Читать книгу Im Lande des Mahdi III (Karl May) онлайн бесплатно на Bookz (6-ая страница книги)
bannerbanner
Im Lande des Mahdi III
Im Lande des Mahdi III
Оценить:
Im Lande des Mahdi III

4

Полная версия:

Im Lande des Mahdi III

Ich, eine Rede! Dieser Gedanke war ganz vortrefflich. Ja, die Gohk sollten eine Rede hören! Je toller, desto besser; denn je unsinniger ich mich gebärdete, desto tiefern Eindruck mußte ich hervorbringen. Ich trieb also meinen Ochsen, ohne lange zu überlegen, zum raschesten Laufe an, jagte zehn-, zwanzigmal um den Anführer der Gohk herum und stieß dabei das wilde, schrille Kriegsgeheul der Komantschen und Apatschen aus, welches ich in Amerika so oft gehört hatte, sprang aus dem Sattel, ließ dann den Ochsen laufen, wohin er wollte und blieb vor dem ganz entzückt beobachtenden schwarzen Anführer stehen, schlug die Arme empor und begann mit weithin schallender Donnerstimme:

»Festgemauert in der Erden Steht die Form aus Lehm gebrannt.

Heute muß die Glocke werden;

Frisch, Gesellen, seid zur Hand!«

So deklamierte, oder vielmehr schrie ich weiter, das ganze, lange Lied von der Glocke, bis zum Schlusse. 0 Schiller, du begeisterndster unter den Sängern, wäre es dir vergönnt gewesen, mich zu hören, so wärest du endlich, endlich einmal zu der Ueberzeugung gekommen, daß ich der einzige Sterbliche bin, der dich richtig verstanden hat und deine herrliche Dichtung durch die nötigen Kehl- und Gaumentöne aufs unvergleichlichste wiederzugeben vermag!

Ich blieb während der Deklamation keineswegs stehen, sondern ich sprang hin und her, warf bald das eine, bald das andere Bein empor, kauerte mich nieder, schnellte wieder auf, drehte mich wie ein Kreisel um mich selbst, raffte, als ich die letzten Zeilen »Freude dieser Stadt bedeute; Friede sei ihr erst Geläute« in das Weltall hineingeschrieen hatte, mein Gewehr wieder auf, rannte zu meinem Ochsen, welcher unfern stehen geblieben war, sprang auf seinen Rücken und jagte ihn, das vorhin erwähnte Kriegsgeheul wieder ausstoßend in wildem Laufe zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Parteien einige Male hin und her, worauf ich endlich wieder an meinen erst eingenommenen Platz zurückkehrte.

Was nun erfolgte, ist ganz unbeschreiblich. Erst tiefe, lautlose Stille; dann heulte mein geistesgegenwärtiger, schwarzer Adjutant mir zu. Das brachte die Stimmen aller gegenwärtigen Schwarzen, Braunen, Gelben und Weißen in Aufruhr. Und was für Stimmen waren das! Was ist der Föhn, der Sirocco, der Samum, der nordamerikanische Blizzard, ja was ist selbst die rasende, hochasiatische Wjuga gegen den Sturm, welcher sich nun erhob! Wer eine Stimme hatte, und die hatte doch ein jeder, ließ dieselbe hören, als ob er hundert Stimmen hätte. Wäre die ganze Hölle losgewesen, vor diesem Lärm hätte sie sich augenblicklich wieder verkrochen. Die ganze, bisherige Ordnung war mit einem Male aufgelöst. Das Entzücken trieb jeden von seinem Platze. Unsere Reiter warfen sich von ihren Tieren. Alles, alles, Körper, Arme, Beine, Köpfe schwebten, glitten, tanzten, sprangen und flogen in tollem Wirrwarr auf dem Platze herum und hin und her. Unsere sonst so einsichtsvollen Ochsen erschraken darüber und kniffen brüllend aus. Kurz und gut, ich hatte einen so unbeschreiblichen Erfolg, daß es mir selbst heute, wenn ich daran denke, angst und bange wird; denn hatte ich mich vorhin wie wahnsinnig gebärdet, so thaten dies meine Zuhörer noch viel mehr. Sie glichen wirklich Tollen; selbst die verständigsten unserer Asaker wurden angesteckt, und auch Ben Nil tanzte und jubelte mit, als ob er es bezahlt bekäme.

Ein einziger nur war es außer mir, der ruhig blieb, nämlich der Reis Effendina. Er kam zu mir, um mir kopfschüttelnd zu sagen:

»Glaubst du, Effendi, daß ich beinahe dachte, du seist übergeschnappt? Was fiel dir ein? Du, der bedächtigste und ruhigste von uns allen, gebärdest dich ganz plötzlich wie einer, der den Verstand verloren hat! Was sollte ich da denken! Ich wäre am liebsten gleich auf und davon gerannt!«

»So hat meine Leistung also deinen Beifall nicht?« fragte ich lachend.

»Nein, ganz und gar nicht! Du hast unsere Würde geschädigt. Für was für Menschen müssen diese Schwarzen uns halten!«

»Für ganz tüchtige Kerle; darauf kannst du dich verlassen! Wenn man die Menschen nimmt, wie sie sind, wird man nie bei ihnen anstoßen, sondern vielmehr Anerkennung finden. Ich denke, daß du dich für mein Auftreten noch bei mir bedanken wirst.«

»Schwerlich! Ich bin der Vertreter des Vicekönigs, dessen Ansehen durch solche Tollheiten leiden muß.«

»Ich habe freilich nicht an das Ansehen des Vicekönigs, sondern zunächst daran gedacht, uns hier ein solches zu verschaffen. Die Folge wird zeigen, ob der Khedive durch mein Verhalten seinen Thron verliert oder nicht. Willst du tadeln, so prüfe erst.«

»Aber du mußt doch unbedingt zugeben, daß meine Rede viel würdiger war als die deinige!«

»In meinen Augen, ja. Aber hast du sie denn mir gehalten?«

»Den Gohk natürlich.«

»So sind sie es, welche zu entscheiden haben. Es fragt sich, wessen Rede nicht uns beiden, sondern ihnen besser gefallen hat. Eigentlich haben sie durch ihren Beifall die Antwort auf diese Frage schon gegeben.«

Diese Antwort sollte gleich auch in noch anderer Weise kommen. Der Häuptling der Gohk war ebenso wie jeder seiner Untergebenen mit herumgesprungen; jetzt entfernte er sich aus dem Gewühl und hielt eine Art Banner empor, welches aus einer Stange bestand, an welche ein graues Affenfell befestigt war. Dies war das Zeichen zum sammeln, denn als die Seinen es erblickten, löste sich der Wirrwarr, und jeder begab sich an den von ihm eingenommenen Platz. Der Anführer hielt eine kurze Beratung mit einigen Männern, welche nach unsern Begriffen wohl als Gemeinderäte zu bezeichnen waren. Dann schritt er mit ihnen auf den Häuptling der Bor zu, welcher sich auch wieder auf seinem vorigen Platze befand, denn auch unsere Leute hatten ihre frühere Stellung jetzt wieder eingenommen. Er sprach längere Zeit mit ihm, jedenfalls von dem Reis Effendina und mir, da sein Auge uns immer wieder aufsuchte. Darauf kam er auf uns beide zu, verneigte sich vor dem Reis Effendina und sagte zu diesem, natürlich durch den Dolmetscher:

»Herr, ich habe vernommen, was euch zu uns führt. Ihr seid gekommen, uns aus einer großen Gefahr zu erretten. Wir werden noch weiter über dieselbe sprechen und über die Art und Weise, in welcher sie abzuwenden ist. Vor allen Dingen heißen wir euch willkommen. Ich höre, daß du ein Liebling des Vicekönigs bist. Zwar sind wir demselben nicht unterthan, denn wir sind freie Gohk vom großen Volke der Djangeh; aber du wirst bei uns geachtet sein, wie du daheim geachtet wirst, Sei unser Gast, und bleibe, solange es dir bei uns gefällt!«

Dann wendete er sich mit folgenden Worten an mich:

»Herr, der Häuptling der Bor, welche unsere Brüder sind, erfuhr von deinen Thaten und hat mir einige in Kürze mitgeteilt. Du kommst aus einem Lande, in welchem lauter berühmte Männer wohnen. Du bläsest deine Feinde von dir wie Staub, und niemand kann dich je besiegen. Auch hörte und sah ich dich sprechen, wie ich noch keinen reden sah und hörte. Wer deine Stimme hört, wird wie von Merissah[2] begeistert, und die Bewegungen deiner Arme und Beine zeugen von der Wahrheit deiner Worte. Sollte je ein Mensch deinem Messer widerstehen, so wirst du ihn durch deine Rede besiegen. Darum bist nur du der Mann, der uns zu retten vermag. Ibn Asl ist der größte Teufel unter den Sklavenjägern, und seine Leute sind wie böse Geister, vor denen es keine Rettung giebt. Wir vermöchten ihm und ihnen nicht zu widerstehen; aber da du dich bei uns befindest, brauchen wir keine Sorge zu haben, denn du allein bist soviel wie hundert meiner Krieger. Ich werde meine Leute ausrüsten und sie unter deinen Befehl stellen. Sage mir, ob du ihr Anführer sein willst!«

Das war nun freilich im Superlativ gesprochen. Nach den Worten dieses guten Schwarzen zu urteilen, hätte ich ja wirklich die Bezeichnung, welche Selim so oft unrechtmäßigerweise für sich in Anspruch nahm, mit vollem Rechte verdient und wäre der »größte Held des Weltalls« gewesen. Also General en chef sollte ich werden? Nun, ich hatte keinen Grund, diese Würde von mir zu weisen. Wenn ich sie annahm, so war ich wenigstens sicher, daß in der Leitung keine groben Fehler gemacht wurden, und so erklärte ich denn dem Häuptlinge, daß ich bereit sei, auf seinen Vorschlag einzugehen.

Als er diese Antwort seinen Leuten verkündigte, erhob sich ringsum ein lautes Jubelgeschrei, und es wurde abermals eine Phantasie ins Werk gesetzt, welche darin bestand, daß alles, was Beine hatte, im Kreise um mich zu tanzen begann. Sodann wurden wir eingeladen, mit hinauf in das Dorf zu kommen. Die Schwarzen stellten sich in Reih und Glied, nahmen uns in die Mitte, worauf sich der Zug in Bewegung setzte und sich auf demselben Wege bergaufwärts bewegte, auf welchem die Schwarzen uns vorher entgegengekommen waren. ich ritt dabei neben dem Emir, aber nur wenige Schritte; dann machte sich mein famoser Brillenträger an meine andere Seite, und es war geradezu spaßhaft, die stolze Haltung, welcher er sich dabei befleißigte, zu beobachten. Der ganze Abglanz derjenigen Hoheit, welche er mir beilegte, schimmerte auf seinem Gesichte.

Auf der Höhe des Berges angekommen, sahen wir erst, welchen Umfang derselbe hatte. Wir befanden uns auf einem ebenen Plateau, welches auf den andern drei Seiten so steil abfiel, daß es nur auf derjenigen, von welcher wir gekommen waren, erstiegen werden konnte. Die Verteidigungsverhältnisse dieses Ortes waren also sehr gute. Das Dorf nahm ungefähr die Hälfte des Plateaus ein und bestand aus lauter runden Hütten von der Art, wie ich sie wiederholt beschrieben habe, und war von einem hohen, sehr dichten Dorngestrüpp umgeben. Die Fläche außerhalb des Dorfes war mit kurzem Grase bewachsen. Es gab da mehrere Einzäunungen, um die Herden des Nachts und zur Zeit eines Ueberfalles in Sicherheit zu bringen.

Der Eingang der Dornumfassung war geöffnet. Wir stiegen da von unseren Tieren, welche auf die Grasweide getrieben wurden, und zogen in das Dorf ein, festlich empfangen von allen denjenigen Bewohnern, welche vorher aus irgend einem Grunde hatten zurückbleiben müssen. Die größte der Hütten wurde für den Reis Effendina und mich bestimmt; alle andern wurden einzeln bei den Dorfbewohnern einquartiert. Dann schlachtete man mehrere Ochsen und brannte Feuer an, um das Fleisch derselben zu braten. Ich hatte nicht die Absicht, in der Hütte zu wohnen; die »wibbelnde« und »kribbelnde«, stechende und beißende Bevölkerung solcher Logements pflegt so zutraulich zu sein, daß ich es für geratener hielt, selbst des Nachts im Freien zu bleiben.

Zunächst unternahm ich mit dem Emir, dem Häuptling und dem Dolmetscher einen Gang durch und um das Dorf, um die Oertlichkeiten in Beziehung auf ihre Verteidigungsfähigkeit zu prüfen. Ich fand, daß ein momentaner Angriff leicht abzuschlagen war; anders aber stand es im Falle einer Belagerung. Es gab nämlich hier oben kein Wasser; dieses mußte vielmehr aus dem kleinen Flüßchen, welches unten den bereits erwähnten See speiste, heraufgeholt werden. Ein längere Zeit reichender Vorrat konnte unmöglich im Dorfe aufbewahrt werden, denn erstens mangelte es an den hierzu nötigen Gefäßen und Behältern, und zweitens war bei der hier herrschenden Hitze die Verdunstung eine so bedeutende, daß gar nicht daran gedacht werden konnte, uns von Ibn Asl auf dem Berge einschließen zu lassen. Er hätte unten am Flusse Wasser in Hülle und Fülle gehabt und sicher darauf rechnen können, daß der Durst uns bald zur Uebergabe zwingen würde. Um ihn nicht in diesen Vor- und uns in diesen Nachteil zu bringen, war es notwendig, unsere Stellung weiter vorzuschieben, ihn gar nicht an den See, an den Fluß zu lassen. Es galt, ihn an einem Orte zu empfangen, welcher uns die Aussicht bot, ihn ohne große Verluste und schnell zu überwältigen. Da wir ihn aus Südost erwarteten, mußte dieser Ort in dieser Richtung von dem Dorfe liegen. Es war also nötig, zu rekognoszieren, um ein passendes Terrain aufzufinden. Dazu aber hatten wir heute keine Zeit, da es eine Beleidigung für die Gohk gewesen wäre, wenn ich mich ihrer Gastlichkeit entzogen hätte.

Diese Angelegenheit war übrigens keine dringende, da wir Ibn Asl jetzt noch nicht zu erwarten hatten. Wir waren, seit wir seinen Boten ergriffen hatten, neun Tage unterwegs gewesen, während er bis Aguda acht und dann bis Wagunda zwölf, in Summa also zwanzig Tage zuzubringen gedacht hatte. Aus diesem Grunde stand zu vermuten, daß er von heute an in zehn oder elf Tagen ankommen werde, eine genügend lange Zeit, ihm einen niederschmetternden Empfang und seinem Treiben ein für allemal ein Ende zu bereiten. Die Pflichten eines Generalissimus verhinderten mich also nicht, die Freundschaftsbeweise der Gohk heute über mich ergehen zu lassen.

»Ueber mich ergehen zu lassen!« Ja, das ist der richtige Ausdruck für das, was ich bezeichnen will, denn ich war bei dieser Sache der wahrhaft Leidende, nicht aber der Thätige. Meine einzige Aktivität bestand im Kauen, im immerwährenden Verschlingen des Fleisches und der säuerlichen Merissah, welche mir fast buchstäblich immer und immer wieder eingezwungen wurde. 0 Allah, wieviel so ein Neger zu essen und zu trinken vermag! Und da er wohl weiß, daß der Weiße hoch über ihm steht, so erwartet er von diesem unbedingt eine ebenso überlegene Magenweite und Verdauungsfähigkeit. Ich mußte aus Höflichkeit bis an die fernste Grenze meines Leistungsvermögens gehen und hatte infolgedessen, als ich mich nach Mitternacht vor dem Dorfe ins Gras niederstreckte, das Gefühl, daß ich im Leben niemals wieder zu essen brauchen werde. Ich fiel trotz des Lärmes, welcher noch im Dorfe herrschte, sofort in tiefen Schlaf und erwachte aus demselben erst dann, als die Sonne so hoch stand, daß ihre stechenden Strahlen mich weckten. Als ich durch die Umzäunung das Dorf betrat, sah ich – —die Neger und auch unsere Asaker schon wieder beim Essen sitzen. Der Leistungsfähigste von ihnen allen schien mein langer Selim zu sein, denn als er mich erblickte, rief er mir zu:

»Effendi, wie schön ist‘s hier! Hier bleibe ich für alle meine Tage. Ich habe gar nicht geschlafen, sondern immerfort gegessen und erzählt. Und diese lieben, guten Leute, welchen Allah tausend Jahre schenken möge, haben auch fortwährend gegessen und mir zugehört. Setz‘ dich her zu uns, und iß! Ich habe hier ein Rippenstück, dessen Saftigkeit alle Genüsse der Erde überstrahlt.«

Er hielt mir das Stück mit beiden Händen entgegen und drückte es, um mir die Wahrheit seiner Worte zu beweisen, so, daß der Saft ihm von den Fingern tropfte. Ich dankte natürlich und ging weiter, um den Reis Effendina aufzusuchen, welcher in der uns zugewiesenen Hütte saß und den Häuptling der Gohk als lieben Besuch vor sich hocken hatte. Soll ich verraten, was der letztere that? Er aß! Als ich eintrat, hatte er eben einen Wirbelknochen, von welchem er mit seinem elfenbeinernen Gebisse das Fleisch abschabte, vor dem Munde. Bei beiden, doch in der ehrerbietigen Entfernung von einigen Schritten, standen zwei junge Neger, welche zu meinem Erstaunen – – nicht aßen, obgleich der Häuptling soviel Braten vor sich liegen hatte, daß zehn Männer meiner Konstitution sich damit vollständig hätten sättigen können. Der Emir deutete, nachdem ich ihn begrüßt hatte, auf diese beiden und sagte:

»Diese Jünglinge werden uns von großem Nutzen sein. Sie stammen aus diesem Dorfe und kehren zufälligerweise gerade jetzt von einem zweijährigen Aufenthalte drüben in Hasab Allaba am Gasellenflusse zurück. Sie sind als Asaker dort gewesen und haben das Arabische soweit gelernt, daß sie uns als Dolmetscher dienen können.«

Diese Mitteilung erfreute mich, da es mir nun möglich war, mich freier zu bewegen. Ich bat den Häuptling, mir einen dieser Dolmetscher zur unausgesetzten Hilfe zuzuweisen, was er auch sofort that. Dann erklärte ich dem Reis Effendina, daß und warum es nötig sei, schon heute einen Ritt zu unternehmen, um die südöstliche Gegend kennen zu lernen, und fragte ihn, ob er mich begleiten wolle. Er lehnte ab. Wie ich später wohl bemerkte, geschah dies aus einer Art von Eifersucht. Er fühlte sich dadurch zurückgesetzt, daß gestern nicht ihm, sondern mir der Befehl über die Krieger der Gohk übertragen worden war. Verletztes Ehrgefühl kann leicht die beste Freundschaft in das Gegenteil verwandeln.

Nur der Dolmetscher und mein treuer Ben Nil sollten mich auf dem erwähnten Ritte begleiten. Der Brillenjüngling wollte mit; ich gestattete es ihm nicht. Auch Selim meldete sich. Er hatte soviel gegessen, daß er nicht gerade stehen, viel weniger noch auf einem Ochsen reiten konnte. Davon auch abgesehen, hätte ich ihn nicht mitgenommen, denn dieser Unglücksvogel wäre mir noch hinderlicher als jeder andere gewesen und hätte mich durch seine Dummheiten nur in Schaden bringen können.

Mein junger Dolmetscher war ein sehr brauchbarer Mann. Er sprach zwar nur das sogenannte Bahr-Arabisch, doch verstanden wir uns leidlich, da ich mich bemühte, meine Ausdrücke demselben anzubequemen. Vor allen Dingen war ihm die Gegend, um welche es sich handelte, genau bekannt. Er war früher mit seinem Vater einige Male drüben in Aguda, von woher wir Ibn Asl erwarteten, gewesen und konnte meine Fragen zur Zufriedenheit beantworten. Er beschrieb mir genau die Route, welche Ihn Asl von Aguda nach Wagunda einzuschlagen hatte. Infolge seiner Erklärungen und meiner Rekognoszierung, von welcher wir erst am Abende zurückkehrten, entwarf ich einen Plan, von welchem ich mit Sicherheit erwartete, daß er Ibn Asl und alle seine Asaker ohne großes Blutvergießen in unsere Hände liefern werde.

Wagunda liegt in der Nähe des obern Tonj-Flusses, da, wo dieser sich in die beiden Arme teilt, aus denen er entspringt. Der eine ist gerade nördlich nach Awek gerichtet, während der andere aus Südosten kommt. Beide bilden einen stumpfen Winkel, in dessen offene Arme Ibn Asl laufen mußte; beide fließen durch sumpfiges Land, welches in der Nähe der Ufer geradezu ungangbar ist. Ueber den Südarm ist aus diesem Grunde nicht zu kommen, und der Nordarm bietet nur eine einzige Stelle, an welcher der Boden so fest ist, daß man sich ihm nähern und ihn überschreiten oder, je nach der Jahreszeit, durchschwimmen kann. Nach dieser Stelle mußte Ibn Asl, um nach Wagunda zu kommen, seinen Marsch unbedingt richten. Mein Plan war nun folgender:

Die Furt mußte auf beiden Seiten des Flusses mit genügender Mannschaft besetzt werden. Die Abteilung jenseits des Flusses hatte sich zu verstecken, bis Ibn Asl an ihr vorübergezogen war und den Fluß erreicht hatte. Folgte sie ihm dann, so hatte er sie im Rücken, rechts und links den Sumpf und vor sich die Furt. Von ihr ins Wasser getrieben, mußte er das diesseitige Ufer zu erreichen suchen, an welchem ihn die andere Abteilung zu erwarten hatte. So stak er im Wasser, hatte vor und hinter sich Sumpf und Feinde und war aller Voraussetzung nach gezwungen, sich ohne Gegenwehr zu ergeben. Dabei rechnete ich auf die Djangeh-Krieger, welche bei ihm waren und deren Häuptling sich bei uns befand. Rief dieser ihnen von weitem zu, daß sie von Ibn Asl betrogen worden seien und zu uns übergehen sollten, so thaten sie dies sicher, und er war dann mit seinen wenigen Asakern so ohnmächtig, daß es Wahnsinn von ihm gewesen wäre, sich zur Wehr zu setzen. Um des Gelingens vollständig sicher zu sein, nahm ich mir vor, an der Furt einige Gräben und Verhaue anzulegen, in und hinter denen wir sicheren Schutz vor feindlichen Kugeln finden würden.

Mit diesem Plane kehrte ich heim und rief sofort nach meiner Ankunft eine Art Kriegsrat zusammen, welcher aus dem Reis Effendina, den Häuptlingen der Djangeh, Bor und Gohk und mir bestand. Als ich mit Hilfe des Dolmetschers meine Absicht vorgetragen und begründet hatte, trat zu meinem Erstaunen ein Schweigen ein, welches mich stutzig machen mußte. Die drei Häuptlinge sahen sich untereinander an, richteten ihre Augen auf den Reis Effendina und senkten dann die Blicke vor sich nieder. Es war klar, sie wagten nicht, mir beizustimmen. Hatte der Reis ihnen Grund gegeben, sich so schüchtern zu verhalten? Ich richtete also an diesen die Aufforderung, sein Gutachten auszusprechen.

»Das sollst du hören,« antwortete er mir. »Bist du Offizier, Effendi?«

»Nein.«

»Nun, ich bin einer, und zwar als Reis Effendina einer von nicht gewöhnlichem Range; das weißt du ja. Daraus magst du ermessen, wer von uns beiden, du oder ich, befähigt ist, einen Kriegsplan zu entwerfen. Zwar hat der Häuptling der Gohk dir das Kommando übergeben; das kann er in Beziehung auf seine Leute thun; aber meinst du, daß ich dem Oberbefehle über die andern alle, die mit uns gekommen sind, entsage?«

Er sprach in einem geradezu unfreundlichem Tone; er war eifersüchtig auf mich geworden; er fühlte sich beleidigt. Ich hatte ihm manchen Dienst erwiesen und durfte wohl auf seine Dankbarkeit rechnen; also war eigentlich ich es, welcher Grund hatte, sich gekränkt zu zeigen. Ich that dies nicht, sondern antwortete in meiner gewöhnlich ruhig freundlichen Weise:

»Wie kommst du zu dieser Frage? Habe ich dich aufgefordert, deinen Rechten zu entsagen? Als der Häuptling mich bat, der Anführer zu sein, hast du zu meiner Antwort geschwiegen, und ich durfte also annehmen, daß du einverstanden seist. Da ich jetzt höre, daß dies nicht der Fall ist, so bin ich gern bereit, mein Versprechen zurückzunehmen. Ich bin ein Abendländer, und es kann mir sehr gleichgültig sein, was hier im Sudan geschieht. Was ich gethan und vorgeschlagen habe, habe ich zu eurem Wohle gethan und gesprochen. Gefällt euch mein Plan nicht, nun, so habt ihr ja das Recht, ihn zurückzuweisen. Sinnt euch einen andern, bessern aus! Ist es euch dann recht, über denselben mein Urteil zu hören, so sollt ihr es haben. Wollt ihr aber ohne den Einfluß eines Fremden handeln, so wird es mir gar nicht einfallen, mich beleidigt zu fühlen. Ich bin gar nicht lüstern darnach, Anführer zu sein oder durch Vorlegung eines Planes Verantwortung auf mich zu laden; aber aus Interesse an der Sache und aus Freundschaft für dich, bitte ich, in euren Reihen kämpfen zu dürfen, falls es zum Kampfe kommen sollte.«

Ich erwartete, daß diese Worte ihn umstimmen würden, hatte mich aber getäuscht, denn er meinte in ganz gereiztem Tone:

»Du hast sehr richtig gesprochen. Du bist ein Fremdling, und unsere Angelegenheiten gehen dich eigentlich nichts an. Du hast durch deinen gestrigen Tanz diese guten Leute verwirrt; heute aber sind sie zur Ansicht gekommen, daß mein Verhalten ein würdigeres war, und der Häuptling der Gohk hat den Oberbefehl über seine Krieger dir entzogen und mir übergeben. Dagegen, daß du mit uns kämpfest, wird kein Mensch etwas haben.«

»Das befriedigt mich. Wie aber steht es mit deinem Plane? Darf ich ihn hören?«

»Hören? Ja. Aber etwaige Einwendungen werden an demselben gar nichts ändern. Er ist ebenso einfach, wie er untrüglich zum Ziele führt.«

»So bitte, sprich!«

»Er gleicht dem deinigen, wie ein Haar dem andern. Du willst den Ibn Asl in den Fluß, ich hingegen will ihn in den See werfen.«

»In den See da unten am Berge?«

»Ja. Wir haben das viel bequemer. Infolge deines Planes müßten wir einen weiten Marsch nach dem Flusse machen und dort in den Sümpfen kampieren; der meinige erlaubt uns, hier zu bleiben. Wir verstecken uns hier oben. Ibn Asl hat keine Ahnung davon, daß wir uns hier befinden, daß die Gohk gewarnt worden sind. Er wird kommen und sich natürlich zwischen dem Berge und dem See aufstellen. Sobald er das gethan hat, stürmen wir hinab und drängen ihn in das Wasser.«

»Das klingt allerdings verlockend, will aber dennoch überlegt sein. Draußen an der Furt ist der Feind so von uns, dem Sumpfe und dem Wasser umgeben, daß er nach keiner Seite ausbrechen kann und Rettung einzig nur darin findet, daß er sich ergiebt. Hier aber hat er euch vor sich, den See hinter sich und zu beiden Seiten offenes Land; er kann also, selbst wenn es euch gelingt, ihn zu schlagen, entweichen. Jedenfalls fließt Blut, viel Blut. Dein Trachten muß darauf stehen, vor allen Dingen Ibn Asl persönlich in die Hände zu bekommen; ich glaube aber, wetten zu können, daß – —«

»Gieb dir keine Mühe!« unterbrach er mich, »du bist stark, tapfer und listig, aber doch kein Offizier; deine Kugel fehlt nie ihr Ziel, aber von der Strategie verstehst du nichts; das habe ich wiederholt erfahren. Mein Plan ist gut und wird ausgeführt. Die Erlaubnis, mitzukämpfen, sollst du haben, natürlich unter der Voraussetzung, daß du zu gehorchen weißt!«

Das war ganz im Tone eines Vorgesetzten zu seinem Untergebenen gesprochen. Wie oft hatte ich die Fehler seiner Leute, sogar seine eigenen, gut gemacht, und jetzt wollte er wiederholt erfahren haben, daß ich nichts von Strategie verstand! Ja gewiß, ein Stratege war und bin ich nicht im mindesten; aber Ibn Asl zu fangen, dazu glaubte ich ebensoviel Geschick wie er zu haben. Seine letzten Worte waren geradezu grob; darum stand ich auf und sagte, jedoch im ruhigsten Tone:

bannerbanner