsten Maßregeln vermochten es nicht, diesem unerhörten Treiben ein Ende zu machen.

Der Geheimbund, welcher infolge der Rekonstruktionsmaßregeln, welche die Regierung dem besiegten Süden gegenüber zu treffen gezwungen war, entstand, rekrutierte sich aus Leuten, welche Anhänger der Sklaverei, aber Feinde der Union und der republikanischen Partei waren. Die Mitglieder wurden durch schwere Eide zum Gehorsam gegen die heimlichen Satzungen und durch Androhung der Todesstrafe zur Geheimhaltung ihrer Organisation verbunden. Sie scheuten vor keiner Gewalttat, auch nicht vor Brand und Mord zurück, hatten regelmäßige Zusammenkünfte und erschienen bei Ausübung ihrer ungesetzlichen Taten stets zu Pferde und in tiefer Vermummung. Sie schossen Pfarrherren von den Kanzeln und Richter von ihren Plätzen, überfielen brave Familienväter, um sie mit bis auf die Knochen zerfleischten Rücken inmitten ihrer Familien liegen zu lassen. Alle Raufbolde und Mordbrenner zusammengenommen waren nicht so zu fürchten, wie dieser Ku-Klux-Klan, welcher es so entsetzlich trieb, daß zum Beispiel der Gouverneur von Südkarolina den Präsidenten Grant ersuchte, ihm militärische Hilfe zu senden, da dem Geheimbunde, welcher bereits die bedenklichsten Dimensionen angenommen hatte, nicht anders beizukommen sei. Grant legte die Angelegenheit dem Kongresse vor, und dieser erließ ein Anti-Ku-Klux-Gesetz, welches dem Präsidenten diktatorische Gewalt verlieh, die Bande zu vernichten. Daß man gezwungen war, nach einem so drakonischen Ausnahmegesetz zu greifen, ist ein sicherer Beweis, welche außerordentliche Gefahr sowohl für den Einzelnen, wie für die ganze Nation in dem Treiben der Kukluxer lag. Der Klan wurde nachgerade zu einem infernalischen Abgrunde, in welchem sich alle umstürzlerisch gesinnten Geister zusammenfanden. Einer der geistlichen Herren, welcher von der Kanzel geschossen wurde, hatte nach der Predigt für das Seelenheil einer Familie gebetet, deren Glieder bei hellem Tage von den Kukluxern ermordet worden waren. In seinem frommen Eifer und auch ganz der Wahrheit gemäß bezeichnete er das Treiben des Klans als einen Kampf der Kinder des Teufels gegen die Kinder Gottes. Da erschien auf der gegenüberliegenden Empore eine vermummte Gestalt und jagte ihm eine Kugel durch den Kopf. Ehe die erschrockene Gemeinde sich von ihrem Entsetzen zu erholen vermochte, war dieser Teufel verschwunden.

Als unser Steamboot in La Grange anlangte, war es Abend geworden, und der Kapitän erklärte uns, daß er wegen der im Flußbett drohenden Gefahren für heute nicht weiterfahren könne. Wir waren also gezwungen, in La Grange auszusteigen. Winnetou ritt vor uns über die Planke und verschwand zwischen den nahestehenden Häusern im Dunkel der Nacht.

Auch in La Grange stand der Commissioner bereit, die Interessen des Schiffseigners zu versehen. Old Death wendete sich sofort an ihn:

»Sir, wann ist das letzte Schiff aus Matagorda hier angekommen, und stiegen alle Passagiere aus?«

»Das letzte Schiff kam vorgestern um dieselbe Zeit an und alle Passagiere gingen an Land, denn der Steamer fuhr erst am andern Morgen weiter.«

»Und Ihr waret hier, als früh wieder eingestiegen wurde?«

»Ganz natürlich, Sir.«

»So könnt Ihr mir vielleicht Auskunft erteilen. Wir suchen zwei Freunde, welche mit dem betreffenden Steamer gefahren und also auch hier geblieben sind. Wir möchten gern wissen, ob sie dann früh die Fahrt fortgesetzt haben.«

»Hm, das ist nicht leicht zu sagen. Es war so dunkel und die Passagiere drängten so von Bord, daß man dem einzelnen gar keine besondere Aufmerksamkeit schenken konnte. Wahrscheinlich sind die Leute frühmorgens alle wieder mitgefahren, einen gewissen Master Clinton ausgenommen.«

»Clinton? Ah, den meine ich. Bitte, kommt einmal her zu Eurem Lichte! Mein Freund wird Euch eine Photographie zeigen, um zu erfahren, ob es die Master Clintons ist.«

Wirklich erklärte der Commissioner mit aller Entschiedenheit, daß es diejenige des Mannes sei, den er meine.

»Wißt Ihr, wo er geblieben ist?« fragte Old Death.

»Genau nicht; aber sehr wahrscheinlich bei Sennor Cortesio, denn dessen Leute waren es, welche die Koffer holten. Er ist Agent für alles, ein Spanier von Geburt. Ich glaube, er beschäftigt sich jetzt mit heimlichen Waffenlieferungen nach Mexiko hinein.«

»Hoffentlich lernt man in ihm einen Gentleman kennen?«

»Sir, heutzutage will jeder ein Gentleman sein, selbst wenn er seinen Sattel auf dem Rücken trägt.«

Das galt natürlich uns beiden, die wir mit unsern Sätteln vor ihm standen, doch war die Stichelei nicht bös gemeint. Darum fragte Old Death in ungeminderter Freundlichkeit weiter:

»Gibt es hier in diesem gesegneten Orte, wo außer Eurer Laterne kein Licht zu brennen scheint, ein Gasthaus, in welchem man schlafen kann, ohne von Menschen und andern Insekten belästigt zu werden?«

»Es ist nur ein einziges da. Und da Ihr so lange hier bei mir stehen geblieben seid, so werden die andern Passagiere Euch zuvorgekommen sein und die wenigen vorhandenen Räume in Beschlag genommen haben.«

»Das ist freilich nicht sehr angenehm,« antwortete Old Death, der auch diese Stichelei überhörte. »In Privathäusern darf man wohl keine Gastfreundschaft erwarten?«

»Hm, Sir, ich kenne Euch nicht. Bei mir selbst könnte ich Euch nicht aufnehmen, da meine Wohnung sehr klein ist. Aber ich habe einen Bekannten, der Euch wohl nicht fortweisen würde, falls Ihr ehrliche Leute seid, Er ist ein Deutscher, ein Schmied, aus Missouri hergezogen.«

»Nun,« entgegnete mein Freund, »mein Begleiter hier ist ein Deutscher, und auch mir ist die deutsche Sprache geläufig. Spitzbuben sind wir nicht; bezahlen wollen und können wir auch; so kalkuliere ich, daß Euer Bekannter es einmal mit uns versuchen könnte. Wollt Ihr uns nicht seine Wohnung beschreiben?«

»Das ist nicht nötig. Ich würde euch hinführen; aber ich habe noch auf dem Schiffe zu tun. Master Lange, so heißt der Mann, ist jetzt nicht zu Hause. Um diese Zeit sitzt er gewöhnlich im Wirtshause. Das ist so deutsche Sitte hier. Ihr braucht also nur nach ihm zu fragen, Master Lange aus Missouri. Sagt ihm, daß der Commissioner euch geschickt habe! Geht grad aus und dann links um das zweite Haus; da werdet ihr das Schänkhaus an den brennenden Lichtern erkennen. Die Läden sind wohl noch offen.«

Ich gab dem Manne ein Trinkgeld für die erteilte Auskunft, und dann wanderten wir mit unsern Pferdegeschirren weiter. Das Vorhandensein des Wirtshauses war nicht nur an den Lichtern, sondern noch weit mehr an dem Lärm zu erkennen, welcher aus den geöffneten Fenstern drang. Über der Türe war eine Tierfigur angebracht, welche einer Riesenschildkröte glich, aber Flügel und nur zwei Beine hatte. Darunter stand zu lesen: » Hawks inn. « Die Schildkröte sollte also einen Raubvogel vorstellen, und das Haus war der »Gasthof zum Geier«.

Als wir die Stubentüre öffneten, kam uns eine dicke Wolke übelriechenden Tabaksqualmes entgegen. Die Gäste mußten mit vortrefflichen Lungen ausgerüstet sein, da sie in dieser Atmosphäre nicht nur nicht erstickten, sondern sich augenscheinlich ganz wohl zu befinden schienen. Übrigens erwies sich der ausgezeichnete Zustand ihrer Lungen bereits aus der ungemein kräftigen Tätigkeit ihrer Sprachwerkzeuge, denn keiner sprach, aber jeder schrie, so daß es schien, als ob niemand auch nur eine Sekunde schweige, um zu hören, was ein anderer ihm vorbrüllte. Angesichts dieser angenehmen Gesellschaft blieben wir einige Minuten an der Türe stehen, um unsere Augen an den Qualm zu gewöhnen und die einzelnen Personen und Gegenstände unterscheiden zu können. Dann bemerkten wir, daß es zwei Stuben gab, eine größere für gewöhnliche und eine kleinere für feinere Gäste, für Amerika eine sonderbare und sogar gefährliche Einrichtung, da kein Bewohner der freien Staaten einen gesellschaftlichen oder gar moralischen Unterschied zwischen sich und andern anerkennen wird.

Da vorn kein einziger Platz mehr zu finden war, so gingen wir nach der hinteren Stube, die wir ganz unbeachtet erreichten. Dort standen noch zwei Stühle leer, die wir für uns in Anspruch nahmen, nachdem wir die Sättel in eine Ecke gelegt hatten. An dem Tische saßen mehrere Männer, welche Bier tranken und sich in deutscher Sprache unterhielten. Sie hatten uns nur einen kurzen, forschenden Blick zugeworfen, und es schien mir, daß sie bei unserem Nahen schnell auf ein anderes Thema übergegangen seien, wie ihre unsichere suchende Sprachweise vermuten ließ. Zwei von ihnen waren einander ähnlich. Man mußte sie auf den ersten Blick für Vater und Sohn halten, hohe kräftige Gestalten mit scharf markierten Zügen und schweren Fäusten, ein Beweis fleißigen und anstrengenden Schaffens. Ihre Gesichter machten den Eindruck der Biederkeit, waren aber jetzt von lebhafter Aufregung gerötet, als ob man sich über ein unliebsames Thema unterhalten hätte.

Als wir uns niedersetzten, rückten sie zusammen, so daß zwischen ihnen und uns ein freier Raum entstand, ein leiser Wink, daß sie nichts von uns wissen wollten.

»Bleibt immerhin sitzen, Mesch‘schurs!« sagte Old Death. »Wir werden euch nicht gefährlich, wenn wir auch seit heut früh fast gar nichts gegessen haben. Vielleicht könnt ihr uns sagen, ob man hier etwas Genießbares bekommen kann, was einem die liebe Verdauung nicht allzu sehr malträtiert?«

Der eine, den ich für den Vater des andern hielt, kniff das rechte Auge zusammen und antwortete lachend:

»Was das Verspeisen unserer werten Personen betrifft, Sir, so würden wir uns wohl ein wenig dagegen wehren. Übrigens seid Ihr ja der reine Old Death, und ich glaube nicht, daß Ihr den Vergleich mit ihm zu scheuen brauchtet.«

»Old Death? Wer ist denn das?« fragte mein Freund mit möglichst dummem Gesicht.

»Jedenfalls ein berühmteres Haus als Ihr, ein Westmann und Pfadfinder, der in jedem Monate seines Herumstreichens mehr durchgemacht hat, als tausend andere in ihrem ganzen Leben. Mein junge, der Will, hat ihn gesehen.«

Dieser »Junge« war vielleicht sechsundzwanzig Jahre alt, tief gebräunten Angesichtes, und machte den Eindruck, als ob er es gern und gut mit einem halben Dutzend anderer aufnehmen würde. Old Death betrachtete ihn von der Seite her und fragte:

»Der hat ihn gesehen? Wo denn?«

»Im Jahre Zweiundsechzig, droben im Arkansas, kurz vor der Schlacht bei Pea Ridge. Doch werdet Ihr von diesen Ereignissen wohl kaum etwas wissen.«

»Warum nicht? Bin oft im alten Arkansas gewandert und glaube, um die angegebene Zeit nicht weit von dort gewesen zu sein.«

»So? Zu wem habt Ihr Euch denn damals gehalten, wenn man fragen darf? Die Verhältnisse liegen jetzt und in unserer Gegend so, daß man die politische Farbe eines Mannes, mit welchem man an einem Tische sitzt, genau kennen muß.«

»Habt keine Sorge, Master! Ich vermute, daß Ihr es nicht mit den besiegten Sklavenzüchtern haltet, und bin vollständig Eurer Meinung. Daß ich übrigens nicht zu dieser Menschensorte gehöre, konntet Ihr daraus ersehen, daß ich deutsch spreche!«

»Seid uns willkommen. Aber irrt Euch nicht, Sir! Die deutsche Sprache ist ein trügerisches Erkennungszeichen. Es gibt im andern Lager auch Leute, welche mit unserer Muttersprache ganz leidlich umzugehen wissen und dies benutzen, um sich in unser Vertrauen einzuschleichen. Das habe ich zur Genüge erfahren. Doch wir sprachen von Arkansas und Old Death. Ihr wißt vielleicht, daß dieser Staat sich beim Ausbruche des Bürgerkrieges für die Union erklären wollte. Es kam aber unerwartet ganz anders. Viele tüchtige Männer, denen das Sklaventum und ganz besonders das Gebaren der Südbarone ein Greuel war, taten sich zusammen und erklärten sich gegen die Sezession. Aber der Mob, zu dem ich natürlich auch diese Barone rechne, bemächtigte sich schleunigst der öffentlichen Gewalt; die Verständigen wurden eingeschüchtert, und so fiel Arkansas dem Süden zu. Es verstand sich ganz von selbst, daß dies besonders unter den Einwohnern deutscher Abstammung eine große Erbitterung erweckte. Sie konnten aber vorderhand nichts dagegen tun und mußten es dulden, daß namentlich die nördliche Hälfte des schönen Landes unter den Folgen des Krieges außerordentlich zu leiden hatte. Ich wohnte in Missouri, in Poplar Bluff, nahe der Grenze von Arkansas. Mein Junge, der da vor Euch sitzt, war, wie sich ganz von selbst versteht, in eines der deutschen Regimenter getreten. Man wollte den Unionisten in Arkansas zu Hilfe kommen und schickte eine Abteilung zur Kundschaftung über die Grenze. Will war bei diesen Leuten. Sie trafen unversehens auf eine erdrückende Übermacht und wurden nach verteufelter Gegenwehr überwältigt.«

»Also kriegsgefangen? Das war damals freilich schlimm. Man weiß, wie die Südstaaten es mit ihren Gefangenen trieben, denn von hundert derselben starben mindestens achtzig an schlechter Behandlung. Aber direkt ging es doch nicht ans Leben?«

»Oho? Da seid Ihr gewaltig auf dem Holzwege. Die braven Kerle hatten sich wacker gehalten, alle ihre Munition verschossen und dann noch mit Kolben und Messer gearbeitet. Das ergab für die Sezessionisten gewaltige Verluste, und darüber erbost, entschlossen sie sich, die Gefangenen über die Klinge springen zu lassen. Will war mein einziger Sohn, und ich stand also ganz nahe daran, ein verwaister Vater zu werden, und daß ich es nicht wurde, habe ich nur Old Death zu verdanken.«

»Wie so, Master? Ihr macht mich außerordentlich neugierig. Hat dieser Pfadfinder etwa ein Streifkorps herbeigeführt, um die Gefangenen zu befreien?«

»Da wäre er zu spät gekommen, denn bevor solche Hilfe erscheinen konnte, wäre der Mord geschehen gewesen. Nein, er fing es als echter, richtiger und verwegener Westmann an. Er holte die Gefangenen ganz allein heraus.«

»Alle Wetter! Das wäre ein Streich!«

»Und was für einer! Er schlich sich in das Lager, auf dem Bauche, wie man Indianer beschleicht, eine List, die ihm durch einen Regen, welcher an jenem Abende in Strömen niederfiel und die Feuer auslöschte, erleichtert wurde. Daß dabei einige Vorposten sein Messer gefühlt haben, versteht sich ganz von selbst. Die Sezessionisten lagen in einer Farm, ein ganzes Bataillon. Die Offiziere hatten natürlich das Wohnhaus für sich behalten, und die Truppen waren untergebracht worden, wie es eben ging; die Gefangenen aber, über zwanzig an der Zahl, hatte man in die Zuckerpresse eingeschlossen. Dort wurden sie von vier Posten bewacht, je einer an jeder Seite des Gebäudes. Am nächsten Morgen sollten die armen Teufel füsiliert werden. Des Nachts, kurz nach der Ablösung der Posten, hörten sie ein außergewöhnliches Geräusch über sich, auf dem Dache, das nicht vom aufprasselnden Regen herrührte. Sie lauschten. Da krachte es plötzlich. Das aus langen, aus Weichholz geschleißten Schindeln bestehende Dach war aufgesprengt worden. Irgend jemand arbeitete das so entstandene Loch weiter, bis der Regen in die Presse fiel. Dann blieb es wohl über zehn Minuten lang still. Nach dieser Zeit aber wurde ein junger Baumstamm, an welchem sich noch die Aststummeln befanden, und der stark genug war, einen Menschen zu tragen, herabgelassen. An demselben stiegen die Gefangenen auf das Dach des niedrigen Gebäudes und von demselben zur Erde herab. Dort sahen sie die vier Posten, welche wohl nicht bloß geschlafen haben werden, regungslos liegen und nahmen ihnen augenblicklich die Waffen. Der Retter brachte die Befreiten mit großer Schlauheit aus dem Bereiche des Lagers und auf den nach der Grenze führenden Weg, den sie alle kannten. Erst hier erfuhren sie, daß es Old Death, der Pfadfinder sei, der sein Leben gewagt hatte, um ihnen das ihrige zu erhalten.«

»Ist er mit ihnen gegangen?« fragte Old Death.

»Nein. Er sagte, er habe noch Wichtiges zu tun, und eilte fort, in die finstere, regnerische Nacht hinein, ohne ihnen Zeit zu lassen, sich zu bedanken oder ihn sich anzusehen. Die Nacht war so dunkel, daß man das Gesicht eines Menschen nicht erkennen konnte. Will hat nichts bemerken können als nur die lange, hagere Gestalt. Aber gesprochen hat er mit ihm und weiß noch heute jedes Wort, welches der wackere Mann zu ihm sagte. Käme Old Death uns einmal in die Hände, so sollte er erfahren, daß wir Deutsche dankbare Menschen sind.«

»Das wird er wohl auch ohnedies wissen. Ich kalkuliere, daß Euer Sohn nicht der erste Deutsche ist, den dieser Mann getroffen hat. Aber, Sir, kennt Ihr vielleicht hier einen Master Lange aus Missouri?«

Der Andere horchte auf.

»Lange?« fragte er. »Warum fragt Ihr nach ihm?«

»Ich fürchte, daß wir hier im »Geier« keinen Platz mehr finden, und erkundigte mich bei dem Commissioner am Flusse nach einem Manne, der uns vielleicht ein Nachtlager geben werde. Er nannte uns Master Lange und riet uns, diesem zu sagen, daß der Commissioner uns zu ihm schicke. Dabei meinte er, daß wir den Gesuchten hier finden würden.«

Der ältere Mann richtete nochmals einen prüfenden Blick auf uns und sagte dann:

»Da hat er sehr recht gehabt, Sir, denn ich selbst bin Master Lange. Da der Commissioner Euch sendet, und ich Euch für ehrliche Leute halte, so seid Ihr mir willkommen, und ich will hoffen, daß ich mich nicht etwa in Euch täusche. Wer ist denn da Euer Gefährte, der noch gar kein Wort gesprochen hat?«

»Ein Landsmann von Euch, ein Sachse, gar ein studierter, der herübergekommen ist, um hier sein Glück zu machen.«

»O wehe! Die guten Leute da drüben denken, die gebratenen Tauben fliegen ihnen nur so in den Mund. Ich sage Euch, Sir, daß man hier hüben viel, viel härter arbeiten und bedeutend mehr Täuschungen erfahren muß, um es zu etwas zu bringen, als drüben. Doch nichts für ungut! Ich wünsche Euch Erfolg und heiße Euch willkommen.«

Er gab nun auch mir die Hand. Old Death drückte sie ihm noch einmal und sagte:

»Und wenn Ihr nun noch im Zweifel seid, ob wir Euer Vertrauen verdienen oder nicht, so will ich mich an Euern Sohn wenden, welcher mir bezeugen wird, daß ich kein Mißtrauen verdiene.«

»Mein Sohn, der Will?« fragte Lange erstaunt.

»Ja, er und kein anderer, Ihr sagtet, daß er sich mit Old Death unterhalten habe und noch jedes Wort genau wisse. Wollt Ihr mir wohl mitteilen, junger Mann, was da gesprochen worden ist? Ich interessiere mich sehr lebhaft dafür.«

Jetzt antwortete Will, an den die Frage gerichtet war, in lebhaftem Tone:

»Als Old Death uns auf den Weg brachte, schritt er voran. Ich hatte einen Streifschuß in den Arm bekommen, welcher mich sehr schmerzte, denn ich war nicht verbunden worden und der Ärmel war an der Wunde festgeklebt. Wir gingen durch ein Gebüsch. Old Death ließ einen starken Ast hinter sich schnellen, welcher meine Wunde traf. Das tat so weh, daß ich einen Schmerzensruf ausstieß, und —«

»Und da nannte der Pfadfinder Euch einen Esel!« fiel Old Death ein.

»Woher wißt Ihr das?« fragte Will erstaunt.

Der Alte fuhr, ohne zu antworten, fort:

»Darauf sagtet Ihr ihm, daß Ihr einen Schuß erhalten hättet, dessen Wunde entzündet sei, und er riet Euch, den Ärmel mit Wasser aufzuweichen und dann fleißig die Wunde mit dem Safte von Way-bread zu kühlen, wodurch der Brand verhütet werde.«

»Ja, so ist es! Wie könnt Ihr das wissen, Sir?« rief der junge Lange überrascht.

»Das fragt Ihr noch? Weil ich es selbst bin, der Euch diesen guten Rat gegeben hat. Euer Vater sagte vorhin, ich könne mich recht gut mit Old Death vergleichen. Nun, er hat sehr recht, denn ich gleiche dem alten Kerl freilich so genau, wie eine Ehefrau der Gattin gleicht.«

»So – so – so seid Ihr es selber?« rief Will erfreut, indem er von seinem Stuhle aufsprang und mit ausgebreiteten Armen auf Old Death zueilte; aber sein Vater hielt ihn zurück, zog ihn mit kräftiger Hand auf den Stuhl nieder und sagte:

»Halt, junge! Wenn es sich um eine Umarmung handelt, so hat der Vater das erste Recht und zunächst die Pflicht, deinem Retter die Vorderpranken um den Hals zu legen. Das wollen wir aber unterlassen, denn du weißt, wo wir uns befinden, und wie man auf uns achtet. Bleib also ruhig sitzen!« Und sich zu Old Death wendend, fuhr er fort: »Nehmt mir diesen Einspruch nicht übel, Sir! Ich habe meine guten Gründe dafür. Hier ist nämlich der Teufel los. Daß ich Euch dankbar bin, dürft Ihr mir glauben, aber gerade darum bin ich verpflichtet, alles zu vermeiden, was Euch in Gefahr bringen kann. Ihr seid, wie ich weiß und oft gehört habe, als Parteigänger der Abolitionisten bekannt. Ihr habt während des Krieges Coups ausgeführt, welche Euch berühmt gemacht, den Südländern aber großen Schaden gebracht haben. Ihr seid Heeresteilen des Nordens als Führer und Pfadfinder beigegeben gewesen und habt sie auf Wegen, auf welche sich kein Anderer gewagt hätte, in den Rücken der Feinde geführt. Wir haben Euch deshalb hoch geehrt; die Südländer aber nannten Euch und nennen Euch heut noch einen Spion. Ihr wißt wohl, wie jetzt die Sachen stehen. Geratet Ihr in eine Gesellschaft von Sezessionisten, so lauft Ihr Gefahr, aufgeknüpft zu werden.«

»Das weiß ich sehr wohl, Master Lange; ich mache mir aber nichts daraus,« entgegnete Old Death äußerst kühl. »Ich habe zwar keine Leidenschaft dafür, aufgehangen zu werden, aber man hat mir schon oft damit gedroht, ohne es wirklich fertig zu bringen. Erst heut‘ wollte eine Bande von Rowdies uns beide an den Schornstein des Dampfers hängen, auch sie sind nicht dazu gekommen.«