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Der Räuber
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Der Räuber

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„Tja“, murmelt der Händler und besieht sich meiner Hände Arbeit. „Auftrag erfüllt! Sehr gut!“

Das Wasser verschwindet unter der Ladentheke.

„Was willst du?“

„Ich habe Hunger! Konserven, Fleisch, Suppen… eigentlich alles, was essbar ist.“

Wir handeln wieder. Nach wenigen Minuten verlasse ich das Geschäft, die Lebensmittel im Rucksack sind angenehm schwer. Tja, die Lebensmittel reichen fürs erste zum Überleben! Angesichts meiner vielen Besuche in leeren Wohnungen, muss ich mir darüber keine Sorgen zu machen.

Peng! Mir wird schwarz vor den Augen.

„Stehengeblieben, du Mistkerl!“

Nach diesen Schlägen in den Magen, ist kaum an Weglaufen zu denken. Oho, einen der Trottel dieser Troika kenne ich bereits. Das ist der Beobachter, der vor den bewaffneten Schlägertypen Reißaus nahm.

„Willst du frech werden?!“

„Worum geht's?“

„Denkst du, dass du einfach so an uns vorbeikommst?“

Ich verstehe immer noch nicht. Sie zerren mich auf die Beine, pressen mich an die Wand, erklären mir anschaulich das Kräfteverhältnis. Dabei versetzen sie mir zur Veranschaulichung „freundschaftlich“ immer wieder ein paar Schläge. Diese drei sind also die „Beschützer“ des Händlers. Alle, die ihr über den Weg laufen, sind verpflichtet Wegzoll zu berappen, zehn Prozent für jeden Handel. Betrifft das auch die bewaffneten Schläger im importierten Tarnanzug?

„Kapiert?“

„Ja.“

„Vergiss nicht, du Tölpel. Es ist besser, wenn du uns als Freunde hast! Gnade dir Gott, falls du Unsinn anstellst! Adresse?“

„Welche?“

„Vom Bankschließfach, du Idiot! Wo pennst du?“

Der Dicke schreit mir direkt ins Gesicht. Ehrlich währt am längsten, deshalb nenne ich ihnen Straße, Hausnummer und Wohnung. Vom Büro kein Wort, danach haben sie ja auch nicht gefragt.

„Das kontrollieren wir!“

„Von mir aus, ihr könnt ja gleich mitkommen!“

Aha, natürlich werden sie mich nicht begleiten, sondern stattdessen auf den nächsten Idioten warten, der hier vorbeikommt.

Diese Lumpen lügen doch! Von wegen Schutztruppe, gewöhnliches Gesindel ist das. Leider sind sie zu dritt und mir physisch eindeutig überlegen. Jeder Widerspruch würde mit weiteren blauen Flecken im Gesicht bestraft. Wahrscheinlich vor allem in meinem Gesicht!

„Du betrittst das Haus über diesen Hauseingang! Wohnung Nr. 7. Da steht im Korridor ein Kasten. Wenn wir nicht da sind, heißt das nicht, dass wir verschwunden sind. Dir sollte klar sein, dass wir hier alles bewachen. Leg es einfach in die Kiste! Wir sehen nach!“

Es ist der Eingang, in dem die Klapperrassel auf der Treppe hängt. Der selbst ernannte Wachaufzug dieser Luschen. Sie haben Angst, sich eine Kugel einzufangen, wenn sie vor dem Laden herumlaufen. Dafür würde die Wache des Händlers sorgen. Aber auf dem Weg zurück können mich diese Draufgänger in Empfang nehmen. Mit einer leichten Prügelei werde ich die nicht los, denen ist alles egal. Mit solchen Leuten hatte ich bereits zu tun.

Mein Rucksack ist jetzt sehr viel leichter. Sie verabschieden sich von mir mit einem Nackenschlag und biegen um die Ecke.

Somit findet sich auch hier ein Makar. Die übliche Schutzgelderpressung, aber bald etablieren sie sich und erhalten Verstärkung durch andere Halunken. Soll ich jetzt auf dem Weg ständig vor diesen Mistkerlen davonlaufen?

Ich brauche eine Schusswaffe! Aber ich habe keine Waffe, außer meinem Klappmesser und das hilft mir nicht weiter. Selbst mit dem Handbeil besiege ich sie nicht, weil sie einfach zu viele sind. Außerdem… kann ich mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt jemanden umgelegt haben sollte? Lange her, oder? Habe ich überhaupt schon einmal, jemanden um die Ecke gebracht? Wann fange ich endlich damit an? Sicher nicht jetzt und sofort.

Möglicherweise habe ich beim Ausnehmen der Wohnungen eine Chance, Waffen zu finden. Aber selbst die professionelle Brigade von Makar stieß selten auf Waffen. Die Wohnungen bei uns sind keine Waffenlager. Meine Lage scheint aussichtslos. Ich weiß nicht recht weiter, trinke die halbe Kognakflasche aus und mache es mir auf dem Sexodrom von Witja bequem.

Mitten in der Nacht trifft es mich wie ein Schlag. Ich setze mich im Bett auf. Was ist los? Was hat mich veranlasst aufzuspringen? Ich laufe im Zimmer hin und her und stoße mich an den Ecken des riesigen Betts. Ich hab's. Es ist mir wieder eingefallen. Der Verkäufer, den die „Bären“ im zweiten Geschäft umlegten, hatte zuerst auf sie geschossen! Der Schuss klang nicht wie der einer Maschinenpistole. Und dann? Ja, dann eröffneten die zwei düsteren Typen das Feuer. Warum eigentlich düster? Die Schützen warfen mir sogar ein paar Konserven zu, bevor sie fortgingen. Keiner von den beiden hatte ein Gewehr. Sie waren mit Maschinenpistolen bewaffnet. Die brauchten kein Gewehr. Das bedeutet? Das Gewehr muss noch dort liegen!

Tja… es liegt hier sicher, aber wo genau? Ich durchsuchte die Räume des Geschäfts, mir fiel jedoch nicht ein, wo das Gewehr herumliegen könnte. Also begann ich von vorn, das Geschäft systematisch zu durchkämmen.

Ein Schuss und fast zeitgleich die Salve aus der Maschinenpistole. Kein Schrei, keine Schritte oder anderer Lärm. Das heißt, der Verkäufer war auf der Stelle tot und stolperte direkt hier. Da liegt der Klient, die Hände seitwärts ausgestreckt und verbreitet bereits Leichengeruch.

Die meisten schießen mit rechts und auch dieser Typ ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Als ihn die zehn Kugeln in die Brust trafen, brach er auf der Stelle zusammen. Die Waffe muss hier irgendwo sein.

Ich hocke am Boden und sehe mich um und entdecke das glänzende Metall des Gewehrkolbens. Die Waffe ist unter das umgestürzte Regal gerutscht, deshalb hat sie auch niemand bemerkt! Es gab aber noch einen Grund dafür. Der einstige Besitzer hatte den Kolben abgesägt, fast… ich glaube, das heißt Pistolenschaft. Der Lauf war ohnehin schon recht kurz. Die Waffe kann man getrost unter einer Jacke, einem Mantel oder sogar einem Jackett tragen, ohne dass es jemand bemerkt. Es ist eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf. Gewöhnlich ist auch der Gewehrkolben kürzer. Ich habe sie im Museum gesehen. Damit konnte man damals höchstens aus nächster Nähe schießen. Mit abgesägtem Lauf trifft sie auf fünfzig Meter, vorausgesetzt, man trifft.

Keine Ahnung, zu welcher Kategorie von Jagdwaffen sie gehört, ich bin kein Fachmann für Waffen. In einem Hausflur kann ich jedenfalls damit herumknallen, ohne groß zu zielen. Geladen wird sie, indem ich das Holzteil unter dem Lauf zu mir heranziehe. In den Filmen hieß das Pumpe, deshalb auch die Bezeichnung Pumpgun, vermutlich, ähnlich wie eine Fahrradluftpumpe.

Ich nehme den Toten unter die Lupe. Seine Taschen sind bereits umgestülpt, vielleicht waren das sogar die MPi-Schützen. Da ist nichts übriggeblieben. Außerdem habe ich keine Lust, den Toten umzudrehen. Der Leichengeruch steigt mir in die Nase und ich habe nicht die Absicht, mich zu vergiften.

Wieder zurück im Büro bemerkte ich, dass die Waffe etwas Rost angesetzt hatte. Kein Problem, in der improvisierten Büroküche gibt es Sonnenblumenöl, das genügt erst einmal. In einer der nächsten Wohnungen werde ich sicher normales Feinmechaniköl finden. Mit Mühe gelingt es mir, die Waffe zu zerlegen. Wie erwartet, hatte der Schütze keine Zeit mehr, die Waffe nachzuladen. Ich zog die nach Pulver riechende Hülse heraus. Laut Markierung an der Hülse hat die Waffe Kaliber zwölf. Meine Güter, die reißt ja riesige Löcher von fast zwei Zentimetern Durchmesser. Wie sehen denn dann die Einschüsse einer zwanzig Kaliber Waffe aus? Vielleicht wird das auch anderes berechnet. Wenn ich mich recht erinnere, wird diese Waffengattung auch als Lupara bzw. Wolfstöter bezeichnet. Sicher gibt es da einen Zusammenhang. Ich habe nur drei Patronen. Die zwei Hülsen sind mit einer Flugente verziert, auf den Karton der dritten Hülse, der den Patronenhals verschließt, sind Ziffern aufgedruckt – vier Nullen. Und? Was jetzt? Was wird wo hineingesteckt?

Ich wische die Waffe ab und baue sie wieder zusammen. Das war übrigens einfacher als erwartet. schließlich handelt es sich nicht um die Einrichtung eines Druckers nach planmäßigen Wartungsarbeiten! Mit welchen Geräten ich mich in meinem Leben schon herumgeschlagen habe, Druckerreparaturen waren noch am einfachsten. Ich ziehe am Abzug, bewege das Holzteil unter dem Lauf und drehe die Waffe hin und her.

Das schnelle Abziehen funktioniert noch nicht, wie ich es mir vorgestellt habe oder wie es im Film zu sehen ist… schnell umdrehen, anlegen und abziehen und alle weiteren hinreichend bekannten Kunststücke! Na ja, das ist eben Kino! Da sind alle eingefleischte Scharfschützen. Ich bezweifle aber, dass es mit meinen Schießkünsten weit her ist. Mit viel Glück treffe ich möglicherweise auf zehn Meter die Eingangstür.

Die passenden Patronen werde ich mir beim Händler besorgen müssen. Er rüstet seinen Wachdienst aus, deshalb hat er auch einen Vorrat oder weiß, wo ich welche bekomme. Das heißt, wieder leere Flaschen sammeln, ab in den Keller und unter die Wasserleitung. Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen. Diese Einkommensquelle sorgt zwar dafür, dass ich nicht Hungers sterbe, aber auch sie wird einmal versiegen. Der Händler hat bald genug Wasser. Irgendwann werden auch die Kunststoffflaschen alle sein. Und was dann? Noch habe ich darauf keine Antwort.

Der Wachmann zeigt keinerlei Regung, als er den Wolfstöter unter der Kleidung entdeckt.

„Ein bisschen zugelegt, was?“

„Sieht so aus…“, stimme ich zu.

Warum sollte ich es abstreiten? Mit diesen Jungs halte ich lieber Freundschaft.

„Dahin…“, nickt die Wache. „Siehst du die Kiste? Da legst du sie rein.“

Der MPi-Schütze hinter dem Gitter beobachtet mich aufmerksam. Wer weiß!

Der Verkäufer (er heißt Artemi, wie sich herausstellt) wirft alle Flaschen lässig in den Kasten.

„Was willst du?“

„Patronen. Kaliber zwölf.“

Er spitzt die Lippen und betrachtet skeptisch meine Flaschen.

„Ein paar Schachteln kannst du haben. Zwei Schachteln Schrapnelle oder Schrotkugeln. Davon kannst du drei Schachteln haben.“

„Fifty-fifty.“

„Was?“

„Na, jeweils die Hälfte. Wie viele Patronen sind in einer Schachtel.“

Der Händler grinst.

„Mathematiker? Da passen jeweils zehn Stück rein. Eine Schachtel Schrapnelle…“ Er zögert einen Moment, „und ein Dutzend Schrotkugeln.“

„Fünfzehn!“

Wir einigen uns auf vierzehn.

Nebenbei erfahre ich, dass Schrotkugeln einen Durchmesser von ca. vier bis fünf Millimetern haben. Angesichts des kleinen Kalibers der Waffe reicht das auf kurze Distanz auf jeden Fall. Auf der gegenüberliegenden Straße würde ich auch nichts treffen oder höchstens einen Elefanten.

Beim Verlassen des Geschäfts stelle ich fest, dass mein Wolfstöter nicht geladen ist. Die Patronen liegen aufgereiht neben der Waffe.

Der Wachmann erklärt mir: „Das nächste Mal machst du das selbst. Komm nie mit einer geladenen Waffe herein, andernfalls legen wir dich um.“

„Wie bitte?“

„Wir erschießen dich und das war`s.“

Sehr gastfreundliche Menschen hier.

Ich verstecke die Waffe unter der Jacke und gehe auf die Straße hinaus. Der Beobachtungsstand der Banditen muss hier ganz in der Nähe sein. Ich glaube, das ist die Bezeichnung dieser Orte. Von dort können sie alles gut überblicken und sehen, wer das Geschäft betritt und verlässt. Jetzt ist auch klar, warum sich die Zufahrten und Wege zum Geschäft verändert haben. Die Gäste sollen auf bestimmten Pfaden zum Geschäft gelangen. Der Baum dort drüben ist plötzlich umgefallen und der Müllhaufen hier ist neu. Die Behälter sind seltsam aufgestellt und an Stellen, wo sie überhaupt nicht hingehören. Diesen stinkenden Platz wird niemand betreten. Es kann auch niemand unter dem Baum zum Geschäft kriechen. Die Gäste werden da entlanggehen, wo es sauber und angenehm ist.

Das ist ein wichtiger Moment! Es sind zu wenig Banditen, sie können nicht alle Zugänge verbarrikadieren! Das macht es einfacher. Wo hatte sich unser letztes Treffen abgespielt? Dort vor diesem Haus. Das bedeutet? Sie haben mich gesehen, sich versammelt und direkt losgeschlagen. Einer roch nach Müll, wahrscheinlich ist er über den Müllhaufen gekommen. Wo sitzen sie jetzt?

Von ihrem Beobachtungsstand müssten sie die Wohnung sehen, die ich laut ihrem Befehl aufsuchen soll. Damit sie nicht umsonst nachsehen müssen. Sobald jemand das Haus betritt, ist alles in Ordnung. Der Klient hat seinen Zehnten abgedrückt. Diesen Klienten können sie gehen lassen. Er hat seinen Teil bezahlt und sie können abends das Schutzgeld einsammeln. Ignoriert der Klient das Haus, schaffen sie es, ihn abzufangen.

Wahrscheinlich ist es das Haus da drüben. Es ist am besten dafür geeignet. Die Zäune stören. Ein Loch in den Zaun zu schießen wäre nicht klug. Jeder könnte sie nutzen und die vorbereiteten Wege verlassen. Das würde dem Pack sicher nicht gefallen.

Ich halte mich kurz in dem Winkel auf, den die Hauswand und der hervorstehende Müllcontainer bilden, und stecke die vier Patronen in das Magazin der Waffe, drehe den Verschluss (das kann ich jetzt!) und lade die Waffe nach.

Ich habe fünf Schüsse. Das sind theoretisch fünf Tote. Falls ich schieße, aber was bleibt mit anderes übrig! Das kann nicht gut gehen. Wenn sie meine Waffe entdecken, ist finito! Sie haben keine Waffen oder höchstens eine Pistole. Sie werden mir mit ihren Messern die Kehle durchschneiden, wenn sie Angst vor meiner Waffe bekommen. Ich habe gelesen, dass das vorkommt. Würden sie Waffen besitzen, hätten sie sie mir zur Veranschaulichung und als überzeugendes Argument direkt vor die Nase gehalten, zur Abschreckung.

Ich ziehe den Riemen der Waffe ein Stück heraus und lege die Schlaufe über den runden Verschluss des Magazins. Das Schulterstück (jetzt weiß ich es wieder, die Bezeichnung ist Gewehrriemen) ist fast neu und hat Kunststoffschnallen, mit denen sich die Länge schnell einstellen lässt. Wenn ich die Schlaufe vom Zapfen herunternehme, springt der Wolfstöter aus der Jacke und hängt am langen Riemen. Das Gewehr kann bequemer angelegt werden. Das habe ich nicht erfunden, sondern in einem Film gesehen. So haben sie sich freilich eine Maschinenpistole umgehängt, das macht aber keinen Unterschied. Lange kann ich damit nicht herumlaufen, weil es unbequem ist. Es wird nicht lange dauern.

Das ist ja schon der Hauseingang, in den ich das Honorar des selbst ernannten Schutztrupps bringen soll. Ein klug ausgewählter Ort und für mein Vorhaben gut geeignet.

Ich trete ein, knöpfe die Jacke auf und steige sorgfältig über die Alarmschnur. Sie ist an Ort und Stelle. Es ist besser, die anderen nicht zu früh über meinen Besuch zu informieren, umso mehr als ich die Treppe hinaufsteige und nicht hinunter. Der Alarm ist vor allem für Gäste gedacht, die von oben kommen.

Die Wohnung war leer und ich wurde nicht eigens erwartet. Das Pack geht offenbar davon aus, dass nicht nur die zahlenden, sondern auch andere Gäste diese Adresse aufsuchen. Tatsächlich steht in der Küche ein Kasten, der allerdings völlig leer ist. Vielleicht wurde er auch bereits ausgeräumt oder es hat niemand etwas hineingelegt. Sicher sind nicht alle Besucher des Händlers derart hilflos, um sich von diesen Schnöseln einschüchtern zu lassen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sie über die bewaffneten Schlägertrupps herfallen. Ich würde mein letztes Geld hergeben, um mir das anzusehen. Ich schaue ins Nachbarzimmer. Aha, das ist es. Ich ziehe den Schreibtisch aus dem Zimmer und versperre damit den Zutritt zur Küche. Außerdem drehe ich auch den Küchentisch um. Wer vom Flur in die Küche gelangen will, muss um diese Barriere herumlaufen. Das ist nicht ganz einfach, der Durchgang ist eng und unbequem. Ich verlasse die Wohnung und gehe in eine völlig andere Richtung als beim letzten Mal. Auf diesem Rückweg kann mich niemand abfangen. Dass ich im Haus war, hat der Beobachter möglicherweise jedoch festgestellt. Bald wird ein Bote hier auftauchen und das Schutzgeld abholen.

Diesmal war ich auf dem mir bereits bekannten Rückweg schneller als zuletzt und das umso mehr, als die Feuerleiter möglicherweise vom Beobachtungsstand nicht zu sehen ist. Dafür liegt die andere Seite gut im Blickfeld. Deshalb muss ich schnell hochklettern. Das Dach, der bekannte Balkon, die Tür zur Treppe, keine Menschenseele. Ich kehre vorsichtig in die Küche zurück und setzte mich in die Ecke, sodass ich von der Straße aus nicht gesehen werden kann. Wer weiß! Jetzt heißt es warten. Schade, dass ich nicht rauche, die Zeit würde viel schneller vergehen. Einschlafen oder Abspannen empfiehlt sich nicht.

Wann kommt der Bote? Falls meine Berechnungen stimmen, müsste er bald hier sein. Ich war früher eine Zeit lang in der Logistik tätig. Bei der Organisation waren viele Parameter zu berücksichtigen, einschließlich der Geschwindigkeit, mit der sich ein Bote zu Fuß fortbewegt. Ich gehe deshalb davon aus, dass meine Schätzungen relativ genau sind.

Oh! Die Tür des Hauseingangs knarrt! Wer kommt uns denn da besuchen? Ich hatte zwar die Hoffnung gehegt, aber dass es gleich auf Anhieb klappt, hätte ich nicht gedacht! Im Türrahmen steht eben besagter Beobachter. Tja, mein Lieber, an dich habe ich besonders viele Fragen.

„He…“, platzt er verwirrt heraus. Unser Zusammentreffen ist offenbar eine große Überraschung.

„Setz dich!“ Ich nicke in Richtung Fußboden.

„Was? Du Mistkerl!“, poltert der Halbstarke.

Er stockt aber im selben Moment, in dem er den unfreundlichen Wolfstöterlauf unter dem Tisch entdeckt.

Er ist wirklich ein Halbstarker, lang und irgendwie ungepflegt. Ein Speichellecker, der auch als „kleiner Fisch“ durchgehen kann. Aber er bläst sich auf, was auch verständlich ist. Solche Trottel werden ihr Leben lang herumgestoßen und müssen Bier, Zigaretten und Weiber anschleppen. Jetzt war er es selbst, der andere anbrüllte. Die Freunde waren seine Versicherung, die ihn vor fremden Schlägen aufs Maul schützten. Es hat Spaß gemacht. Endlich hatte auch er mal einen Glückstreffer gelandet und jetzt dieser Reinfall und der unsanfte Absturz. Kein Wunder, dass er sich dagegen wehrt.

„Eh, du…“, tönt der Trottel weiter, obwohl seine Lage aussichtslos ist.

Das Schneidbrett, das neben mir liegt, hat er überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Das liegt nicht ohne Grund hier. Ein schönes, altes Schneidbrett, aus dickem Holz. Das Zubereiten auf dieser Holzplatte ist sehr bequem. In jeder Hinsicht ein nützliches Instrument. Und es fliegt so schön. Als das schwere Küchenbrett in das Gesicht dieses Rüpels fliegt, bricht der Monolog des Halbstarken jäh ab. Das Tischtennisspiel hat sich unerwartet doch noch gelohnt. Der scharfe Schlag ist genau im Ziel gelandet. Alles gut gegangen. Dem Klienten ist der Bissen im Halse steckengeblieben und er kam nicht mehr zu Wort.

„Hat dich jemand nach deiner Meinung gefragt?“

Diesen zynischen Sprachstil habe ich mir von unserem Personalchef abgeschaut. Er war sehr umgänglich und viele ließen sich um den Finger wickeln. Er war überaus höflich, sofern man ihm nicht widersprach.

Der Halbstarke schweigt und wischt sich das Blut von den eingeschlagenen Zähnen. Das ist auch gut so, denn neben mir auf dem Tisch steht ein Bügeleisen, ebenfalls alte Wertarbeit aus Gusseisen. Wenn dieses Bügeleisen in die Fresse fliegt, ist es mit dem Sprechen vorbei, ganz vorbei.

„Wenn du nicht endlich zur Sache kommst, knalle ich dich ab wie einen räudigen Hund und lass dich hier liegen. Ehe deine Kumpane hier auftauchen, bist du verblutet, du verreckst hier an Ort und Stelle. Nick mit dem Kopf, wenn du das gerafft hast!“

Die letzten Worte schreie ich aus vollem Halse, der Klient zittert! Er nickt und hat Angst. Ich selbst fürchte mich vor meinen Worten! Hauptsächlich, weil ich das alles in der Wirklichkeit erlebe und tun muss. Im Film ist ein einfach, den Abzug zu drücken, aber im wirklichen Leben? Deshalb schreie ich laut, um meine Furcht zu vertreiben.

„Wo sind deine Kumpane?“

„Gleich nebenan. Haus 10, in der Karpow-Straße.“

„Wohnungsnummer?“

„16.“

Das Haus ist mir bekannt. Im Erdgeschoss befand sich ein Geschäft. Das heißt die Übeltäter haben sich im vierten Stockwerk einquartiert. Völlig richtig, von dort ist die Aussicht am besten.

„Wie viele sind es?“

„Zwei.“

„Die beim letzten Mal dabei waren?“

„Einer von ihnen, Mischa der Scharfe. Walerij ist im Basislager geblieben.“

Aha, sie haben also eine Basis. Gut zu wissen.

„Wo ist das Basislager und wie viele Männer halten sich dort auf?“

Stotternd und verworren beeilt sich der Halbstarke mir alles zu erzählen, was er weiß. Aber warum redet er zu viel und auch sehr laut?