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Der Schatz im Silbersee
»Was?« brauste der Cornel auf. »Einen Burschen nennt Ihr mich? Und den Drink weist Ihr zurück? Soll es Euch wie dem Indianer ergehen, dem ich – – —«
Er kam nicht weiter, denn er hatte in diesem Augenblick eine so gewaltige Ohrfeige von dem Riesen erhalten, daß er niederstürzte, eine ganze Strecke auf dem Boden hinschoß und sich dann sogar noch überkugelte. Da lag er einen Augenblick wie erstarrt, raffte sich jedoch schnell auf, riß das Messer heraus, erhob es zum Stoße und sprang auf den Riesen ein.
Dieser hatte die beiden Hände in die Hosentaschen gesteckt und stand so gemütlich da, als ob ihm nicht die mindeste Gefahr drohe, als ob der Cornel gar nicht vorhanden sei. Dieser brüllte in wütendem Tone: »Hund, mir eine Ohrfeige? Das kostet Blut, und zwar das deinige!«
Mehrere der Männer und auch der Kapitän wollten dazwischen treten, aber der Riese wies sie mit einem energischen Kopfschütteln zurück, erhob, als der Cornel ihm bis auf zwei Schritte nahe gekommen war, das rechte Bein und empfing ihn mit einem solchen Fußtritte auf den Magen, daß der Betroffene abermals zu Boden flog und fortkollerte.
»Nun ist‘s aber gut, sonst – – —« rief der Goliath drohend.
Aber der Cornel sprang wieder auf, schob das Messer in den Gürtel und zog, vor Grimm brüllend, eine der Pistolen hervor, um sie auf den Gegner zu richten. Dieser aber nahm seine rechte Hand aus der Tasche, in welcher er einen Revolver stecken gehabt hatte.
»Fort mit der Pistole!« gebot er, indem er den Lauf seiner kleinen, aber guten Waffe auf die rechte Hand des Gegners hielt.
Ein – zwei – drei dünne aber scharfe Knalle – – der Cornel schrie auf und ließ die Pistole fallen.
»So, Bursche!« sagte der Riese. »Du wirst nicht gleich wieder Ohrfeigen geben, wenn man es verschmäht, aus dem Glase zu trinken, an welchem du vorher dein großes Maul abgewischt hast. Ich habe dir die Hand zerschmettert. Und wenn du nun noch wissen willst, wer ich bin, so – – —«
»Verdammt sei dein Name!« schäumte der Cornel, »Ich mag ihn nicht hören. Dich selbst aber will und muß ich haben. Drauf, auf ihn, Jungens; go on!«
Jetzt zeigte es sich, daß diese Kerls eine wirkliche Bande bildeten, in welcher alle für einen standen. Sie rissen ihre Messer aus den Gürteln und warfen sich auf den Riesen, welcher verloren zu sein schien, ehe der Kapitän seine Leute zu Hilfe rufen konnte. Der mutige Mann aber streckte einen Fuß vor, erhob die Arme und rief: »So kommt heran, wenn ihr es wagt, mit Old Firehand anzubinden!«
Der Klang dieses Namens war von augenblicklicher Wirkung. Der Cornel, welcher sein Messer mit der unverletzten Linken wieder ergriffen hatte, hielt den Schritt an und rief: »Old Firehand! Alle Teufel, wer hätte das gedacht! Warum habt Ihr das nicht vorher gesagt!«
»Ist‘s etwa nur der Name, der einen Gentleman vor euern Ungezogenheiten schützt? Macht euch von dannen, setzt euch ruhig in einen Winkel und kommt mir nicht wieder vor die Augen, sonst lösche ich euch alle aus!«
»Well, wir sprechen später weiter!«
Er drehte sich um und ging mit seiner blutenden Hand nach vorn. Die Seinen folgten ihm wie Hunde, welche Prügel bekommen haben. Dort setzten sie sich nieder, verbanden ihrem Anführer die Hand, sprachen leise und angelegentlich miteinander und warfen dabei Blicke nach dem berühmten Jäger, welche zwar keineswegs freundliche waren, aber doch bewiesen, welch einen gewaltigen Respekt sie vor ihm hatten.
Aber nicht allein auf sie hatte der weitbekannte Name gewirkt. Es gab unter den Passagieren wohl keinen, der nicht schon von diesem kühnen Manne, dessen ganzes Leben aus gefährlichen Thaten und Abenteuern zusammengesetzt war, gehört gehabt hätte. Man trat unwillkürlich ganz ehrerbietig von ihm zurück, und betrachtete nun viel eingehender die hohe Gestalt, deren doch so harmonische Dimensionen und Verhältnisse jedem schon vorher aufgefallen waren.
Der Kapitän reichte ihm die Hand und sagte im freundlichsten Tone, zu dem ein Yankee sich verstehen kann: »Aber, Sir, das hätte ich wissen sollen! Ich hätte Euch meine eigene Kajüte abgetreten. Bei Gott, es ist eine Ehre für den »Dogfish«, daß Eure Füße seine Planken betreten haben. Warum habt Ihr Euch anders genannt?«
»Ich habe Euch meinen wirklichen Namen gesagt. Old Firehand aber werde ich von den Westmännern genannt, weil das Feuer meiner Büchse, von meiner Hand geleitet, stets ein verderbenbringendes ist.«
»Ich hörte, Ihr schießt nie fehl?«
»Pshaw! Fehlschießen eine Unmöglichkeit! Jeder gute Westmann kann das genau so wie ich. Aber Ihr seht, welchen Vorteil ein bekannter Kriegsname hat. Hätte sich der meinige nicht so weit herumgesprochen, so wäre es gewiß zum Kampfe gekommen.«
»In welchem Ihr gegen diese Übermacht hättet unterliegen müssen!«
»Meint Ihr?« fragte Old Firehand, indem ein selbstbewußtes, doch gar nicht stolzes Lächeln über sein Gesicht flog. »So lange man nur mit Messern kommt, ist mir gar nicht bange. Ich hätte mich gewiß so lange gehalten, bis Eure Leute zur Hand gewesen wären.«
»An denen hätte es freilich nicht gefehlt. Aber was thue ich nun mit den Halunken? Ich bin Herr, Gebieter und Richter hier. Soll ich sie in Ketten legen und dann abliefern?«
»Nein.«
»Oder soll ich sie ans Ufer setzen?«
»Auch nicht.«
»Aber Strafe muß doch sein.«
»Ich rate Euch, darauf zu verzichten. Ihr macht diese Tour mit Eurem Steamer doch wohl nicht zum letztenmal?«
»Fällt mir gar nicht ein! Ich denke, noch lange Jahre auf dem alten Arkansas auf und ab zu schwimmen.«
»Nun, so hütet Euch, jetzt die Rache dieser Menschen zu erwecken! Es würde sicher zu Eurem Verderben sein. Sie sind im stande, sich irgendwo am Ufer festzusetzen und Euch einen Streich zu spielen, der Euch nicht nur das Schiff, sondern auch das Leben kosten kann.«
»Das sollten sie wagen!«
»Sie wagen es gewiß. Übrigens würde das gar kein Wagnis für sie sein. Sie würden alles heimlich thun und es so einrichten, daß ihnen niemand etwas anhaben kann.«
Jetzt sah Old Firehand den Schwarzbärtigen, welcher herbeigekommen und in der Nähe stehen geblieben war, den Blick in bescheidenem Verlangen auf den Jäger gerichtet. Dieser trat auf ihn zu und fragte: »Ihr wollt mit mir sprechen, Sir? Kann ich Euch einen Gefallen erweisen?«
»Einen sehr großen,« antwortete der Deutsche.
»So sagt, welchen!«
»Erlaubt mir, Euch einmal die Hand zu drücken, Sir! Das ist alles, um was ich Euch bitte. Dann will ich befriedigt gehen und Euch nicht weiter belästigen. Aber an diese Stunde werde ich mit Freuden denken all mein Lebelang.«
Man sah seinem offenen Blick und hörte seinem Tone an, daß diese Worte wirklich aus dem Herzen kamen. Old Firehand streckte ihm die Rechte entgegen und fragte: »Wie weit wollt Ihr mit diesem Schiffe fahren?«
»Mit diesem Schiffe? Nur bis Fort Gibsen.«
»Das ist doch weit genug!«
»O, dann will ich mit dem Boote noch weiter. Ich fürchte, daß Ihr, der berühmte Mann, der noch niemals unterlegen ist, mich für furchtsam haltet.«
»Warum?«
»Weil ich vorhin den Drink dieses sogenannten Cornels angenommen habe.«
»O nein. Ich kann Euch nur loben, daß Ihr so besonnen gewesen seid. Freilich, als er dann den Indsmann schlug, nahm ich mir vor, ihm eine scharfe Lehre zu erteilen, was ja auch geschehen ist.«
»Hoffentlich läßt er sie sich zur Warnung dienen. Übrigens, wenn Ihr ihm die Finger steif geschossen habt, so ist‘s mit ihm als Westmann aus. Von dem Roten aber weiß ich nicht, was ich denken soll.«
»Wieso?«
»Er hat sich als wirklicher Feigling betragen, und ist doch nicht im mindesten erschrocken, als das Brüllen des Panthers erscholl. Das kann ich mir gar nicht zusammenreimen.«
»Nun, den Reim will ich Euch machen. Es fällt mir nicht schwer, ihn fertig zu bringen.«
»So, kennt Ihr den Indianer?«
»Gesehen habe ich ihn noch nie, desto mehr aber von ihm gehört.«
»Auch ich hörte den Namen, als er ihn aussprach. Es ist ein Wort, bei dem man die Zunge brechen kann. Es war mir unmöglich, es mir zu merken.«
»Weil er sich seiner Muttersprache bediente, jedenfalls um den Cornel nicht merken zu lassen, mit wem er es zu thun hatte. Sein Name ist Nintropan-hauey, und sein Sohn heißt Nintropan-homosch; das bedeutet der große Bär und der kleine Bär.«
»Ist‘s möglich? Von diesem Vater und diesem Sohne habe ich freilich schon oft gehört. Die Tonkawa sind entartet. Nur diese beiden Nintropan haben die Kriegslust ihrer Ahnen geerbt und treiben sich im Gebirge und in der Prairie umher.«
»Ja, sie sind zwei tüchtige Kerls. Und nun werdet Ihr wohl nicht mehr denken, daß sie aus Feigheit dem Cornel nicht geantwortet haben, wie es sich eigentlich gehörte.«
»Ein andrer Indsman hätte den Kerl sofort kalt gemacht!«
»Vielleicht. Aber habt Ihr nicht gesehen, daß der Sohn unter seine Decke nach dem Messer oder dem Tomahawk griff? Nur als er das regungslose Gesicht seines Vaters sah, verzichtete er darauf, die That augenblicklich zu rächen. Ich sage Euch, bei diesen Indsmen genügt ein kurzer Blick, wo es bei uns Weißen oft einer langen Rede bedarf. Seit dem Augenblicke, daß der Cornel den Indianer in das Gesicht schlug, ist sein Tod eine beschlossene Sache. Die beiden »Bären« werden nicht eher von seiner Fährte lassen, bis sie ihn ausgelöscht haben. Aber, Ihr nanntet ihm Euern Namen, den ich als einen deutschen erkannte. Wir sind also Landsleute.«
»Wie, Sir, auch Ihr seid ein Deutscher?« fragte Großer erstaunt.
»Allerdings. Mein eigentlicher Name ist Winter. Auch ich fahre noch eine gute Strecke mit diesem Schiffe, und da findet sich für uns beide jedenfalls Gelegenheit, uns wieder zu sprechen.«
»Wenn Ihr Euch herablassen wollt, so soll es mir die denkbar größte Ehre sein, Sir.«
»Macht keine Komplimente. Ich bin nicht mehr, als Ihr seid, ein Westmann, weiter nichts.«
»Ja, aber der General ist auch nicht mehr als der Rekrut, ein Soldat nämlich.«
»Wollt Ihr Euch in Wahrheit mit einem Rekruten vergleichen? Dann dürftet Ihr Euch nur erst kurze Zeit im Westen befinden.«
»Nun,« meinte der Bärtige in bescheidenem Tone, »etwas länger bin ich doch schon da. Ich heiße Thomas Großer. Den Familiennamen läßt man hier weg; aus dem Thomas macht man einen Tom, und weil ich einen so gewaltigen und schwarzen Bart trage, nennt man mich den schwarzen Tom.«
»Wie? Was?« rief Old Firehand aus. »Ihr seid der schwarze Tom, der berühmte Rafter?«
»Tom heiße ich, Rafter bin ich, ob berühmt, das bezweifle ich.«
»Ihr seid es, Ihr seid es, Sir. Ich versichere es Euch mit meinem Handschlage!«
»Nicht allzulaut, bitte, Sir!« warnte Tom. »Der Colonel dort soll meinen Namen nicht hören.«
»Warum nicht?«
»Weil er mich an demselben wiederkennen würde.«
»So habt Ihr schon mit ihm zu thun gehabt?«
»Ein wenig. Ich erzähle es Euch schon noch. Ihr kennt ihn nicht?«
»Ich sah ihn heut zum erstenmal.«
»Nun, seht seinen Bart und sein rotes Haar und hört dazu, daß sein Name Brinkley ist.«
»Was Ihr sagt! So ist er der rote Brinkley, der hundert Schandthaten begangen hat, ohne daß man ihm eine einzige beweisen kann?«
»Er ist‘s, Sir. Ich habe ihn erkannt.«
»Dann werde ich ihm, wenn er länger an Bord bleibt, etwas schärfer auf die Finger sehen. Und Euch muß ich näher kennen lernen. Ihr seid der Mann, der für mich paßt. Wenn Ihr Euch nicht bereits anderweit versprochen hättet, könnte ich Euch brauchen.«
»Nun,« meinte Tom, indem er nachdenklich zu Boden blickte, »die Ehre, bei Euch sein zu können, ist viel mehr wert, als alles andre. Ich bin zwar einen Bund mit andern Rafters eingegangen; sie haben mich sogar zu ihrem Anführer gemacht; aber wenn Ihr mir Zeit lassen könnt, sie zu benachrichtigen, so läßt sich das leicht lösen.«
»Schön. Ihr müßt Euch einen Kajütenplatz nehmen, damit wir beisammen sind. Was Ihr draufzuzahlen habt, will ich gern ersetzen.«
»Danke, Sir! Wir Rafters verdienen, wenn wir fleißig sind, auch viel Geld. Und gerade jetzt habe ich alle Taschen voll, denn ich komme von Vicksburg unten herauf, wo ich unsre Rechnungen präsentiert und in Kasse umgewandelt habe. Ich kann also den Kajütenplatz selbst bezahlen. Aber seht! Mir scheint, die Vorstellung soll jetzt beginnen.«
Der Menageriebesitzer hatte aus Kisten und Paketen mehrere Sitzreihen hergestellt und lud nun in pomphaften Worten das Publikum ein, Platz zu nehmen. Dies geschah. Das Schiffspersonal durfte, soweit es nicht beschäftigt war, gratis zuschauen. Der Cornel kam mit seinen Leuten nicht herbei; er hatte die Lust dazu verloren.
Die beiden Indianer waren nicht gefragt worden, ob sie auch mit teilnehmen wollten. Zwei Indsmen bei Ladies und Gentlemen, welche pro Person einen Dollar bezahlt hatten, daß wollte der Besitzer des Tieres sich nicht vorwerfen lassen. Sie standen also von ferne und schienen weder dem Käfige noch der Zuschauergruppe die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, während aber ihren scharfen, verstohlenen Blicken von allem, was geschah, nicht daß Geringste entging.
Nun saßen die Zuschauer vor dem noch geschlossenen Kasten. Die meisten von ihnen hatten keinen richtigen Begriff von einem schwarzen Panther. Die katzenartigen Raubtiere der neuen Welt sind bedeutend kleiner und ungefährlicher als diejenigen der alten Welt. Der Gaucho zum Beispiel fängt den Jaguar, welcher der amerikanische Tiger genannt wird, mit dem Lasso und schleift ihn hinter sich her. Das dürfte er beim bengalischen Königstiger nicht wagen. Und der amerikanische Löwe, der Puma, flieht vor dem Menschen, selbst wenn er vom Hunger gepeinigt wird. Man hat die Vorstellung, daß der Panther bedeutend kleiner sei als der Löwe und Tiger, und da die Zuschauer bei diesen beiden Bezeichnungen an den Puma und Jaguar dachten, so erwarteten die meisten von ihnen, ein kaum mehr als einen halben Meter hohes und dementsprechend langes und starkes Raubtier zu sehen. Wie fühlten sie sich daher betroffen, als jetzt die Vorderwand des Kastens entfernt wurde und sie den Panther erblickten.
Er hatte seit New Orleans im Dunkeln gelegen, der Kasten war nur des Nachts geöffnet worden. Jetzt erblickte er zum erstenmal wieder das Tageslicht, welches seine Augen blendete. Er schloß sie und blieb noch liegen, lang ausgestreckt, so lang wie der Kasten war. Dann blinzelte er leise, dabei bemerkte er die vor ihm sitzenden Menschen. Im Nu war er auf und stieß ein Brüllen aus, welches die Wirkung hatte, daß die Mehrzahl der Zuschauer aufsprangen, um zu retirieren.
Ja, es war ein ausgewachsenes prächtiges Exemplar, gewiß einen Meter hoch und ohne Schwanz zweimal so lang. Er faßte die Stäbe des eisernen Käfigs mit den Vordertatzen und schüttelte sie, daß der Kasten in Bewegung kam. Dabei zeigte er das fürchterliche Gebiß. Die dunkle Farbe erhöhte nur den Eindruck, den er machte.
»Ja, Myladies und Gentlemen,« sagte der Menageriebesitzer in erklärendem Tone, »die schwarze Abart des Panthers ist wohl auf den Sundainseln daheim. Diese Tiere sind aber klein. Der echte schwarze Panther, welcher freilich sehr selten ist, wird in Nordafrika, an der Grenze der Sahara gefunden. Er ist ebenso stark und weit gefährlicher als der Löwe und kann ein ausgewachsenes Rind im Rachen forttragen. Was seine Zähne vermögen, werdet ihr gleich sehen, da die Fütterung beginnt.«
Der Bändiger brachte die Hälfte eines Schafes herbei und legte sie vor dem Käfig nieder. Als der Panther das Fleisch erblickte, gebärdete er sich wie unsinnig. Er sprang auf und ab und fauchte und brüllte, daß die furchtsameren der Zuschauer sich noch weiter zurückzogen als bisher.
Ein an der Schiffsmaschine beschäftigter Neger hatte der Neugierde nicht widerstehen können und sich herbeigeschlichen. Der Kapitän sah ihn und befahl ihm, sofort an seine Arbeit zurückzukehren. Da der Schwarze nicht gleich gehorchte, ergriff der Kapitän ein nahe liegendes Tauende und versetzte ihm mit demselben einige Hiebe. Nun zog sich der Gezüchtigte schnell zurück, blieb aber an der in den Maschinenraum führenden Lucke stehen, zog dem Kapitän hinter dem Rücken desselben eine drohende Grimasse und schüttelte die Fäuste gegen ihn. Da die Zuschauer nur auf den Panther achteten, hatten sie das nicht bemerkt. Der Cornel aber sah es und sagte zu seinen Gefährten: »Dieser Nigger ist dem Kapitän nicht hold, wie es scheint. Vielleicht kann er uns von Nutzen sein. Wollen uns an ihn machen. Einige Dollar wirken bei einem Schwarzen Wunder.«
Jetzt schob der Tierbändiger das Fleisch zwischen den Eisenstäben hindurch in den Käfig, musterte die Zuschauer mit prüfendem Blicke und sagte dann seinem Herrn einige leise Worte. Dieser schüttelte bedenklich den Kopf, der andre redete weiter auf ihn ein und schien seine Bedenken zu zerstreuen, denn der Besitzer nickte endlich und erklärte den vor dem Käfige Sitzenden und Stehenden: »Myladies und Mesch‘schurs, ich sage euch, daß ihr ungeheures Glück habt. Ein gebändigter schwarzer Panther ist noch nie gesehen worden, wenigstens hier in den Staaten nicht. Während des dreiwöchentlichen Aufenthaltes in New Orleans nun hat mein Bändiger den Panther in die Schule genommen und erklärt jetzt, zum erstenmal öffentlich zu ihm in den Kasten gehen und sich neben ihm niedersetzen zu wollen, falls ihr ihm eine entsprechende Gratifikation zusagt.«
Der Bändiger war ein starker, außerordentlich muskulöser Mensch mit einem ungewöhnlich selbstbewußten Zuge im Gesicht. Er war jedenfalls vom Gelingen seines Vorhabens vollständig überzeugt, wie seine gegenwärtige zuversichtliche Miene bewies.
Der Panther hatte sich über seine Mahlzeit hergemacht, deren Knochen zwischen seinen Zähnen wie Pappe zermalmt wurden. Er schien nur auf seinen Fraß zu achten, und so konnte wohl selbst der Laie der Ansicht sein, daß es keine große Gefahr auf sich habe, gerade jetzt den Käfig zu betreten.
Kein andrer als der vorhin am ängstlichsten war, nämlich der kleine, bebrillte Gelehrte, antwortete enthusiasmiert: »Das würde herrlich sein, Sir! Ein Bravourstück, für welches man schon etwas zahlen kann. Wieviel will der Mann denn haben?«
»Hundert Dollar?«
»Hm! Ist das nicht zu viel?«
»Nein, sondern viel zu wenig, Sir. Die Gefahr, in welche er sich begibt, ist nicht gering, da er des Tieres erst kaum halb sicher ist.«
»So! Nun, ich bin nicht reich. Fünf Dollar aber steuere ich bei. Mesch‘schurs, wer zahlt noch etwas?«
Es meldeten sich so viele, daß die Summe zusammenkommen mußte. Man hatte nun einmal begonnen, und so sollte das Schauspiel auch völlig ausgekostet werden. Selbst der Kapitän wurde erregt und bot Wetten an.
»Sir,« warnte ihn Old Firehand, »begeht keinen Fehler! Ich bitte Euch, das Wagnis nicht zuzugeben. Gerade weil der Mann des Tieres noch nicht sicher ist, habt Ihr die Verpflichtung, Einspruch zu erheben.«
»Einspruch?« lachte der Kapitän. »Pshaw! Bin ich etwa der Vater oder die Mutter des Bändigers? Habe ich ihm Befehle zu erteilen? Hier in diesem gesegneten Lande hat jedermann das Recht, seine Haut zu Markte zu tragen, ganz wie es ihm beliebt. Wird er von dem Panther gefressen, nun, so ist das seine und des Panthers Sache, nicht aber die meinige. Also, Gentlemen, ich behaupte, daß der Mann nicht so heil wieder herauskommt, wie er hineingeht, und setze hundert Dollar. Wer geht darauf ein? Zehn Prozent der Gewinne soll der Bändiger noch extra erhalten.«
Dieses Beispiel elektrisierte. Es wurden mehrere Wetten zu nicht unbedeutenden Beträgen abgeschlossen, und es stellte sich heraus, daß dieselben dem Bändiger, falls sein Wagnis gelingen sollte, gegen dreihundert Dollar einbringen mußten.
Es war nicht gesagt, ob der Tierbändiger dabei bewaffnet sein solle. Er holte seinen Totschläger, eine Peitsche, deren Knauf eine Explosionskugel enthielt. Griff das Tier ihn an, so bedurfte es nur eines kräftigen Hiebes seinerseits, den Panther augenblicklich zu töten.
»Ich traue selbst einem solchen Totschläger nicht,« sagte Old Firehand zu dem schwarzen Tom. »Ein Feuerwerkskörper wäre praktischer, da das Tier durch denselben zurückgeschreckt würde, ohne doch getötet zu werden. Doch thue jeder nach seinem Wohlgefallen. Ich will‘s loben, aber erst dann, wenn es gelungen ist.«
Jetzt hielt der Bändiger eine kurze Ansprache an das Publikum, und wendete sich dann gegen den Käfig. Er öffnete die schweren Riegel und schob darauf das schmale Gitter, welches die ungefähr fünf Fuß hohe Thür bildete, zur Seite. Um einzutreten, mußte er sich bücken. Dabei bedurfte er beider Hände, um die Thür zu halten, und dann, wenn er sich im Käfige befand, wieder zu schließen; deshalb hatte er den Totschläger zwischen die Zähne genommen und war also, wenn auch nur für diesen kurzen Augenblick, wehrlos. Zwar war er schon oft bei dem Tiere im Käfige gewesen, aber unter ganz andern Umständen. Da war dasselbe nicht tagelang im Dunkeln gewesen; es hatten sich nicht so viele Menschen in der Nähe befunden, und es hatte auch nicht das Stampfen der Maschine und das Rauschen und Brausen der Räder gegeben. Diese Umstände waren weder von dem Menageriebesitzer noch von dem Bändiger genug in Betracht gezogen worden, und nun zeigten sich die Folgen.
Als der Panther das Geräusch des Gitters hörte, drehte er sich um. Eben schob der Bändiger den gesenkten Kopf herein – eine geradezu gedankenschnelle Bewegung des Raubtieres, ein blitzähnliches Aufzucken, und es hatte den Kopf, aus dessen Mund der Totschläger fiel, im Rachen und zerkrachte ihn mit einem einzigen Bisse in Splitter und zu Brei.
Das Geschrei, welches sich in diesem Augenblicke vor dem Käfige erhob, spottete jeder Beschreibung. Alles sprang auf und rannte zeternd davon. Nur drei blieben, der Menageriebesitzer, Old Firehand und der schwarze Tom. Der erstere wollte die Thür des Käfigs zuschieben, aber dies war unmöglich, da die Leiche sich halb in demselben und halb außerhalb befand. Dann wollte er den Toten bei den Beinen fassen und herausziehen.
»Um Gottes willen, das nicht.« rief Old Firehand. »Der Panther käme hinterdrein. Schiebt den Körper vollends hinein, er ist nun doch tot. Dann geht die Thüre zu!«
Der Panther lag vor der kopflosen Leiche. Die Knochensplitter im blutig geifernden Rachen, hielt er die funkelnden Augen auf seinen Herrn gerichtet. Er schien die Absicht desselben zu erraten, denn er brüllte zornig auf und kroch auf der Leiche vor, dieselbe durch die Schwere seines Körpers festhaltend. Sein Kopf war nur noch wenige Zoll von der Thüröffnung entfernt.
»Fort, fort! Er kommt heraus!« rief Old Firehand. »Tom, Ihr Gewehr! Ihr Gewehr! Ein Revolver würde das Übel nur ärger machen!«
Der schwarze Tom sprang nach seiner Büchse.
Von dem Augenblicke, in welchem der Bändiger den Käfig betreten hatte, bis zum gegenwärtigen waren kaum zehn Sekunden vergangen. Niemand hatte noch Zeit gefunden, sich vollständig in Sicherheit zu bringen. Das ganze Deck bildete einen Wirrwarr von fliehenden und vor Angst schreienden Personen. Die Thüren nach den Kajüten und den Unterdecks waren verstopft. Man duckte sich hinter Fässern und Kisten nieder und sprang doch wieder auf, weil man sich da nicht vollständig sicher fühlte.
Der Kapitän war nach seiner Kommandobrücke gerannt und stieg dieselbe empor, drei und vier Stufen auf einmal nehmend. Old Firehand folgte ihm. Der Menageriebesitzer flüchtete sich nach der Hinterwand des Käfigs. Der schwarze Tom rannte nach seinem Gewehre. Unterwegs fiel ihm ein, daß er das Beil mit demselben zusammengebunden hatte und es also nicht augenblicklich gebrauchen könne. Er blieb also bei den beiden Indianern, an denen er vorübergewollt hatte, stehen und riß dem alten Bär die Flinte aus der Hand.
»Ich selbst schießen,« sagte dieser, seine Hand nach der Waffe ausstreckend.
»Laß mich!« herrschte der Bärtige ihm zu »Ich schieße jedenfalls besser als du!«
Er drehte sich nach dem Käfig um. Der Panther hatte diesen soeben verlassen, hob den Kopf und brüllte. Der schwarze Tom legte an und drückte ab. Der Schuß krachte, aber die Kugel traf nicht. Hastig riß er nun auch dem jungen Indianer die Flinte aus der Hand und gab die Ladung derselben auf das Tier ab – mit demselben Mißerfolge.
»Schlecht schießen. Gewehr nicht kennen,« sagte der alte Bär so ruhig, als ob er in seinem sicheren Wigwam beim Braten sitze.
Der Deutsche beachtete diese Worte nicht. Er warf die Flinte weg und eilte weiter nach vorn, wo die Gewehre der Leute des Cornel lagen. Diese Gentlemen hatten keine Lust gehabt, den Kampf mit dem Tiere aufzunehmen, sondern sich schleunigst versteckt.
Da ertönte in der Nähe der Kommandobrücke ein entsetzlicher Schrei. Eine Dame wollte sich auf dieselbe flüchten. Der Panther sah sie eben, als das erwähnte Brüllen beendet war. Er duckte sich nieder und sprang dann in langen, weiten Sätzen auf sie zu. Sie sah es und stieß jenen Schrei aus. Sie befand sich noch unten, während Old Firehand auf der fünften oder sechsten Stufe stand. Im Nu hatte er sie erfaßt, schwang sie zu sich empor und hob sie mit starken Armen über sich hinauf, wo der Kapitän sie an sich nahm. Das war das Werk von zwei Augenblicken gewesen, und nun befand sich der Panther an der Brücke. Er setzte die beiden Vordertatzen auf eine der Stufen und zog schon den Körper zusammen, um sich empor und auf Old Firehand zu schnellen. Dieser versetzte ihm mit aller Gewalt einen Fußtritt auf die Nase und feuerte ihm dann die noch übrigen drei Kugeln seines Revolvers gegen den Kopf.