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Im Lande des Mahdi III
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Im Lande des Mahdi III

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Diese Drohung machte er gewiß wahr, und da es auf keinen Fall ein Vergnügen ist, einen Tag oder gar noch länger einen Knebel im Munde zu haben, so nahm ich mir vor, ihn nicht wieder auf diese Weise zu reizen.

Bald erreichten wir den erwähnten Wald. Es war ziemlich düster in demselben, denn die Bäume standen dicht, und der Nachmittag ging zu Ende. Es dauerte eine halbe Stunde, bis wir ihn durchquert hatten; dann gelangten wir wieder auf offenes Land. Nach einer Viertelstunde brach der Abend herein; unser Zug blieb trotzdem in Bewegung, bis es vielleicht acht Uhr geworden war. Da hielten wir an, weil wir auf die Kundschafter gestoßen waren, welche uns hier erwartet hatten. Ich schloß daraus, daß wir uns in der Nähe des Dorfes Foguda, welches zerstört werden sollte, befanden.

Noch leuchteten die Sterne nicht in der Weise, daß ich weit genug hätte sehen können, um zu erfahren, welcher Art die Gegend war, in welcher wir uns befanden. Doch bemerkte ich wenigstens soviel, daß wir uns zwischen Büschen lagerten, welche den Sklavenjägern ein gutes Versteck gewährten.

Wir drei Gefangenen wurden von den Sätteln losgebunden. Dafür aber fesselte man uns die Füße wieder. Wir waren also gezwungen, uns zu legen, was uns große Unbequemlichkeiten verursachte, da es niemanden einfiel, uns die Schebahs abzunehmen. Außerdem ließen sich drei Männer bei uns nieder, welche uns zu bewachen hatten.

Das Thun und Treiben um uns her war ein sehr reges und doch beinahe geräuschloses. Man pflockte die Ochsen an oder band sie an die Sträucher fest. Feuer wurden nicht angezündet, doch sagte mir der Klang der Waffen und das Klirren der Ketten, daß man sich auf den Ueberfall des Dorfes vorbereite.

Ich zermarterte mir das Gehirn mit der Frage, ob es nicht möglich sei, die armen Schwarzen zu retten, sie wenigstens zu warnen. Hin zu ihnen konnte ich nicht; aber vielleicht war das Dorf so nahe, daß die Bewohner desselben meinen Warnungsruf zu hören vermochten. Ich wollte schreien, sagte mir dabei aber freilich, daß ich mein Leben auf das Spiel setze. Ein einziges Menschenleben gegen dasjenige so vieler! Hätte ich nur gewußt, daß ich den beabsichtigten Erfolg wirklich erreichen würde, dann hätte ich mein Leben gern in die Schanze geschlagen. Doch hing ja an demselben noch mehr, viel mehr. Ich wollte doch die Gohk in Wagunda retten, und mit diesen den Reis Effendina mit seinen Scharen. Dies war mir aber nicht möglich, wenn ich hier ermordet wurde. Was also thun?

Diese Gedanken und Erwägungen peinigten mich. Ich bemerkte, daß die Djangeh abzogen; ihnen folgten kurze Zeit später die weißen Asaker. Nur einige von diesen letzteren blieben, unsere drei Wächter ausgenommen, zur Beaufsichtigung der Ochsen zurück. Die Zeit drängte. Meine Angst um das bedrohte Dorf wuchs von Minute zu Minute. Hätte ich nur eine Hand, eine einzige, frei gehabt! Ich versuchte zwar in der Dunkelheit, die Schellen abzustreifen, aber es gelang mir nicht. Meine Hände waren infolge der Tageshitze und des beschwerlichen Marsches so schweißig, so geschwollen, daß alle meine Bemühungen vergeblich blieben.

Ungefähr eine Viertelstunde nach dem Abmarsche der Sklavenjäger hatte meine innere Unruhe einen solchen Grad erreicht, daß ich es nicht länger aushalten konnte. Ich mußte warnen, mochte darauf mit mir geschehen, was da wolle. Ich legte also die Hände hohl an den Mund, holte tief Atem, um meinem Rufe die nötige Stärke und Länge geben zu können, und stieß jenes Geheul aus, mit welchem wilde Völkerschaften ihre kriegerischen Angriffe zu begleiten pflegen. Ich that das zwei, drei Male hintereinander, ohne daß unsere Wächter mich daran hinderten. Einer von ihnen stieß ein höhnisches Gelächter aus und sagte:

»Dummkopf! Meinst du, daß Ibn Asl sich nicht vorgesehen hat? Er kennt dich. Er dachte daran, daß du so albern sein werdest, die schwarzen Hunde warnen zu wollen. Darum hat er hier halten lassen. Von hier bis zum Dorfe hat man fast eine Stunde zu gehen. Also schrei in Allahs Namen, wenn es dir Vergnügen macht! Ich gönne es dir, da es das letzte Vergnügen ist, welches du erlebst.«

Beinahe schämte ich mich. Und doch war ich froh, daß mein Beginnen keine schlimmeren Folgen hatte. Zu retten war Foguda also nicht; aber ich hatte meine Pflicht gethan und konnte in dieser Beziehung also ruhig sein. Nicht so in Beziehung auf die unglücklichen Menschen, denen jetzt das Verderben heimlich nahte. Ich lag wie im Fieber. Eine Viertelstunde nach der andern verging. Nach dem Stande der Sterne, welche jetzt heller leuchteten, mochte es zwischen zehn und elf Uhr sein; da begann der Himmel im Süden sich zu röten.

»Hamdulillah, es geht los!« meinte der vorige Sprecher in freudigem Tone. »Die Ratten werden ausgeräuchert.«

»Wollt ihr sie verbrennen?« fragte ich entsetzt.

»Verbrennen?« lachte er. »So weißt du also nicht, wie es bei einer Sklavenjagd zugeht?«

»Ich bin kein Menschenjäger.«

»So werde ich es dir beschreiben.«

»Schweig! Ich mag nichts hören.«

»Du mußt es hören. Du hast mir nicht Schweigen zu gebieten. Wenn ich sprechen will, so spreche ich, und dabei ist es meine Sache, wovon ich reden will. Gerade weil ich weiß, daß es dich quält und peinigt, werde ich dir sagen, wie man es macht, wenn man Sklaven fangen will.«

Ich gab ihm natürlich keine Antwort. Er fuhr fort:

»Du weißt, daß alle diese Negerdörfer von hohen Stachelzäunen umgeben sind. Die Dornen sind meist vertrocknet und brennen außerordentlich gut. Sobald man am Abende das Dorf umzingelt hat, brennt man den Zaun an verschiedenen Stellen an. In der Zeit von einigen Minuten brennt er überall; die Funken fliegen auf die Negerhütten, deren Dächer aus Schilf bestehen und sofort auch in Brand geraten. Die Schwarzen erwachen und wollen sich retten. Die kleinen Kinder und die Alten sind zu schwach dazu; sie müssen verbrennen. Den Starken aber, und gerade diese sind es, die man haben will, gelingt es, in kräftigen Sprüngen durch den brennenden Zaun zu brechen. Draußen ist es dunkel; sie sind geblendet und sehen nicht, wen und was sie vor sich haben; sie werden ergriffen und gefesselt. Wer von ihnen sich wehrt, wird niedergestochen, erschossen oder erschlagen!«

»Schweig mit deiner Beschreibung!« sagte Ben Nil. »Ihr seid keine Menschen, sondern wahre Teufel!«

»Da hast du recht,« lachte der andere. »Daß wir Teufel sind, werdet auch ihr sehr bald erfahren. Euch wird es noch viel schlimmer ergehen als den Negern, die wir soeben fangen. Sie haben nicht zu klagen. Wird einer erschossen, erschlagen, oder ins Feuer geworfen, so ist er schnell tot. Und wer Sklave wird, der braucht nicht mehr zu sorgen, denn sein Herr sorgt für ihn.«

»Ins Feuer geworfen?« fragte Ben Nil entsetzt. »Kommt das auch vor?«

»Sehr häufig! Alte Weiber mit kleinen Kindern, denen es gelungen ist, sich aus dem Brande zu retten, treibt man einfach in das Feuer zurück. Wer unter fünf und über dreißig Jahre alt ist, den können wir nicht brauchen, da niemand einen solchen Sklaven kauft. Und indem man solche unbrauchbare Schwarze in das Feuer zurücktreibt, erspart man das Pulver, welches sie nicht wert sind.«

In dieser Weise sprach der Kerl weiter und weiter. Ich konnte ihn nicht zum Schweigen bringen. Im Süden wurde es immer heller; der Himmel glühte; das Dorf brannte. Das Feuer warf seine Helle sogar bis her zu uns, woraus ich schloß, daß Foguda ein ungewöhnlich großes Dorf sei.

Wieder vergingen einige Stunden. Es war nach Mitternacht. Da kamen zwei weiße Asaker und meldeten den dreien, welche uns bewachten:

»Ibn Asl will diesen gefangenen Hunden zeigen, welchen Fang wir gemacht haben. Folgt uns mit ihnen nach Foguda!«

Man nahm uns die Riemen von den Füßen; wir mußten gehorchen, mußten mit fort. Der Feuerschein war jetzt nicht mehr so hell wie vorher, erleuchtete die Gegend aber doch noch so, daß wir sehr gut sehen konnten. Wir gingen erst zwischen Büschen hin, dann über offenes Land. Nach einer halben Stunde kamen wir an Feldern vorüber, deren Besitzer die kommende Ernte nun wohl nicht einzuheimsen vermochten. Dann erreichten wir das Dorf. Es brannte nicht mehr; es bildete nur noch einen rauchenden Aschenhaufen. Aber außerhalb des frühern Dornenzaunes hatten die Sklavenjäger einige große Feuer angebrannt, in deren Nähe sie ihre Beute umzingelt hielten. Diese letztere bestand aus Menschen und Tieren.

Die Neger haben nämlich ihre Herden stets außerhalb der Dörfer auf einem zwar eingefriedigten sonst aber freien Platze. Daher kommt es, daß bei einem Ueberfalle die Rinder, Schafe usw. niemals mit verbrennen, sondern dem Sieger in die Hände fallen. Diese Herden sind dem Sklavenjäger noch weit lieber als die erbeuteten Schwarzen, da hier im Lande eine Kuh wenigstens doppelt soviel wert ist, als selbst ein junger und kräftiger Sklave.

Ibn Asl hatte reiche Beute gemacht. Ich sah über hundert Rinder beisammenstehen, und die Zahl der Schafe schätzte ich wenigstens auf das vierfache, soweit ich nämlich in dem Helldunkel eine ungefähre Schätzung vornehmen konnte.

Und Menschen, Gefangene? Nun, ich sage, wenn ich meine Hände frei gehabt hätte, so wäre es jetzt um Ibn Asl geschehen gewesen. Es ist verboten, Menschenblut zu vergießen; aber bei dem Anblicke, den ich jetzt hatte, wäre es eine Wonne für mich gewesen, dem Sklavenjäger eine gute Klinge in das Leben zu stoßen.

Zwischen zwei der größten Feuer lagen sie, die unglücklichen Menschen, welche vor kurzer Zeit noch so ruhig, so ahnungslos geschlafen hatten. Sie lagen lang ausgestreckt, in Reihen eng nebeneinander. Die Männer waren von den Frauen und Mädchen, diese wieder von den Kindern getrennt. Zwischen diesen Reihen gingen Wächter auf und ab, mit Peitschen in den Händen. Die Gefangenen waren alle gebunden; wenn sich trotzdem einer von ihnen nur einigermaßen bewegte, bekam er Hiebe, daß, wie ich bei einem deutlich sah, sofort die Haut aufplatzte. Ich wendete mich von dieser Scene ab; Ben Nil und Selim thaten desgleichen.

Ibn Asl stand bei den Kindern. Er befühlte ihre Gliedmaßen, um die Beschaffenheit derselben zu untersuchen. Er hatte uns kommen sehen; er sah auch, daß wir uns abwendeten. Da kam er herbei, deutete auf einige starke Pfähle, welche den Negern zum Anbinden der Schlachtochsen gedient hatten, und befahl:

»Die Hunde wollen nicht sehen, was sie sehen sollen! Bindet sie an die Pfähle, so daß ihre Blicke auf die Neger gerichtet sein müssen, und wenn sie etwa die Augen schließen, so gebt ihnen die Peitsche solange, bis sie dieselben wieder öffnen!«

Dieser Befehl wurde ausgeführt. Man band uns in der Weise an, daß wir die ganze grauenhafte Scene vor uns hatten. Zu meiner Rechten lag das niedergebrannte Dorf. Ich sah zwischen den glimmenden und qualmenden Trümmern zahlreiche Ueberreste halbverkohlter Menschen liegen. Links hielten die Herden, von einer Anzahl Djangeh zusammengehalten und bewacht. Und gerade vor mir lagen die Reihen der Neger, zwischen denen sich die Wächter mit ihren drohenden Peitschen bewegten.

Ibn Asl war zu den Kindern zurückgekehrt. Er setzte seine Untersuchung fort. Diejenigen von ihnen, die er für kräftig genug fand, den weiten Transport auszuhalten, blieben liegen; die andern, die er mit einem verächtlichen Winke seiner Hand bezeichnete, wurden zur Seite getragen und dort niedergeworfen. Noch ahnte ich nicht, was er mit diesen Unglücklichen vornehmen werde. Da sie ihm als unbrauchbar erschienen, so war ich überzeugt, daß er sie ihrer Fesseln entledigen und einfach laufen lassen werde. Aber wie hatte ich mich da geirrt!

Als seine Untersuchung zu Ende war, hörte ich ihn einen Befehl aussprechen, und sogleich eilten mehrere seiner Leute zu den ausgeschiedenen Kindern – die Messer dieser Unmenschen blitzten – ich schrie laut auf und schloß die Augen – mehrere Peitschenhiebe zwangen mich, sie wieder zu öffnen – – als ich dort hinübersah, lebte keines von den Kindern mehr.

Die Mütter und Väter der Ermordeten schrieen und heulten vor Schmerz; sie sträubten sich gegen ihre Fesseln; sie wollten auf, um den Tod ihrer Kinder zu rächen. Die Armen! Man brachte sie durch Peitschenhiebe zum Schweigen, und einige, bei denen dieses Mittel nicht fruchten wollte, wurden einfach erschossen.

Ich fühlte eine Wut in mir, welche gar nicht zu beschreiben ist. Meine Glieder zitterten förmlich, nicht aus Schwäche, sondern infolge des inneren Grimmes. Wie oft hatte ich Ibn Asl und mehrere, ja alle seiner Mitschuldigen geschont! In diesem Augenblicke bereute ich dies auf das bitterste. Ich machte mir die schwersten Vorwürfe und nahm mir fest und heilig vor, nun nicht wieder so schwach und nachsichtig zu sein, falls ich in die Lage kommen Sollte, diesen Massenkindermord zu rächen.

Leider hatte ich noch nicht alles gesehen; es sollte, wenn auch nicht noch schlimmer, aber doch auch nicht besser kommen. Es ging nämlich jetzt an die Untersuchung der Erwachsenen. Dabei wurden die als untauglich erscheinenden gar nicht erst entfernt, sondern an Ort und Stelle getötet. Um nicht aufzubrüllen, preßte ich die Zähne zusammen; aber ich behielt die Augen offen, jetzt nicht aus Furcht vor der Peitsche, sondern ich wollte nun Augenzeuge dieser Schlächterei bis zum letzten Ende derselben sein.

Als sie vorüber war, wurden die Schebahs und Eisenketten gebracht. Die Gefangenen waren bis jetzt nur mit Stricken und Riemen gebunden gewesen; nun aber bekamen sie die Handschellen und Gabeläste angelegt, und es wurde einer immer in der Weise an den andern gefesselt, daß sie alle nur auf der einen Seite liegen konnten und, wenn sie dessen müde waren, sich alle zugleich auf die andere Seite legen mußten. Sie verhielten sich jetzt still; sie sahen ein, daß offener oder auch nur heimlicher Widerstand ihr Schicksal nur verschlimmern konnte.

Als Ibn Asl diese seine Arbeit vollbracht hatte, kam er wieder zu mir, grinste mir höhnisch in das Gesicht und fragte:

»Nun, wie gefällt es dir? Meinst du nicht, daß wir einen guten Fang gethan haben und ausgezeichnete Geschäfte machen werden?«

Ich drückte alle meine Empörung nieder und antwortete, wie ich glaube, im ruhigsten Tone:

»Der Fang ist allerdings ein sehr reichlicher. Ich schätze die Schwarzen, welche du leben ließest, auf wenigstens zweihundert. Laß unterwegs auch den vierten Teil zu Grunde gehen, so sind es doch hundertfünfzig, für welche du Bezahlung bekommst. Dazu die Herden. Ich beneide dich!«

Wäre die Scene eine andere gewesen, so hätte ich im stillen über das Gesicht lachen müssen, welches er mir bei diesen meinen Worten zeigte. Er fuhr förmlich um einige Schritte zurück, staunte mich an und meinte:

»Du beneidest mich? Allah thut Wunder über Wunder! Es muß ganz plötzlich ein anderer Geist in dich gefahren sein.«

»Das ist allerdings der Fall, und ich denke, daß du diesen Geist sehr bald kennen lernen wirst.«

»Willst du etwa auch Sklavenjäger werden?«

»Nein, das nicht. Sklaven suche und mag ich nicht. Es sind nur einige ganz besondere Menschen, welche ich fangen will und hoffentlich auch fangen werde.«

»Wer ist das?«

»Ich könnte es verschweigen, will es dir aber doch sagen, damit du mich nicht für feig oder hoffnungslos hältst. Wen ich fangen will? Zunächst vor allen Dingen dich und sodann deine weißen Asaker.«

Er schlug ein schallendes Gelächter auf und rief:

»Mich und meine weißen Asaker! Warum nicht auch meine schwarzen Soldaten?«

»Weil diese getäuscht, belogen und verführt worden sind. Darum wird die Strafe, die dich und deine Weißen erwartet, nicht auch sie mittreffen.«

Er starrte mir eine ganze Minute lang in das Gesicht, trat dann näher zu mir heran, untersuchte meine Schebah und die Handschellen sehr sorgfältig und sagte, als er diese ganz in Ordnung fand:

»Fast glaubte ich, du habest dich deiner Fesseln schon halb entledigt und seist also der Hoffnung, wieder freizukommen; da ich aber sehe, daß dies nicht der Fall ist, so kann ich nur annehmen, daß du plötzlich verrückt geworden bist.«

»Ich bin vollständig bei Sinnen und weiß ganz genau, was ich sage.«

»So? Nun, ich werde dir jetzt zeigen, wie ich solche – —«

Er hielt inne und betrachtete mich abermals mit stechendem Auge, während ich seinen Blick ruhig aushielt. Er hatte die letzten Worte im zornigsten Tone gesprochen und dabei das Messer aus dem Gürtel gerissen, als ob er es mir in die Brust stoßen wolle. Aber er besann sich eines andern, fletschte mir mit überlegenem Lachen seine Zähne entgegen, steckte das Messer wieder zurück und fuhr fort:

»Doch nein! Mich überrumpelst du nicht! Ich bin klug genug, zu wissen, was du beabsichtigst.«

»Dazu gehört keine besondere Klugheit. Ich beabsichtige, dir meine Meinung, die Wahrheit zu sagen. Das ist alles.«

»O nein! Verstelle dich, so sehr du nur willst, mich täuschest du doch nicht. Du giebst dich verloren; du weißt, daß du meiner Rache hoffnungslos verfallen bist und daß dich Martern erwarten, die noch niemand vor dir erlitten hat. Um diesen Qualen zu entgehen, um leicht und schnell zu sterben, hast du dir vorgenommen, mich zu reizen. Du meinst, daß ich dich im Zorne rasch töten werde; aber da hast du dich verrechnet; ich bin klüger als du denkst. Ich werde dich schonen, bis ich Wagunda auch überfallen und verbrannt habe. Dann befindet sich dein geliebter Freund, der Reis Effendina, auch in meinen Händen, und ich werde euch die Freude bereiten, euch gegenseitig in Schmerzensschreien und Jammertönen überbieten zu können.«

Nun legte er mir in höhnischer Freundlichkeit die Hand auf die Achsel und fügte noch hinzu:

»Du siehst also, wie überlegen ich dir bin. Dich kann weder Allah noch der Satan aus meiner Hand erretten. Du bist verloren. Und solltest du vielleicht von dem Reis Effendina Hilfe erwarten und der Ansicht sein, daß ich diesen nicht ergreifen werde, so will ich dir hiermit sagen, daß ich noch in dieser Nacht nach Wagunda aufbrechen werde. Er erwartet mich jetzt noch nicht; er kann mich noch nicht erwarten, und je mehr ich mich beeile, desto sicherer überrasche ich ihn. Ihr drei werdet jetzt zu essen und zu trinken bekommen, nicht etwa aus Mitleid, o nein, sondern damit ihr stark genug seid, die schnelle Reise auszuhalten.«

Er wendete sich von mir ab und erteilte einige Befehle, welche seine letzten Worte betrafen. Ich hatte meine Absicht erreicht und war von dem, was er mir mitgeteilt hatte, sehr befriedigt. Daß er annahm, ich wolle ihn reizen, gab mir die Gewißheit, daß er sich wenigstens zunächst hüten werde, gegen unser Leben oder unsere Gesundheit etwas zu unternehmen.

Wir bekamen Fleisch zu essen und Wasser zu trinken. Das erstere wurde uns in zugeschnittenen Bissen in den Mund gesteckt, und zwar so reichlich, daß ich mich vollständig gesättigt fühlte. Dann wurden wir von den Pfählen gebunden und unter Bedeckung der schon erwähnten drei Wächter seitwärts gebracht, wo wir uns niederlegen durften.

Ich legte mich so, daß ich die Feuer und den Schauplatz der heutigen Unthaten im Rücken hatte und nichts davon sehen konnte. Mit meinen beiden Gefährten zu sprechen, hütete ich mich, denn ich wußte, daß der Versuch dazu doch nur mit Peitschenhieben zurückgewiesen worden wäre. Sie schienen, da sie sich ebenso still verhielten, ganz derselben Ansicht zu sein.

Obgleich ich mit dem Gesicht abgewendet lag, bemerkte ich sehr bald, daß hinter mir irgend eine Vorbereitung getroffen wurde. Welcher Art dieselbe war, erfuhr ich bald – die Vorbereitung zum Aufbruche. Die neugefangenen Sklaven mußten sich erheben, um in Einzelreihen fortgeschafft zu werden. Die geraubten Herden trieb man hinter ihnen her. Wir drei wurden von Ibn Asl und fünf weißen Asakern besonders genommen und fortgeführt. Der Zug ging nordwärts zurück nach den Sträuchern, zwischen denen wir vor dem Ueberfalle gelagert hatten. Als wir dort anlangten, wurden einige Feuer angebrannt. Nach dem, was Ibn Asl zu mir gesagt hatte, war ich überzeugt, daß wir nur kurze Zeit hier verweilen würden, und es zeigte sich, daß diese Vermutung die richtige war.

Man hatte uns so plaziert, daß wir auf drei Seiten von Büschen umgeben waren und das, was auf dem Lagerplatze vorging, nicht sehen konnten. Man brachte gesattelte Ochsen herbei; dann kam Ibn Asl und sagte:

»Ben Nil und Selim sind keine Reiter; wenn ich ihnen die Schebah ließe, würden sie mir unterwegs zu Grunde gehen; da ich sie jedoch lieb habe und sie mir zu erhalten wünsche, werde ich ihnen den Ritt dadurch erleichtern, daß ich ihnen den Gabelast abnehme. Du aber bist im Sattel zu Hause, Effendi, und wirst also mit der Schebah reiten. Ich hoffe, daß du mir für diese Auszeichnung dankbar bist!«

Diese spöttischen Worte stellten mir einen schweren, sehr schweren Ritt in Aussicht, doch nahm ich sie ruhig hin, da ich jetzt zu meiner Rettung nichts zu thun vermochte. Meine einzige Hoffnung konnte ich nur auf Wasser gründen. Auf Wasser? Wieso?

Als mir die Handschellen zum erstenmale angelegt wurden, war ich bestrebt gewesen, sie so weit wie möglich zu bekommen; ich hatte geglaubt, ihnen entschlüpfen zu können; es wäre mir auf einige Haut- oder Fleischfetzen, die ich dabei verloren hätte, nicht angekommen. Aber ich hatte das Klima dieser Gegend nicht in Berechnung gezogen. Ich schwitzte; die Hände waren beständig feucht und so angeschwollen, daß es geradezu unmöglich war, sie selbst mit größter Anstrengung aus den Fesseln zu ziehen. Wollte ich diesen letzteren Zweck erreichen, so mußte die Anschwellung zum Weichen gebracht werden, und das konnte nur durch kaltes Wasser geschehen. Also Wasser, nur Wasser!

Ben Nil und Selim wurden von ihren Gabelästen befreit und auf Reitochsen gebunden. Auch ich mußte aufsteigen, was ich natürlich ohne Weigern that, und wurde auf das sorgfältigste festgeschnürt. Dann leitete man unsere Tiere zwischen den Büschen hin, bis wir die freie Ebene erreichten, wo ich schon eine größere Anzahl Reiter halten sah.

Man ordnete sich zum Zuge. Voran ritten zwei Kerle, welche, wie ich später bemerkte, eine ausgezeichnete Ortskenntnis besaßen. Dann kam ein Trupp von vielleicht zehn weißen Asakern, hinter ihnen Ibn Asl, an dessen Sattel hinten zwei Riemen befestigt waren. Der eine wurde an die Spitze meiner Schebah gebunden und der andere Ben Nil um den Leib geschlungen, so daß wir beide gezwungen waren, nebeneinander hinter unserm Peiniger zu reiten. Von meinem Sattel aus ging wieder ein Riemen, von welchem hinter mir der Ochse Selims geleitet wurde, ein Arrangement, welches kaum raffinierter erdacht werden konnte.

Ich saß auf dem Ochsen festgebunden, ohne die Zügel fassen zu können, um den Hals die schwere Schebah, welche ich mit den beiden erhobenen Händen halten mußte, wenn ich von ihr nicht erwürgt sein wollte. Jeder Ruck von Ibn Asls Ochsen, jeder Fehltritt desselben mußte meine Schebah aus der Lage bringen und mir Schmerzen bereiten. Selim war kein Reiter, war zudem auch gefesselt und leistete auf einem Ochsen sicherlich noch weniger, als auf einem Pferde. Da sein Tier mit mir zusammenhing, war die Einrichtung für mich eine Folter, deren Erfindung einem Teufel Ehre gemacht haben würde. Es gab nur ein Mittel, sie erträglicher zu machen, nämlich äußerst fester Schluß- und Schenkeldruck; aber welcher sterbliche Mensch kann einen ganzen Tag, ja nur eine Stunde lang, wenn er noch dazu gefesselt ist, mit einem Ochsen solchen Schluß behalten!

Hinter Selim ritten wieder mehrere weiße Asaker, worauf die übrigen folgten. Auf einen Ruf des Anführers setzte man sich in Bewegung, erst langsam, worauf bald ein schnellerer Schritt angenommen wurde.

Schon nach den ersten fünf Minuten hatte ich die feste Ueberzeugung, daß ich nicht auf einem Reitochsen saß und man mir sogar unter den Lastochsen den allermiserabelsten und steifsten »Werfer« ausgesucht hatte. Nun, ich that mein möglichstes, seinen Sylphidenschritten etwas mehr Elastizität und Stetigkeit zu geben. Aber was half das bei der Schlechtigkeit Ibn Asls, welcher von Zeit zu Zeit hinter sich nach dem Riemen griff, um an meiner Schebah zu zerren! Dann schlugen die hinter Selim Reitenden auf den Ochsen ein, daß dieser störrisch wurde und, zur Seite fahrend, mich von hinten zerrte. Es war ein Ritt, wie ich noch keinen gemacht hatte und mir auch keinen wieder wünsche.

Es mochte ungefähr drei Uhr nachts sein. Die Sterne leuchteten noch in unverminderter Helle, und es ging immer über offenes Land, bald geradeaus, bald indem wir nach rechts oder nach links abbogen. Die Führer kannten die Gegend so genau, als ob sie hier geboren seien. Das einzige Gute, welches man mir gelassen hatte, war, daß ich mit Ben Nil sprechen konnte, ohne daß man es verbot. Oder war auch das eine Raffiniertheit? Sollten wir Pläne zu unserer Rettung schmieden, um dann desto schwerer zu empfinden, daß dieselbe unmöglich sei?

Wie viele Reiter ich hinter mir hatte, konnte ich nicht sehen, da die Schebah mich hinderte, den Kopf zu drehen. Später, als wir anhielten, um die Ochsen ruhen, trinken und grasen zu lassen, zählte ich dreißig weiße Asaker und ungefähr hundert Djangeh. Es waren also wohl zwanzig weiße und fünfzig Schwarze zurückgeblieben, um die erbeuteten Ochsen und Sklaven nachzutreiben, während Ibn Asl in beschleunigtem Ritt voraneilte, um Wagunda sicher zu überraschen.

Ben Nil that alles mögliche, mir die Qualen dieses Rittes zu erleichtern; aber da er auch an den Händen und Füßen gefesselt war, so hatte er sein Tier nicht so, wie er wollte, in der Gewalt.

»Effendi, dieses Mal ist es wohl aus mit uns,« warf er mir in halblautem Tone zu. »Oder sollte in deinem Herzen noch ein wenig Hoffnung vorhanden sein?«

»Ein wenig?« antwortete ich. »Ich habe nicht das kleinste Stäubchen meiner Hoffnung verloren.«

»Hoffnung! Das ist ein schönes Wort; aber es steht zu befürchten, daß dasselbe nicht mehr für uns existiert.«

»Es existiert für mich, solange ich lebe, und da ich jetzt noch lebe, so hoffe ich eben noch.«

»Trotz der Fesseln und auch trotz dieser Schebah, welche zu den Erfindungen der Hölle gehört?«

»Trotzdem. Fesseln kann man zersprengen, und eine Schebah ist zwar ein festes, aber immerhin auch zerbrechliches Ding.«

»Glaubst du denn, die Kette, welche deine Handschellen verbindet, sprengen zu können?«

»Solange ich die Schebah halten muß, nein.«

»Und solange du die Schellen an den Händen hast, kannst du dir die Schebah nicht selbst vom Halse nehmen.«

»Das ist richtig; aber ich hoffe, diese Schellen nicht mehr lange tragen zu müssen.«

»Wie willst du sie herunterbringen?«

»Das wirst du später erfahren. Ich will nicht davon sprechen, weil man meine Worte doch vielleicht hören könnte. Schweigen wir jetzt! Ich habe meine Gedanken anderweit zusammenzunehmen, wenn ich nicht erwürgt sein oder mit dem Ochsen stürzen und den Hals brechen will.«

Die Bemerkung vom Brechen des Halses war von mir ganz ernst gemeint. Ich befand mich wirklich in der größten Gefahr, dieses Unglück zu erleiden. Ich wurde von vorn und von hinten gezogen und gezerrt; jeden Ruck, den ich bekam, mußte mein Ochse auch fühlen. Wenn er die Geduld verlor und auf die sprichwörtlich gewordene Eigenschaft seiner Sippe verfiel, konnte er leicht zum Sturze kommen. Ich war auf seinem Rücken festgebunden und trug die schwere, lange Schebah am Halse; dieser letztere war also von meinen Körperteilen derjenige, den ich den gefährdetsten nennen mußte.

Als der Tag anbrach, fühlte ich meine Arme nicht mehr. Sie waren mir infolge der Stellung, welche sie beim Halten des Gabelastes einzunehmen hatten, eingeschlafen. Von den andern Gliedern will ich nur die Beine erwähnen. Ich fühlte, daß sie bereits blutrünstig waren. Und doch sollte die Qual sich nicht vermindern, sondern steigern.

Die Führer hatten wegen der nächtlichen Dunkelheit nur offene Gegenden aufgesucht. Jetzt, da es hell geworden war, konnten sie die gerade Richtung einhalten, und diese führte durch Wald und immer wieder Wald. Mit meinem Tiere und in meiner Lage, von vorn und von hinten gezogen und gerissen, war der Ritt unter den Bäumen hin und durch den Morast, den es da stellenweise gab, natürlich weit beschwerlicher noch als derjenige über die Lichtungen. Und doch hielt ich es bis zum Mittage aus, um welche Zeit angehalten wurde, da die Ochsen der Erholung bedurften. Dies geschah auf einer Blöße, über welche ein kleines Wasser langsam floß.

Wir drei wurden von den Tieren gebunden. Als meine Füße den Boden berührten, vermochten sie mich nicht zu halten; ich brach förmlich zusammen.

»Steht es schon so mit dir?« lachte Ibn Asl höhnisch auf. »Willst du dich auch jetzt noch deiner Stärke rühmen?«

»Wann habe ich mich derselben gerühmt?« antwortete ich. »Meinst du etwa, daß ich leide? Ich freue mich vielmehr, denn ich weiß, daß du Wagunda nicht zur rechten Zeit erreichen wirst.«

»Nicht? Warum?«

»Weil ich dich hindern werde!«