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Tausend Und Eine Nacht
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Tausend Und Eine Nacht

Ich machte ihr Vorwürfe und stellte ihr die Gefahr vor, in die sie sich stürze. Fürchte Gott, sagte ich ihr, opfere dein Leben nicht diesem Liebeshandel, und wandle den Weg der Entsagung! Sie fuhr mich aber zornig an wegen meiner Ermahnungen. Ich ging daher nach deinem Hause, um dich aufzusuchen, wo ich dich aber nicht antraf. Zu Ali wagte ich nicht zu gehen, ich blieb daher außen stehen, um dich zu erwarten. Nun bitte ich dich und nimm das Geld an (welches meine Herrin dir schickt), du hast dir keinen Vorwurf deshalb zu machen, da du doch den Leuten das Verlorene ersetzen mußt. Der Juwelier machte sich auf und ging mit ihr bis in die Nähe seiner Wohnung, da sagte sie: »Warte hier, ich komme gleich wieder«, und verließ ihn.

Als das Mädchen wieder zu dem Juwelier kam, brachte sie einen schweren, mit Gold gefüllten Beutel mit, welchen sie ihm übergab und sagte: »Geh‘ mit Gottes Schutz! Wo treffen wir uns wieder?« Der Juwelier erwiderte: »Komm nur in meine Wohnung, ich werde mich sogleich bemühen, Ali zu treffen und Mittel finden, dich zu ihm zu bringen; dieses Geld macht mir leicht, was mir früher schwer schien.« Das Mädchen verabschiedete sich, der Juwelier aber trug das Geld nach Hause. Er fand in dem Beutel 2000 Dinare, worüber er sich sehr freute, denn es blieb ihm, nachdem er allen Schadenersatz geleistet hatte, eine Summe für seine Familie und die Wiederherstellung seines anderen Hauses übrig. Er begab sich sogleich mit seinen Dienern in dasselbe, ließ Arbeiter kommen und neue Türen und Fenster einsetzen, die viel schöner ausfielen, als die früheren. Um das Haus zu hüten, ließ er auch einige Mädchen daselbst.

Die Freude, sich wieder in solchen Umständen zu sehen, ließ ihn schnell alles ihm widerfahrene Ungemach vergessen, und frohen Mutes und leichten Sinnes ging er zu Ali. Dessen Diener kam ihm sogleich freudig entgegen, ihn bewillkommend und ihn sogleich zu Ali führend, der auf seinem Lager ausgestreckt lag und kaum ein Wort reden konnte. Der Juwelier setzte sich neben ihn und ergriff seine Hand, worauf Ali seine Augen öffnete und ihn begrüßte. Er richtete sich mit großer Anstrengung und Hilfe des Juweliers auf, dankte Gott für dieses Wiedersehen, ließ sich Wein und Speise bringen, genoß reichlich von beidem, erhob sich dann von seinem Lager, wechselte die Kleider und versuchte ihm zuliebe einige Schritte im Zimmer zu gehen. Der Juwelier erzählte, was er von der Vertrauten Schems Annahars erfahren hatte, ohne daß jemand außer ihm ihn hörte, dann sagte er zu ihm: »Fasse Mut, ich kenne dein Inneres.« Ali lächelte und der Juwelier fuhrt fort: »Du wirst Hilfe und Erleichterung finden.« Ali gab dann den Dienern ein Zeichen, daß sie sich entfernten, dann sagte er: »Hast du gesehen, was uns zugestoßen ist?« Er entschuldigte sich hierauf bei dem Juwelier und fragte ihn weiter aus und ließ sich nochmals alles seit ihrer Trennung Vorgefallene erzählen. Dann lobte er Gott und pries den Mut und die Standhaftigkeit Schems Annahars. Hierauf rief er seinen Schatzmeister, ließ Betten, verschiedenes anderes Hausgerät und an goldenen und silbernen Gefäßen weit mehr, als der Juwelier verloren hatte, zusammenpacken, und übergab sie dem Juwelier. Der Juwelier, beschämt durch eine so edle Freigebigkeit, dankte und sagte: »Das Bewußtsein meines Bestrebens, euch zu gefallen, ist mir mehr wert, als was ich empfangen; aus Liebe zu euch werde ich mich vor keiner Gefahr scheuen!« Er blieb hierauf noch den ganzen Tag und die folgende Nacht bei Ali, welcher noch immer schwach und mutlos war, und viel seufzte und weinte.

Als der Morgen anbrach, sprach Ali zum Juwelier: »O höre mich! jede Sache hat ihr Ende. Das Ende der Liebe ist der Tod oder eine dauernde Vereinigung; ich bin dem Tode näher, er paßt besser zu meiner Lage und bringt mir mehr Ruhe. O wäre ich doch tot und vergessen, oder könnte ich mich trösten, ruhig werden und anderen Ruhe gönnen! Nun kam ich schon zweimal mit ihr zusammen, und jedesmal ging es so, wie du wohl weißt; wie kann ich nun einer dritten Zusammenkunft mit Ruhe entgegensehen? Wie kann ich, nach diesen Warnungen, mich noch vor den Leuten entschuldigen? Ohne Gottes Huld wären wir ja schon lange verrufen. Ich weiß nun nicht mehr, wo ich mein Heil suchen soll. Wenn ich nicht Gott fürchtete, so würde ich meinem Tod vorgreifen; aber wir sterben ja doch, ich und sie, nur hat unser Tod eine bestimmte Zeit.« Er weinte dann heftig und sprach folgende Verse:

»Kann der Betrübte etwas anderes tun, wie weinen? Wie groß muß meine Liebe sein, da ich euch mein Geheimnis anvertraut. Mir ist, als wenn die Nacht zu den Sternen gesagt hätte: Bleibet und weichet nicht, wenn der Morgen ruft.«

Der Juwelier sprach Ali Mut ein und sagte: »Mein Herr, sei ein Mann! Sei in der Trauer wie in der Freude ruhig!« Ali sah ihn an und sprach folgende Verse:

»Ist der Tränenstrom mit dem, der ihn vergießt, verwachsen, oder kann er durch schöne Standhaftigkeit zurückgewiesen werden? Mancher hat schon sein Geheimnis zusammengedrängt und versiegelt: da hat sein Auge aufgerissen, was er verschlossen, und so oft er die Tränen zurückhalten wollte, kam der Liebesschmerz dazwischen und hinderte ihn.«

Der Juwelier sagte, er vermute, die Vertraute werde zu ihm kommen, um Nachrichten von Schems Annahar zu überbringen, er wolle daher nach Hause gehen. Als er hierauf Abschied nahm, sagte Ali zu ihm: »Ich lasse dich gehen; aber eile, daß du bald wieder kommst, denn du siehst, in welchem Zustande ich mich befinde.«

Kaum zu Hause angekommen, erschien auch wirklich Schems Annahars Vertraute bei dem Juwelier, aber mit verstörter, ängstlicher Miene und tränendem Blicke. Beunruhigt hierüber, fragte er sie, was vorgefallen wäre. Sie antwortete: »Was wir befürchtet, ist eingetroffen! Als ich dich gestern verließ und zu Schems Annahar in den Palast zurückkehrte, traf ich sie, wie sie eben Befehl erteilte, eine der beiden Sklavinnen, die bei jenem Abenteuer bei uns waren, eines Vergehens wegen zu züchtigen. Diese aber entfloh durch eine offene Türe des Palastes und begab sich zu einem der Türwächter, der wegen einer Sklavin uns beaufsichtigte. Dieser verbarg die Sklavin und wußte ihr durch Schmeichelei, Zureden und Versprechungen den Vorgang in jenen beiden Nächten zu entlocken. Er ging hierauf sogleich mit ihr zum Fürsten der Gläubigen. Dieser zwang sie, alles zu gestehen, was sie auch tat. Schems Annahar wurde nun in die Wohnung des Kalifen gebracht, ohne daß ich mir einen anderen Grund, als den eben angeführten, denken kann, und er läßt sie von zwanzig Dienern bewachen. Ich suchte mich ungesehen wegzustehlen und eilte hierher, da ich nicht weiß, was wohl in solch einer Lage anzufangen sein dürfte. Ich bin, wie dir nicht unbekannt, ihre teuerste Freundin und bewahre alle ihre Geheimnisse. Geh nun zu Ali und fordere ihn auf, alle Vorsicht zu gebrauchen, sich und seine Güte zu retten.«

Die Vertraute verließ ihn hierauf plötzlich und der Juwelier, den diese Nachricht so darniederschlug, daß er kaum stehen konnte, raffte sich zusammen, eilte zu Ali und sagte ihm: »Umhülle dich mit Geduld und umgürte dich mit Standhaftigkeit, entferne von dir jede Schwäche und Mutlosigkeit und wandle den Weg der Tapferkeit. Es ist etwas vorgefallen, wobei dein Leben und all dein Gut verloren gehen kann.«

Ali antwortete: »O mein Bruder, du hast mir den Tod gegeben; sage mir klar heraus, was geschehen!« Der Juwelier erzählte ihm das, was er von der Vertrauten vernommen hatte, und fügte hinzu: »Du wirst gewiß dabei umkommen.« Ali starrte eine Weile vor sich hin und gab nahezu den Geist auf, dann erholte er sich und fragte: »Was ist zu tun?« Der Juwelier antwortete: »Packe deine kostbarsten Sachen zusammen, wähle die treuesten unter deinen Dienern aus und bereite dich vor, mit mir vor Abend die Stadt zu verlassen. Wir gehen zusammen nach Anbar.« Ali sprang auf und taumelte umher, bald machte er einige Schritte, bald stürzte er wieder hin, ordnete seine Geschäfte, so gut er konnte, nahm Abschied von seiner Familie, sich bei ihr entschuldigend, traf alle nötigen Anordnungen und verließ mit dem Juwelier Bagdad.

Sie schlugen den Weg nach Anbar ein, reisten den ganzen Tag und die ganze Nacht, ohne sich aufzuhalten, und erst vor Tagesanbruch machten sie Halt. Sie luden ihr Gepäck ab, banden ihre Tiere fest und legten sich arglos nieder, um zu schlafen. Kaum war einer und der andere eingeschlafen, als sie aus ihrer Ruhe aufgeschreckt wurden und sich von einer Menge Männer umzingelt sahen. Ihre Leute wurden alle getötet, und die Räuber nahmen ihnen Pferde, Lasttiere samt Gepäck und allen Kostbarkeiten weg, und zogen auch diese beiden ganz aus, entfernten sich dann und ließen sie in schlimmster Lage zurück.

Nachdem die Räuber sich entfernt hatten, sagte Ali zu dem Juwelier: »Was sollen wir jetzt anfangen?«

»Nur Gott kann hier helfen«, erwiderte der Juwelier; »sein Wille geschehe!« Sie gingen dann in der Nacht fort, bis sie gegen Morgen eine offene Moschee erblickten, in welche sie eintraten, und sie brachten den Rest der Nacht ungestört in einer Ecke zu. Am folgenden Morgen kam endlich ein Mann herein, um sein Gebet zu verrichten. Als er geendigt hatte und um sich blickte, bemerkte er Ali und den Juwelier.

Dieser Mann näherte sich ihnen und redete sie folgendermaßen an: »O ihr von der Gemeinde Gottes! ihr seid wohl Fremdlinge?« Sie antworteten: »Ja; wir sind heute nacht auf dem Wege von Bagdad von Räubern angefallen und all des Unsrigen beraubt worden und kennen niemanden hier, an den wir uns in unserer Not wenden könnten.« Der Unbekannte versetzte: »Wollt ihr mit mir in mein Haus kommen?« Der Juwelier sagte leise zu Ali: »Da leicht andere kommen könnten, denen wir nicht unbekannt sein dürften, so wird also das Klügste sein, wir folgen der Einladung, ohnedies sind wir hier fremd und gänzlich obdachlos.« Ali erwiderte: »Tu was du willst«, worauf der Juwelier antwortete: »Wir sind bereit, dir zu folgen.« Der Unbekannte zog dann einen Teil seiner Kleider aus und gab sie ihnen. Dann sagte er zu ihnen: »Steht nun auf aus dieser Dunkelheit und folgt mir.« Sie machten sich alsbald auf den Weg und als sie an seiner Wohnung angekommen waren, klopfte der Mann an der Türe, worauf ein kleiner Diener diese öffnete. Der Mann hieß sie hierauf eintreten und führte sie in ein Zimmer, wo er alsbald einen Bündel mit Kleidern und Turbanen herbeibringen ließ. Er schenkte jedem zwei Anzüge und zwei Turbane und als sie sich umgekleidet hatten, trug eine Sklavin verschiedene Speisen auf, worauf der Herr des Hauses zu ihnen sagte: »Esset, der Segen Gottes sei mit euch!« Sie aßen aber nur wenig, dann wurde der Tisch wieder weggetragen, und sie blieben bei ihm sitzen, bis die Nacht hereinbrach. Ali war sehr niedergeschlagen, er seufzte schwer auf und befand sich in einem trostlosen Zustande. Auch sagte er zu dem Juwelier: »Wisse, daß ich bald sterben werde; ich will daher meine letzten Anordnungen treffen, um deren genaue Befolgung ich dich bitte. Geh‘ zu meiner Mutter, wenn ich sterbe, und bitte sie, hierherzukommen und für meine Waschung und Bestattung zu sorgen, und unsre Trennung mit Geduld zu ertragen.«

Nachdem Ali geendet hatte, fiel er in Ohnmacht, und als er wieder erwachte, hörte er von einer weiblichen Stimme folgende Verse:

»Schnell überfiel uns die Trennung, nach kurzer Liebe, Vereinigung und Zusammenleben. Wie bitter ist Trennung nach Vereinigung! Möchte sie doch nie mehr über einen Liebenden verhängt werden! Die Todespein währt nur eine kleine Weile, dann ist‘s vorüber. Aber die Trennung der Freunde nagt immer am Herzen. Gott vereinige alle Liebenden und beginne mit mir, denn ich sehne mich nach ihm.«

Hier schwieg die Stimme, und kaum waren die letzten Töne verhallt, so verschied Ali. Der Juwelier blieb noch zwei Tage bei dem Leichnam, hüllte ihn in ein Totengewand, übergab ihn der Verwahrung ihres Wirtes und schloß sich dann einer eben nach Bagdad zurückkehrenden Karawane an. Bei seiner Ankunft daselbst ging er zuerst in sein Haus. Hierauf begab er sich sogleich in die Wohnung Alis. Die Diener kamen ihm entgegen und grüßten ihn, Er ließ sich alsbald bei Alis Mutter melden, und als er die Erlaubnis erhielt, vor ihr zu erscheinen, trat er zu ihr, grüßte sie, und nachdem er sich ein wenig gesammelt hatte, sprach er zu ihr. »Höre mich an, Gott erhalte dich und sei dir gnädig! Der erhabene Gott leitet die Menschen nach seinem Willen; niemand kann seinem Urteil und seiner Bestimmung entgehen....«

Die Mutter rief, heftig weinend: »Du verkündest mir den Tod meines Sohnes!« – »Bei Gott, er ist tot!«

Der Juwelier konnte vor herbem Schmerz und hervorbrechenden Tränen nicht antworten. Die Mutter war nahe daran, in Ohnmacht zu fallen, da eilten ihre Frauen herbei, sie zu unterstützen. Nachdem sie sich wieder erholt hatte, bat sie den Juwelier, ihr alles mitzuteilen. Der Juwelier erzählte ihr alles umständlich, wie es sich zugetragen, und beteuerte, daß er selbst von Trauer erfüllt sei, da er ihm ein sehr teurer Freund gewesen. Die Mutter fragte ihn hierauf: »Da er dir alle seine Geheimnisse anvertraut, so hat er dir wohl vor seinem Tode noch einen Auftrag an mich gegeben?« Der Juwelier bejahte dies und machte sie aufs pünktlichste mit Alis letztem Willen bekannt. Die Mutter brach wieder in lauten Jammer aus, den ihre Frauen noch vermehrten. Der Juwelier verließ sie hierauf, wie ein Blinder umhertappend, um nach Hause zu gehen. Voll tiefer Bekümmernis dachte er über das traurige Schicksal eines so jungen Mannes nach, bei dem er so oft ein— und ausgegangen.

Plötzlich bemerkte er, daß ihn jemand bei der Hand ergriff. Als er die Augen öffnete, sah er eine Frau im Trauergewande mit einem von Gram abgehärmten Gesichte vor sich stehen, in der er sogleich die Vertraute Schems Annahars erkannte. Dieser Anblick und ihre Tränen, die sie fortwährend vergoß, riefen auch bei ihm neuen Kummer und neue Tränen hervor. Er ging ohne Aufenthalt mit ihr fort bis in seine Wohnung.

Der Juwelier fragte die Vertraute, ob sie schon wisse, wie es Ali ergangen. Sie verneinte dies.

Der Juwelier fragte sie dann, was den Tod Schems Annahars herbeigeführt. Sie erwiderte: »Wie ich dir schon erzählt habe, hatte der Fürst der Gläubigen Schems Annahar zu sich nach seinem Palaste bringen lassen. Aber ohne ihr den mindesten Vorwurf zu machen, empfing er sie, liebe— und mitleidsvoll und mit freundlichem Entgegenkommen sprach er zu ihr: »Schems Annahar, du weißt, mit welcher Inbrunst ich dich liebe, wie du mir vor allen übrigen Menschen teuer bist, ich werde dich vor jedem Übel bewahren, trotz aller Verleumdungen, die mir von deinen Feinden zu Ohren gekommen.« Hierauf führte er sie in eines seiner Prunkgemächer. Alles dieses wirkte mit furchtbarer Gewalt auf das Gemüt Schems Annahars. Als der Tag zu Ende war, ließ der Kalif, nachdem er nach seiner Gewohnheit beim Weine gesessen war, die Mädchen zu sich kommen und Schems Annahar, um zu zeigen, wie hoch sie noch in seiner Gunst stehe und welchen Platz sie in seinem Herzen einnehme, an seine Seite sitzen. Ihr Geist war abwesend, ihre Fassung war dahin, und ihr Zustand ward immer schlimmer. Als aber eine Sängerin folgende Verse sang:

»Die Liebe hat Tränen in mir hervorgerufen, sie fließen nun reichlich über meine Wangen herunter.«

»Meine Augenwimpern ermüden und können nicht tragen, was darin ist; sie offenbaren, was ich verheimlichen möchte, und verbergen, was ich offenbare.«

»Wie kann ich meine Liebe zu verbergen wünschen, da meine mächtige Pein deinetwillen alles entdeckt!«

»Nach der Trennung von meinem Geliebten wäre mein Tod eine Wohltat. Nur möchte ich wissen, ob es ihm nach mir wohl wird —«

konnte sie die Fassung nicht länger behaupten: die Tränen stürzten hervor und sie sank bewußtlos nieder. Der Kalif warf den Becher aus der Hand und zog sie zu sich hin. Aber sie war tot. Der Kalif befahl, alle Instrumente zu zerbrechen, und ließ dann ihren Leichnam in sein Gemach tragen, wo er die ganze Nacht bei demselben durchwachte. Des Morgens ließ er ihn waschen, in ein Leichengewand hüllen und beerdigen, ohne sich weiter nach ihren Angelegenheiten zu erkundigen.

»Nun«, fuhr sie fort, »bitte ich dich bei dem allmächtigen Gott, mir zu sagen, wann die Überreste Alis hierher gelangen und beigesetzt werden, damit ich der Beerdigung beiwohne.« Der Juwelier antwortete: »Dies kann nicht geschehen.« Die Vertraute entgegnete: »Du hältst dies für unmöglich; wisse aber, daß dem nichts im Wege steht, da der Kalif allen Frauen Schems Annahars die Freiheit geschenkt und mir die Aufsicht über das Grab seiner Favoritin übertragen hat.« Der Juwelier begleitete sie hierauf an den Begräbnisplatz und verließ sie wieder.

Am vierten Tage, als der Leichnam Alis aus Anbar anlangte, drängte sich eine zahllose Volksmenge hinzu, der Juwelier mischte sich unter die Menge, von welcher viele Männer und Frauen dem Leichenzuge eine Strecke weit entgegen gingen, man hatte nie in Bagdad eine solche Menschenmasse beisammen gesehen. Die Vertraute schloß sich auch dem Zuge an und machte sich durch ihre tiefe Trauer und ihr herzzerreißendes Jammergeschrei vor allen anderen bemerklich, bis man zum Begräbnisplatz kam, wo er beerdigt wurde und den der Juwelier, so lang er lebte, von Zeit zu Zeit besuchte.

Das ist die Geschichte Alis und Schems Annahars. Sie ist aber nicht wunderbarer als die Nureddins und der Enis Aldjelis.

Geschichte Nureddins mit Enis Aldjelis

Es herrschte zu Baßrah ein König, der hieß Mohammed Suleiman. Er war ein Vater der Armen und Bedürftigen; mit Weisheit und Milde regierte er seine Untertanen. Seine Hände waren so freigebig wie das Meer; seine Sklaven lebten wie freie Leute. Nacht und Tag dienten ihm, seines Lebens Freude bestand darin, seine Sklaven und seine Truppen zu beschenken. Ein Dichter beschrieb ihn folgendermaßen:

»Es war ein König, der, wenn feindliche Scharen auf ihn einstürmten, sie mit schneidenden Waffen befriedigte.«

»Wenn er am Schlachttage auf die feindlichen Reiter einhieb, schien er mit Schwert und Lanze und Pfeil zu schreiben, indem er den feindlichen Linien Vokale und Punkte beifügte; die Vokale schrieb er mit Säbelhieben, die Punkte mit Lanze und Pfeil.«

»Die Reiterei schwamm wie in einem Meere, dessen Wellen unzählige Scharen und dessen Quelle das aus den Wunden der Feinde strömende Blut.«

»Dieses Meer schien mit einem Wald von Schiffen bedeckt; die Lanzen waren die Mastbäume, die Fahnen die Segel.«

»Die Zeit hatte geschworen, einen ihm Ähnlichen wieder hervorzubringen; aber, o Zeit! du warst meineidig, denn du wirst deinen Schwur nicht halten können; bereue daher und tu Buße!«

Suleiman hatte zwei Veziere, der eine hieß Muin, Sohn Sawis, und der andere Vadhleddin, Sohn Chakans.

Vadhleddin war einer der freigebigsten Männer seiner Zeit. Er war gutmütig und von reinem Lebenswandel und wußte sich überall Freunde zu erwerben; sogar die Frauen beteten in ihren Häusern für sein langes Leben, denn er war der Beförderer alles Guten und der Schutz gegen alles Böse, wie ein Dichter ihn beschreibt:

»Er ist ein Mann, dessen Charakter aus Gottesfurcht und Hoheit besteht, so daß die Zeit sich mit ihm freut und stolz auf ihn ist.«

»Nie nahte sich ihm vertrauensvoll ein Unglücklicher, der nicht an seinen Türen Trost fand.«

Muin aber war geizig, schmutzig, verschmitzt, boshaft und dumm zugleich. Er suchte nur Böses zu tun, nie ging ihm ein schönes Wort aus dem Munde. Er war listiger als ein Fuchs und raubgieriger als ein Hund. Ein Dichter sagt von ihm:

»Er ist ein Auswürfling; er ist ein schlechter Sohn des Schattens.«

»Ein Vagabund, der seinen Ursprung Hin— und Herreisenden verdankt.«

»Kein Haar an seinem Leibe wächst, das nicht das Gepräge der Abstammung trüge.«

So sehr Vadhleddin geliebt wurde, ebenso sehr haßte man Muin. Als einst der König Mohammed auf seinem Throne saß und von seinen beiden Vezieren und den Großen des Reichs umgeben war, sagte er zu Vadhleddin: »Ich möchte ein Mädchen besitzen, das an Schönheit des Körpers sowie auch an Verstand und Tugend alle anderen übertreffe.« Da sagten die Großen des Reichs und die Staatsräte: »Ein Mädchen von solch ausgezeichneten Eigenschaften wird sich wohl schwerlich für weniger als 10.000 Dinare finden lassen.« Der König rief hierauf sogleich seinem Schatzmeister und befahl ihm: »Gib Vadhleddin aus meinem Schatze 10.000 Dinare.« Dieser holte das Geld und Vadhleddin nahm es in Empfang.

Vadhleddin, um dem Befehle seines Herrn zu gehorchen, begab sich jeden Tag auf den Markt und beauftragte alle Makler, die schönste und gebildetste Sklavin für ihn auszusuchen und keine verkaufen zu lassen, wenn sie 10.000 Dinare oder mehr koste, bevor sie ihm vorgestellt worden sei.

Kein Makler verkaufte eine Sklavin, ohne sie vorher dem Vezier vorzustellen, aber immer hatte er etwas an derselben auszusetzen. Einst, als er gerade auf dem Wege zum Palaste war, begegnete ihm ein Makler, der zu ihm trat, den Steigbügel erfaßte und ihn anredete:

»O Vezier, der du das vermoderte Reich wieder belebt hast und der du immer siegreich bleiben mögest, du hast alles Edle wieder vom Tode erweckt und das Reich vor Verfall bewahrt.«

Dann fuhr er fort: »O Vezier! Was wir längst nach deinem hohen Befehle für dich gesucht, hat sich nun gefunden.« Der Vezier antwortete: »Bringe sie her!« Der Makler entfernte sich und kam nach einer Weile wieder mit einer Sklavin an seiner Seite, welche von schlankem Wuchse, feingeformtem Busen, glühend schwarzen Augen, feiner Taille, frischem Aussehen, süßem Atem, wohlgeformten Füßen und zarter Stimme war. Ein Dichter sagt von ihr:

»Sie ist wunderbar; die Schönheit ihres Gesichts gleicht Mond und Sternen; sie ist die Erste und Vornehmste aus ihrem Stamme und verdunkelt alle, so mit ihr aufgewachsen.«

»Gott, der erhabene Besitzer des Himmelsthrons, hat ihr die schönsten Güter des Lebens geschenkt: Hoheit, Anmut und schönen Wuchs.«

»An dem Himmel ihres Angesichts prangen sieben Sterne gleich den Wächtern ihrer Wangen.«

»Wenn ihr jemand durch begehrendes Anschauen Blicke entlocken will, so versengt sie ihn durch die Glut eines ihrer Sterne wie einen bösen Geist.«Dem Koran zufolge werde böse Geister, die an den Toren des Himmels lauschen, durch Sterne verjagt.

Als der Vezier die Sklavin sah, bewunderte er sie sehr. Er wendete sich daher zu dem Makler und fragte ihn, welchen Preis der Kaufmann auf sie gesetzt habe. Der Makler antwortete: »Herr! er verlangt 10.000 Dinare und hat geschworen, daß sie allein für so viel junge Hähne gegessen und Wein getrunken habe, und daß diese Summe nicht einmal die Geschenke bezahle, die ihren Lehrern gemacht worden seien. Sie hat schön schreiben und zierlich reden gelernt; die arabische Sprache und ihre Regeln, die Erklärung des Korans, die Heilkunde, die Grundlehren der Theologie sind ihr bekannt; dazu spielt sie mancherlei Instrument.« Der Vezier ließ den Kaufmann rufen.

Da kam ein Perser, der schon manches Jährlein hinter sich hatte; die Zeit schien ihn hart mitgenommen und sein Glücksstern ihm nicht viel übrig gelassen zu haben; er glich einem alten Adler oder einer dem Einsturz nahen Mauer, und auf ihn paßten die Worte des Dichters:

»Wie heftig hat mich die Zeit erschüttert, die gewaltige, ernste Zeit! Einst konnte ich laufen, ohne zu ermüden; jetzt bin ich müde, ohne mich von der Stelle gerührt zu haben.«

Der Vezier sagte zu ihm: »Willst du diese Sklavin dem Sultan Suleimann für 10.000 Dinare verkaufen?« Der Perser antwortete: »Wenn sie für den Sultan bestimmt ist, so wäre es meine Pflicht, sie ihm ohne Geld als ein Geschenk zu überlassen.« Der Vezier ließ aber sogleich das Geld holen und dem Perser 10.000 Dinare vorwiegen.

Nachdem der Kaufmann mit seinem Gelde weggegangen war, wendete sich der Makler zum Vezier und sagte: »Ist es mir vergönnt, vor den Ohren unseres großen Veziers ein Wort zu reden?« Vadhleddin forderte ihn auf, zu sagen, was er habe, und der Makler fuhr fort: »Herr! da, wie ich vernommen habe, die Sklavin für den König bestimmt ist, so bin ich der Meinung, daß du sie ihm heute noch nicht vorführst: denn sie kommt eben angegriffen von der Reise, auf welcher sie ungünstigen Wind gehabt hat, und man sieht ihr die Ermüdung an. Laß sie daher lieber vierzehn Tage in deinem Palaste, bis ihre Reize wieder aufgefrischt sind; alsdann lässest du sie ins Bad führen, legst ihr die schönsten Kleider an und gehst mit ihr zum König. Dann wirst du große Ehre bei ihm einlegen.«

Der Vezier überlegte die Worte des Maklers und fand sie gut. Er ließ daher die schöne Perserin in seinen Palast bringen, wies ihr mitten in demselben ein besonderes Zimmer an. Er sorgte dafür, daß sie Tag für Tag Wein, junge Hähne und verschiedene schöne Kleider erhielt, und so verging einige Zeit.

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