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Der Oelprinz
Der Oelprinz
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Der Oelprinz

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»Gehen wir hinüber?« fragte Will.

»Ja, sobald es dunkel geworden ist.«

Da brauchten sie nicht lange zu warten. Die Sonne hatte schon den Horizont berührt; sie verschwand; der immer tiefer werdende Schatten der Dämmerung flog von Osten herbei, und draußen am Wasser leuchtete nun ein hohes, helles Feuer auf. Man konnte die Finders schon nicht mehr erkennen.

»Komm,« forderte Sam seinen Kameraden auf. »Wir wollen keine Zeit verlieren.«

Sie verließen ihr Versteck und schritten demjenigen ihrer Gegner zu. Je näher sie demselben kamen, desto leiser, zuletzt vollständig unhörbar, wurden ihre Schritte. Daß Sam Hawkens mit seinen Riesenstiefeln so geräuschlos auftrat wie ein Sperling im Grase, das war geradezu unbegreiflich. Und Will Parker benahm sich mit einem Geschick, welches bewies, daß er kein Greenhorn war, wenn er von Sam auch oft so genannt wurde.

Als sie an den Fuß der kleinen Anhöhe gelangten, gab Sam seinem Begleiter das Gewehr und flüsterte ihm zu:

»Bleib hier zurück und halte meine Liddy! Ich will allein hinauf.«

»Well; aber wenn du in Gefahr gerätst, komme ich nach.«

»Pshaw, wüßte nicht, welche Gefahr dies sein könnte! Spitz die Ohren, Will, damit du nicht etwa ertappt wirst!«

»Von wem?«

»Von dem Kundschafter, den sie gewiß nun bald fortschicken werden. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, aber doch möglich, daß er hier vorüberkommt.«

Er legte sich auf den Boden nieder und kroch weiter. Es war jetzt die beste Zeit zum Anschleichen, weil so kurz nach der Dämmerung die wenigen Sterne, welche zu sehen waren, noch matt schimmerten. Bekanntlich wächst der Glanz der Sterne von der Dämmerung an.

Wie bereits bemerkt, bestand die Bodenwelle, auf welcher die Felsenstücke lagen, aus lauter Geröll, welches demjenigen, welcher im Anschleichen keine sehr große Gewandtheit besaß, unter den Füßen und Händen fortrollen mußte. Sam aber schob sich Zoll um Zoll vorwärts, ohne daß ein Steinchen aus seiner Lage geriet. Es ergab sich dabei wirklich die absoluteste Unhörbarkeit. So erreichte er die Höhe und hielt an. Seine scharfen an die Dunkelheit gewöhnten, weil in derselben geübten Augen sahen die Gegner vor sich; er hätte sie ebensogut bemerkt, wenn er sie nicht gesehen hätte, denn sie sprachen miteinander. Er wagte es, sich ihnen noch mehr zu nähern, und hielt endlich bei einem großen Steinbrocken an, hinter welchem er sich niederkauerte. Zwei oder drei der Finders standen aufgerichtet an den Felsen, um über dieselben hinweg das ferne Lagerfeuer zu beobachten; die übrigen hatten es sich bequem gemacht; sie saßen auf der

Erde. Zwei waren es, welche miteinander sprachen, Buttler und ein andrer. Eben als Sam es sich hinter seinem Steine bequem gemacht hatte, hörte er den letzteren sagen:

»Hätten Wir nur mehr Munition bekommen können! Wir müssen außerordentlich sparsam sein.«

»Nur einstweilen,« antwortete Buttler. »Wir werden uns alles wiedernehmen und noch weit mehr dazu. Poston, jetzt ist’s Zeit, dunkel genug. Mache dich fort! Aber laß dich ja nicht erwischen oder auch nur hören oder sehen, sonst hast du es mit mir zu thun!«

»Werde mich hüten, mich sehen zu lassen,« antwortete der Angeredete. »Es ist nicht zum erstenmal, daß ich lauschen gehe.«

»Darum eben schicke ich dich und keinen andern. Du brauchst dich nicht in Gefahr zu begeben, brauchst nichts zu wagen und dich ihnen nicht allzuweit zu nähern, das wäre unnötig.«

»Aber ich möchte doch gern wissen, was sie reden!«

»Ist von keinem Nutzen für uns. Ich will nur wissen, ob sie allein am Wasser sind oder noch andre sich mit dort befinden.«

»Aber wenn ich sie reden hören könnte, würde ich erfahren, ob sie vielleicht Verdacht haben!«

»Verdacht? Woher soll ihnen dieser kommen?«

»Sie können doch denken, daß wir ihnen folgen werden?«

»Dazu sind sie zu dumm. Die Deutschen sind gar nicht zu rechnen, und der Scout schien nicht der Mann zu sein, der sein Leben wagt, um andre zu retten. Also bleiben nur die drei Schufte, welche gestern trotz ihrer Dummheit ein solches Glück gegen uns gehabt haben. Ihr Verstand reicht sicher nicht so weit, zu denken, daß wir ihnen nachgeritten sind. Am Gila in Fallen Bären und Biber fangen! Hat man jemals eine solche Verrücktheit gehört? Also geh, Poston, und spute dich! In einer halben Stunde kannst du wieder hier sein.«

Der Späher entfernte sich, und der allererste Sprecher nahm nun wieder das Wort-.

»Wann denkst du, daß wir uns auf sie werfen, Buttler? Heut abend noch oder morgen früh?«

»Morgen erst? So lange mag ich nicht warten. Ich brenne vor Begierde, ihnen, und vor allen Dingen dem kleinen, dicken Kerl, die Rechnung heimzuzahlen. Nein, heut abend noch.«

»Wenn sie schlafen und das Feuer ausgegangen ist?«

»Nein. Wir werden sie mit einer einzigen Salve niederschießen; dazu gehört Licht.«

»Aber das Feuer ist groß und leuchtet so weithin, daß sie uns sehen müssen, wenn wir kommen.«

»Dadurch, daß sie einen solchen Höllenbrand angefacht haben, beweisen sie, daß sie nicht den geringsten Verdacht hegen. Es ist freilich unangenehm, daß die Riesenflamme gar so weit leuchtet; wir müssen also warten, bis sie niedrig brennt. Dann aber wird keinen Augenblick länger gezögert. Ich sage euch, auf den Kleinen, Dicken darf mir niemand schießen, denn der soll von meiner Kugel sterben.«

Er erging sich weiter in zornigen Ausdrücken und in überkräftigen Redensarten über das gestrige Erlebnis, die dabei gegen ihn aufgetretenen Personen und die Uebertölpelung, welcher er mit seinen Gefährten verfallen war. Sam erwartete, noch weiteres Wichtiges zu hören; darum blieb er wohl noch eine gute Viertelstunde liegen, sah sich aber getäuscht und verließ darum nun seinen Ort ebenso leise und vorsichtig, wie er gekommen war. Als er unten bei Will Parker anlangte, gab dieser ihm sein Gewehr zurück und sagte:

»Hier hast du die Liddy. Gab es etwas zu hören?«

»Wenig.«

»Aber wichtig?«

»Nur daß der Ueberfall dann geschehen soll, wenn unser Feuer nicht mehr so hell brennt wie vorher. Wir müssen uns darauf einrichten. Hast du den Kundschafter gesehen?«

»Ja. Er ging ziemlich nahe an mir vorüber, hat mich aber nicht bemerkt.«

»So komm! Wir müssen zu den Unsrigen.«

Sie entfernten sich, erst mit gedämpften Schritten, dann aber mit weniger Vorsicht, denn sie schritten nicht direkt auf das Lager zu, sondern machten einen Umweg, um nicht auf den zurückkehrenden Späher zu treffen. Sie hatten noch nicht ganz die Hälfte des Weges zurückgelegt, so hörten sie einen lauten englischen Ausruf, dem ein zweiter deutscher folgte.

»Tempest!« rief die erste Stimme.

»Herr Jemineh!« schrie die zweite. »Wer fällt denn da über mich weg?«

»Das ist der Kantor,« raunte Sam seinem Kameraden zu. »Der Mann macht mir da wohl eine Dummheit. Komm schnell näher, aber leise, damit man uns nicht eher bemerkt, als bis wir uns bemerken lassen wollen!«

Sie huschten der Gegend zu, aus welcher die Stimmen jetzt weiter erklangen. Als sie nahe genug gekommen waren, blieben sie halten und lauschten.

»Wer Ihr seid, habe ich gefragt!« sagte der englisch Sprechende.

»Ich ersticke!« wurde ihm deutsch geantwortet.

Ja, es war die Stimme des Emeritus. Sie klang so, als ob ihn jemand an der Kehle habe.

»Den Namen will ich wissen!« erklang es wieder englisch.

»Dort vom Lager.«

»Ich verstehe Euch nicht. Redet doch englisch!«

»Ich komponiere!«

»Gehört Ihr zu den Leuten, welche dort am Feuer sitzen?«

»Eine Heldenoper, welche drei ganze Abende füllen soll!«

»Mensch, wenn Ihr nicht verständlich redet, kommt Ihr nicht los! Also Antwort! Wer seid Ihr?«

»Zwölf Akte, auf jeden Abend vier.«

»Den Namen, den Namen!«

»Ich suche den Hobble-Frank!«

»Ah endlich! Frank heißt Ihr? Was treibt Ihr denn hier, so allein und nächtlicher Weile?«

»Aus Klotzsche bei Dresden bin ich. Laßt mich doch los —o, o, endlich! Gott sei Dank!«

Die Stimme klang freier; der Kantor hatte sich losgerissen und eilte fort. Man hörte seine Schritte.

»Nun ist er doch fort!« stieß der andre zornig hervor. »Soll ich – nein; ich muß weiter.«

Er verfolgte den Fliehenden nicht, sondern nahm seinen Weg mit schnellen Schritten zu den Finders.

»Es ist der Kundschafter,« flüsterte Sam. »Das ist eine fatale Geschichte. Kann uns alles verderben. Ich muß wieder nach den Felsen zurück, um zu hören, was der Mann dort meldet. Bleib hier stehen! Ich muß noch eher dort sein als er.«

Er rannte fort. Will Parker wartete. Es verging wohl eine halbe Stunde, ehe Sam zurückkehrte. Als er kam, meldete er:

»Es ist besser abgelaufen, als ich dachte. Diese Begegnung konnte dem Kantor das Leben kosten oder, wenn wir ihm beisprangen, wenigstens unsern Plan zu Schanden machen.«

»Für wen halten die Finders diesen Unglücksemeritus?« erkundigte sich Parker.

»Es ist gar nicht von ihm gesprochen worden.«

»Nicht? Das ist unmöglich.«

»Es ist wirklich so. Der Kundschafter hat nämlich die Begegnung gar nicht erwähnt.«

»Wirklich nicht? Unbegreiflich! Sie ist doch so wichtig, daß er sie unbedingt melden muß!«

»Das begreift dieser Mann vielleicht nicht. Er hat sie höchst wahrscheinlich aus Angst verschwiegen.«

»Aus Angst? Wieso?«

»Aus Angst vor den Vorwürfen. Ehe er ging, drohte ihm Buttler, sich ja nicht sehen zu lassen; nun ist er gar über jemand weggefallen. Wenn er dies sagt, hat er nichts Gutes zu erwarten; darum zog er vor, lieber zu schweigen. Das kann uns nur lieb sein. Komm nun jetzt zum Lager!«

Sie gingen weiter, hatten aber noch nicht viele Schritte gethan, als sie schon wieder stehen blieben, da sie ein Geräusch vor sich hörten. Als es näher kam, erkannten sie, daß es Hufschläge waren.

»Ein galoppierendes Pferd, welches gerade auf uns zukommt!« sagte Parker.

»Ja, so ist es,« stimmte Sam bei. »Was ist das nun wieder, wenn ich mich nicht irre! Schnell zur Seite!«

Das Pferd war schnell näher gekommen; sie wichen gerade noch zu rechter Zeit aus; als es vorüberschoß, sahen sie trotz der Dunkelheit, daß zwei Gestalten auf demselben saßen. Die eine von ihnen stöhnte laut.

»Wir das einer von uns, Sam?« fragte Parker.

»Weiß nicht. Waren überhaupt zwei, altes Greenhorn.«

»Aber Feinde. Der eine saß richtig im Sattel; der andre kniete hinter ihm und hatte ihn beim Halse.«

»So genau habe ich es nicht unterscheiden können. Hast du dich nicht etwa geirrt?«

»Nein. Ich stand näher als du und konnte es also deutlicher sehen. Einer von ihnen gehörte wohl zu uns; wer aber mag der zweite sein?«

Dieser zweite gehörte ebenso wie der erste zur Gesellschaft. Daß sie miteinander an Sam und Will vorüberritten, und zwar auf einem Pferde, beruhte auf folgender Ursache:

Schi-So, der Häuptlingssohn, hatte sich stets nur zu Adolf Wolf, seinem gleichalterigen einstigen Studiengenossen und jetzigen Gefährten gehalten, war nach Indianerweise gegen Sam, Will und Dick nicht aufdringlich gewesen, hatte aber alle Vorkommnisse, Reden und Gespräche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Er hatte in Tucson gehört, wie Sam den Führer zurechtwies und ihm sagte, daß er morgen entlassen werde. Später war ihm das stille, brütende Wesen dieses Mannes aufgefallen; er hatte Verdacht gefaßt und ihn von nun an sehr aufmerksam beobachtet. Jetzt, am Lager, hatte der Scout mit den deutschen Auswanderern nach Sams und Will Parkers Entfernung einen Streit vom Zaune gebrochen, und Frau Rosalie ihrem lebhaften Temperament zufolge an demselben teilgenommen. Was der eigentliche Grund oder Gegenstand des Zankes war, wußte Schi-So nicht; er hörte nur, daß die Frau schließlich zornig ausrief.-

»Denken Se nich etwa, daß wir Ihre Unterthanen und Schklaven sind! Ich, Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllerin habe hier gerade so viel zu befehlen wie Sie. Verschtehn Se mich! Sie zeigen uns den Weg und kriegen Ihr Geld dervor. So is die Sache. Und morgen gehn Se ab. Der Herr Sam Hawkens wird uns weiter führen; der verschteht seine Sache besser als Sie und macht’s noch derzu ganz umsonst.«

»Besser wie ich?« fragte zornig der Scout. »Darüber haben Sie als Fremde und als Frau gar kein Urteil. Weiber haben überhaupt zu schweigen!«

»Zu schweigen? I, was Se nich sagen! Schweigen sollen wir Damen? Wozu haben wir denn den Mund bekommen? Etwa bloß zum Nüsseknacken und Oppedeldoc trinken? Hörn Se, da sind Se uff dem Holzwege! Schweigen lieber Sie, denn alles, was Se sagen, is schlechte Leinewand und imitiertes Meublemang! Wir werden froh sein, wenn Se morgen fort sein werden. Uff Ihre lockere Amtsführung als Wegweiser und Schkuut dürfen Se sich wahrhaftig nich viel einbilden!«

»Ich kann dieses Amt ja schon heut niederlegen!«

»So? Das is uns lieb; das is uns recht; das wird oogenblicklich angenommen. Also treten Se ab! Sie sind hiermit aus Amt und Schtand und Brot entlassen!«

»Nicht eher, als bis ich meine Bezahlung bekommen habe!«

»Die sollen Se haben, oogenblicklich haben. Wegen den paar Pfennigen lassen wir uns nich beim Land- und Kreisgericht verklagen. Julius, haste Geld bei der Hand?«

Julius hieß ihr Mann, welcher neben ihr stand. Er bejahte ihre Frage.

»So bezahl den Mann; mir kommt er nich wieder ins Haus. Dem will ich’s zeigen, ob wir Damen schweigen müssen oder nich! Ich bin nur deshalb mit nach

Amerika, weil da die Damen feiner als drüben behandelt werden, und gleich dieser erste Yängki, der mir in den Weg gekommen is, will mir die Schprachwerkzeuge verbieten! Das muß eenen ja aus allen seinen sieben Himmeln reißen! Also zahl ihn aus, und dann hau du ju du!« (* How do you do.)

Der Scout erhielt wirklich seinen Lohn so ausgezahlt, als ob er mit bis nach Fort Yuma geritten wäre. Er schob es mit pfiffigem Lächeln in die Tasche. Jedenfalls hatte er den Streit nur deshalb vom Zaune gebrochen, um das Geld zu bekommen und sich noch während der Abwesenheit Sams entfernen zu können. Er sattelte sein Pferd, nahm sein Gewehr und stieg auf. Da trat Dick Stone zu ihm und fragte:

»Wollt Ihr mir wohl sagen, Sir, was es zu bedeuten hat, daß Ihr da Euern Gaul so plötzlich zwischen die Beine nehmt? Wie es scheint, wollt Ihr fort?«

»Yes. Habt Ihr etwas dagegen?« antwortete der Führer impertinent.

»Sehr viel sogar.«

»Darnach werde ich nicht fragen.«

»Oho! Dick Stone ist ganz genau der Mann, nach dessen Wort man fragt. Wir sollen überfallen werden; es heißt entweder hie Freund oder hie Feind; wer uns in diesem Augenblick verläßt, ist unser Feind.«

»Ich bin entlassen worden.«