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Die Ahnen
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Die Ahnen

»Den Cäsar nennst du«, rief Ingo. »Dank für die gute Botschaft, Königin! Darum klang mein Schwert, und dort naht der Kämpfer, den ich mir bei Tag und Nacht ersehne.« Seine Augen leuchteten und seine Hand fuhr nach der Waffe.

»Gut sprichst du, Held,« rief Gisela, selbst ergriffen von seiner Glut, »verlorene Mühe wäre es, dich durch Gefahren zu schrecken. Die Warnung trage ich zu, denn ruhmvollere Genossenschaft weiß ich für dich, als unter den Bauern des Waldes und der Mark. Ingo, mein Vetter, du bist es, dem ich lieber als einem anderen Mann den jungen König und mich selbst anvertraue; einen Helden begehre ich, der dem Volksheer vorschreitet in der Schlacht, und der meinen Sohn lehrt, wie man Ruhm gewinnt. Zu solcher Hoheit habe ich dich erkoren, und dich für die Königsburg zu werben bin ich hier.«

Ingo stand überrascht, heftig wirbelten ihm die Gedanken durch das Haupt. Vor sich sah er das schöne Weib in der Königskrone, die Hand hielt sie ihm entgegen, was die Sehnsucht und Glück des stolzesten Helden war, das trug sie ihm bittend zu.

»Du warst ein Knabe,« fuhr Frau Gisela in tiefer Bewegung fort, »da legten die Väter meine Hand in die deine, du wurdest ein Held, gerühmt von den Völkern, und ich ein unzufriedenes Weib in der Königsburg, da strichst du wieder mit deinem Finger schmeichelnd über meine Hand. Was dich von der Königin trennte, ist seitdem auf dem Scheiterhaufen dahingelodert. Jetzt komme ich und lade mir den erlauchtesten aller Helden in diesen Ländern. Beide flehen wir zu demselben hohen Gott, die Enkel zum Ahnen, denn aus dem Geschlecht der Götter stammen wir beide, hoch dürfen wir das Haupt erheben über alles Volk der Menschenerde, du und ich, wir sind durch die Unsichtbaren selbst geweiht zu Herrschern des Volkes.« Als Ingo von den Lippen der anderen dieselben Worte vernahm, die er selbst gesprochen hatte, da sah er wie betäubt auf die Herrin, die, einer Göttin gleich, über sein Schicksal sann. – Von der Höhe rauschte es, der Mantel der Königin fiel herab, in der Ferne verklang das leise Wimmern eines Kindes.

»Dies ist der Schmuck, der geliebten Helden gebührt«, rief die Königin und rührte mit der Hand seine Schulter. Ingo hob das Haupt.

»Eine leise Stimme höre ich in meiner Not,« sagte er vor sich hin, »meinen kleinen Sohn höre ich über mich klagen, und wie ein Mann, der aus dem Traume erwacht, stehe ich vor der Königin. An eine bin ich gebunden, die mir teurer ist als mein Leben. Alles hat sie für mich verlassen, im Ringe der Blutgenossen habe ich ihr gelobt, daß ich um sie sorgen will wie ihr Vater, und mit ihr allein das Lager teilen als ihr echter Gemahl. Wie darf ich sie meiden und zur Königsburg ziehen?«

»Nicht weiter, Ingo,« rief Frau Gisela und ihr Antlitz flammte, »gedenke, daß du auch mir die Hand gereicht, denke jener Nacht, wo ich das Schwert des toten Königs gehalten. Damals, wo ich dir dein Leben bewahrte, haben die Unsichtbaren mein Schicksal an deines gebunden. Mir gehörst du an, mir allein, und teuren Preis habe ich für dich gezahlt.«

»Hochherzig und als Heldin hast du dich mir erwiesen,« versetzte Ingo, »und dankbar bleibe ich dir, solange ich atme.«

»Pfui über den kalten Gruß,« rief die Königin außer sich, »und pfui über den Helden, der mit höflichen Worten dankbar ist, daß ein Weib sich für ihn mit dem Fluch der Todesgötter belastet. Verstehst du so wenig, was ich getan, da ich dem eigenen Eheherrn das Schwert band? Die bösen Gewalten habe ich heraufbeschworen gegen mein eigenes Leben, Argwohn und den lauernden Haß; Galle war seitdem mein Trank und der eines anderen, verdächtig jedes Wort und ruhelos jede Nacht. Ob ich noch ferner im Licht atmen würde, wenn der andere fortfuhr mit seinen wilden Knaben zu zechen, das war meine Sorge, herznagende Sorge bei Tag und Nacht.«

»Hast du Todesnot ertragen um meinetwegen,« sprach Ingo bewegt, »so rufe mich, wenn dich Gefahr bedrängt, und willig werde ich mit meinem Blut zahlen, was ich von deiner Last zu tragen habe.«

Die Königin hörte kaum seine Worte, sie trat nahe zu ihm und flüsterte mit heiserer Stimme: »Bist du so willig, Trauter? wohl möglich, daß der andere nicht gestorben wäre, hättest du nicht in jener Nacht in meinem Gemach gestanden.«

Der Held fuhr zurück, seine Wange erblich, aber kalt war sein Blick, als er antwortete: »Meinst du, Königin, daß du meinem Herzen lieber wurdest, wenn du um meinetwillen schwere Tat auf dein Leben nahmst?«

»Was starrst du mich an, wie von Stein«, schrie Frau Gisela, sie faßte seinen Arm und schüttelte ihn: »Nicht dürfen wir zwei, du und ich, nebeneinander noch auf der Männererde dauern, wenn du mir nicht folgst.«

Zornig löste sich der Held von ihrer Hand. »Hast du durch heimliches Nachtwerk auch auf mein Haupt den Zorn der Rachegötter gesammelt: ich bin bereit, die Buße zu zahlen, aber frei von dir, nicht als Knecht an dein Leben gebunden.«

Die Königin sah scharf in sein Angesicht, langsam hob sich ihr Arm, und die Hand ballte sich drohend. »Geworfen sind die Stäbe, in welche die Schicksalsfrau deine und meine Zukunft ritzte. Du hast gewählt, Ingo, und das Zeichen, das du gefunden, bedeutet Not.« Sie wandte sich ab, krampfig hob sich der Leib, aber tränenlos blieb das Auge und steinern war ihr Antlitz, als sie auf die untergehende Sonne weisend halblaut sagte: »Auf morgen.« Eilig schritt sie zu den Rossen. Ingo schleuderte den Königsmantel mit dem Fuße den Berg hinab und sprang auf dem Wege, den Irmgard gegangen, seinem Hofe zu.

11. Der Wetterschlag

Durch die enge Pforte, welche vom Quell in den Burghof führte, eilte Ingo zum Tor. Er fand das verschlossene mit seinen Mannen besetzt, auf dem Turmgerüst rief ihm Berthar entgegen: »Sieh abwärts, mein König, dort im Tale reitet die Frau mit ihren Gesellen der Landmark zu. So flüchtig stiebt keiner dahin, der sorglosen Mutes ist.«

»Sie schied im Zorn, Vater.«

Berthar erkannte in der umwölkten Miene des Häuptlings, was dieser nicht aussprach. »Scheucht der Hirt einen männlichen Wolf aus dem Pferch, so meidet der Gehetzte die Wiederkehr drei Tage lang, die hungrige Wölfin aber wagt in der nächsten Nacht neuen Einbruch. Hirt der Marvinge, wann erwartest du den Sprung gegen deine Hürden?«

»Zu morgen«, versetzte Ingo.

Der Alte nickte. »Nicht geheuer ist‘s dort im Norden. Auf der Warte, die wir an deiner Landesmark zimmerten, steht Radgais, er ist einer der Klügsten, und ich meine nicht, daß er schläft, denn er hat den Sänger Volkmar angerufen und weiß, daß der Löffel einer Königin den Thüringen neuen Brei einrührt. Dennoch stieg kein Rauch von seiner Höhe, hell ist der Tag und klar die Luft, ich fürchte, Herr, nicht freiwillig schloß er die Augen.«

»Die Königin ritt auf Waldwegen, die Warte zu meiden«, versetzte Ingo. In dem Augenblick aber, wo er ausspähte, hob sich nordwärts am goldenen Abendhimmel ein weißer Dampf, höher stieg die Rauchsäule und färbte sich schwärzer.

»Wir verstehen die Warnung,« rief Berthar, »die Knaben der Königin brechen über die Grenze. Herzlich wünsche ich, daß ihnen der Wächter entrinnt.«

»Schaue auch nach Süden, Berthar, dort hebt sich gegen uns der alte Feind. Zum drittenmal wirbt der Cäsar um unseren Leib, diesmal fordert er von den Burgunden, daß sie uns austilgen. Die Königin drohte mit den Waffen ihres Bruders Gundomar.«

Wieder sah der Alte in das Angesicht des Häuptlings und merkte an der harten Miene, daß der andere an schweren Kampf dachte. Da zog er seinen Leibgurt fester und sprach mit wildem Lächeln: »Die Frist ist kurz, für zwei Könige den Hof zu schmücken. Doch behend sind deine Knaben, längst waren wir solcher Ehre gewärtig, und wer ungeladen in unserem Ringe schmausen will, der wird wohl selbst ein Schmaus für Rabe und Aar. Befiehl, mein König, deine Knaben sind bereit zu fechten.«

»Entzünde das Notfeuer,« gebot Ingo, »sende Späher nach der Südmark und warne in den Dörfern der altsässigen Bauern, daß sie ihr wehrloses Volk und die Herden in ihrem Waldringe bergen und uns von Bewaffneten senden, was sie vermögen.«

Da rief Berthar mit mächtiger Stimme den Kriegsgesang der Vandalen über den Hof: »Wohlauf, ihr Schwanensöhne, in die Waffen, tragt das Eisenbecken und entzündet die Harzflamme; ruhmreicheren Tanz beginnt ihr heute nacht als um brennende Klötze.«

Gleich darauf loderte von der Höhe ein mächtiges Feuer, und gewappnete Männer jagten zu Roß den Berg hinab.

Irmgard saß in dem hohen Brautgemach, das ihr einst die Vandalen zwischen dem Eichenlaub gezimmert hatten. In der Hand hielt sie das warnende Zeichen der Mutter. Sie starrte darüber hinweg in das Leere. Als sie unten im Burgringe den Schritt des Gemahls vernahm, wandte sie die Augen nach ihm, ob er zu ihr treten würde. Doch er sprach mit Berthar. Endlich stieg er herauf, und vor sie tretend, begann er: »Der Mantel der Königin flog nach der Tiefe, die Frau wich zornig von unseren Bergen.«

»Auf dem Felsen lag ich über dem Brunnen, die Angst warf mich zu Boden und die Scham. Da hörte ich Rede und Gegenrede, ich sah, wie mein Hauswirt sich zu dem fremden Weib neigte, und ich hörte, wie sie ihr Recht forderte an seinem Leben.«

»Dann hast du auch gehört, daß ich widersprach«, versetzte er gutherzig.

»Die Worte verklangen, denn mein Sohn wimmerte, und ich trug ihn auf das Lager des Vaters, ob er ihm eine Stiefmutter findet.«

»Irmgard!« rief der Gemahl erschrocken, »was sinnst du?«

»Meinst du, daß ich liegen will an deinem Wege wie ein Stein, der deinen Fuß von Heldentum und Königskrone scheidet? Ich höre, meine Volksgenossen sagen, daß ich dir nicht vermählt bin zu rechter Ehe, und schmachvoll war der Gruß, den die Königin mir bot. Wenn du die Dirne heimwärts sendest, wird die Königin dir wieder hold, wie sie zuvor war.«

»Du bist gekränkt und hart schneiden deine Worte,« versetzte Ingo, »ich aber meine, nicht du sollst daran denken, das Tuch zwischen uns zu zerschneiden, denn eine andere sinnt darauf mit argen Gedanken. Sie will den Gemahl von dir lösen; doch nicht, wie du wähnst, um ihm ein Königslager zu bereiten. Denn auf eine andere Ruhestätte denken sie für den landfremden Ingo, und sie wälzen dort unten im Tal die Steine, um ihn zu bergen in der lichtlosen Kammer.«

Irmgard fuhr wild auf, wie von einer Schlange gestochen. Er aber zog die Widerwillige an sich und sprach ihr zärtlich zu: »Mühselig war meine Fahrt über die Männererde, ich war noch ein Knabe, da mußte ich wie ein Raubtier durch die Täler traben, mir Beute zu holen, die mein Leben fristete, während die Jäger auf meiner Fährte schlichen. Mehrmals war mir der Tag verleidet, wenn ich demütig die Knöchlein an fremdem Tisch begehrte und den kalten Blick des Gastfreundes sah. Dennoch meine ich, nicht ganz unrühmlich bin ich durch die Schlachtreihen der Feinde gedrungen, und ehrlich habe ich geworben, daß mir dereinst ein Freudensitz werde in der Halle der Helden. Damals erschien mir der letzte Sprung in die Schar der Feinde als das beste Glück; und wenn der Schlachtgesang summte, dann hörte ich, daß die Unsterblichen ihren Enkel hinaufriefen in ihr Gefolge. Erst seit ich dich sah und du mir lieber wurdest als mein eigenes Leben, fand ich viele Freude in dieser Welt, und behaglich schien mir‘s oft, im Sonnenschein über den Tälern zu sitzen und zu lachen, wenn die Böcklein in unserem Hofe gegeneinander sprangen und meine Kampfgesellen in der Butte die wilden Waben heimbrachten. Aber da die Götter mir solches Glück gewährten, teilten sie mir auch zu, daß es dauerlos sein sollte und leidvoll für dich, die mir lieb ist. Durch frechen Hofraub mußte ich dich gewinnen. Ärmer bist du als mein Weib, denn daheim. Niemand rief dir Heil als meine wilden Genossen und die Siedler, welche sich mir zugeschworen haben, weil sie daheim schlechtes Glück fanden. Ich habe es oft gewußt, wenn du neben dem Gebannten deine Tränen verbargst und die Seufzer nach der Heimat. Heut haben die Überirdischen mich gemahnt, als der Mantel fiel. Wohl ist es möglich, mein Weib, daß sie mich zu sich laden wollen, darum sorge ich jetzt, daß die Ausfahrt ruhmvoll sei und schädlich den Feinden.«

»Reite aus dem Holzring«, rief Irmgard, »und baue dir in der Fremde ein neues Heimwesen.«

»Das Wildtier schlüpft aus seinem Lager, wenn die Meute rennt, nicht der Wirt eines Volkes.«

»Du lebtest verborgen ein seliges Jahr, deinen Knaben hobst du im Schilde und dein Weib hing an deinem Hals. Denke auch daran, Ingo, bevor du wählst.« Angstvoll starrte sie ihm ins Gesicht.

Ingo trat noch einmal zu den kleinen Lichtöffnungen und spähte nach allen Seiten in die dämmrige Landschaft. Wie rotes Gold leuchtete der Himmel, und unten im Tale stieg der Nebel aus dem Bach. Er sah auf die geschwungenen Hügel, die dunklen Wälder, die fruchtbare Flur; dann wandte er sich zu seinem Weibe und umfing sie: »Als der Sänger in der Halle sang und du vor allen den Fremdling ehrtest, da war ich dir lieb, weil ich den Helden voranschritt auf dem Todespfade. Was hat deinen Sinn gewandelt, Vandalenfrau?«

»Die Angst, die ich fühlte, dich zu verlieren«, antwortete Irmgard leise und barg ihr Gesicht an seiner Brust.

Ingo hielt sie fest umschlungen: »Mein Haupt trug ich hoch als Heimatloser, fröhlich genoß ich das Glück des Tages, weil ich das Leben für wenig hielt gegen ruhmvollen Tod, stolz war ich, treu zu sein jedem, dem ich mich gelobt, und furchtbar meinen Feinden. Wer diesen Stolz mir demütigen will, den töte ich, oder er trifft mich. Stolzer aber als sonst bereite ich diesmal den Kampf. Denn gewaltig naht der Feinde Drang, wie nie zuvor, und du, Geliebte, sollst mit deinen Augen schauen, ob der Sänger den Helden dir wahrhaft gerühmt hat. Rüste dich, Fürstin, zum Ehrentage deines Gemahls, denn bald hörst du um dein Brautgemach das wilde Lied deiner Schwäne und über den Wolken schaust du die Himmelsbrücke, auf welcher die Helden sich aufwärts heben.«

Dunkler wurden die Schatten der Nacht, das Notfeuer flammte und warf rotes Licht und Rußwolken über den Hof, auf dem die Männer sich zur Abwehr rüsteten. Sie räumten die Hofstätte von Karren und Gerät, trugen die Wurfspeere und häuften die Steine; auch die Mägde halfen, sie holten in vielen Trachten das Wasser aus dem Quell und füllten die Fässer und Bottiche an der Halle. Boten der Dorfleute rannten in den Hof, reisige Männer sprengten ab und zu, und Befehlsworte der Führer klangen in dem umhegten Raum.

Irmgard stieg mit Frida aus der hohen Kammer herab. Niedergerungen war ihr Zweifel, und wie getragen durch einer Göttin Kraft schritt sie über den Hof. Berthar lachte vergnügt, da sie ihm nahte. Er erhob sich schnell vom Boden, wo er an einer großen Wurfschleuder hämmerte, und grüßte sie, wie ein Krieger seinen Häuptling. »So freut mich‘s, die Königin geschmückt zu sehen, das Licht des Antlitzes freut mich und der Goldschmuck auf der Brust. Das Hochfest rühme ich, wo die Braut in so reichem Schmucke wandelt. Denn lustiger fechten wir Knaben, wenn wir die Herrin schauen, die sich wie eine Schlachtenjungfrau über den Krieger beugt. Du aber höre noch vertrauliche Rede des Alten. Eine gute Herrin warst du den wilden Knaben in friedlicher Zeit, du hast gesorgt für alle und warst stolz gegen jeden, wie einer klugen Wirtin ziemt, auf daß nicht ein dreister Blick und ein unziemlicher Scherz der Mettrunkenen sich zu dir hinaufwage. Jetzt aber, wenn dir‘s gefällt, zeige den Männern freundlichen Sinn, sprich gütig zu jedem und teile reichlich den Vorrat, den du in Keller und Scheuer behütest. Denn ich sorge nicht, daß uns Speise und Trank noch mangeln wird, solange wir fechten; und mancher schlägt grimmiger und wirft stärker die Waffen, wenn er unter seinen Genossen durch Met und ansehnliche Zukost geehrt wird. Bisher haben wir nur auf die Räuber der Burgunden gelauert, diesmal gibt‘s Arbeit, von der auch spätere Geschlechter erzählen.«

Irmgard reichte die Hand, die der Alte ehrfurchtsvoll faßte: »Für mich ist alles gekommen, wie ich es immer ersehnte,« fuhr er fort, »kurzes Feld und heißer Kampf, und ich an der Schulter meines Herrn. Nur daß der Haufe so klein ist, der mit ihm über die Walstatt schreitet, das macht mir Sorge. Denn lieber zählt der Kriegsgott auf seiner Flur die Schocke der gemähten Männer, als die einzelnen Halme.«

»Komm heran, Wolf,« rief Berthar dem jungen Thüring zu, »du hast eine gute Art, mit den Weibern zu verkehren, und sie rühmen dich als Reigentänzer. Darum sollst du als Frauenvogt wachen. Führe die Weiber an, wenn sie die Steine vom Felsen rollen und wenn sie die Eimer schwingen gegen einen Brandpfeil auf dem Giebeldach. Hebe die Felle der Rinder und Hirsche, die wir gesammelt, aus der Grube und breite das genetzte Leder über das Holzdach, denn als bester Schutz gegen Wurffeuer dient uns nächst dem Baumlaub das nasse Fell.«

»Näher dem Herrn meinte ich zu stehen«, versetzte Wolf unzufrieden.

»Niemand wird dir wehren, zur rechten Zeit deinen Sprung zu tun,« tröstete der Alte, »aber rühmlicher als du wähnst, ist dein Werk, denn ich merke, auch die dort draußen werden in Frauenweise darum kämpfen, ob dem einen oder dem anderen das Mus verbrenne.«

»Du meinst, Vater, es wird ein heißer Tag für manchen von uns.«

»Für manchen von ihnen, so ziemt sich zu reden«, versetzte Berthar. »Sorge nur darum, daß du als schmucker Knabe den hohen Schicksalsfrauen gefällst.«

»Nicht an mich dachte ich«, antwortete Wolf und blickte über die Schultern nach dem Hause.

»Sieh nicht rückwärts, ist Gesetz im Männerkampf. Alles, was hinter dir wandelt, mag für sich selbst sorgen, nur die vor dir sind, darfst du sehen.«

Als Wolf die Bündel der nassen Felle mit einem Seile auf das Dach ziehen wollte, stellte sich Frida zu ihm und begann spöttisch: »Zu rühmlichem Dienst bist du erkoren, übel riechen die Teppiche, welche du über uns breitest. Wirst du der Kämmerer, der uns Frauen beschützt, so bleiben die Feinde uns willig zehn Schritt vom Leibe und heben die Nase abwärts mit Grauen.«

»Wäre ich Häuptling,« versetzte Wolf ärgerlich, »ich stellte dich über das Tor vor allem Heere, auf daß du den Feinden durch scharfe Worte das Herz verwundest. Hilf mir die Leiter im Innern des Saales zu der Dachluke heben und halte die Seile, damit ich oben die Felle löse.« Willig folgte Frida seinem Rat, und als er alles gebreitet hatte und von der Höhe herabkam, sah er sich in dem leeren Raume um und gab ihr schnell einen Kuß. Frida sträubte sich nicht, sondern zog plötzlich ein Band hervor und sprach: »Halte den Arm, Wolf, daß ich mich dir verbinde. Schauen wir morgen den Abend, so will ich dir angehören als dein Weib. Oft war ich widerwärtig gegen dich, heut sage ich dir, daß du mir lieb bist und kein anderer.« Sie band ihm den Arm, er aber rief: »Den Zorn der Königin will ich rühmen, der meiner Distel den Stachel nahm.« Sie küßte ihn herzlich, dann riß sie sich los und sprang zu den Mägden.

Unter der Mondsichel trieben wieder die Wolken dahin, wilde Gestalten, Menschenleib und Pferdegebein, bald von gelbem Lichte umsäumt, bald kohlschwarz in grauer Dämmerung. Aus dem Idisbach wand und ballte sich der Nebel und stieg aufwärts gegen den Ringwall und die Burg. Tiergeschrei und Menschenstimmen schallten um das Burgtor, auf den Pfaden aus der Tiefe führten die Dorfleute Rosse und Rinder und die braunwolligen Schafe. Mit dem Lindenschild schritten die Männer und trieben mit dem Speer die Herden zur Eile, hochbepackt mit Hausrat eilten die Weiber und Kinder. Gramvoll war ihnen der Weg zur Höhe, denn wer sich rückwärts wandte, der sorgte, ob er auch in den Hof, den er sich jüngst gebaut, lebend zurückkehren, oder ob der Hof selbst in Flammen lodern werde. An der Sperre des unteren Ringwalls drängten sich die Flüchtigen, und der Vandale, welcher dort den Zugang hütete, mußte anweisen und schreien, daß sie in dem Dunkel nicht vom Pfade wichen, der zum Tor führte. Auf dem Gipfel füllte sich der Burgraum mit Menschen und Herdenvieh. Die Rinder brüllten, die Rosse fuhren wild umher, und die Weiber drückten sich mit ihren Bündeln an den Holzwall. Aber Berthar mahnte die Männer, die Hoftiere in Reihen zu stellen, die Schafe mit einem Pferch zu umschließen. In der Mitte des Raumes flammte ein Feuer, dort brodelten die Töpfe für die Darbenden, und der Schenk zapfte den Durstigen Bier, das sie reichlich begehrten. Berthar schritt von einem der Männer zum anderen, bot ihnen würdig wie in friedlicher Zeit den Gruß, fragte nach der Meinung und prüfte dabei verständig ihre Zahl und den Mut. »Was säumen die Nachbarn vom anderen Ufer des Bachs, wo sind die armfesten Bauern vom Ahornwald und dem Finkenquell?« rief er dem Thüring Baldhard zu. »Hat den Marvingen der weiße Nebel den Sinn geblendet, daß sie den Schrei des Türmers nicht hörten und den Feuerschein nicht sahen?«

»Langsam regen sich ihre Glieder,« versetzte Baldhard bekümmert, »Herdenvieh und Karren sah ich abwärts treiben zu ihren Heiligtümern im Walde, sie werden nicht eilig sein, Rosse und Kinder zu verlassen. Dennoch wäre ihnen Eile ratsam, denn im letzten Zwielicht zog eine Schar vom Norden her den Bach entlang, Schilde glänzten und Eisenkappen. Und ich argwöhne, es sind die wilden Knaben der Königin, welche in den Höfen jenseits ein Nachtlager suchen.«

Auf dem Pfad aus der Tiefe sprengte ein Reiter heran, wild fuhr er auf schaumbedecktem Roß durch das Tor und winkte im Jagen dem Alten zu. »Radgais!« rief dieser und eilte ihm nach zu dem Saal, wo Ingo mit den ältesten der Dorfgenossen die Meldung der Krieger empfing. Der Bote sprang grüßend ab. »In hellem Haufen drangen die Königsknaben durch unsere Mark, es ist ihr ganzer Schwarm, dazu Mannen des Theodulf. Mühsam entrann ich über die Berge, nachdem ich das Strohfeuer entzündet. Sie aber halten sich hinter den Bäumen im Tale, denn schwerlich sind ihrer mehr als hundert Schilde.«

»Sahst du die Königin?«

»Außer Theodulf nur den alten Räuber Hadubald.«

»Warf Frau Gisela keine größere Schar in die Sättel,« sprach Berthar verächtlich, »so mögen wenige ihrer Treuen den heimischen Trinkkrug wiederschauen.«

»Dort naht einer vom Main, der andere Gäste meldet«, versetzte Ingo. Walbrand, der Vandale, stob heran.

»Als ich, mein König, gen Süden durch den Kieferwald kam, um über die Landesmark zu spähen, da hörte ich auf dem Saumpfad Klappern der Schilde. Ich barg mein Roß und wand mich zu Fuß durch das Dickicht; in langem Zuge kam‘s heran, ein Heer der Burgunden, aus drei Haufen geschart, Fußvolk und Reiter. Neben dem Führer ritt ein fremder Gesell, ein Römer war‘s von der Leibwache des Cäsars, die man Protektoren nennt, ich erkannte den Helm und die Rüstung und hörte sein Lachen und römische Worte. Sorglos wateten sie heran im Sande, ohne Vortrab und Späher, ganz sicher des Sieges. Mit wenig Begleitern hätte ich ihnen Grauen erregt. Aus dem Dickicht brüllte ich gegen sie wie der Nachtrabe brüllt, da hielten sie erschreckt an und sahen durch die Bäume nach den Wolken. Ich aber warf hinter den Stämmen hervor meine Waffe gegen den Römer. Der Held fiel in den Sand und stöhnte, sie aber schrien laut auf, und ich entsprang in das Dunkel. Ich hoffe, ein übles Vorzeichen wird es ihnen.«

»Wir rühmen die Sorge der Königin,« sprach Ingo, »daß sie ein fremdes Heer gegen meine Mannen in Harnisch ruft. Traute sie dem guten Willen der Thüringe so wenig, daß sie ihr Heimatvolk zum Schwerttanze lud? Wo scheuchtest du ihre Helden durch den Sang des Vogels?«

»Auf halbem Wege zwischen hier und dem Main,« antwortete Walbrand, »ich sah noch, wie sie zur Nacht lagerten. Spät erwachen die Burgunden; wenn sie sich auch eilen, stehen sie doch nicht, bevor der Morgen warm wird, im Tale. Pferdetritte merkte ich unten im Nebel jenseit des Baches.«

Ingo winkte ihm Entlassung und sprach zu Berthar: »Sorge, mein Vater, daß alle schlafen außer den Wächtern, denn morgen werden sie Augen brauchen, welche fest in ihren Köpfen stehen, und geruhte Glieder. Halte gute Wache am Tor, damit nicht unter dem flüchtigen Anzug ein Feind zuschleiche. Im Morgenlicht sammeln wir die Bauern und zählen die Häupter. Die Schar wird klein für den Ring. Wir aber kämpfen um das Leben, und jene dort um karge Beute. Zum letztenmal, bevor wir uns dem Kampfzorn weihen, sei in Frieden gegrüßt, mein Vater. Daß sie uns flüchtige Männer großer Volksrüstung wert achten, darüber lachen wir heut, und dafür danke ich dir, du Treuer.«

Der Morgen graute, die Wolken trugen blutroten Saum und bargen die Sonne. In der Ringburg erhoben sich die Schläfer von der Erde. Die Männer rüsteten sich zum Dienst für den Kriegsgott, den Erbarmungslosen, sie salbten und sträubten ihr Haar, daß es rötlich starrte, sie legten um Arme und Hals die Ringe von Bronze und Gold, sie zogen den Gürtel am Leibe fest, daß der Schritt behender sei und der Schwung der Glieder gewaltiger. Mancher legte sein Hemd an von Hirschleder, mit Eisenschuppen bedeckt, mancher auch warf die braune Wolljacke von sich und öffnete das Hemd, damit man die ruhmvollen Narben auf der Brust schaue. Finster war der Blick der Krieger, wild ihr Mut und schweigsam ihr Tun. Denn unziemlich war im Dienste des Schlachtengottes unnütze Rede.

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