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Tausend Und Eine Nacht
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Tausend Und Eine Nacht

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»Der Bote, bei dem unsere Geheimnisse verborgen waren, hat sie aus Mißmut enthüllt; nun schenkt mir einen anderen Vertrauten, der Aufrichtigkeit und nicht Lügen für gut findet.«

»Ich war nicht treulos, ich habe nichts Anvertrautes verraten, ich habe kein Versprechen gebrochen und keinen Liebesbund entzwei gerissen; ich habe nicht aufgehört zu trauern und habe nach der Trennung von dir nichts als Jammer gefunden; ich habe von dem, den ihr erwähnt, nichts gehört und keine Spur von ihm gesehen. Nun möchte ich wieder einmal in eurer Nähe sein; doch fern ist der Gegenstand meiner Sehnsucht! Ich wünsche Wiedervereinigung, doch wo ist der Gegenstand meiner Wünsche? Wenn ihr mich sehen würdet, so würde mein Anblick schon genug sagen. Friede sei mit euch!«

Dieser Brief entlockte dem Juwelier Tränen; auch die Sklavin mußte mit ihm weinen. Sie sagte dann: »Geh nicht aus dem Haus zu Ali, bis ich morgen wiederkehre; ich habe ihn in Verdacht gehabt, doch er ist unschuldig; auch hat er mich, ohne daß ich‘s verdiente, in Verdacht gehabt. Ich will nun alles anwenden, um dich mit meiner Herrin zusammenzubringen, die ich unruhig verließ und die mit Ungeduld Nachricht erwartet von dem, der ihr Geheimnis weiß.« Die Sklavin verließ den Juwelier; am folgenden Morgen aber kam sie sehr freudig wieder zu ihm. Er fragte sie, was sie habe? Sie antwortete: »Ich war bei meiner Gebieterin, habe ihr seinen Brief gegeben; als sie in Nachdenken versunken und ängstlich ward, sagte ich ihr: Fürchte nichts und sei nicht traurig, denke auch nicht, daß Abul Hasans Abwesenheit eurer Sache schade, denn schon haben wir jemand gefunden, der ihn ersetzt. Ich erzählte ihr dann deine Unterhaltung mit Ali, und wie du zu ihm gekommen; dann von dem Brief, den ich verloren, und von deinen Versicherungen, das Geheimnis bewahren zu wollen. Sie wunderte sich darüber und sagte: Ich möchte diesen Mann selbst sprechen und mit ihm bekannt werden, damit ich mich ein wenig aufheitere, und durch seine Güte mich in meinem Vorsatz noch mehr befestige. Komm also mit Gottes Segen und seiner schönen Genehmigung!« Als der Juwelier dies hörte, dachte er, dies sei eine ernste Sache, mit der man nichts zu tun haben sollte. Er sagte daher der Sklavin: »Ich gehöre zum Mittelstand und kann nicht, wie Abul Hasan, durch meine Geschäfte Eingang in die Wohnung des Kalifen finden; Abul Hasan hat mir eine Geschichte erzählt, und ich zittere noch, wenn ich daran denke. Wünscht also deine Herrin mich zu sprechen, so geschehe dies nicht im Haus des Fürsten der Gläubigen. Mein Herz sagt mir, ich soll dir nicht gehorchen.« Als er sich weigerte, mit ihr zu gehen, sprach sie ihm Mut ein und verbürgte ihm, daß er unbeschädigt davonkommen und daß alles verborgen bleiben werde. So oft er ihr aber nachgeben wollte, versagten ihm seine Füße und fingen seine Hände an zu zittern. Endlich sagte sie: »Mache dir‘s bequem, sie wird zu dir kommen; weiche nicht von hier!« Sie lief schnell fort, kam bald wieder zurück und sagte: »Nimm dich wohl in acht, daß niemand im Hause sei, der uns verrate.« Der Juwelier versicherte, daß niemand hier sei und wie er alle mögliche Vorsicht anwenden werde. Die Sklavin ging wieder, kehrte alsbald mit einem anderen Mädchen zurück, dem zwei Sklavinnen folgten. Das Mädchen, das mit ihr kam, war so schön, daß das ganze Haus von ihrer Erscheinung widerstrahlte. Der Juwelier reichte dieser dann ein Kissen, auf das sie sich niederließ; und als sie ein wenig geruht hatte, entschleierte sie ihr Gesicht, das wie die Sonne oder wie der Mond strahlte; doch zeugten ihre Bewegungen von bedeutender Schwäche. Sie wandte sich zu dem Mädchen, das sie hergebracht hatte und fragte sie: »Ist es dieser?« Jene bejahte es, und der Juwelier grüßte sie ehrfurchtsvoll, was sie höflich erwiderte. Dann sagte sie: »Mein Vertrauen zu dir hat mich bewogen, dein Haus zu besuchen, dir unser Geheimnis anzuvertrauen und darauf zu bauen, daß du es wohl verbergen wirst. Ich gebe mich dir ganz hin und denke nur Gutes von Dir, weil ich dich für einen verständigen und rechtschaffenen Mann halte.«

Sie erkundigte sich hierauf nach der Lage des Juweliers, nach seiner Familie und seinen Bekanntschaften. Er gab ihr über alles, was ihn betraf, die genaueste Auskunft. Dann ließ sie sich die Geschichte seiner Bekanntschaft mit Abul Hasan erzählen. Als der Juwelier damit zu Ende war, erschrak sie und bedauerte den Verlust dieses guten Mannes sehr. Sie sagte dann: »Wisse, daß alle Menschen in Leidenschaften versunken sind, so verschieden auch ihr Zustand voneinander ist. Ihre Wünsche sind so ziemlich dieselben, so sehr auch ihre Handlungen voneinander abweichen mögen. Doch wird keine Tat gelingen, über die man nicht vorher sich verständigt hat; man erreicht kein Ziel ohne Mühe, und findet keine Ruhe, ohne vorhergegangene Arbeit.«

»Ohne Vertrauen gewonnen zu haben, entdeckt man niemand ein Geheimnis, man verläßt sich auf niemand, von dessen Tüchtigkeit man nicht überzeugt ist; man erwartet Hilfe nur von einem wackeren Manne, so wie man nur nach einer Menge von guten Handlungen und aufrichtigen Gesinnungen Dank erwarten kann. Nun ist dir alles klar, der Schleier ist aufgehoben vor deinem Angesicht, mehr braucht es nicht bei deinen männlichen und milden Gesinnungen. Mir aber bleibt nichts übrig, als der Tod und dieses Mädchen; dir ist bekannt, welchen schönen Weg diese wandelt und wie hoch sie bei mir in Gunst steht. Sie bewahrt mein Geheimnis, sie leitet meine Angelegenheiten; traue ihr in allem, was sie sagt und wozu sie dich bereden will; du kannst ruhig und furchtlos sein, sie wird dich nirgends hinführen, ohne vorher alles gesichert zu haben. Sie wird dir Nachricht von mir bringen und unsere Vermittlerin sein.« Schems Annahar erhob sich dann, obwohl sie vor Schwäche kaum stehen konnte. Der Juwelier begleitete sie bis an die Haustür; hier blieb er, ganz entzückt von ihrer Schönheit, wie von ihrer vortrefflichen Rede und Gesinnung, stehen. Dann machte er sich auf, wechselte seine Kleider, ging aus dem Haus und begab sich zu Ali. Kaum zeigte er sich hier, als die Knaben Alis von allen Seiten herbeisprangen, um ihn zu Ali zu führen. Der Juwelier fand diesen auf seinen Polstern ausgestreckt; als Ali jedoch jenen bemerkte, hieß er ihn willkommen und sagte: »Du hast lange gesäumt und noch mehr Kummer zu dem meinigen gehäuft; ich habe, seitdem du mich verlassen, kein Auge geschlossen. Gestern kam das Mädchen mit einem versiegelten Briefchen«, und er erzählte dem Juwelier, was wir schon wissen. Dann sage er: »Ich weiß mir nun keinen Rat mehr, meine Geduld ist zu Ende; ich finde keine Kraft und keine Überlegung mehr, die mich auf den Weg der Freude brächten. Jener Mann (Abul Hasan) war mir ein Trost und ich hoffte durch ihn ans Ziel zu gelangen, weil meine Geliebte ihn gut kannte und ihre Freude an ihm hatte.« Als er dies hörte, lachte der Juwelier. Ali fragte: »Lachst du, weil ich weine, nachdem ich dir mein Elend geklagt?« Darauf sprach er folgende Verse:

»Er lacht, wenn er mich weinen sieht; er würde mit mir weinen, wenn ihm widerfahren wäre, was mir widerfahren. Nur ein Mann, der selbst viel gelitten, nimmt Anteil an den Leiden eines Unglücklichen.«

Als der Juwelier diese Verse hörte, erzählte er Ali, was zwischen ihm und Schems Annahar vorgefallen, seit er ihn nicht mehr gesehen. Als er geendet hatte, fing Ali heftig zu weinen an und sagte: »Ich gehe gewiß zugrunde und sinke ins Verderben; o möchte doch Gott meinen fernen Tod beschleunigen, denn schon hat mich die Geduld verlassen und jede Überlegung ist von mir gewichen. Ohne dich wäre ich schon vor Kummer und vor Schmerz gestorben. Nur du stehst mir noch bei, dafür sei Gott gepriesen und gelobt! Hier liege ich nun als dein Gefangener vor dir; ich werde dir in nichts widersprechen, noch deinem Willen mich widersetzen. Der Juwelier aber erwiderte: »Mein Herr! ein solches Feuer kann nur durch Vereinigung gelöscht werden, jedoch an einem Ort, wo keine Gefahr, kein Schaden und kein Unglück zu befürchten ist. Ich habe einen sicheren Ort ausgewählt. Mein Wunsch ist, euch zu vereinigen: ihr sollt euch sprechen, euren Liebesbund gegenseitig erneuern und euch einander euern Schmerz und eure Freude klagen.« Ali erwiderte: Tu in dieser Sache, was du für gut findest!« Der Juwelier blieb dann jene Nacht bei Ali.

Am folgenden Morgen ging er nach Hause. Kaum daselbst angelangt, erschien das Mädchen wieder bei ihm; er erzählte ihr, was zwischen ihm und Ali vorgefallen war und sie antwortete: »Sorge für einen guten und sicheren Ort zu ihrer Zusammenkunft.« Er schlug ihr dann seine (andere) Wohnung vor und sie sagte: »Wie du es anordnest, so ist es gut; es kommt jetzt nur noch auf Schems Annahars Einwilligung an, die ich von eurem Vorschlag benachrichtigen werde.« Sie ging, kam aber sehr geschwind wieder, und sagte: »Treffe alle Anstalten an dem Orte, den du angegeben, und bereite alles vor, wie es sich für solche Gäste ziemt.« Sie nahm dann einen gefüllten Beutel aus der Tasche, überreichte ihn dem Juwelier und sprach: »Damit schaffst du wohlschmeckende Speisen und süße Getränke herbei.« Dieser beteuerte aber, daß er damit keine Auslagen machen werde. Das Mädchen nahm den Beutel wieder und ging weg. Hierauf begab er sich mit beklommenem Herzen in sein anderes Haus, wo die Liebenden zusammenkommen sollten. Er richtete alle Gerätschaften her und ließ keinen Freund, von dem er sich nicht ein Geschenk erbat. Er verschaffte sich goldenes und silbernes Geschirr, Tapeten, reiche Kissen und andere Hausgeräte zur Ausschmückung des Hauses. Als das Mädchen wiederkam und alles sah, gefiel es ihr außerordentlich. Der Juwelier sagte ihr dann: geh und bringe Ali hierher, ohne Aufsehen zu machen. Sie ging und kehrte bald wieder mit Ali zurück. Er hatte ein prächtiges Kleid an, in dem er höchst reizend und liebenswürdig aussah. Der Juwelier nahm ihn mit Ehrerbietung auf, ließ ihn auf einen Divan sitzen, legte ihm das Beste von allem vor und unterhielt ihn bis zur Ankunft Schems Annahars.

Diese kam gleich nach dem Sonnenuntergang-Gebet, begleitet von ihrer Vertrauten und zwei anderen Sklavinnen. Als Ali und Schems Annahar sich wiedersahen, war ihr Liebesschmerz so heftig, daß keines sich dem anderen nähern konnte – es war eine herzergreifende Szene; der Juwelier mußte Ali schnell beistehen, und das Mädchen mußte Schems Annahar unterstützen, bis beide wieder zu sich kamen und neue Kraft sie belebte. Sie unterhielten sich dann mit matter Stimme eine Weile. Der Juwelier brachte ihnen hierauf Wein, den sie tranken; dann brachte er zu essen. Sie brachen beide in Danksagungen gegen ihn aus. Er fragte sie hierauf, ob sie noch mehr Wein wollten? Als sie seine Frage bejahten, führte er sie in einen anderen Saal, wo sie sich behaglich fühlten, aus freier Brust atmeten und von ihren Leiden sich erholten. Sie waren erstaunt über das, was der Juwelier für sie getan, fanden es sehr gütig und fingen an zu trinken. Dann fragte Schems Annahar den Juwelier: »Hast du eine Laute oder sonst ein musikalisches Instrument?« Dieser bejahte es und brache ihr eine Laute; sie nahm dieselbe, stimmte sie und sang mit lauter, süßer Stimme folgende Verse:

»Bist du ein treuer Bote, so laß alle Ausschmückungen; sage nichts anderes, als dir aufgetragen, und heile mit Wahrheit den Liebeskranken. Ist dein Auftrag eine Weigerung, so wird dadurch eine lobenswerte Standhaftigkeit bewiesen, die, wenn sie lange dauert, schöne Früchte tragen wird.«

Dieser Gesang war so bezaubernd, wie menschliche Ohren ihn nie gehört. Auf einmal erhob sich aber ein schrecklicher Lärm und ein großes Geschrei. Plötzlich trat einer von des Juweliers Dienern herein, der innerhalb der Tür Wache gestanden, und sagte: »Man hat unsere Türen eingebrochen und wir wissen nicht, wer in der Nacht daherkommt!« Während er dies sagte, schrie ein Mädchen, das auf der Terrasse stand, und es drangen zehn vermummte Männer, mit Dolchen und Schwertern bewaffnet, in den Saal; ihnen folgten wieder zehn andere, gerade so bewaffnet wie die ersten. Als der aufgeschreckte Juwelier das sah, entsprang er zur Tür hinaus und flüchtete sich zu einem Nachbarn; denn er war fest überzeugt, daß dieser jähe Überfall nur auf Befehl des Kalifen, dem ohne Zweifel die Zusammenkunft seiner Favoritin mit Ali verraten war, gemacht worden sein könne. Als der Herr der Hauses um Mitternacht herunterkam und jemand in seinem Hausgang verborgen fand, den er nicht kannte, kehrte er erschrocken zurück, kam mit einem Säbel bewaffnet wieder und sage: »Wer bist du?« Der Juwelier antwortete: »Ich bin dein Freund und Nachbar.« Als der Hauseigentümer dies hörte, steckte er sein Schwert in die Scheide und sagte: »Mir tut dieser Vorfall sehr leid. Gott wird dir in seiner Güte alles wieder ersetzen.« Er fuhr dann fort: »Ich möchte wohl wissen, wer die bewaffneten Leute sind, die dich so unversehens überfallen haben, aber ich halte sie für Räuber, die bei dir plünderten und mordeten, weil sie gestern gesehen, daß du viele kostbare Gerätschaften in dein Haus gebracht hast, ich fürchte sehr, sie haben deine Gäste fortgeschleppt oder getötet.« Der Juwelier ging dann mit seinem Nachbarn in das Haus und siehe da, es war rein ausgeplündert und leer, die Fenster waren aufgerissen, die Türen eingebrochen: sie hatten hier einen gräßlichen Anblick, der das Herz zerschnitt. Der Juwelier fing an, über sein Unglück nachzudenken; er wußte nicht, was er anfangen, wie er sich bei den Leuten entschuldigen sollte, von denen er die silbernen und goldenen Gefäße entlehnt hatte. Er dachte auch an Schems Annahar und an Ali; und fürchtete, der Kalif möchte etwas durch einen Diener über sie erfahren haben; sein Mut und seine Kraft verließen ihn. Er sagte dann zu seinem Nachbarn: »Was soll ich tun? Wer ratet mir?« Jener erwiderte: »Habe Geduld und vertraue auf Gott. Die Leute, die in dein Haus gedrungen sind und dich beraubt haben, haben auch angesehene Männer aus dem Palast des Kalifen gemordet, sowie aus dem Hause des Polizeiobersten. Die Leibwachen spüren ihnen nach, vielleicht erwischen sie sie, und du gelangst zum Ziel deiner Wünsche ohne dein Hinzutun.« Der Juwelier nahm seine Zuflucht zu Gott und kehrte nach seinem Wohnhaus zurück, dann sagte er: »Abul Hasan hat das Unglück, in das ich mich blindlings stürzte, vorausgesehen.«

Mit Tagesanbruch verbreitete sich auch das Gerücht von der Plünderung mit großer Schnelligkeit in der Stadt und zog eine Menge Leute von allen Orten herbei; die einen kamen aus Neugierde, die anderen waren schadenfroh, wieder andere bedauerten ihn, und ein großer Teil bestürmte ihn mit Forderungen. Er dankte den einen für ihre Teilnahme, klagte den anderen und wies die Fordernden ab.

So brachte er den ganzen Tag zu, ohne etwas zu genießen. Als er voller Reue so dasaß, kam einer seiner Knaben herein und sagte, daß ein unbekannter Mann, den sie bis jetzt noch nie gesehen hatten, vor der Haustür nach ihm frage und ihn erwarte. Der Juwelier stand auf und ging hinaus; da begrüßte ihn ein Fremder und sagte: »Ich habe in einer wichtigen Sache mit dir zu reden.« Der Juwelier hieß ihn ins Haus treten. Dieser wollte aber nicht, sondern forderte ihn auf, mit ihm in sein anderes Haus zu gehen. »Weißt du«, versetzte der Juwelier, »daß ich noch ein anderes Haus, als dieses hier, besitze?« Jener erwiderte: »Ich weiß es, ich weiß alles und bringe dir Trost.« Als der Juwelier dies hörte, sagte er: »Nun, ich folge dir überall hin.« Als sie miteinander an sein anderes Haus kamen und der Fremde die zerbrochene Tür sah, sagte er: »Das hat ja keine Türen, hier können wir uns nicht aufhalten. Folge mir, ich will dich an einen anderen Ort führen.« So gingen sie von einer Straße in die andere, von einem Hause zum andern, ohne in eines zu treten, den ganzen übrigen Tag ohne Aufenthalt, bis es Nacht ward. Der Juwelier erschrak und hatte nicht den Mut zu fragen. Endlich führte ihn der Fremde ins Freie an die Ufer des Flusses und sagte: »Folge mir nur!« Der Juwelier faßte Mut und lief hinter ihm her, bis sie an eine Stelle kamen, an der sich ein Nachen befand. Sie bestiegen denselben und ließen sich an das jenseitige Ufer übersetzen. Der Fremde ergriff die Hand des Juweliers und führte ihn in ein langes Quartier der Stadt, das er noch nie betreten hatte, und er wußte bald nicht mehr, in welchem Teil von Bagdad er sich befand. Er blieb endlich vor der Tür eines Hauses stehen, und als diese sich öffnete, hieß er den Juwelier eintreten, worauf er die Tür mit einem starken Riegel hinter sich zuschloß. Der Fremde führte ihn in ein Zimmer, in dem sich zehn Bucklige befanden, die sich alle ganz gleich sahen.

Die Männer begrüßten ihn und hießen ihn sich niedersetzen, was er alsbald tat, denn er war fast tot vor Müdigkeit und Furcht. Man brachte frisches Wasser, womit er sich Gesicht und Hände wusch. Hierauf brachte man Wein und endlich auch zu essen, und alle ließen sich‘s schmecken. Da dachte der Juwelier, wenn ich etwas zu befürchten hätte, würden sie nicht mit mir essen. Als die Mahlzeit und die Abwaschung vorüber war, begab sich jeder wieder an seinen Platz. Der Juwelier setzte sich zu ihnen, worauf sie ihn fragten: »Kennst du uns?« Er antwortete: »Nein, ich kenne weder euch, noch den Fremden, der mich hergeführt hat, selbst nicht das Stadtviertel und den Ort, wo ich mich befinde.«

»Erzähle uns dein Abenteuer«, forderten sie ihn auf, »verschweige uns aber nichts.« Der Juwelier antwortete: »Meine Geschichte ist wunderbar, ist euch davon etwas bekannt?« – »Ja wohl«, versetzten sie, »wir haben gestern den jungen Mann und die Sängerin, die bei dir waren, festgenommen und dein Haus ausgeplündert.«

»Ich bitte euch, bei Gottes Schutz!« rief der Juwelier aus, »sagt mir, wo der junge Mann und die junge Frau sich befinden;« sie antworteten, mit der Hand nach zwei Zimmern, die ihnen gegenüber lagen, zeigend: »Jedes von ihnen ist in einem dieser Zimmer. Sie behaupten, daß außer dir niemand Kunde von ihren Angelegenheiten habe. Aus Rücksicht gegen sie drangen wir nicht länger mit Fragen in sie und haben sie, da wir sie so kostbar bekleidet fanden, woraus wir auf ihren vornehmen Stand schlossen, auch am Leben gelassen. Enthülle uns nun die Wahrheit über ihre Verhältnisse, denn nur unter dieser Bedingung wird dir dein und ihr Leben zugesichert.«

Der Juwelier sagte: »Ich sehe, daß, seit männliche Tugend verloren gegangen, sie nur bei euch wieder gefunden werden kann, und daß nur Menschen eurer Art imstande sind, ein anvertrautes Geheimnis, dessen Verbreitung man fürchtet, in der Brust zu vergraben; hat man ein gefährliches Unternehmen, so darf man nur euch damit beauftragen und überzeugt sein, daß eure Fähigkeiten und Entschlossenheit es glücklich ausführen.« In diesem Sinne sprach der Juwelier noch lange zu den Räubern, bei sich erwägend, daß es in solchen Umständen besser sei, die Wahrheit zu sagen, als sie zu verbergen, da doch am Ende alles an den Tag kommt. Er erzählte ihnen daher umständlich die ganze Liebesgeschichte Alis und Schems Annahars von Anfang bis zu Ende.

Da riefen die Räuber: »Ist der junge Mann Ali, Sohn Bekars, und die junge Frau Schems Annahar?« Der Juwelier beteuerte, ihnen nichts verborgen zu haben. Als dies die Räuber hörten, erschraken sie sehr und gingen zu Ali und Schems Annahar, und baten sie um Verzeihung.

Alsdann kamen sie wieder zum Juwelier und sagten zu ihm: »Vieles von dem, was in deinem Hause geraubt worden, ist noch da, einiges aber fehlt; hier nimm, was noch da ist«, worauf sie ihm den größten Teil der goldenen und silbernen Gerätschaften zurückgaben. Dann sagten sie: es ist unsere Pflicht, alles wieder in deine andere Wohnung zu bringen. Sie teilten sich hierauf in zwei Teile, die einen blieben bei dem Juwelier und die anderen bei dem Liebespaar, und so verließen alle das Haus. Ali und Schems Annahar vermochten sich kaum aufrecht zu erhalten; nur die Furcht und die Lust, wieder befreit zu werden, gab ihnen Kraft dazu.

Unterwegs nahte sich der Juwelier der Schems Annahar und erkundigte sich nach der Vertrauten und den beiden Sklavinnen. »Ich weiß nichts von ihnen«, antwortete sie. Die Räuber geleiteten alle drei bis an das Ufer des Flusses, ließen sie einen Nachen besteigen und ruderten mit ihnen nach dem entgegengesetzten Ufer.

Als Ali, Schems Annahar und der Juwelier an das Land stiegen, hörte man Geräusche von der Wache zu Pferde, die Räuber sprangen wie Adler in den Nachen und ruderten mit aller Macht davon. Ali, Schems Annahar und der Juwelier, als sie sich von den Reitern umringt sahen, blieben bewegungslos stehen. Die Reiter fragten Ali und den Juwelier, wer sie seien. Durch diese Frage aus der Fassung gebracht, schwiegen sie still, bis endlich der Juwelier antwortete. »Diese dort, die ihr über den Fluß setzen seht, sind Räuber, wir aber sind rechtliche Leute aus der Stadt. Sie haben uns in der letzten Nacht aufgegriffen und wir mußten die Nacht bei ihnen zubringen. Sie waren ohne Mitleid gegen uns und nur durch sanfte Worte und List konnten wir wieder unsere Freiheit erlangen, was aus ihnen geworden, habt ihr selbst gesehen.« Die Reiter betrachteten alle drei und sagten zum Juwelier: »Du bist nicht aufrichtig, wer seid ihr und in welchem Stadtviertel wohnt ihr?« Sie gerieten durch diese Frage in neue Verlegenheit und wußten nicht, was sie antworten sollten. Schems Annahar nahm den Anführer beiseite und hatte nicht sobald mit ihm gesprochen, als er vom Pferde stieg und Schems Annahar aufsteigen ließ und selbst das Pferd am Zaume führte, und auch für Ali und den Juwelier wurden Pferde herbeigeholt. Sie ritten dann bis an einen gewissen Platz, wo er einem Mann Befehl gab, zwei Boote herbeizuschaffen.

Er ließ hierauf Schems Annahar, Ali und den Juwelier in ein Boot steigen, und seine Leute in ein anderes. Das Boot steuerte nach dem Palast des Kalifen zu, was sie in nicht geringe Angst versetzte. Der Befehlshaber ließ hierauf zum großen Schrecken der beiden vor dem Palaste des Kalifen anlegen. Auf seinen Wink wurden aber Ali und der Juwelier an ein anderes Ufer gebracht, von wo aus sie, in Begleitung von zwei Wachen, sich in die Wohnung Alis begaben. Sie waren so müde und angegriffen, daß sie sich ganz regungslos niederlegten und bis gegen Abend schliefen. Als der Juwelier erwachte, standen viele Leute laut jammernd umher und waren bemüht, Ali wieder ins Leben zu rufen, und als sie bemerkten, daß jener ausgeschlafen hatte, umringten ihn Alis Leute und drangen in ihn, zu erzählen, was diesem begegnet sei, indem sie ihm zuriefen: »Du bist unseres Herren Untergang und Verderben!«

Der Juwelier antwortete: »O ihr Leute! Sachen von solcher Wichtigkeit lassen sich vor so vielen Zeugen nicht erzählen;« er beschwor sie, nicht weiter in ihn zu dringen und ihren Herren nicht üblen Nachreden preiszugeben. In diesem Augenblick erholte sich Ali und fing an, sich zu bewegen, worauf ein Teil der Leute voller Freude über sein Erwachen zurücktraten, doch ließen sie den Juwelier nicht fortgehen, um seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen. Man rieb Ali mit Rosenwasser und Moschuspulver ein, er blieb aber doch noch so schwach, daß er nicht antworten konnte. Auf alle an ihn gerichteten Fragen gab er nur Winke mit der Hand als Antwort. So winkte er auch seinen Leuten, den Juwelier ziehen zu lassen.

Als die Leute des Juweliers ihn von zwei Männern getragen ankommen sahen, schlugen sie sich ins Gesicht und schrieen laut zusammen. Er gebot ihnen Schweigen und sie gehorchten. Die zwei Träger, welche ihn getragen hatten, setzten ihn ab und verließen ihn. Er legte sich nieder und blieb bewußtlos die ganze Nacht hindurch. Am anderen Morgen, als er erwachte, standen seine Frau, sein Kind und seine Freunde um ihn herum und bestürmten ihn mit Fragen über das, was ihm widerfahren. Er ließ sich Wasser bringen, wusch sein Gesicht, dann trank er etwas Wein und dankte den Anwesenden für ihre Teilnahme. Hierauf sagte er, daß er zu viel getrunken habe und dadurch in den Zustand geraten sei, in welchem sie ihn getroffen hätten, worauf die Leute endlich fortgingen und er bei seiner Gattin sich entschuldigte und versprach, den Leuten das Verlorene zu ersetzen. Man sagte ihm aber, daß dasselbe von einem Manne, der alsbald wieder verschwand, in den Gang des Hauses geworfen worden sei, worauf er sich beruhigte. Er verlangte dann Wasser, wusch sich Gesicht und Hände und trank auch den ihm gereichten Wein. Er fühlte sich aber so entkräftet, daß er zu seiner Erholung zwei Tage zu Hause bleiben mußte. Am dritten Tage, als er sich wieder gestärkt fühlte, begab er sich ins Bad.

Im Herzen fühlte der Juwelier eine brennende Begierde, das Schicksal Schems Annahars und Alis zu erfahren, und doch wagte er aus Furcht nicht, sich Alis Wohnung zu nähern. In diesem Zustande wandte er sich zu Gott, gelobte, seinen früheren Lebenswandel wieder einzuschlagen, gab Almosen und suchte sich über seinen erlittenen Verlust zu trösten. Sein erster Gang war auf den Leinwandmarkt zu einem seiner Freunde, einem reichen Kaufmanne, mit dem er sich lange unterhielt. Als er sich entfernen wollte, erblickte er eine Frau, die ihm zuwinkte, und in welcher er sogleich die Vertraute Schems Annahars erkannte. Die Welt verfinsterte sich vor seinen Augen und er entfernte sich schleunigst. Sie folgte ihm, so oft er aber stehen bleiben wollte, überfiel ihn eine ungeheure Angst. Er beflügelte daher seine Schritte so sehr, daß sie ihm kaum mehr folgen konnte, obgleich sie ihm von Zeit zu Zeit zurief, doch stehen zu bleiben und ihr Gehör zu geben. So lief er fort, bis er eine Moschee erreichte, die er unbesucht wußte. Das Mädchen folgte ihm auch dahin und erkundigte sich nach seinem Befinden. Als er ihr nun alles, was sich mit Ali und ihm zugetragen, erzählt hatte, sagte er: »Nun bitte ich dich, mir auch deine und deiner Herrin Geschichte mitzuteilen.«

Sobald ich die Räuber kommen sah, fing nun die Vertraute zu erzählen an, die ich anfänglich für Soldaten von der Leibwache der Kalifen hielt, flüchtete ich mich, weil ich fürchtete, sie möchten mich und meine Herrin festnehmen, mit den beiden Sklavinnen über die Dächer und wir kamen endlich zu dem Hause braver Leute, die Mitleiden mit uns fühlten und uns gut aufnahmen. Am nächsten Morgen in der Frühe begaben wir uns nach Schems Annahars Palast zurück. Wir befanden uns in schlechtem Aufzug, doch gelang es uns, alles geheim zu halten.

Indessen brachte ich den Tag in der größten Unruhe zu; aber als es Nacht wurde, öffnete ich die kleine Türe, die zum Flusse führte, rief einen Schiffer herbei und bat ihn, den Fluß nach allen Seiten zu befahren und genau acht zu geben, ob er nicht eine Nachen erblicke, worin sich meine Gebieterin befände.

Bis gegen Mitternacht wartete ich voller Ungeduld, als sich endlich ein Nachen, in welchem sich zwei Männer und eine Frau befanden, der Türe näherte. Der eine ruderte, der andere stand in demselben und die Frau lag im Hinterraume. Als der Nachen an der Türe angelegt hatte, stieg die Frau aus, und siehe da! ich erkannte in ihr meine Gebieterin, und kam beinahe ganz außer mir vor unaussprechlicher Freude über ihre Rettung.

Ich reichte ihr die Hand, sie befahl mir, ihrem Begleiter 1000 Dinare zu geben. Ich gab ihm denselben Beutel, den ich dir geben wollte, den du aber nicht annahmst, und dankte ihm, worauf er wegging. Hierauf schloß ich die Türe wieder zu und trug sie mit Hilfe der beiden Sklavinnen auf ihr Bett, wo sie in einem todähnlichen Zustande die ganze übrige Nacht und den folgenden Tag blieb. Ich wich diese ganze Zeit über nicht von ihrem Lager und ließ kein Mädchen ihr nahe kommen. Endlich erwachte sie, als wäre sie vom Grabe auferstanden, ich bespritzte sie mit Rosenwasser und Moschus, gab ihr Wein zu trinken, und drang so lange in sie, bis sie auch etwas aß. Als sie der Genesung nahe war, ermahnte ich sie und stellte ihr vor, daß sie ihrem Verderben nahe war und wohl genug erlebt haben werde, um nun von ihrer Liebe abzulassen. Sie erwiderte: der Tod wäre mir leichter gewesen als was mir widerfahren, ich glaubte nicht, mit dem Leben davonzukommen. Als nämlich die Räuber mich aus dem Hause wegführten, und mich fragten, wer ich sei, gab ich mich für eine Sängerin aus, während Ali auf dieselbe Frage an ihn zur Antwort gab, er sei ein Mann aus dem Volke. In ihrer Wohnung angelangt, ergriff uns neue Angst und Furcht. Beim Anblicke meiner Kleinodien erkannten sie, daß ich ihnen meinen wahren Stand verheimlicht; eine Sängerin besitzt keine solche Edelsteine, riefen sie aus. Bekenne uns die Wahrheit! Aber ich schwieg.

Hierauf bestürmten sie Ali mit denselben Fragen, indem sie ihm sagten: Wir sehen wohl an deinem Anzuge, daß du keiner aus dem gemeinen Volke bist. Aber er, wie ich, verbargen ihnen standhaft unsern Stand und Herkunft. Nun wollten sie wissen, wie der Eigentümer des Hauses, in dem sie uns gefunden, heiße, worauf wir ihnen seinen Namen nannten. Ich kenne diesen Juwelier und weiß, wo er wohnt, sprach sogleich einer von ihnen. Wenn das Schicksal mir günstig ist, will ich ihn sogleich herbringen. Sie beschlossen jedoch, uns nicht beisammen zu lassen, und trennten uns, indem sie Ali in ein besonderes, und mich in ein anderes Gemach sperrten. Ruhet aus, sagten sie, bis wir erfahren, wer ihr seid, seid aber ohne Furcht, euer Leben ist in Sicherheit. Als der Juwelier gebracht wurde und dieser Mann ihnen unser ganzes Geheimnis offenbarte, da entschuldigten sie sich bei uns, führten uns nach dem Ufer des Flusses, ließen uns ein Boot besteigen und schifften uns auf die andere Seite über. Aber kaum hatten wir das Land betreten, als eine Schar von der Nachtwache zu Pferd uns umzingelte. Ich gab hierauf dem Anführer ein Zeichen und winkte ihn beiseite, gab mich ihm zu erkennen und sagte ihm, ich sei am verflossenen Abend, auf dem Heimwege vom Besuch einer Freundin, bei welcher ich zuviel getrunken hatte, von jenen Leuten, die eben wieder über den Fluß setzten, angehalten und nach ihrer Wohnung gebracht worden, wo ich auch diese beiden anderen Personen traf, mit denen sie uns hierher gebracht, und bat ihn auch, auf meine Erkenntlichkeit zu zählen. Da stieg er sogleich von seinem Pferde und ließ mich es besteigen und zwei seiner Leute taten das gleiche mit Ali und dem Juwelier, und wir gelangten, wie du gesehen hast, wieder hierher. Was aus Ali und dem Juwelier geworden ist, weiß ich nicht. In meinem Herzen brennt ein heftiges Feuer ihretwillen, hauptsächlich wegen Alis Freund, der so vieles verloren hat. Nimm daher einiges Geld, gehe zu ihm, grüße ihn und erkundige dich nach Ali bei ihm.

Ich machte ihr Vorwürfe und stellte ihr die Gefahr vor, in die sie sich stürze. Fürchte Gott, sagte ich ihr, opfere dein Leben nicht diesem Liebeshandel, und wandle den Weg der Entsagung! Sie fuhr mich aber zornig an wegen meiner Ermahnungen. Ich ging daher nach deinem Hause, um dich aufzusuchen, wo ich dich aber nicht antraf. Zu Ali wagte ich nicht zu gehen, ich blieb daher außen stehen, um dich zu erwarten. Nun bitte ich dich und nimm das Geld an (welches meine Herrin dir schickt), du hast dir keinen Vorwurf deshalb zu machen, da du doch den Leuten das Verlorene ersetzen mußt. Der Juwelier machte sich auf und ging mit ihr bis in die Nähe seiner Wohnung, da sagte sie: »Warte hier, ich komme gleich wieder«, und verließ ihn.

Als das Mädchen wieder zu dem Juwelier kam, brachte sie einen schweren, mit Gold gefüllten Beutel mit, welchen sie ihm übergab und sagte: »Geh‘ mit Gottes Schutz! Wo treffen wir uns wieder?« Der Juwelier erwiderte: »Komm nur in meine Wohnung, ich werde mich sogleich bemühen, Ali zu treffen und Mittel finden, dich zu ihm zu bringen; dieses Geld macht mir leicht, was mir früher schwer schien.« Das Mädchen verabschiedete sich, der Juwelier aber trug das Geld nach Hause. Er fand in dem Beutel 2000 Dinare, worüber er sich sehr freute, denn es blieb ihm, nachdem er allen Schadenersatz geleistet hatte, eine Summe für seine Familie und die Wiederherstellung seines anderen Hauses übrig. Er begab sich sogleich mit seinen Dienern in dasselbe, ließ Arbeiter kommen und neue Türen und Fenster einsetzen, die viel schöner ausfielen, als die früheren. Um das Haus zu hüten, ließ er auch einige Mädchen daselbst.

Die Freude, sich wieder in solchen Umständen zu sehen, ließ ihn schnell alles ihm widerfahrene Ungemach vergessen, und frohen Mutes und leichten Sinnes ging er zu Ali. Dessen Diener kam ihm sogleich freudig entgegen, ihn bewillkommend und ihn sogleich zu Ali führend, der auf seinem Lager ausgestreckt lag und kaum ein Wort reden konnte. Der Juwelier setzte sich neben ihn und ergriff seine Hand, worauf Ali seine Augen öffnete und ihn begrüßte. Er richtete sich mit großer Anstrengung und Hilfe des Juweliers auf, dankte Gott für dieses Wiedersehen, ließ sich Wein und Speise bringen, genoß reichlich von beidem, erhob sich dann von seinem Lager, wechselte die Kleider und versuchte ihm zuliebe einige Schritte im Zimmer zu gehen. Der Juwelier erzählte, was er von der Vertrauten Schems Annahars erfahren hatte, ohne daß jemand außer ihm ihn hörte, dann sagte er zu ihm: »Fasse Mut, ich kenne dein Inneres.« Ali lächelte und der Juwelier fuhrt fort: »Du wirst Hilfe und Erleichterung finden.« Ali gab dann den Dienern ein Zeichen, daß sie sich entfernten, dann sagte er: »Hast du gesehen, was uns zugestoßen ist?« Er entschuldigte sich hierauf bei dem Juwelier und fragte ihn weiter aus und ließ sich nochmals alles seit ihrer Trennung Vorgefallene erzählen. Dann lobte er Gott und pries den Mut und die Standhaftigkeit Schems Annahars. Hierauf rief er seinen Schatzmeister, ließ Betten, verschiedenes anderes Hausgerät und an goldenen und silbernen Gefäßen weit mehr, als der Juwelier verloren hatte, zusammenpacken, und übergab sie dem Juwelier. Der Juwelier, beschämt durch eine so edle Freigebigkeit, dankte und sagte: »Das Bewußtsein meines Bestrebens, euch zu gefallen, ist mir mehr wert, als was ich empfangen; aus Liebe zu euch werde ich mich vor keiner Gefahr scheuen!« Er blieb hierauf noch den ganzen Tag und die folgende Nacht bei Ali, welcher noch immer schwach und mutlos war, und viel seufzte und weinte.

Als der Morgen anbrach, sprach Ali zum Juwelier: »O höre mich! jede Sache hat ihr Ende. Das Ende der Liebe ist der Tod oder eine dauernde Vereinigung; ich bin dem Tode näher, er paßt besser zu meiner Lage und bringt mir mehr Ruhe. O wäre ich doch tot und vergessen, oder könnte ich mich trösten, ruhig werden und anderen Ruhe gönnen! Nun kam ich schon zweimal mit ihr zusammen, und jedesmal ging es so, wie du wohl weißt; wie kann ich nun einer dritten Zusammenkunft mit Ruhe entgegensehen? Wie kann ich, nach diesen Warnungen, mich noch vor den Leuten entschuldigen? Ohne Gottes Huld wären wir ja schon lange verrufen. Ich weiß nun nicht mehr, wo ich mein Heil suchen soll. Wenn ich nicht Gott fürchtete, so würde ich meinem Tod vorgreifen; aber wir sterben ja doch, ich und sie, nur hat unser Tod eine bestimmte Zeit.« Er weinte dann heftig und sprach folgende Verse:

»Kann der Betrübte etwas anderes tun, wie weinen? Wie groß muß meine Liebe sein, da ich euch mein Geheimnis anvertraut. Mir ist, als wenn die Nacht zu den Sternen gesagt hätte: Bleibet und weichet nicht, wenn der Morgen ruft.«

Der Juwelier sprach Ali Mut ein und sagte: »Mein Herr, sei ein Mann! Sei in der Trauer wie in der Freude ruhig!« Ali sah ihn an und sprach folgende Verse:

»Ist der Tränenstrom mit dem, der ihn vergießt, verwachsen, oder kann er durch schöne Standhaftigkeit zurückgewiesen werden? Mancher hat schon sein Geheimnis zusammengedrängt und versiegelt: da hat sein Auge aufgerissen, was er verschlossen, und so oft er die Tränen zurückhalten wollte, kam der Liebesschmerz dazwischen und hinderte ihn.«

Der Juwelier sagte, er vermute, die Vertraute werde zu ihm kommen, um Nachrichten von Schems Annahar zu überbringen, er wolle daher nach Hause gehen. Als er hierauf Abschied nahm, sagte Ali zu ihm: »Ich lasse dich gehen; aber eile, daß du bald wieder kommst, denn du siehst, in welchem Zustande ich mich befinde.«

Kaum zu Hause angekommen, erschien auch wirklich Schems Annahars Vertraute bei dem Juwelier, aber mit verstörter, ängstlicher Miene und tränendem Blicke. Beunruhigt hierüber, fragte er sie, was vorgefallen wäre. Sie antwortete: »Was wir befürchtet, ist eingetroffen! Als ich dich gestern verließ und zu Schems Annahar in den Palast zurückkehrte, traf ich sie, wie sie eben Befehl erteilte, eine der beiden Sklavinnen, die bei jenem Abenteuer bei uns waren, eines Vergehens wegen zu züchtigen. Diese aber entfloh durch eine offene Türe des Palastes und begab sich zu einem der Türwächter, der wegen einer Sklavin uns beaufsichtigte. Dieser verbarg die Sklavin und wußte ihr durch Schmeichelei, Zureden und Versprechungen den Vorgang in jenen beiden Nächten zu entlocken. Er ging hierauf sogleich mit ihr zum Fürsten der Gläubigen. Dieser zwang sie, alles zu gestehen, was sie auch tat. Schems Annahar wurde nun in die Wohnung des Kalifen gebracht, ohne daß ich mir einen anderen Grund, als den eben angeführten, denken kann, und er läßt sie von zwanzig Dienern bewachen. Ich suchte mich ungesehen wegzustehlen und eilte hierher, da ich nicht weiß, was wohl in solch einer Lage anzufangen sein dürfte. Ich bin, wie dir nicht unbekannt, ihre teuerste Freundin und bewahre alle ihre Geheimnisse. Geh nun zu Ali und fordere ihn auf, alle Vorsicht zu gebrauchen, sich und seine Güte zu retten.«

Die Vertraute verließ ihn hierauf plötzlich und der Juwelier, den diese Nachricht so darniederschlug, daß er kaum stehen konnte, raffte sich zusammen, eilte zu Ali und sagte ihm: »Umhülle dich mit Geduld und umgürte dich mit Standhaftigkeit, entferne von dir jede Schwäche und Mutlosigkeit und wandle den Weg der Tapferkeit. Es ist etwas vorgefallen, wobei dein Leben und all dein Gut verloren gehen kann.«

Ali antwortete: »O mein Bruder, du hast mir den Tod gegeben; sage mir klar heraus, was geschehen!« Der Juwelier erzählte ihm das, was er von der Vertrauten vernommen hatte, und fügte hinzu: »Du wirst gewiß dabei umkommen.« Ali starrte eine Weile vor sich hin und gab nahezu den Geist auf, dann erholte er sich und fragte: »Was ist zu tun?« Der Juwelier antwortete: »Packe deine kostbarsten Sachen zusammen, wähle die treuesten unter deinen Dienern aus und bereite dich vor, mit mir vor Abend die Stadt zu verlassen. Wir gehen zusammen nach Anbar.« Ali sprang auf und taumelte umher, bald machte er einige Schritte, bald stürzte er wieder hin, ordnete seine Geschäfte, so gut er konnte, nahm Abschied von seiner Familie, sich bei ihr entschuldigend, traf alle nötigen Anordnungen und verließ mit dem Juwelier Bagdad.

Sie schlugen den Weg nach Anbar ein, reisten den ganzen Tag und die ganze Nacht, ohne sich aufzuhalten, und erst vor Tagesanbruch machten sie Halt. Sie luden ihr Gepäck ab, banden ihre Tiere fest und legten sich arglos nieder, um zu schlafen. Kaum war einer und der andere eingeschlafen, als sie aus ihrer Ruhe aufgeschreckt wurden und sich von einer Menge Männer umzingelt sahen. Ihre Leute wurden alle getötet, und die Räuber nahmen ihnen Pferde, Lasttiere samt Gepäck und allen Kostbarkeiten weg, und zogen auch diese beiden ganz aus, entfernten sich dann und ließen sie in schlimmster Lage zurück.

Nachdem die Räuber sich entfernt hatten, sagte Ali zu dem Juwelier: »Was sollen wir jetzt anfangen?«

»Nur Gott kann hier helfen«, erwiderte der Juwelier; »sein Wille geschehe!« Sie gingen dann in der Nacht fort, bis sie gegen Morgen eine offene Moschee erblickten, in welche sie eintraten, und sie brachten den Rest der Nacht ungestört in einer Ecke zu. Am folgenden Morgen kam endlich ein Mann herein, um sein Gebet zu verrichten. Als er geendigt hatte und um sich blickte, bemerkte er Ali und den Juwelier.

Dieser Mann näherte sich ihnen und redete sie folgendermaßen an: »O ihr von der Gemeinde Gottes! ihr seid wohl Fremdlinge?« Sie antworteten: »Ja; wir sind heute nacht auf dem Wege von Bagdad von Räubern angefallen und all des Unsrigen beraubt worden und kennen niemanden hier, an den wir uns in unserer Not wenden könnten.« Der Unbekannte versetzte: »Wollt ihr mit mir in mein Haus kommen?« Der Juwelier sagte leise zu Ali: »Da leicht andere kommen könnten, denen wir nicht unbekannt sein dürften, so wird also das Klügste sein, wir folgen der Einladung, ohnedies sind wir hier fremd und gänzlich obdachlos.« Ali erwiderte: »Tu was du willst«, worauf der Juwelier antwortete: »Wir sind bereit, dir zu folgen.« Der Unbekannte zog dann einen Teil seiner Kleider aus und gab sie ihnen. Dann sagte er zu ihnen: »Steht nun auf aus dieser Dunkelheit und folgt mir.« Sie machten sich alsbald auf den Weg und als sie an seiner Wohnung angekommen waren, klopfte der Mann an der Türe, worauf ein kleiner Diener diese öffnete. Der Mann hieß sie hierauf eintreten und führte sie in ein Zimmer, wo er alsbald einen Bündel mit Kleidern und Turbanen herbeibringen ließ. Er schenkte jedem zwei Anzüge und zwei Turbane und als sie sich umgekleidet hatten, trug eine Sklavin verschiedene Speisen auf, worauf der Herr des Hauses zu ihnen sagte: »Esset, der Segen Gottes sei mit euch!« Sie aßen aber nur wenig, dann wurde der Tisch wieder weggetragen, und sie blieben bei ihm sitzen, bis die Nacht hereinbrach. Ali war sehr niedergeschlagen, er seufzte schwer auf und befand sich in einem trostlosen Zustande. Auch sagte er zu dem Juwelier: »Wisse, daß ich bald sterben werde; ich will daher meine letzten Anordnungen treffen, um deren genaue Befolgung ich dich bitte. Geh‘ zu meiner Mutter, wenn ich sterbe, und bitte sie, hierherzukommen und für meine Waschung und Bestattung zu sorgen, und unsre Trennung mit Geduld zu ertragen.«

Nachdem Ali geendet hatte, fiel er in Ohnmacht, und als er wieder erwachte, hörte er von einer weiblichen Stimme folgende Verse:

»Schnell überfiel uns die Trennung, nach kurzer Liebe, Vereinigung und Zusammenleben. Wie bitter ist Trennung nach Vereinigung! Möchte sie doch nie mehr über einen Liebenden verhängt werden! Die Todespein währt nur eine kleine Weile, dann ist‘s vorüber. Aber die Trennung der Freunde nagt immer am Herzen. Gott vereinige alle Liebenden und beginne mit mir, denn ich sehne mich nach ihm.«

Hier schwieg die Stimme, und kaum waren die letzten Töne verhallt, so verschied Ali. Der Juwelier blieb noch zwei Tage bei dem Leichnam, hüllte ihn in ein Totengewand, übergab ihn der Verwahrung ihres Wirtes und schloß sich dann einer eben nach Bagdad zurückkehrenden Karawane an. Bei seiner Ankunft daselbst ging er zuerst in sein Haus. Hierauf begab er sich sogleich in die Wohnung Alis. Die Diener kamen ihm entgegen und grüßten ihn, Er ließ sich alsbald bei Alis Mutter melden, und als er die Erlaubnis erhielt, vor ihr zu erscheinen, trat er zu ihr, grüßte sie, und nachdem er sich ein wenig gesammelt hatte, sprach er zu ihr. »Höre mich an, Gott erhalte dich und sei dir gnädig! Der erhabene Gott leitet die Menschen nach seinem Willen; niemand kann seinem Urteil und seiner Bestimmung entgehen....«

Die Mutter rief, heftig weinend: »Du verkündest mir den Tod meines Sohnes!« – »Bei Gott, er ist tot!«

Der Juwelier konnte vor herbem Schmerz und hervorbrechenden Tränen nicht antworten. Die Mutter war nahe daran, in Ohnmacht zu fallen, da eilten ihre Frauen herbei, sie zu unterstützen. Nachdem sie sich wieder erholt hatte, bat sie den Juwelier, ihr alles mitzuteilen. Der Juwelier erzählte ihr alles umständlich, wie es sich zugetragen, und beteuerte, daß er selbst von Trauer erfüllt sei, da er ihm ein sehr teurer Freund gewesen. Die Mutter fragte ihn hierauf: »Da er dir alle seine Geheimnisse anvertraut, so hat er dir wohl vor seinem Tode noch einen Auftrag an mich gegeben?« Der Juwelier bejahte dies und machte sie aufs pünktlichste mit Alis letztem Willen bekannt. Die Mutter brach wieder in lauten Jammer aus, den ihre Frauen noch vermehrten. Der Juwelier verließ sie hierauf, wie ein Blinder umhertappend, um nach Hause zu gehen. Voll tiefer Bekümmernis dachte er über das traurige Schicksal eines so jungen Mannes nach, bei dem er so oft ein— und ausgegangen.

Plötzlich bemerkte er, daß ihn jemand bei der Hand ergriff. Als er die Augen öffnete, sah er eine Frau im Trauergewande mit einem von Gram abgehärmten Gesichte vor sich stehen, in der er sogleich die Vertraute Schems Annahars erkannte. Dieser Anblick und ihre Tränen, die sie fortwährend vergoß, riefen auch bei ihm neuen Kummer und neue Tränen hervor. Er ging ohne Aufenthalt mit ihr fort bis in seine Wohnung.

Der Juwelier fragte die Vertraute, ob sie schon wisse, wie es Ali ergangen. Sie verneinte dies.

Der Juwelier fragte sie dann, was den Tod Schems Annahars herbeigeführt. Sie erwiderte: »Wie ich dir schon erzählt habe, hatte der Fürst der Gläubigen Schems Annahar zu sich nach seinem Palaste bringen lassen. Aber ohne ihr den mindesten Vorwurf zu machen, empfing er sie, liebe— und mitleidsvoll und mit freundlichem Entgegenkommen sprach er zu ihr: »Schems Annahar, du weißt, mit welcher Inbrunst ich dich liebe, wie du mir vor allen übrigen Menschen teuer bist, ich werde dich vor jedem Übel bewahren, trotz aller Verleumdungen, die mir von deinen Feinden zu Ohren gekommen.« Hierauf führte er sie in eines seiner Prunkgemächer. Alles dieses wirkte mit furchtbarer Gewalt auf das Gemüt Schems Annahars. Als der Tag zu Ende war, ließ der Kalif, nachdem er nach seiner Gewohnheit beim Weine gesessen war, die Mädchen zu sich kommen und Schems Annahar, um zu zeigen, wie hoch sie noch in seiner Gunst stehe und welchen Platz sie in seinem Herzen einnehme, an seine Seite sitzen. Ihr Geist war abwesend, ihre Fassung war dahin, und ihr Zustand ward immer schlimmer. Als aber eine Sängerin folgende Verse sang:

»Die Liebe hat Tränen in mir hervorgerufen, sie fließen nun reichlich über meine Wangen herunter.«

»Meine Augenwimpern ermüden und können nicht tragen, was darin ist; sie offenbaren, was ich verheimlichen möchte, und verbergen, was ich offenbare.«

»Wie kann ich meine Liebe zu verbergen wünschen, da meine mächtige Pein deinetwillen alles entdeckt!«

»Nach der Trennung von meinem Geliebten wäre mein Tod eine Wohltat. Nur möchte ich wissen, ob es ihm nach mir wohl wird —«

konnte sie die Fassung nicht länger behaupten: die Tränen stürzten hervor und sie sank bewußtlos nieder. Der Kalif warf den Becher aus der Hand und zog sie zu sich hin. Aber sie war tot. Der Kalif befahl, alle Instrumente zu zerbrechen, und ließ dann ihren Leichnam in sein Gemach tragen, wo er die ganze Nacht bei demselben durchwachte. Des Morgens ließ er ihn waschen, in ein Leichengewand hüllen und beerdigen, ohne sich weiter nach ihren Angelegenheiten zu erkundigen.

»Nun«, fuhr sie fort, »bitte ich dich bei dem allmächtigen Gott, mir zu sagen, wann die Überreste Alis hierher gelangen und beigesetzt werden, damit ich der Beerdigung beiwohne.« Der Juwelier antwortete: »Dies kann nicht geschehen.« Die Vertraute entgegnete: »Du hältst dies für unmöglich; wisse aber, daß dem nichts im Wege steht, da der Kalif allen Frauen Schems Annahars die Freiheit geschenkt und mir die Aufsicht über das Grab seiner Favoritin übertragen hat.« Der Juwelier begleitete sie hierauf an den Begräbnisplatz und verließ sie wieder.

Am vierten Tage, als der Leichnam Alis aus Anbar anlangte, drängte sich eine zahllose Volksmenge hinzu, der Juwelier mischte sich unter die Menge, von welcher viele Männer und Frauen dem Leichenzuge eine Strecke weit entgegen gingen, man hatte nie in Bagdad eine solche Menschenmasse beisammen gesehen. Die Vertraute schloß sich auch dem Zuge an und machte sich durch ihre tiefe Trauer und ihr herzzerreißendes Jammergeschrei vor allen anderen bemerklich, bis man zum Begräbnisplatz kam, wo er beerdigt wurde und den der Juwelier, so lang er lebte, von Zeit zu Zeit besuchte.

Das ist die Geschichte Alis und Schems Annahars. Sie ist aber nicht wunderbarer als die Nureddins und der Enis Aldjelis.

Geschichte Nureddins mit Enis Aldjelis

Es herrschte zu Baßrah ein König, der hieß Mohammed Suleiman. Er war ein Vater der Armen und Bedürftigen; mit Weisheit und Milde regierte er seine Untertanen. Seine Hände waren so freigebig wie das Meer; seine Sklaven lebten wie freie Leute. Nacht und Tag dienten ihm, seines Lebens Freude bestand darin, seine Sklaven und seine Truppen zu beschenken. Ein Dichter beschrieb ihn folgendermaßen:

»Es war ein König, der, wenn feindliche Scharen auf ihn einstürmten, sie mit schneidenden Waffen befriedigte.«

»Wenn er am Schlachttage auf die feindlichen Reiter einhieb, schien er mit Schwert und Lanze und Pfeil zu schreiben, indem er den feindlichen Linien Vokale und Punkte beifügte; die Vokale schrieb er mit Säbelhieben, die Punkte mit Lanze und Pfeil.«

»Die Reiterei schwamm wie in einem Meere, dessen Wellen unzählige Scharen und dessen Quelle das aus den Wunden der Feinde strömende Blut.«

»Dieses Meer schien mit einem Wald von Schiffen bedeckt; die Lanzen waren die Mastbäume, die Fahnen die Segel.«

»Die Zeit hatte geschworen, einen ihm Ähnlichen wieder hervorzubringen; aber, o Zeit! du warst meineidig, denn du wirst deinen Schwur nicht halten können; bereue daher und tu Buße!«

Suleiman hatte zwei Veziere, der eine hieß Muin, Sohn Sawis, und der andere Vadhleddin, Sohn Chakans.

Vadhleddin war einer der freigebigsten Männer seiner Zeit. Er war gutmütig und von reinem Lebenswandel und wußte sich überall Freunde zu erwerben; sogar die Frauen beteten in ihren Häusern für sein langes Leben, denn er war der Beförderer alles Guten und der Schutz gegen alles Böse, wie ein Dichter ihn beschreibt:

»Er ist ein Mann, dessen Charakter aus Gottesfurcht und Hoheit besteht, so daß die Zeit sich mit ihm freut und stolz auf ihn ist.«

»Nie nahte sich ihm vertrauensvoll ein Unglücklicher, der nicht an seinen Türen Trost fand.«

Muin aber war geizig, schmutzig, verschmitzt, boshaft und dumm zugleich. Er suchte nur Böses zu tun, nie ging ihm ein schönes Wort aus dem Munde. Er war listiger als ein Fuchs und raubgieriger als ein Hund. Ein Dichter sagt von ihm:

»Er ist ein Auswürfling; er ist ein schlechter Sohn des Schattens.«

»Ein Vagabund, der seinen Ursprung Hin— und Herreisenden verdankt.«

»Kein Haar an seinem Leibe wächst, das nicht das Gepräge der Abstammung trüge.«

So sehr Vadhleddin geliebt wurde, ebenso sehr haßte man Muin. Als einst der König Mohammed auf seinem Throne saß und von seinen beiden Vezieren und den Großen des Reichs umgeben war, sagte er zu Vadhleddin: »Ich möchte ein Mädchen besitzen, das an Schönheit des Körpers sowie auch an Verstand und Tugend alle anderen übertreffe.« Da sagten die Großen des Reichs und die Staatsräte: »Ein Mädchen von solch ausgezeichneten Eigenschaften wird sich wohl schwerlich für weniger als 10.000 Dinare finden lassen.« Der König rief hierauf sogleich seinem Schatzmeister und befahl ihm: »Gib Vadhleddin aus meinem Schatze 10.000 Dinare.« Dieser holte das Geld und Vadhleddin nahm es in Empfang.

Vadhleddin, um dem Befehle seines Herrn zu gehorchen, begab sich jeden Tag auf den Markt und beauftragte alle Makler, die schönste und gebildetste Sklavin für ihn auszusuchen und keine verkaufen zu lassen, wenn sie 10.000 Dinare oder mehr koste, bevor sie ihm vorgestellt worden sei.

Kein Makler verkaufte eine Sklavin, ohne sie vorher dem Vezier vorzustellen, aber immer hatte er etwas an derselben auszusetzen. Einst, als er gerade auf dem Wege zum Palaste war, begegnete ihm ein Makler, der zu ihm trat, den Steigbügel erfaßte und ihn anredete:

»O Vezier, der du das vermoderte Reich wieder belebt hast und der du immer siegreich bleiben mögest, du hast alles Edle wieder vom Tode erweckt und das Reich vor Verfall bewahrt.«

Dann fuhr er fort: »O Vezier! Was wir längst nach deinem hohen Befehle für dich gesucht, hat sich nun gefunden.« Der Vezier antwortete: »Bringe sie her!« Der Makler entfernte sich und kam nach einer Weile wieder mit einer Sklavin an seiner Seite, welche von schlankem Wuchse, feingeformtem Busen, glühend schwarzen Augen, feiner Taille, frischem Aussehen, süßem Atem, wohlgeformten Füßen und zarter Stimme war. Ein Dichter sagt von ihr:

»Sie ist wunderbar; die Schönheit ihres Gesichts gleicht Mond und Sternen; sie ist die Erste und Vornehmste aus ihrem Stamme und verdunkelt alle, so mit ihr aufgewachsen.«

»Gott, der erhabene Besitzer des Himmelsthrons, hat ihr die schönsten Güter des Lebens geschenkt: Hoheit, Anmut und schönen Wuchs.«

»An dem Himmel ihres Angesichts prangen sieben Sterne gleich den Wächtern ihrer Wangen.«

»Wenn ihr jemand durch begehrendes Anschauen Blicke entlocken will, so versengt sie ihn durch die Glut eines ihrer Sterne wie einen bösen Geist.«Dem Koran zufolge werde böse Geister, die an den Toren des Himmels lauschen, durch Sterne verjagt.

Als der Vezier die Sklavin sah, bewunderte er sie sehr. Er wendete sich daher zu dem Makler und fragte ihn, welchen Preis der Kaufmann auf sie gesetzt habe. Der Makler antwortete: »Herr! er verlangt 10.000 Dinare und hat geschworen, daß sie allein für so viel junge Hähne gegessen und Wein getrunken habe, und daß diese Summe nicht einmal die Geschenke bezahle, die ihren Lehrern gemacht worden seien. Sie hat schön schreiben und zierlich reden gelernt; die arabische Sprache und ihre Regeln, die Erklärung des Korans, die Heilkunde, die Grundlehren der Theologie sind ihr bekannt; dazu spielt sie mancherlei Instrument.« Der Vezier ließ den Kaufmann rufen.

Da kam ein Perser, der schon manches Jährlein hinter sich hatte; die Zeit schien ihn hart mitgenommen und sein Glücksstern ihm nicht viel übrig gelassen zu haben; er glich einem alten Adler oder einer dem Einsturz nahen Mauer, und auf ihn paßten die Worte des Dichters:

»Wie heftig hat mich die Zeit erschüttert, die gewaltige, ernste Zeit! Einst konnte ich laufen, ohne zu ermüden; jetzt bin ich müde, ohne mich von der Stelle gerührt zu haben.«

Der Vezier sagte zu ihm: »Willst du diese Sklavin dem Sultan Suleimann für 10.000 Dinare verkaufen?« Der Perser antwortete: »Wenn sie für den Sultan bestimmt ist, so wäre es meine Pflicht, sie ihm ohne Geld als ein Geschenk zu überlassen.« Der Vezier ließ aber sogleich das Geld holen und dem Perser 10.000 Dinare vorwiegen.

Nachdem der Kaufmann mit seinem Gelde weggegangen war, wendete sich der Makler zum Vezier und sagte: »Ist es mir vergönnt, vor den Ohren unseres großen Veziers ein Wort zu reden?« Vadhleddin forderte ihn auf, zu sagen, was er habe, und der Makler fuhr fort: »Herr! da, wie ich vernommen habe, die Sklavin für den König bestimmt ist, so bin ich der Meinung, daß du sie ihm heute noch nicht vorführst: denn sie kommt eben angegriffen von der Reise, auf welcher sie ungünstigen Wind gehabt hat, und man sieht ihr die Ermüdung an. Laß sie daher lieber vierzehn Tage in deinem Palaste, bis ihre Reize wieder aufgefrischt sind; alsdann lässest du sie ins Bad führen, legst ihr die schönsten Kleider an und gehst mit ihr zum König. Dann wirst du große Ehre bei ihm einlegen.«

Der Vezier überlegte die Worte des Maklers und fand sie gut. Er ließ daher die schöne Perserin in seinen Palast bringen, wies ihr mitten in demselben ein besonderes Zimmer an. Er sorgte dafür, daß sie Tag für Tag Wein, junge Hähne und verschiedene schöne Kleider erhielt, und so verging einige Zeit.

Der Vezier hatte aber einen Sohn, der dem Rund des Mondes glich, mit leuchtendem Gesichte, roten Wangen, einem Mal darauf und jugendlichem Flaum wie Ambra, er entsprach dem Bilde, das ein Dichter von ihm entwarf:

»Er entzückt wie der Mond mit seinen Blicken; er ist schmiegsam wie ein Baumzweig, verführerisch, wenn er sich hin und her schaukelt.«

»Er glänzt wie Gold; nur seine Haare sind schwarz.«

»Süß ist sein ganzes Wesen; sein Wuchs gleicht einer Lanze.«

»So hart sein Herz ist, so zart ist die Bewegung seiner Glieder. O warum wechselt ihr nicht miteinander?«

»Wäre die Zartheit der Bewegung in seinem Herzen, er würde niemals eine Liebende grausam behandelt haben.«

»O du, der mich tadelt, weil ich ihn liebe, entschuldige mich doch; schon hat die Liebe einen zu festen Wohnsitz in meinem Herzen.«

»Niemand ist schuldig, als mein Blick und mein Herz; doch, wen klage ich an? bin ich es nicht selbst?«

Der Jüngling wußte nichts davon, wozu die Sklavin bestimmt war. Zu dieser aber hatte sein Vater gesagt: »Wisse, ich habe dich für den König Mohammed gekauft, aber ich habe einen Sohn, der ein wahrer Satan ist und jedes Mädchen in unserm Stadtviertel zu verführen sucht. Nimm dich also wohl in acht vor ihm, hüte dich, ihm dein Gesicht zu zeigen oder ihn deine Stimme hören zu lassen, und bedenke, wofür du bestimmt bist.«