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Der Schatz im Silbersee
Das war spanisch. Er mußte also wissen, daß die beiden Roten das Englisch nicht gut, das Spanisch aber geläufiger sprachen und verstanden.
»Que sorpresa, la tia Droll – welche Überraschung, die Tante Droll,« antwortete der alte Indsman, obgleich er ihn schon gesehen hatte, als er noch auf dem Floße saß.
»Was thut ihr hier im Osten und auf diesem Schiffe?« fragte Droll, indem er beiden die Hand reichte.
»Wir waren mit mehreren roten Brüdern in New Orleans, um Sachen einzukaufen, und befinden uns auf dem Heimwege, während die andern die Sachen nachbringen. Es sind viele Monde vergangen, seit wir das Angesicht der Tante Droll nicht gesehen haben.«
»Ja, der junge Bär ist indessen doppelt so groß und lang geworden, als er damals war. Leben meine roten Brüder mit ihren Nachbarn in Frieden?«
»Sie haben ihre Kriegsbeile in die Erde gelegt und wünschen nicht, sie ausgraben zu müssen.«
»Wann werdet ihr zu den Eurigen kommen?«
»Das wissen wir nicht. Wir glaubten, einen halben Mond zuzubringen, nun aber wird es länger währen.«
»Nun aber? Was haben diese beiden Worte zu bedeuten?«
»Daß der alte Bär nicht eher heimkehren kann, bis er sein Messer in das Blut des Beleidigers getaucht hat.«
»Wer ist das?«
»Der weiße Hund dort mit dem roten Haar. Er hat den alten Bär mit der Hand in das Gesicht geschlagen.«
»Alle Teufel! Ist dieser Kerl bei Sinnen gewesen! Er muß doch wissen, was es heißt, einen Indianer mit der Hand zu schlagen, zumal den alten Bären.«
»Er scheint nicht zu wissen, daß ich dieser bin. Ich habe meinen Namen in der Sprache meines Volkes gesagt und bitte meinen weißen Bruder, ihm denselben nicht ins Englische zu übersetzen.«
»Wenn ich ihm jemals etwas übersetze, so wird es jedenfalls etwas andres sein, als der Name meines Bruders. Jetzt will ich fort, zu den andern, welche gern mit mir reden wollen; ich werde noch oft zu euch kommen, um eure Stimmen zu vernehmen.«
Er setzte den unterbrochenen Gang nach hinten fort. Dort war jetzt der Vater des geretteten Mädchens aus der Kajüte angekommen, um zu melden, daß seine Tochter aus ihrer Ohnmacht erwacht sei, sich verhältnismäßig wohl fühle und nun nur der Ruhe bedürfe, um sich vollständig zu erholen. Dann eilte er zu den Indianern, um dem mutigen Knaben Dank für die verwegene That zu sagen. Droll hatte seine Worte gehört und erkundigte sich nach dem, was geschehen war. Als Tom es ihm erzählt hatte, sagte er: »Ja, das traue ich diesem Knaben zu, er ist kein Kind mehr, sondern ein voller, ganzer Mann.«
»Kennt Ihr ihn und seinen Vater? Wir sahen, daß Ihr mit ihnen gesprochen.«
»Ich bin ihnen einigemal begegnet.«
»Begegnet? Er nannte sich ein Tonkawa, und dieser fast ausgestorbene Stamm befindet sich nie auf Wanderung, sondern ist auf seinen elenden Reservationen im Thale des Rio Grande seßhaft.«
»Der große Bär ist nicht seßhaft geworden, sondern den Gewohnheiten seiner Vorfahren treu geblieben. Er streift umher, gerade wie der Apachenhäuptling Winnetou. Es steht zwar zu erwarten, daß er einen bestimmten Ort hat, an welchem er von seinen Strapazen ausruht, aber er hält ihn geheim. Er spricht zuweilen von »den Seinigen«, und so oft ich ihm begegne, erkundige ich mich, ob es denselben wohlgehe; aber wer, was und wo sie sind, das habe ich nicht erfahren können. Er wollte auch jetzt zu ihnen, sieht sich aber durch die Rache aufgehalten, welche er gegen den Cornel hat.«
»Sprach er davon?«
»Ja. Er will nicht eher ruhen, als bis sie vollzogen ist. Der Cornel ist also in meinen Augen ein verlorener Mann.«
»Das habe ich auch gesagt,« meinte Old Firehand. »Wie ich die Indianer kenne, ließ er sich den Hieb nicht aus Feigheit gefallen.«
»So?« fragte Droll, indem er den Riesen musternd anblickte. »Ihr habt die Indsmen auch kennen gelernt, wenn‘s nötig ist? Ihr seht mir aber gar nicht danach aus, obgleich Ihr ein wirklicher Goliath zu sein scheint. Ich denke, Ihr paßt viel besser in den Salon als in die Prairie.«
»O weh, Tante!« lachte Tom. »Da habt Ihr einen gewaltigen Pudel geschossen. Ratet einmal, wer dieser Sir ist!«
»Fällt mir gar nicht ein. Vielleicht seid Ihr so gut, es mir lieber gleich zu sagen.«
»Nein, so leicht werde ich es Euch doch nicht machen. Ihr sollt dabei Euren Kopf wenigstens einigermaßen anstrengen. Dieser Herr gehört nämlich zu unsern berühmtesten Westmännern.«
»So. Nicht zu den berühmten, sondern den berühmtesten?«
»Ja.«
»Von dieser Sorte gibt es nach meiner Ansicht nur zwei, denn kein dritter verdient es so wie sie, daß man den Superlativ auf sie anwendet.«
Er machte eine Pause, kniff das eine Auge zusammen, zwinkerte Old Firehand mit dem andern an, ließ ein kurzes Lachen hören, welches wie ein auf der Klarinette geblasenes »Hihihihi« klang, und fuhr dann fort: »Diese beiden sind nämlich Old Shatterhand und Old Firehand. Da ich den ersteren kenne, wenn‘s nötig ist, so könnte dieser Sir kein andrer als Old Firehand sein. Ist‘s erraten?«
»Ja, ich bin es,« nickte der Genannte.
»Egad?« fragte Droll, indem er zwei Schritte zurücktrat, und ihn nochmals mit dem einen offenen Auge betrachtete. »Ihr seid wirklich dieser Mann, vor welchem jeder Halunke zittert. Die Gestalt habt Ihr ganz so, wie er beschrieben wird, aber – – vielleicht macht Ihr doch nur Spaß!«
»Nun, ist das auch Spaß?« fragte Old Firehand, indem er mit der Rechten Droll am Kragen seines Rockes packte, ihn emporhob, dreimal rund um sich schwenkte und dann auf eine nahestehende Kiste stellte.
Das Gesicht des also Gemaßregelten war dunkelrot geworden. Er schnappte nach Atem und rief dabei in einzelnen kurz abgerissenen Sätzen: »Zounds, Sir, haltet Ihr mich für einen Perpendikel oder einen Zentrifugalregulator! Bin ich dazu erschaffen worden, im Kreise um Euch durch die Luft zu tanzen! Ein wahres Glück, daß mein Sleeping-gown von starkem Leder ist, sonst wäre er zerrissen und Ihr hättet mich in den Fluß geschleudert! Aber die Probe war gut, Sir; ich sehe, daß Ihr wirklich Old Firehand seid. Ich muß es schon aus dem Grunde glauben, weil Ihr sonst im Stande seid, diesen Gentlemen den Umlauf des Mondes um die Erde noch einmal mit mir zu demonstrieren. Habe oft, wenn von Euch die Rede war, gedacht, wie sehr ich mich freuen würde, wenn ich Euch einmal zu sehen bekäme. Ich bin nur ein einfacher Trapper, weiß aber sehr genau, was ein Mann Eures Schlages zu bedeuten hat. Hier ist meine Hand, und wenn Ihr mich nicht tief betrüben wollt, so weist sie nicht zurück!«
»Zurückweisen? Das wäre die reine Sünde. Ich gebe jedem braven Manne gern die Hand, um wie viel mehr also einem, der sich bei uns in so ausgezeichneter Weise eingeführt hat.«
»Eingeführt? Wieso?«
»Indem Ihr den Panther erschossen habt.«
»Ach so. Das war keine That, über welche man viele Worte macht. Dem Tiere war nicht allzu wohl im Wasser, es hat mir gar nichts thun, sondern sich nur auf mein Floß retten wollen. Bin da leider nicht sehr gastfreundlich gewesen.«
»Das war klug von Euch, denn der Panther hatte es in Wahrheit auf Euch abgesehen. Vor dem Wasser fürchtet er sich nicht, er ist ein ausgezeichneter Schwimmer und hätte das Ufer ohne alle Anstrengung erreichen können. Welch ein Unglück, wenn ihm das gelungen wäre. Indem Ihr Ihn tötetet, habt Ihr jedenfalls vielen Menschen das Leben gerettet. Ich schüttle Euch die Hand und wünsche, daß wir uns näher kennen lernen.«
»Ganz auch mein Wunsch, Sir. Aber nun schlage ich vor, auf diese Bekanntschaft einen Trunk zu thun. Ich bin nicht auf diesen Steamer gekommen, um zu verdursten. Gehen wir also in den Salon.«
Man folgte dieser Aufforderung. Tom mußte, um sich anschließen zu können, für die Kajüte nachzahlen, was er aber sehr gern that.
Als die Gentlemen vom Deck verschwunden waren, kam der Neger, welcher den Panther nicht mit hatte ansehen dürfen, aus dem Maschinenraume. Er war dort von einem andern Arbeiter abgelöst worden und suchte sich nun ein schattiges Plätzchen für den Mittagsschlaf. Langsam und verdrossen nach vorn schlendernd, zeigte er ein Gesicht, welchem deutlich anzusehen war, daß er sich in keiner guten Stimmung befand. Das sah der Cornel; er rief ihn an und winkte näher zu kommen.
»Was soll‘s sein, Sir?« fragte der Schwarze, als er herangekommen war. »Habt Ihr einen Auftrag, so wendet Euch an den Steward. Ich bin nicht für die Passagiere da.«
Er sprach sein Englisch wie ein Weißer.
»Das kann ich mir denken,« antwortete der Cornel. »Ich wollte Euch nur fragen, ob es Euch beliebt, ein Glas Brandy mit uns zu trinken.«
»Wenn‘s das ist, so bin ich Euer Mann. Im Feuerraume unten trocknet die Gurgel und die Leber aus. Aber ich sehe ja keinen einzigen Schluck hier!«
»Hier habt Ihr einen Dollar; holt, was Euch beliebt, dort am Board, und setzt Euch mit zu uns!«
Der Ausdruck der Verdrossenheit verschwand sofort vom Gesichte des Negers, auch war er jetzt viel beweglicher als vorher. Er brachte zwei volle Flaschen nebst einigen Gläsern und setzte sich dann neben den Cornel, welcher bereitwillig zur Seite rückte. Als das erste Glas über seine Zunge gelaufen war, goß er sich noch ein zweites voll, leerte es und fragte darauf: »Das ist eine Erquickung, Sir, die unser einer sich nicht oft gewähren kann. Aber wie kommt Ihr, auf den Gedanken, mich einzuladen. Ihr Weißen seid doch sonst nicht so zuvorkommend gegen uns Schwarze.«
»Bei mir und meinen Freunden ist ein Neger ebensoviel wert, wie ein Weißer. Ich habe bemerkt, daß Ihr beim Kessel angestellt seid. Das ist eine schwere und durstige Arbeit, und da ich mir denke, daß der Kapitän Euch nicht mit Hundertdollarnoten bezahlen wird, so sagte ich mir, daß Euch ein guter Schluck so gerade recht sein würde.«
»Da habt Ihr einen vortrefflichen Gedanken gehabt. Der Kapitän zahlt freilich schlecht; man kann es zu keinem rechten Trunke bringen, zumal er keinen Vorschuß gibt, wenigstens mir nicht, sondern erst am Schlusse der Fahrt in den Beutel greift – damn!«
»So hat er es wohl auf Euch abgesehen?«
»Ja, gerade auf mich.«
»Warum?«
»Er sagt, mein Durst sei zu groß; den andern zahlt er täglich, mir aber nicht. Da ist‘s dann kein Wunder, wenn der Durst größer und immer größer wird.«
»Nun, es soll ganz auf Euch ankommen, ob Ihr ihn heute werdet stillen können oder nicht.«
»Wieso?«
»Ich bin bereit, Euch einige Dollar zu geben, wenn Ihr mir dafür einen Gefallen thut.«
»Einige Dollar? Huzza! Dafür bekäme ich so mehrere Flaschen voll! Nur heraus mit Eurem Wunsche, Sir. Den Gefallen werde ich Euch gut und gern erweisen.«
»Die Sache ist nicht so leicht. Ich weiß nicht, ob Ihr der richtige Mann sein werdet.«
»Ich? Wenn‘s gilt, einen Brandy zu verdienen, so bin ich stets der richtige Mann.«
»Möglich. Aber es muß schlau angefangen werden.«
»Schlau? Es ist doch nicht etwa etwas, was meinem Rücken Schaden bringen kann? Der Kapitän duldet keine Unregelmäßigkeit.«
»Keine Sorge; es ist nichts derartiges. Ihr sollt nur ein wenig lauschen, ein wenig horchen.«
»Wo? Bei wem?«
»In dem Salon.«
»So? Hm?« brummte er nachdenklich. »Warum denn, Sir?«
»Weil – nun, ich will aufrichtig mit Euch sein.« – Er schob dem Neger ein volles Glas hin und fuhr in vertraulichem Tone fort: »Da ist ein großer, riesenhaft gebauter Sir, den sie Old Firehand nennen, ferner ein dunkelbärtiger Kerl, welcher Tom heißt, und endlich eine Fastnachtsmaske in einem langen Lederrocke, welche auf den Namen Tante Droll hört. Dieser Old Firehand ist ein reicher Farmer, und die beiden andern sind seine Gäste, welche er mit zu sich nimmt. Zufälligerweise wollen auch wir nach dieser Farm, um dort Arbeit zu nehmen. Es versteht sich da ganz von selbst, daß es da eine gute Gelegenheit gibt, zu erfahren, was für Leute die sind, mit denen wir es zu thun haben werden. Ich denke, sie werden von ihren Angelegenheiten sprechen, und wenn Ihr die Ohren offen haltet, kann es Euch gar nicht schwer fallen, uns zufrieden zu stellen. Ihr seht und hört, daß ich gar nichts Unrechtes und Verbotenes von Euch verlange.«
»Ganz richtig, Sir! Kein Mensch hat mir verboten, zuzuhören, wenn andre hier sprechen. Die nächsten sechs Stunden gehören mir; ich bin arbeitsfrei und kann thun, was mir beliebt.«
»Aber wie wollt Ihr es anfangen?«
»Das ist eine Frage, über welche ich soeben nachdenke.«
»Dürft Ihr in den Salon?«
»Untersagt ist es mir gerade nicht; aber ich habe nichts darin zu suchen.«
»So macht Ihr Euch einen Vorwand!«
»Aber welchen? Ich könnte etwas hineintragen, etwas herausholen. Das ist aber in so kurzer Zeit geschehen, daß ich meinen Zweck dabei nicht zu erreichen vermag.«
»Gibt es denn nicht irgend eine Arbeit, mit welcher Ihr Euch länger darin beschäftigen müßt?«
»Nein – – oder doch! Da fällt mir etwas ein. Die Fenster sind schmutzig; ich könnte sie putzen.«
»Wird das nicht auffallen?«
»Nein. Da der Salon stets besetzt ist, so kann diese Arbeit nicht zu einer Zeit vorgenommen werden, in welcher niemand da ist.«
»Aber Ihr seid es nicht, der sie zu verrichten hat.«
»Das schadet nichts. Sie ist eigentlich des Stewards Sache; diesem aber thue ich den größten Gefallen, wenn ich sie ihm abnehme.«
»Aber er kann Verdacht fassen.«
»Nein. Er weiß, daß ich kein Geld habe und doch gern einen Brandy trinke. Ich sage, daß ich Durst habe, und an seiner Stelle für ein Glas die Fenster putzen will. Da wird er kein Mißtrauen fassen. Ihr braucht keine Sorge zu haben, Sir, ich werde es gewiß ermöglichen. Also wie viele Dollar versprecht Ihr mir?«
»Ich zahle nach dem Werte der Nachricht, welche Ihr mir bringt, zum wenigsten aber drei Stück.«
»All right; es wird gemacht. Schenkt mir noch einmal ein, dann will ich gehen.«
Als er sich entfernt hatte, wurde der Cornel gefragt, was er eigentlich mit dem erteilten Auftrage bezwecke. Er antwortete: »Wir sind arme Tramps und müssen überall sehen, wo wir bleiben. Wir haben hier Passage zahlen müssen, und so will ich wenigstens den Versuch machen, zu erfahren, ob wir dieses Geld nicht auf irgend eine Weise wieder bekommen können. Für den weiten Marsch, welchen wir vorhaben, müssen wir Vorbereitungen treffen, welche viel Geld kosten, und ihr wißt, daß unsre Beutel ziemlich leer geworden sind.«
»Wir wollen sie ja aus der Eisenbahnkasse füllen!«
»Wißt ihr so genau, daß uns dieser Plan gelingen wird? Wenn wir schon hier Geld machen können, so wäre es die größte Thorheit, die Gelegenheit unbenutzt vorübergehen zu lassen.«
»Also, daß ich es gerade heraussage, Diebstahl hier an Bord? Das ist gefährlich. Man kann doch nicht dann augenblicklich fort, und wenn der Betreffende den Verlust entdeckt, so gibt es ganz sicher ein schauderhaftes Hallo, dem eine Durchsuchung sämtlicher Personen und aller Winkel des Schiffes folgen wird. Gerade wir werden die ersten sein, auf welche der Verdacht fällt.«
»Du bist der größte Kindskopf, der mir vorgekommen ist. So eine Sache ist gefährlich und auch nicht, ganz je nachdem, wie sie angefaßt wird. Und ich bin nicht derjenige, der sie bei der falschen Seite faßt. Wenn ihr mir in allem folgt, so muß uns alles, auch dann der letzte große Coup gelingen.«
»Der droben am Silbersee? Hm! Wenn man dir da nur nicht einen Bären aufgebunden hat.«
»Pshaw! Ich weiß, was ich weiß. Es kann mir nicht einfallen, euch jetzt schon einen ausführlichen Bericht zu geben. Wenn wir an Ort und Stelle sind, werde ich, euch unterrichten. Bis dahin müßt ihr mir vertrauen schenken und mir glauben, wenn ich euch sage, daß es da oben Reichtümer gibt, welche für uns alle lebenslang ausreichen. Jetzt wollen wir alles unnötige Geschwätz vermeiden und lieber ruhig abwarten, was der dumme Nigger uns für einen Bericht bringt.«
Er lehnte sich an die Schanzverkleidung und schloß die Augen zum Zeichen, daß er nun nichts mehr hören wolle und nichts mehr sagen werde. Auch die andern machten es sich so bequem wie möglich. Die einen gaben sich Mühe, einzuschlafen, ohne aber diesen Zweck zu erreichen, die andern flüsterten leise miteinander über den großen Plan, zu dessen Ausführung sie sich auf Leben und Tod verbunden hatten.
Der »dumme Nigger« schien seiner Aufgabe doch gewachsen zu sein. Hätte er ein unüberwindliches Hindernis gefunden, so wäre er gewiß zurückgekehrt, um es zu melden. So aber war er erst nach dem Bedienungsraume gegangen, wohl um mit dem Steward zu sprechen, und dann im Eingange zum Salon verschwunden, ohne wieder gesehen zu werden. Es verging weit über eine Stunde, ehe er auf dem Deck erschien. Er hatte mehrere Wischtücher in der Hand, trug diese fort und kam dann zu der sogleich munter werdenden Gesellschaft, bei welcher er sich niederließ, ohne die vier Augen zu sehen, von denen er und die Tramps scharf beobachtet wurden. Diese vier Augen gehörten den beiden Indianern, dem alten und dem jungen Bär.
»Nun?« fragte der Cornel gespannt. »Wie habt Ihr Euch meines Auftrages entledigt?«
Der Gefragte antwortete mißgestimmt: »Ich habe mir alle Mühe gegeben, glaube aber nicht, daß ich für das, was ich gehört habe, mehr als die ausgemachten drei Dollar bekommen werde.«
»Warum?«
»Weil mein Lauschen vergeblich gewesen ist. Ihr habt Euch nämlich geirrt, Sir.«
»Worin?«
»Der Riese heißt allerdings Old Firehand, ist aber gar nicht Farmer und kann also diesen Tom und die Tante Droll auch nicht zu sich eingeladen haben.«
»Das wäre!« fuhr der Cornel auf, indem er den Ton der Enttäuschung nachahmte.
»Ja, es ist so,« bekräftigte der Neger. »Der Riese ist ein berühmter Jäger und will weit hinauf ins Gebirge.«
»Wohin?«
»Das sagte er nicht. Ich habe alles gehört und es ist mir kein einziges Wort des Gesprächs entgangen. Die drei Männer saßen mit dem Vater des Mädchens, welches der Panther fressen wollte, beisammen, abseits von den übrigen.«
»Will er allein hinauf?«
»Nein. Dieser Vater heißt Butler und ist ein Ingenieur; auch er will mit.«
»Ein Ingenieur? Was werden diese beiden in den Bergen wollen!«
»Vielleicht wurde eine Mine entdeckt, welche Butler untersuchen soll.«
»Nein, denn Old Firehand versteht das selbst besser als der klügste Ingenieur.«
»Sie wollen erst den Bruder Butlers aufsuchen, welcher in Kansas eine großartige Farm besitzt. Dieser Bruder muß ein sehr reicher Mann sein. Er hat Vieh und Getreide nach New Orleans geliefert und der Ingenieur hat das Geld dafür jetzt einkassiert, um es ihm mitzubringen.«
Das Auge des Cornels leuchtete auf; aber weder er noch einer der Tramps verriet durch eine Bewegung oder Miene, wie wichtig diese Mitteilung war.
»Ja, in Kansas gibt es steinreiche Farmer,« bemerkte der Anführer in gleichgültigem Tone. »Dieser Ingenieur aber ist ein unvorsichtiger Mensch. Ist die Summe groß?«
»Er flüsterte von neuntausend Dollar in Papier; ich habe es aber dennoch verstanden.«
»So eine Summe trägt man doch nicht mit sich herum. Wozu wären denn die Banken da. Wenn es den Tramps in die Hände fällt, so ist das Geld verloren.«
»Nein; sie würden es nicht finden.«
»O, die sind verschlagene Kerls.«
»Aber da, wo er es hat, werden sie gewiß nicht suchen.«
»So kennt Ihr das Versteck?«
»Ja. Er zeigte es den andren. Er that zwar heimlich dabei, weil ich zugegen war. Ich wendete ihnen den Rücken zu, und so glaubten sie, daß ich die Fingerzeige nicht sehen werde; aber sie dachten nicht an den Spiegel, in welchen ich blickte und in dem ich alles sah.«
»Hm, ein Spiegel ist trügerisch. Wer vor demselben steht, der sieht bekanntlich seine rechte Seite links und die linke rechts.«
»Das habe ich noch nicht beobachtet und verstehe nichts davon; aber was ich gesehen habe, das habe ich gesehen. Der Ingenieur hat nämlich ein altes Bowiemesser mit einem hohlen Griffe, in welchem die Noten stecken. Die Tramps mögen, falls er ihnen in die Hände fiele, ihn immerhin ausrauben. So ein altes, schlechtes Messer nimmt selbst der ärgste Räuber seinem Opfer nicht, weil er es eben nicht selbst braucht und dem Beraubten doch wenigstens eine Waffe, ein Werkzeug lassen muß, ohne welches er im Westen verloren wäre.«
»Das ist freilich sinnreich. Aber wo hat er denn das Messer? Er trägt keinen Jägeranzug, keinen Gürtel.«
»Er hat den Gürtel unter der Weste, und von demselben hängt die Ledertasche, in welcher es steckt, an der linken Seite unter dem Rockschoße herab.«
»So! Nun, das kann uns freilich nicht interessieren. Wir sind keine Tramps, sondern ehrliche Erntearbeiter. Es thut mir nur leid, daß ich mich in dem Riesen geirrt habe. Die Ähnlichkeit mit dem Farmer, den ich meine, ist sehr groß, und er führt auch ganz denselben Namen.«
»Vielleicht ist er ein Bruder von ihm. Übrigens hat nicht bloß der Ingenieur so viel Geld bei sich. Der Schwarzbärtige sprach auch von einer bedeutenden Summe, welche er erhalten habe und an seine Kameraden, welche Rafters sind, verteilen müsse.«
»Wo befinden sich denn die?«
»Sie fällen ihre Bäume jetzt am Black-bear-Flusse, den ich freilich nicht kenne.«
»Ich kenne ihn. Er mündet unterhalb Tuloi in den Arkansas. Ist die Gesellschaft zahlreich?«
»Gegen zwanzig Mann, lauter tüchtige Boys, sagte er. Und der lustige Kerl in dem ledernen Schlafrocke hat eine ganze Menge von Nuggets bei sich. Auch er will nach dem Westen. Möchte wissen, wozu er das Gold mitnimmt. Das schleppt man doch nicht mit in der Wildnis umher!«
»Warum nicht? Auch im Westen hat der Mensch Bedürfnisse. Da gibt es Forts, Sommerstores und herumziehende Krämer, bei denen man genug Geld und Nuggets los werden kann. Also diese Leute sind mir nun vollständig gleichgültig. Ich begreife nur nicht, daß dieser Ingenieur hinauf in das Felsengebirge will und doch ein junges Mädchen bei sich hat.«
»Er hat nur dieses eine Kind. Die Tochter liebt ihn sehr und hat sich nicht von ihm trennen wollen. Da er nun beabsichtigt, eine ungewöhnlich lange Zeit in den Bergen zu bleiben, wozu es sogar notwendig sein wird, Blockhäuser zu bauen, so hat er sich endlich entschlossen, sie und die Mutter mitzunehmen.«
»Blockhäuser? Hat er das gesagt?«
»Ja.«
»Für ihn und seine Tochter würde doch eine einzige Blockhütte genügen. Es steht also zu vermuten, daß sie nicht allein sein, sondern sich in Gesellschaft befinden werden. Ich möchte wissen, welchen Zweck sie verfolgen.«
»Das wollte auch der Schwarzbärtige wissen, aber Old Firehand sagte ihm, daß er es später erfahren werde.«
»Also wird es geheim gehalten. Es muß sich also doch wahrscheinlich um eine Bonanza, eine reiche Erzader handeln, welche man heimlich untersuchen und günstigen Falls ausbeuten will. Möchte doch den Ort erfahren, nach dem sie wollen.«
»Der wurde leider nicht genannt. Wie es scheint, wollen sie den Schwarzbärtigen und auch die Tante Droll mitnehmen. Sie haben großen Gefallen aneinander gefunden, einen so großen, daß sie hier in nebeneinander liegenden Kabinen schlafen.«
»In welchen? Wisset Ihr das?«
»Ja, denn sie verhandelten laut darüber. In Nummer eins schläft der Ingenieur; Nummer zwei hat Old Firehand, Nummer drei Tom, Nummer vier die Tante Droll und Nummer fünf der kleine Fred.«
»Wer ist das?«
»Der Boy, den die Tante mitgebracht hat.«
»Ist er Drolls Sohn?«
»Nein, soviel ich erraten habe.«
»Wie ist sein Familienname und weshalb befindet er sich bei Droll?«
»Darüber wurde kein Wort gesprochen.«
»Liegen die Kabinen eins bis fünf rechts oder links?«
»Auf der Steuerbordseite, von hier aus also links. Das Mädchen des Ingenieurs schläft natürlich mit ihrer Mutter in einer Damenkabine. Doch brauche ich nicht davon zu reden, denn das alles kann Sie ja gar nicht interessieren.«
»Das ist freilich richtig. Da ich mich in diesen Leuten geirrt hatte, kann es mir sehr gleichgültig sein, wo sie liegen und schlafen. Ich beneide sie übrigens nicht um ihre engen Kabinen, in denen sie fast ersticken müssen, während wir hier auf dem offenen Deck so viel Luft haben, wie wir nur verlangen können.«
»Well! Aber gute Luft haben auch die Kajütenherren, da die Fenster herausgenommen werden und an deren Stelle Gazeflächen eingesetzt werden. Am allerschlimmsten sind natürlich wir daran. Wir müssen, wenn wir des Nachts nicht zu arbeiten haben, eigentlich da unten schlafen« – er zeigte auf eine Luke, welche nicht weit von ihnen unter das Deck führte – »und es ist nur eine ganz besondere Gunst, wenn der Offizier erlaubt, uns hier zu den Passagieren zu legen. Durch die enge Luke kommt keine Luft hinab, und aus dem Unterraum steigt ein Moderdunst herauf. Es ist an warmen Tagen geradezu zum Ersticken.«
»Euer Schlafraum steht mit dem Kielraum in Verbindung?« fragte der Cornel angelegentlich.