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Tausend Und Eine Nacht
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Tausend Und Eine Nacht

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Der Polizeioberste ließ meinem Bruder hundert Prügel geben und ihn aus Bagdad verweisen; aber ich ging ihm nach, o Fürst der Gläubigen, brachte ihn wieder heimlich in die Stadt und gab ihm ein Bestimmtes, wovon er leben konnte. Ohne meine Männlichkeit wäre er gestorben.

Geschichte des dritten Bruders des Barbiers

Mein dritter Bruder aber, o Fürst der Gläubigen! fuhr der Barbier fort, der war blind, und das Schicksal trieb ihn an ein großes Haus; er klopfte an der Türe, um den Hausherrn um etwas zu bitten. Der Hausherr fragte: »Wer ist an der Türe?« Mein Bruder antwortete nicht. Er klopfte wieder und ward wieder gefragt: »Wer ist an der Türe?« und gab abermals keine Antwort. Er hörte dann zum drittenmale ganz laut schreien: »Wer da?« Er gab aber keinen Laut von sich; endlich hörte er jemanden gehen, sich der Türe nähern, öffnen und fragen: »Was willst du?« Mein Bruder antwortete: »Ich möchte etwas für Gott.«D. h. ein Almosen, wodurch du eine gottgefällige Tat ausübst. Die muselmännischen Bettler sagen nie: schenke mir etwas, sondern: schenke es Gott. Er sagte ihm: »O Unglücklicher, reiche mir deine Hand.« Mein Bruder reichte ihm die Hand und glaubte, er wolle ihm etwas geben. Der Hausherr führte ihn ins Haus und stieg mit ihm eine Treppe nach der anderen hinauf, bis er oben am Dache war. Mein Bruder dachte, er wolle ihm etwas zu essen geben. Als sie sich nun setzten, sagte der Hausherr zu meinem Bruder: »Was willst du, Unglücklicher?« Er antwortete: »Ich will etwas für den erhabenen Gott.« Jener sagte: »Gott helfe dir!« Da versetzte mein Bruder: »O du, warum hast du mir dies nicht gleich unten gesagt?« »Du Nichtswürdiger!« schrie er ihn an, »warum hast du mir nicht gleich geantwortet?« Da sagte mein Bruder: »Nun, was willst du mir jetzt tun?« »Ich habe dir nichts zu geben«, wiederholte der Mann. »So führe mich doch wieder diese Treppen hinunter!« rief mein Bruder. Er antwortete: »Der Weg liegt frei vor dir.« Mein Bruder stand auf und fing an hinunter zu gehen. Als er aber noch etwa 20 Stufen von der Tür entfernt war, strauchelte er, er fiel gegen die Türe und verwundete sich den Kopf. Er ging aus dem Hause weg, ohne zu wissen, wo er sich befand. Da begegnete ihm einer seiner Freunde und fragte ihn, was ihm geschehen; er antwortete: »Du kommst mir eben recht;« und erzählte ihm sein Abenteuer und fügte hinzu: »Ich will etwas von dem Gelde nehmen, das wir zusammen haben, und davon leben.« Der Hausherr hatte dies gehört, ohne daß mein Bruder es bemerkte, und als dieser nach Hause ging, folgte ihm der Hausherr. Mein Bruder setzte sich, um seine Freunde zu erwarten. Als sie kamen, sagte er zu ihnen: »Schließt das Haus, untersucht aber zuerst, ob kein Fremder hier ist.« Als der Mann dies hörte, hielt er sich an einem Stricke, der an der Terrasse befestigt war (wahrscheinlich schwebte er in der Luft, um nicht von den umhertastenden Blinden gefunden zu werden).

Nun ging einer von meines Bruders Freunden im ganzen Hause herum und fand niemanden. Sie fragten dann alle meinen Bruder, wie es ihm gehe, und er sagte ihnen: er brauche seinen Anteil von dem, was sie erworben. Jeder von ihnen brachte etwas (Geld) aus einer Ecke hervor, und als mein Bruder alles vor sich hatte und es wog, waren es 10.000 Dirham; mein Bruder nahm davon, was er brauchte, und sie steckten das Übrige wieder unter die Erde. Sie legten dann etwas zu essen vor: da hörte mein Bruder neben sich einen Fremden kauen; er sagte seinen Kameraden: »Bei Gott! es ist ein Fremder unter uns«; streckte dann die Hand aus und begegnete der Hand des Fremden. Nun schlugen sie sich eine Weile und mein Bruder hielt ihn fest; zuletzt schrieen sie: »O Muselmänner! es ist ein Dieb zu uns gekommen, der unser Geld stehlen will.« Es versammelten sich viele Leute um sie herum. Aber der Fremde schloß sich an sie an und behauptete dasselbe von ihnen, was sie von ihm angaben, er stellte sich blind, wie die andern, und niemand zweifelte an seiner Aussage. Er schrie auch: »O Muselmänner! bei Gott und beim Sultan! ich....« Während sie so durcheinander schrieen, kamen Polizeidiener und führten sie alle mit meinem Bruder vor den Polizeiobersten. Da sagte der Nichtblinde: »Gott gebe dem Sultan Ruhm! Du wirst hier Dinge entdecken, doch nur durch Foltern auf die Wahrheit kommen. Du magst mit mir beginnen, dann aber mit diesem, der mich hierher gebracht« – und deutete dabei auf meinen Bruder. Nun, o Fürst der Gläubigen! ward der Nichtblinde hingestreckt und man gab ihm vierhundert Prügel.

Als er vierhundert Prügel auf den Rücken bekommen, schmerzte es ihn so sehr, daß er ein Auge öffnete, und als man noch immer fortfuhr, ihn zu prügeln, öffnete er auch das andere. Da sagte ihm der Oberste: »Was ist das, du Verdammter?« Der Nichtblinde antwortete: »Gib mir deinen Siegelring als Zeichen der Sicherheit, wenn ich dir sage, was du zu tun hast.« Er gab ihm seinen Ring als Pfand der Sicherheit, und der Nichtblinde sagte: »Mein Herr, wir sind vier gut sehende Männer und stellen uns nur vor den Leuten blind, um in ihre Häuser zu kommen, um ihre Frauen zu sehen und zu verführen. Wir haben schon 10.000 Dirham auf diese Weise zusammengebracht. Nun hatte ich meinen Kameraden gesagt, sie sollten mir meinen Teil, nämlich 2500, geben, da schlugen und mißhandelten sie mich und nahmen all mein Vermögen, und nun flüchte ich mich zu Gott und zu dir, du wirst mir wohl das Meinige wieder zu verschaffen wissen. Willst du dich überzeugen, daß ich die Wahrheit gesprochen, so laß jeden von ihnen noch einmal soviel prügeln als mich, und sie werden dann auch ihre Augen öffnen.« Der Oberste befahl sogleich, daß man sie züchtige. Man fing mit meinem Bruder an und band ihn an eine Treppe fest. Der Oberste sagte ihnen: »Ihr verworfenen Leute! verleugnet ihr so die Wohltaten Gottes und stellt euch blind?« Mein Bruder entgegnete: »Bei Gott, mein Sultan! Keiner von uns sieht etwas.« Aber man prügelte ihn doch, bis er in Ohnmacht fiel. Da sagte der Oberste: »Laß ihn, bis er wieder zu sich kommt, dann prügelt ihn wieder: denn der kann‘s besser aushalten, als wir.« Indessen ließ er auch den anderen beiden jedem mehr als dreihundert Prügel geben; und der Nichtblinde sagte immer: »Öffnet eure Augen, sonst werdet ihr dreimal geprügelt.« Dann sagte er zum Obersten: »Schicke jemanden mit mir, der das Geld hierherbringe, da diese Leute doch ihre Augen nicht öffnen werden, denn sie fürchten, sich vor den Leuten so zu beschimpfen.« Der Oberste ließ das Geld holen, gab dem Nichtblinden 2500 Dirham, weil er dies für seinen Teil hielt, nahm das übrige für sich und verwies die drei Blinden aus der Stadt. Nun, o Fürst der Gläubigen! ging ich meinem Bruder nach, fragte ihn wie es ihm gehe, und als er mir das, was ich dir eben erzählt, berichtet, brachte ich ihn heimlich wieder in die Stadt und gab ihm seinen bestimmten Lebensunterhalt, so daß er im verborgenen essen und trinken kann.

Der Kalif lachte über meine Erzählung und sagte: »Gebt ihm ein Geschenk und laßt ihn gehen!« Ich sagte jedoch: »Bei Gott, o Fürst der Gläubigen, ich rede ja nicht viel, ich nehme nichts an, bis ich auch die Geschichte meiner übrigen Brüder erzählt habe. Als der Kalif dies gestattete, fuhr er fort:

Geschichte des vierten Bruders des Barbiers

Mein vierter Bruder war halb blind: er war ein Metzger, verkaufte Fleisch in Bagdad und mästete Hammel; die vornehmsten und reichsten Leute kamen zu ihm und kauften Fleisch bei ihm; er erwarb sich ein großes Vermögen und kaufte sich Häuser und Güter. Nachdem er lange so gelebt und einst in seinem Laden war, kam ein Mann mit großem Barte zu ihm und gab ihm Geld und sagte: »Gib mir Fleisch dafür!« Er schnitt ihm ab, soviel ihm zukam, und der Alte ging wieder. Da betrachtete mein Bruder das Geld und sah, daß es ganz glänzend weiß war. Er legte es beiseite und der Alte kam fünf Monate lang zu meinem Bruder, der sein Geld besonders in eine Kiste legte. Als er einst das Geld nehmen wollte, um Schafe dafür zu kaufen, und die Kiste öffnete, fand er nichts als rundes versilbertes Papier darin; er schlug sich vor den Kopf und schrie. Es versammelten sich viele Leute um ihn; er erzählte ihnen, was ihm begegnet, wendete sich dann wieder zu seinen Geschäften, schlachtete ein Lamm und hing es in seinen Laden. Sodann nahm er zerschnittenes Fleisch, hing es außerhalb des Ladens und sagte dabei: »O Herr! wenn doch nur der verruchte Alte käme!« Nach einer Weile kam er wirklich wieder mit seinem Gelde in der Hand. Mein Bruder hielt ihn fest und schrie: »O Muselmänner, kommt her und hört, was mir mit diesem Ruchlosen widerfahren!« Als der Alte dies hörte, sagte er: »Du tust wohl gut, mich gehen zu lassen, sonst mache ich dich vor allen Leuten zuschanden.« – »Und womit?« fragte mein Bruder. »Damit«, antwortete er, »daß du Menschenfleisch für Schaffleisch verkaufst.« Mein Bruder sagte: »Du lügst, Verdammter!« Er antwortete: »Der LügnerD. h. der ist ein Lügner, der u.s.w. hat einen Menschen im Laden hängen!« Mein Bruder sagte: »Wenn es so ist, wie du behauptest, so sei mein Leben und alles, was ich besitze, preisgegeben.« Der Alte rief hierauf: »O ihr versammelten Leute, wollt ihr euch von der Wahrheit meiner Rede überzeugen, so geht in seinen Laden.« Sogleich stürmten die Leute auf meines Bruders Laden los, und wirklich hatte sich das geschlachtete Lamm in einen aufgehängten Menschen verwandelt. Als sie dies sahen, umgaben sie meinen Bruder und schrieen ihn an: »Du Gottesleugner! du Bösewicht!« und jeder machte sich ein Verdienst daraus, ihn zu schlagen und ihm zu sagen: »Wie, du gibst uns Menschenfleisch zu essen?« Der Alte schlug ihm ein Auge aus, die Leute trugen den Geschlachteten zum Polizeiobersten, und der Alte sagte: »O Fürst! dieser Mann schlachtet Menschen und verkauft ihr Fleisch für Schaffleisch; wir bringen dir ihn her, damit du Gottes Recht an ihm ausübst.« Mein Bruder erzählte, was ihm mit diesem Alten widerfahren, und wie er ihm Geld gegeben, das zu Papier geworden; aber man hörte nicht auf seine Worte, sondern gab ihm mehr als fünfhundert derbe Prügel, dann nahm man all sein Geld, seine Schafe und seinen Laden, und verwies ihn aus der Stadt. Und hätte er nicht so viel Vermögen besessen, so wäre er umgebracht worden; nur dadurch, daß er die Polizei mit seinem Gelde bestach, kam er mit dem Leben davon, nachdem man ihn drei Tage öffentlich in der Stadt ausgestellt hatte.

Nun beschloß mein Bruder, jene Stadt zu verlassen und nach einem Orte zu gehen, wo ihn niemand kannte; er lebte dort eine Weile in günstigen Umständen, dann ward er wieder arm und kam in große Verlegenheit. Als er einst spazieren ging, hörte er hinter sich das Geräusch vieler Pferde; er dachte, nun ist Gottes BefehlD. h. nun werde ich verfolgt. gekommen. Er suchte dann einen Ort, um sich zu verbergen, fand nichts, als eine verschlossene Türe; er gab ihr einen Stoß und sie fiel ein. Er sah einen langen Gang; als er hineinging, hielten ihn auf einmal zwei Männer an und sagten: »Gott sei gelobt, daß er dich, du Feind Gottes, uns einmal in unsere Gewalt gebracht! Schon drei Nächte läßt du uns nicht schlafen und nicht ruhen und läßt uns Todesangst ausstehen.« Mein Bruder sagte: »Was habt ihr, Leute?« Sie antworteten: »Du ersinnst allerlei List und Bosheit gegen uns, und willst unserem Hausherrn den Hals abschneiden. Genügt es dir nicht, daß du und deine Freunde ihn in die Armut gestürzt habt? Gib jetzt das Messer heraus, mit dem du uns jede Nacht drohst.« Sie durchsuchten meinen Bruder und als sie ein Messer bei ihm fanden, sagte er: »O ihr Leute, fürchtet Gott! Mir ist eine wunderbare Geschichte begegnet.« Aber es sagte einer von ihnen: »Er will nur erzählen, weil er glaubt, daß wir ihn dadurch gehen lassen.« Sie hörten dann meinen Bruder nicht an, sondern schlugen ihn und zerrissen seine Kleider. Als sie dadurch die Spuren der früheren Prügel bemerkten, sagte sie zu ihm: »Du Verfluchter! hier sind Spuren von Prügeln«, und führten ihn vor den Polizeiobersten. Mein Bruder dachte: Nun bin ich wieder in eine Schuld verfallen, wo nur der erhabene Gott mich retten kann. Der Polizeioberste fuhr ihn an: »Du Ruchloser! was hat dich bewogen, in das Haus dieser Leute zu gehen und sie mit dem Tode zu bedrohen?« Mein Bruder sagte: »Ich bitte dich bei Gott, höre mir zu! übereile dich nicht! laß mich hier dir meine Geschichte erzählen.« Aber die Leute sagten ihm: »Willst du die Worte eines Diebes hören, der die Leute arm macht und auf dessen Rücken man noch Spuren von Prügeln bemerkt?« Als der Oberste die Spuren an seinen Seiten sah, ließ er meinem Bruder hundert Peitschenhiebe geben, dann ward er auf ein Kamel gesetzt und man rief hinter ihm her: »Das ist der Lohn dessen, der in fremde Wohnungen eindringt!« Auch ward mein Bruder aus der Stadt verwiesen. Als ich dies hörte, ging ich zu ihm hinaus, erkundigte mich nach ihm, und er erzählte mir seine Geschichte; ich nahm ihn heimlich wieder mit in die Stadt und gab ihm zu leben. Alles, was ich meinen Brüdern tu, ist Folge meiner männlichen Entschlossenheit.« Der Kalif Harun Arraschid lachte, bis er auf den Rücken fiel; dann befahl er, daß man mir etwas schenke, aber ich sagte: Bei Gott, mein Herr! ich rede nicht viel, doch muß ich dir vollends die Abenteuer meiner übrigen Brüder erzählen, damit sie unser Herr, der Kalif, genau kenne, sie im Herzen habe und in seiner Schatzkammer geschrieben aufbewahre, und wisse, daß ich nicht viel rede.

Geschichte des fünften Bruders des Barbiers

Mein fünfter Bruder, fuhr der Barbier fort, der abgeschnittene Ohren hatte, war ein armer Mann, der in der Nacht bettelte und bei Tage von den Almosen lebte. Sein Vater war ein alter bejahrter Mann, der krank ward und starb, und uns 700 Dirham hinterließ, so daß jeden von uns 100 Dirham trafen. Als der fünfte Bruder seine 100 Dirham nahm, war er in Verlegenheit und wußte nicht, was er damit anfangen sollte. Als er eine Weile nachdachte, fiel ihm ein, er wolle Glaswerk dafür kaufen; er legte es in einen großen Korb und stellte sich an einen Ort, um es zu verkaufen. Neben ihm war eine Mauer, er lehnte sich daran und dachte: Wisse, o du meine Seele! nun besteht mein Kapital aus diesem Glaswerke, das 100 Dirham wert ist; ich werde es für 200 Dirham verkaufen, dann kaufe ich für 200 Dirham Glaswerk und verkaufe es für 400, dann handle ich immer fort, bis ich 4000 Dirham gewonnen, ich kaufe dann Waren und bringe sie da und dorthin und verkaufe sie für 8000 Dirham; wenn ich nun immerfort handle, bis ich 10.000 Dirham habe, so kaufe ich allerlei Juwelen und Parfümerien, die mir einen ungeheuren Gewinn verschaffen. Unterdessen schaffe ich mir auch ein schönes Haus an, sowie Sklaven, Diener und Pferde, esse, trinke und belustige mich und lasse keinen Sänger und keine Sängerin in der Stadt verweilen, ohne sie zu mir zu laden, und bald werde ich, so Gott will, ein Kapital von 100.000 Dirham zusammenbringen. So weit rechnete er in seiner Phantasie, während der Korb mit Glaswerk für 100 Dirham vor ihm stand. Er rechnete dann noch weiter und dachte: »Ich werde dann den Makler beauftragen, für mich um die Tochter des Veziers zu werben, denn ich habe schon vernommen, daß sie alle guten Eigenschaften besitzt, ausgezeichnet schön ist und ein feines Benehmen hat: ich werde 1000 Dinare als Morgengabe bieten. Willigen sie ein, gut; wo nicht, so entführe ich sie ihrem Vater zum Trotze mit Gewalt; und ist sie einmal bei mir im Hause, so kaufe ich zehn junge Knaben als Diener, schaffe mir königliche Kleider an und laß mir einen goldenen Sattel, mit kostbaren Edelsteinen besetzt, verfertigen, ich laß Mamelucken vor und hinter mir her reiten und reite so in der Stadt herum, wo alle Leute mich grüßen und mir Glück wünschen. Wenn ich nun zum Vezier komme mit Mamelucken zur Rechten und zur Linken, so steht er vor mir auf und läßt mich an seinen Platz sitzen, und setzt sich unter mir, weil ich sein SchwiegersohnEs sollte umgekehrt sein, doch verzeiht man dies dem phantasierenden Araber. bin. Ich habe dann zwei Diener bei mir, die zwei Beutel mit 2000 Dinaren, die ich für die Hochzeitsnacht bestimmt, tragen; ich nehme nämlich 1000 Dinare mehr, als ich versprochen, damit sie daran meine Männlichkeit und meinen Stolz erkennen, und sehen, wie klein die Welt in meinen Augen ist. Sodann gehe ich wieder nach Hause, und kommt jemand mit einem Auftrage von meiner Frau zu mir, so gebe ich ihm schöne Kleider und mache ihm allerlei Geschenk; kommt aber jemand mit einem Geschenke, so geb ich‘s ihm zurück und nehm es nicht an, weil ich in allem den höchsten Platz einnehmen will. Ich lasse mich dann von meinen Dienern ankleiden, meine Braut in der Stadt herumführen und mein Haus recht schön aufputzen. Und wenn die Zeit kommt, wo ich bei meiner Frau allein bleiben soll, so ziehe ich mein kostbares Kleid an und setze mich auf einen seidenen Divan, lehne mich an und blicke weder rechts noch links, um recht vornehm, ernst und schweigend auszusehen; und wenn meine Frau, schön wie der Mond, mit ihrem Schmuck vor mir steht, werde ich sie vor Hochmut, Selbstgefallen und Geringschätzung gar nicht ansehen, bis alle Anwesenden sagen: »O unser Herr! wende dich doch deiner Frau und Sklavin zu, die vor dir steht, und schenke ihr doch einen gnädigen Blick: es schadet ihr, wenn sie so lange steht.« Wenn sie dann dazu noch die Erde einige Male vor mir küssen, so richte ich den Kopf ein wenig auf und werfe nur einen einzigen Blick auf meine Frau, beuge aber den Kopf sogleich wieder; während nun die Leute mit der Braut ins Schlafzimmer gehen, wechsle ich auch meine Kleider und ziehe noch schönere an; und wenn die Frau im zweiten Anzug kommt, sehe ich sie wieder nicht eher an, bis man mich einige Male darum gebeten hat; da werfe ich einen flüchtigen Blick auf sie, sehe dann wieder zur Erde, und so immer fort, bis ihr ganzer PutzBekanntlich wird die Braut in der Hochzeitsnacht bei reichen Leuten siebenmal anders gekleidet und dem Bräutigam vorgeführt. vorüber ist.

Mein Bruder ging immer weiter in seinen Gedanken, wie er während des ganzen Putzes so stolz gegen seine Frau sein wolle; dann, dachte er, befehle ich einem meiner Diener, 500 Dinare in einem Beutel zu bringen, die ich unter ihre Dienerinnen verteile, und gebiete, daß man mich mit meiner Frau allein lasse. Geht man nun mit ihr ins Schlafgemach, so sehe ich sie an, lege mich neben sie, spreche aber aus Geringschätzung gegen sie kein Wort mit ihr, bis man mich für einen stolzen Mann erklärt; da kommt ihre Mutter, küßt mir die Hand und sagt: »O mein Herr, blicke doch auf deine Sklavin herab! sie sehnt sich nach deiner Nähe, stärke doch ihr Herz!« Ich gebe ihr aber keine Antwort, und wenn sie dies bemerkt, steht sie auf, küßt mir einige Male die Füße und sagt: »O mein Herr! meine Tochter ist jung und hat nie einen Mann erschaut, und sieht sie dich so zurückhaltend, so bricht ihr das Herz. Wende dich ihr doch zu! sprich sie an und mache ihr guten Mut!« Ihre Mutter reicht ihr dann einen Becher Wein und sagt: »Geh, gib deinem Gemahl zu trinken!« Wenn sie nun zu mir kommt, laß ich sie vor mir stehen, während ich auf meinem goldgestickten Sofa angelehnt sitzen bleibe; ich sehe sie aus Hochmut gar nicht an, bis sie sagt: ich sei ein vornehmer Mann von edler Seele. Ich laß sie immer stehen, bis sie sich erniedrigt fühlt und merkt, daß ich Herr bin: sie sagt dann: »Mein Herr! ich beschwöre dich bei Gott, weise mich nicht mit dem Becher zurück! ich bin ja deine Sklavin.« Ich gebe keine Antwort, wenn sie dann in mich dringt und sagt: »Du mußt trinken«, und mir den Becher an den Mund hinreicht, da fahre ich ihr mit der Hand ins Gesicht und trete sie mit den Füßen und mache so – er stampfte dabei mit den Füßen und kam mit einem Fuß an den Korb, der auf einem erhöhten Platze stand, so daß er von oben herunter auf den Boden fiel und alles Glaswerk zerbrach. Da schrie der Schneider: »Dies alles kommt von deinem Stolze, du schändlichster aller Kuppler! Bei Gott! hätte ich über dich zu gebieten, ich ließe dir hundert Prügel geben und noch deine Geschichte in der ganzen Stadt bekannt machen.« Indessen, fuhr der Barbier fort, schlug sich mein Bruder ins Gesicht und zerriß seine Kleider und weinte; die Leute, die gerade zum Freitagsgebet gingen, sahen ihn an, und die einen bemitleideten ihn, die anderen kehrten sich nicht daran. So weinte mein Bruder eine Weile über den plötzlichen Verlust seines Kapitals und seines Gewinns: da kam eine schöne Frau, von vielen Dienern begleitet und auf einem Maulesel reitend, der einen goldenen Sattel hatte; als sie sich näherte, verbreitete sie Moschusgeruch. Wie sie meinen Bruder über sein Unglück weinen sah, bemitleidete sie ihn und fragte, was ihm widerfahren? Man erzählte ihr, daß er einen Korb mit Glaswerk gehabt, von dem er sich habe ernähren wollen, und daß nun alles zerbrochen sei, wie sie sehe. Sie rief einen ihrer Diener und sagte ihm: »Gib, was du bei dir hast!« Er gab ihm einen Beutel, in welchem 500 Dinare waren. Als mein Bruder den Beutel empfing, starb er fast vor Freude, wünschte ihr viel Segen und ging reich nach Hause, wo er wieder nachdachte. Da ward an der Türe geklopft. Mein Bruder fragte: »Wer ist an der Türe?« Man antwortete: »Mein Freund, ich habe dir ein Wort zu sagen.« Als mein Bruder aufstand und die Tür öffnete, stand eine alte Frau da, die er nicht kannte. Sie sagte ihm: »Du weißt, mein Sohn, daß die Gebetzeit nahe ist; da ich mich nun noch nicht gewaschen habe, so möchte ich mich gerne in deinem Hause waschen.« Mein Bruder erwiderte: »Recht gerne!« hieß sie ins Haus kommen und gab ihr ein Waschbecken. Mein Bruder, der indessen ganz entzückt war über dem vielen Gelde, band es in einen Beutel ein, und als er dies getan und die Frau da, wo er saß, gebetet hatte, wünschte sie ihm viel Glück und dankte ihm.

Als sie meinem Bruder dankte, erzählte der Barbier weiter, nahm er zwei Dinare von dem Gelde und wollte es ihr als Almosen geben; sie sagte aber: »Gelobt sei Gott! siehst du mich für eine Bettlerin an? Behalte dein Geld, ich brauche es nicht, wende es für dich an! Doch ich habe in dieser Stadt eine reiche, schöne und liebenswürdige Freundin —« Mein Bruder unterbrach sie: »Und wie soll ich zu ihr gelangen?« Die Alte fuhr fort: »Nimm all dein Geld und folge mir, und bist du bei ihr, so sei nur recht artig und liebenswürdig gegen sie: du wirst dann von ihrer Schönheit und ihrem Reichtum alles erlangen.« Mein Bruder, vor Freude außer sich, nahm all sein Geld und ging mit ihr, bis sie an eine große Türe kamen, wo sie anklopfte; da kam eine griechische Sklavin und öffnete die Türe. Die Alte trat hinein und hieß meinen Bruder mitkommen. Er kam in ein großes Haus und in einen geräumigen, mit Teppichen und Vorhängen verzierten Saal. Mein Bruder setzte sich, legte das Geld vor sich hin, zog den Turban ab und legte ihn auf seinen Schoß. Auf einmal kam das schönste Mädchen, das er je gesehen, höchst vornehm gekleidet; er stand auf und als sie in sah, lachte sie ihm freudig entgegen. Sie schloß dann die Türe, trat auf meinen Bruder zu, nahm ihn an der Hand und ging mit ihm in ein abgelegenes Gemach, setzte sich neben ihn und scherzte eine Weile mit ihm. Sodann sagte sie: »Bleibe hier, bis ich wiederkehre.« Als das Mädchen weggegangen war, kam ein schwarzer Sklave mit einem Schwerte und sagte: »Wehe dir! was tust du hier?« Als mein Bruder ihn sah, ward seine Zunge gefesselt, so daß er nicht antworten konnte. Der Sklave entkleidete ihn, und schlug so lang mit dem Schwert auf ihn zu, bis er in Ohnmacht sank und der verruchte Sklave ihn für tot hielt. Er hörte dann, wie der Sklave fragte: »Wo ist die Salzschüssel?« Alsbald kam eine Sklavin mit einer großen Schüssel voll Salz, womit sie die Wunden meines Bruders bedeckten, bis er die Besinnung verlor. Er hatte sich übrigens nicht gerührt, aus Furcht, der Sklave möchte merken, daß er noch lebe und ihn umbringen. Die Sklavin ging dann fort und fragte: »Wo ist die Kellermeisterin?« Da kam die Alte, schleppte meinen Bruder an den Füßen fort, öffnete den Keller und warf ihn zu vielen anderen Erschlagenen. Er blieb dann zwei Tage in Ohnmacht liegen, ohne sich zu bewegen; aber der erhabene Gott hatte durch dieses Salz, welches das Blut stillte, ihn beim Leben erhalten, er kam wieder zu sich und konnte sich bewegen. Ganz furchtsam und leise trat er aus dem Keller heraus und ging im Dunkeln fort, bis er in den Gang kam; hier wartete mein Bruder, bis die verfluchte Alte des Morgens wieder auf eine frische Jagd ausging, alsdann folgte er ihr nach, ohne daß sie es bemerkte. Er blieb einen Monat lang zu Hause und pflegte sich, bis er wieder genesen war; indessen beobachtete er die Alte immer, und bemerkte, wie sie einen nach dem anderen auffing und in jenes Haus führte. Mein Bruder sagte kein Wort. Als er wieder ganz gesund war, nahm er von seinen Lumpen, machte einen Sack daraus und füllte ihn mit Glas, gürtete ihn um, und verstellte sich so, daß man ihn nicht erkannte; er verkleidete sich als Fremder, nahm ein Schwert und das Kleid, und als er die Alte sah, sagte er ihr in einem fremden Dialekt. »Ich bin fremd hier, hast du vielleicht eine Goldwaage im Hause, wo ich 500 Dinare wiegen könnte?« Die Alte antwortete: »O mein Fremder! ich habe einen Sohn, der Geldwechsler ist und vielerlei Waagen hat; komm geschwind mit mir, ehe er in seinen Laden geht, er wird dir dein Gold wiegen.« Mein Bruder sagte ihr: »Geh mir voran!« Sie ging mit meinem Bruder, bis sie wieder an jene Türe kamen, wo sie anklopfte, es kam wieder dasselbe Mädchen heraus. Die Alte lachte ihr entgegen und sagte: »Heut bringe ich dir fettes Fleisch.« Das Mädchen faßte dann meinen Bruder an der Hand und brachte ihn in die Wohnung, in der er schon einmal war, setzte sich eine Weile zu ihm und sagte dann: »Geh nicht von hier, bis ich wiederkehre!« Als sie weggegangen war, kam sogleich der verfluchte Schwarze wieder, mit einem bloßen Schwert in der Hand, er sagte zu meinem Bruder: »Steh auf, du Verfluchter!« Mein Bruder stand hinter ihm auf, griff nach dem Schwert, das er unter dem Kleid hatte, und schlug den Schwarzen so, daß sein Kopf vom Rumpfe fiel; sodann schleppte er ihn an den Füßen nach dem Keller. Hierauf kam die Sklavin mit einer Schüssel voll Salz; als sie meinen Bruder mit dem Schwert in der Hand sah, nahm sie die Flucht, er aber holte sie ein und hieb ihr den Kopf ab. Sodann kam die Alte, und als mein Bruder sie sah, sagte er ihr: »Kennst du mich, du Alte des Unheils?« Sie entgegnete: »Nein, mein Herr!« Da sagte mein Bruder: »Ich bin der Herr des Hauses, in dem du gebetet hast, und den du alsdann hierher gebracht.« Sie flehte: »O übereile dich nicht!« Er gab ihr aber kein Gehör und zerhieb sie in vier Teile. Mein Bruder ging nun hinaus, um das Mädchen aufzusuchen; als sie ihn sah, verlor sie den Verstand; sie erbat sich ihr Leben von ihm, und er versprach ihr, sie leben zu lassen. Er fragte sie: »Wie bist du wohl zu diesem Schwarzen gekommen?« Das Mädchen antwortete: »Ich war Sklavin bei einem Kaufmann, und die Alte besuchte mich oft, daß ich ganz vertraut mit ihr ward.

Eines Tages sagte sie: »Wir haben heut eine Hochzeit, dergleichen niemand je gesehen, und es wäre mir lieb, wenn du sie sehen wolltest.« Ich sagte: Recht gerne! machte mich auf, kleidete mich an, nahm meinen Schmuck und einen Beutel voll Geld und ging mit ihr. Sie führte mich zu diesem Hause und hieß mich mit ihr hineingehen. Kaum war ich im Hause, als mich der Schwarze ergriff; und so mußte ich durch die List der Alten, die Gott verdammen möge, drei Jahre bei ihm bleiben.« Mein Bruder fragte sie sodann: ob der Schwarze wohl Geld oder sonst etwas in diesem Hause hätte? und sie antwortete. »Sehr viel, und danke Gott, wenn du alles von hier wegschaffen kannst.« Als er nun mit ihr ging, öffnete sie mehrere Kisten, in welchen viele Beutel waren. Mein Bruder war höchst erstaunt darüber. Da sagte ihm das Mädchen: »Ich will hier bleiben, gehe du und hole jemanden, der das Geld von hier wegbringt.« Er ging auch sogleich und mietete zehn Leute. Als er aber – erzählte mir mein Bruder weiter – an die Türe klopfen wollte, fand er sie geöffnet; er ging hinein und fand zu seinem Erstaunen kein Mädchen und keine Geldbeutel mehr: nur Kleinigkeiten waren zurückgeblieben. Nun merkte er wohl, daß ihn das Mädchen betrogen; indessen nahm er, was sie zurückgelassen. Er öffnete die Magazine, nahm alle Kleider und ähnliche Effekten, ließ gar nichts im Hause zurück, und durchlebte eine fröhliche Nacht. Als er aber des Morgens aufstand, fand er zwanzig Hatschiere an seiner Türe, die ihn festnahmen und ihm sagten, der Polizeioberste lasse ihn holen. Mein Bruder bat sie, ihn doch erst nach Hause gehen zu lassen, und versprach ihnen Geld; aber sie hörten ihn nicht an, banden ihn fest, legten ihn in Ketten und führten ihn fort. Als sie auf dem Wege waren, begegnete ihm einer seiner Freunde; er ergriff den Saum seines Kleides, bat ihn, ein wenig bei ihm stehen zu bleiben und ihn aus der Hand dieser Hatschiere zu befreien. Sein Freund blieb stehen, bat die Soldaten, ihn frei zu lassen, und fragte sie: was er denn verbrochen? Sie antworteten: Der Polizeioberste habe ihnen befohlen, ihn zu ihm zu bringen, weshalb sie ihn aufgegriffen hätten, um ihn nach diesem Befehle zu verhaften. Hierauf sagte der Freund meines Bruders: »O ihr guten Leute! ich will euch die Mühe eures Wegs so gut bezahlen, als ihr wollt, laßt ihn nur frei und geht so wieder zum Polizeiobersten zurück.« Aber sie wollten ihn nicht loslassen.

Als der Polizeioberste meinen Bruder sah – fuhr der Barbier fort – fragte er ihn: woher er auf einmal so viele Sachen besitze? Er antwortete: »Mein Herr! versprich mir vorher, mir nichts zuleid zu tun.« Nachdem jener es ihm versprochen, erzählte ihm mein Bruder die ganze Geschichte der Alten, von Anfang bis zu Ende, und daß zuletzt das Mädchen entflohen. Sodann sagte er: »Mein Herr! alles, was ich dort genommen, ist in meinem Hause: nimm du davon, was du willst, und laß mir nur etwas zu leben übrig.« Der Polizeioberste ließ nun seine Untergebenen mit meinem Bruder gehen, und ihm alle Effekten und alles Gold nehmen; da er aber doch fürchtete, der Sultan möchte diese Geschichte erfahren, ließ er meinen Bruder zu sich kommen und sagte: »Ich wünsche, daß du diese Stadt verläßt: tust du‘s nicht, so laß ich dich umbringen.« Mein Bruder entgegnete: »Ich bin bereit zu gehorchen;« und wanderte nach einem fremden Lande. Da überfielen ihn Räuber und zogen ihn ganz aus. Als ich dies hörte, brachte ich ihm Kleider; er zog sie an und ging heimlich mit mir in die Stadt zurück, wo ich ihn zu seinen Brüdern gesellte.

Geschichte des sechsten Bruders des Barbiers

Mein sechster Bruder aber, der mit der gespaltenen Lippe, war früher reich, verarmte jedoch später. Als er einst ausging, um sich etwas zu neuer Lebenskraft zu verschaffen, sah er ein schönes Haus mit einem großen Eingang und einer hohen Türe, an der viele Diener standen, welchen allerlei Befehle erteilt wurden. Er fragte einen der dort Stehenden, wem dieses Haus gehöre; man antwortete, es gehöre einem Nachkommen der Barmekiden. Mein Bruder ging hierauf zu den Pförtnern und forderte ein Almosen. Sie sagten: »Komm zur Türe herein, der Hausherr wird dir geben, was du verlangst.« Er ging also in den Hausflur und als er eine Weile gegangen, kam er an eine schöne Wohnung mit einem Garten in der Mitte, desgleichen kein Auge je gesehen; der Boden war mit Teppichen bedeckt, und die Wände mit Vorhängen verziert. Mein Bruder wußte vor Verwunderung nicht, wo er hingehen sollte. Endlich kam er an die Tür eines Saals; er ging hinein und sah oben im Saal einen Mann von schönem Gesicht und Bart; indem er auf denselben zuging, sah jener meinen Bruder, hieß ihn willkommen und erkundigte sich nach seinem Zustande. Mein Bruder sagte ihm, daß er der Hilfe bedürfe. Als jener dies hörte, zeigte er einen großen Kummer, streckte die Hand nach seinen Kleidern, zerriß sie und sagte: »Soll ich in einem Lande wohnen, und du darin hungern? Dazu habe ich keine Kraft.« Er versprach meinem Bruder alles Gute, und sagte sodann: »Du mußt mich ein wenig unterhalten.« Dieser antwortete: »Mein Herr! ich bin so hungrig, daß ich dazu keine Kraft habe.« Alsbald schrie der andere: »Diener, bring den Krug und das Waschbecken, daß wir unsere Hände waschen!« aber mein Bruder sah weder Krug und Waschbecken, noch sonst etwas. Der Hausherr sagte sodann: »Komm, mein Bruder, und wasche dich!« und machte dabei eine Bewegung, als wenn er sich die Hände wüsche. Hierauf schrie er: »Bringt den Tisch!« und deutete mit der Hand, wo man decken sollte; aber mein Bruder sah nichts. Dann sagte er: »Mein Gast, bei meinem Leben, iß und schäme dich nicht!« machte abermals Bewegungen mit der Hand, als wenn er äße, und wiederholte dabei: »Bei meinem Leben, iß nur nicht zu wenig; ich weiß ja, wie hungrig du gerade bist.« Mein Bruder machte nun ebenfalls Bewegungen, als wenn er äße. Wieder sagte der Hausherr: »Sieh einmal dieses Brot, wie weiß es ist;« aber jener sah nichts, dachte, dieser Mann scherze gern mit den Leuten, und erwiderte: »Mein Herr, ich habe in meinem Leben kein weißeres und schmackhafteres Brot gesehen!« Der Hausherr sagte hierauf: »Dies Brot hat ein Mädchen gebacken, das mich 500 Dinare gekostet.«

Alsdann rief der Hausherr: »Diener, bring zuerst geschältes Korn, schmälze er aber gut!« und sagte dann zu meinem Bruder: »Hast du wohl je besseres Korn gegessen? Iß nur, bei meinem Leben, und tue dir keinen Zwang an!« Hierauf befahl er dem Diener eine saure Speise, nebst einer in Fett gebratenen Ente zu bringen, und sagte wieder zu meinem Bruder: »Iß nur, ich weiß doch, daß du hungrig bist.« Mein Bruder kaute und schmatzte, als wenn er äße, und der Hausherr bestellte ein Gericht nach dem andern, hieß ihn essen, ohne daß etwas gebracht wurde, befahl dann dem Bedienten, die fetten Hähne aufzutragen, und sagte wieder: »Bei deinem Leben, mein Gast! diese fetten Hähne sind mit Pistazien gemästet worden: Iß mehr, als du je von dieser Speise gegessen.« Mein Bruder entgegnete: »Bei Gott! dies alles ist sehr gut!« worauf der Hausherr mit der Hand nach seinem Munde fuhr, als gäbe er ihm etwas zu essen, und ihm dabei die verschiedensten Gerichte beschrieb, während mein Bruder so hungrig war, daß ihm nach einem Stück Gerstenbrot gelüstete. Endlich sagte dieser: »Ich habe nun genug gegessen!« Da rief der Hausherr. »Tragt die Speisen ab und bringt die Süßigkeiten!« und sagte dann zu meinem Bruder: Iß von diesen eingemachten Datteln und Trauben, denn sie sind sehr gut. Siehst du, wie der Julep aus meiner Hand davon heruntertropft.« Mein Bruder entgegnete: »O könnte ich doch immer bei dir sein!« und fragte ihn, warum so viel Moschus bei diesem Eingemachten sei? Er antwortete: »Es ist meine Gewohnheit, die Trauben auf diese Weise einzumachen.« Mein Bruder spielte immer mit seinen Lippen und setzte seinen Mund in Bewegung; sodann rief der Hausherr: »Genug davon, bringt jetzt Mandelkuchen!« und hieß wieder meinen Bruder essen und sich nicht schämen. Dieser antwortete: er habe genug und könne nichts mehr essen. Da sagte der Hausherr: »Mein Gast, willst du etwas trinken und dabei munter werden, da du doch nicht mehr hungrig bist?« Mein Bruder sagte: »Ja!« und beschloß dabei, es solle den Mann reuen, ihn so zum besten zu haben. Der Hausherr rief nun: »Bringt den Wein;« und tat, als wenn er meinem Bruder einen Becher reichte, indem er sagte: »Koste einmal diesen Wein und sage mir, wie er dir behagt.« Mein Bruder entgegnete: »Er hat einen angenehmen Geschmack, doch bin ich anderen gewöhnt.« Dann sagte der Hausherr: »Bringt andern, der mehr berauscht!« wünschte meinem Bruder, daß er ihm wohl bekomme, und tat dabei, als trinke er. Mein Bruder stellte sich, als wäre er betrunken, und sagte: »Mein Herr, o ich kann nicht mehr!« drang auf ihn ein, ohne daß er es bemerkte, hob die Hand so hoch auf, bis man das Weiße unter seiner Achsel sehen konnte, und schlug ihm eins auf den Nacken, das das ganze Zimmer davon widerhallte. Er hob schon die Hand zum zweiten Male auf, da sagte der Hausherr: »Was ist das, du Niederträchtiger?« Mein Bruder antwortete: »Mein Herr! du hast deinen Sklaven in deine Wohnung gebracht und ihm so viel zu essen und zu trinken gegeben, daß er berauscht worden und nichts mehr von sich weiß; du mußt nun wohl seine Grobheit ertragen und sein Vergehen entschuldigen.« Als der Hausherr dies hörte, lachte er laut und sagte: »Ich treibe schon lange solchen Scherz mit den Leuten, habe aber außer dir noch keinen gefunden, der so klug in meinen Spaß einging: gern verzeih ich dir.«

»Nun aber sei wirklich mein Gast«, fuhr der Barmekide zu meinem Bruder fort, »und bleibe bei mir.« Alsbald ließ er in der Tat eine Anzahl Diener kommen und wirklich einen Tisch bereiten, worauf alle Gerichte standen, die früher erwähnt worden. Sie aßen miteinander, bis sie satt waren, dann gingen sie in den Trinksaal; da waren Mädchen wie der Mond, welche allerlei Melodien sangen und auf allerlei Instrumenten spielten, und sie tranken, bis sie berauscht waren. Der Mann ward mit meinem Bruder so vertraut, als wäre er sein Bruder; er liebte ihn sehr und schenkte ihm Ehrenkleider. Am folgenden Morgen begannen beide wieder von neuem zu essen und zu trinken, und so zehn Tage lang. Dann übertrug der Mann meinem Bruder die Verwaltung aller seiner Güter, und so blieb er 20 Jahre bei ihm, bis jener starb. Gelobt sei der Immerlebende, der nie stirbt! Der Sultan ließ nach dem Tode des Mannes alles, was er hinterlassen, sowie was mein Bruder hatte, wegnehmen, so daß dieser ganz arm ward und auswandern mußte. Mitten auf dem Wege kamen Beduinen auf ihn los, nahmen ihn gefangen und zogen mit ihm zu ihrem Stamme. Der, welcher ihn gefangen genommen, fing an, ihn zu schlagen, indem er sagte: »Kaufe dich mit Geld von mir los!« Mein Bruder entgegnete weinend: »Ich besitze gar nichts, ich bin dein Gefangener: tu mit mir, was du willst!« Da nahm der Beduine ein Messer heraus, durchschnitt meines Bruders Lippe und forderte immer heftiger Geld von ihm. Dieser Beduine hatte eine schöne Frau, die, so oft ihr Mann ausging, meinen Bruder zu überreden suchte; aber er wies sie stets zurück. Als er einmal ihr nachgab und mit ihr spielte, und sie ihn liebkoste, kam der Mann nach Hause, und als er meinen Bruder bei seiner Frau sah, sagte er zu ihm: »Wehe dir! willst du meine Frau verführen?« Er nahm dann ein Messer und brachte meinem Bruder eine empfindliche Wunde bei, lud ihn auf ein Kamel und legte ihn am Fuße eines Berges nieder. Da kamen Reisende vorüber, die ihn kannten; sie gaben ihm zu essen und zu trinken, und sagten mir, was ihm widerfahren. Ich ging dann zu ihm, brachte ihn in die Stadt und gab ihm seinen bestimmten Lebensunterhalt. Nun bin ich zu dir gekommen, o Fürst der Gläubigen! und habe dir, um mir keine Nachlässigkeit zu schulden kommen zu lassen, die Geschichte meiner sechs Brüder erzählt, für die ich sorgen muß.

Als der Kalif meine ganze Erzählung gehört, lachte er sehr und sagte: »Du hast recht, O Schweigender! du sprichst wenig und liebst das Überflüssige nicht; doch verlasse jetzt diese Stadt und bewohne eine andere.« Er erteilte dann einen Befehl, mich aus der Stadt zu verweisen, so daß ich in der Welt herumreiste, bis ich hörte, daß er gestorben und ein anderer Kalif geworden; da kehrte ich wieder in die Stadt zurück. Alle meine Brüder waren schon tot. Da traf ich diesen jungen Mann, behandelte ihn so schön, und er belohnte mich so schlecht; doch wäre er ohne mich gewiß zugrunde gegangen. Der Jüngling ging dann von mir fort, und auch ich unternahm neue Reisen, bis ich ihn hier wieder fand; nun macht er mich auf eine neue Weise verdächtig, wie ich es gar nicht verdiene, indem er mich für einen Schwätzer erklärt.

Der Schneider fuhr dann fort: O König, nachdem wir die Geschichte des Barbiers vernommen und ihn eingesperrt hatten, setzten wir uns, aßen und vollendeten die Mahlzeit, die bis zwei Stunden vor Sonnenuntergang währte; dann ging ich nach Hause. Da machte meine Frau ein mürrisches Gesicht und sagte: »Du lebst in Saus und Braus, und ich muß betrübt zu Hause sein; wenn du nicht, so lange es noch Tag ist, mit mir ausgehst, so werde ich mich von dir scheiden lassen.« Ich ging nun bis abends mit ihr spazieren. Auf unserem Heimweg begegneten wir dem buckligen Lügner, der berauscht umherschwankte. Ich lud ihn ein, kaufte Fische, und nachdem wir miteinander gegessen, blieb ein Stück übrig, in dem eine Gräte war, ich stopfte es dem Buckligen durch die Zähne und hielt ihm den Mund zu; auf einmal hörte er auf zu atmen; er würgte daran und seine Augen verdrehten sich. Ich schlug ihn zwischen die Schultern und griff ihm in den Hals, aber er war tot. Da trug ich ihn weg; ich besann mich lange, wohin ich ihn bringen sollte, und schaffte ihn endlich in das Haus dieses jüdischen Arztes, der dann auch nachdachte, wie er ihn los würde, bis er ihn zu dem Aufseher hinwarf; dieser war aber listig und brachte ihn zum christlichen Makler. Dies ist die Geschichte dessen, was mir gestern widerfahren ist; ist sie nicht wunderbarer, als die des buckligen Lügners?

Als der König von China die Worte des Schneiders hörte, schüttelte er den Kopf vor Entzücken, zeigte ein großes Erstaunen und sagte: »Die Geschichte zwischen dem jungen Mann und dem geschwätzigen Barbier ist schöner und angenehmer als die des Buckligen.« Der König befahl dann einem seiner Offiziere, mit dem Schneider zu gehen und den Barbier aus dem Gefängnis zu holen, und sagte: »Ich möchte diesen schweigenden Barbier sehen und ihn sprechen hören, da er doch die Ursache eurer Rettung geworden; dann wollen wir den Buckligen begraben, der seit gestern schon tot daliegt, und ihm ein Grabmal errichten.« Der Offizier und der Schneider kamen so schnell als möglich mit dem Barbier zurück. Der König von China sah ihn an und merkte, daß er schon mehr als neunzig Jahre alt war, er hatte einen weißen Bart und weiße Augenbrauen, herunterhängende Ohren, eine lange Nase; es lag in seinen Gesichtszügen etwas einfältiges. Der König lachte, als er den Barbier sah, und sagte: »Du Schweigender, erzähle mir eine deiner Geschichten!« Der Barbier sagte: »Was ist, o König der Zeit! mit diesem Christen, dem Juden, dem Muselmann und dem Buckligen vorgefallen? Wer vereint sie hier?« Da sagte der König von China lachend: »Was hast du nach ihnen zu fragen?« Er antwortete: »Um zu zeigen, daß ich kein Schwätzer und unschuldig bin an dem, was man mir vorwirft, weshalb ich der Schweigende heiße.«

Der König von China befahl nun seinen Leuten, dem Barbier die Geschichte des Buckligen von Anfang bis zu Ende zu erzählen. Der Barbier schüttelte ungläubig den Kopf und sagte: »Das ist höchst sonderbar, deckt einmal den Buckligen auf!« Als seinem Wunsche nachgekommen war, setzte er sich an die Seite des Buckligen, nahm seinen Kopf auf den Schoß, betrachtete sein Gesicht und wollte sich vor Lachen ausschütten. Er sagte dann: »Sonderbar, wie jeder Tod seine Ursache hat! Die Geschichte des Buckligen verdient wohl, mit Goldschrift aufgezeichnet zu werden.« Die Leute des Königs erschraken über das Benehmen des Barbiers, und der König von China fragte ihn, was er habe? Der Barbier antwortete: »Bei deiner Huld! es ist noch Leben in diesem Buckligen.« Er zog dann einen Beutel hervor, öffnete ihn und nahm eine Büchse heraus, in der eine Salbe war, womit er dem Buckligen den Hals und die Adern einrieb, dann nahm er ein langes Eisen, fuhr damit in den Hals des Buckligen und zog das Stück Fisch mit der Gräte, das ganz mit Blut beklebt war, heraus. Kaum war der Bucklige von diesem Unrate befreit, so fing er an zu nießen, aufzuspringen und sich das Gesicht vor Freude zu reiben. Der König und seine Umgebung waren sehr erstaunt darüber, wie der Bucklige einen Tag und eine Nacht leblos daliegen konnte; auch waren sie überzeugt, daß er gewiß bald gestorben wäre, hätte ihm Gott nicht den Barbier zu Hilfe geschickt.

Der König von China befahl sodann, daß man die Geschichte des Barbiers und des Buckligen aufzeichne; auch ließ er dem Aufseher, dem Schneider, dem Christen und dem Juden reiche Geschenke reichen und entließ sie alle. Den Barbier aber behielt er bei sich und sorgte für seinen Lebensunterhalt königlich; er blieb dann auch unter seinen Tischgenossen, bis der Tod, der Zerstörer aller Freuden, sie überraschte.

Als Schehersad diese Geschichte vollendet hatte, sagte sie: noch entzückender ist die Geschichte des Spezereihändlers Abul-Hasan und Alis und seiner Erlebnisse mit Schems Annahar. Am folgenden Morgen erzählte sie dann:

Geschichte Ali‘s Ibn Bekkar und der Schems Annahar

Es gab einst in der Stadt Bagdad einen Spezereihändler, mit Namen Abul Hasan, Sohn Tahers, der sehr reich und vornehm war; dabei führte er einen reinen Lebenswandel, war ein aufrichtiger und guter Gesellschafter, und deshalb überall gut aufgenommen, wo er sich zeigte. Er ging oft in das Schloß des Kalifen, und die meisten Frauen und Sklavinnen des Kalifen Harun Arraschid ließen sich von ihm ihre Geschäfte besorgen, wie sie es eben nötig hatten. Auch saßen oft die Söhne der Fürsten und der Großen bei ihm. Unter diesen war auch ein junger, persischer Prinz, mit Namen Ali, Sohn des Bekkar. In der Person dieses Prinzen hatte Gott alle trefflichen Eigenschaften vereint; er war ausgezeichnet schön und anmutig, seine Beredsamkeit war bezaubernd, sein Verstand, sein Mut, seine Freigebigkeit, seine Keuschheit, sein Ernst und seine Tapferkeit unübertroffen! Dieser lebte oft in Gesellschaft Abul Hasans; er konnte sich zuletzt keinen Augenblick mehr von ihm trennen. Als einst der junge Prinz bei ihm saß, sahen sie zehn junge Sklavinnen, schön wie der Mond, vom Markt herkommend; aus ihrer Mitte strahlte ein Mädchen, das den Vollmond beschämte. Diese ritt auf einem grauen Maultier, sie trug einen roten, seidenen, mit Perlen und Edelsteinen besetzten Gürtel. Ihre Schönheit überstrahlte, wie schon gesagt, die der übrigen zehn Mädchen, die bei ihr waren; sie war, wie ein Dichter sagt:

»Sie ist ein vollkommenes Muster der Schönheit, daß man sie nicht anders geschaffen wünschen könnte; sie hat weder zu viel, noch zu wenig, es ist, als wäre sie von Perlenwasser gebildet; ein Mond leuchtet aus allen ihren Gliedern hervor; ihre Stirne ist der Vollmond, ihr Wuchs der Zweig eines Baumes, ihr Atem ist Moschus: kein Mensch gleicht ihr.«

Ihre schönen Augen und die übrigen Reize fesselten alle, die sie sahen. Als sie an den Laden des Abul Hasan kam, stand dieser vor ihr auf, küßte die Erde und ließ sie auf ein seidenes, mit Gold gesticktes Kissen sitzen; er blieb, um sie zu bedienen, vor ihr stehen. Sie befahl ihm, sich zu ihr zu setzen, und als er gehorchte, verlangte sie von ihm, was sie bedurfte. Inzwischen hatte der junge Ali schon seinen Verstand verloren; er war außer sich, war bald rot, bald blaß, und wollte vor Liebe vergehen. Er wollte aus Ehrfurcht vor ihr aufstehen, aber sie winkte mit ihren Narzissenaugen und Zuckerlippen, und sagte: »Mein Herr! wir sind zu dir gekommen und du willst, weil wir dir nicht gefallen, vor uns entfliehen?« Ali küßte die Erde und entgegnete: »O meine Gebieterin! Sobald ich dich gesehen, habe ich meinen Verstand verloren, ich weiß nichts anderes zu sagen, als was schon ein Dichter gesagt:

»Sie ist die Sonne, ihre Wohnung ist im Himmel; tröste dein Herz mit dem schönsten Trost, denn du kannst nicht zu ihr hinauf und sie nicht zu dir herunter steigen.«

Sie lächelte, und heller als ein Blitz leuchteten ihre Zähne, dann sagte sie: »O Abul Hasan! woher kennst du diesen Jüngling, und welches ist sein Rang?« Abul Hasan antwortete: »Er heißt Ali, Sohn Bekkars, und ist ein Prinz von Persien.« Sie sagte ihm dann, wenn meine Sklavin zu dir kommt, so bemühe dich mit ihm zu uns, daß wir ihn in unserem Hause bewirten, damit er sich nicht über uns beklagen und sagen kann: unter den Bewohnern Bagdads herrscht keine Gastfreundschaft; denn der Geiz ist das schlechteste Gewand eines Menschen. Hörtest du, was ich dir gesagt? Wenn du nicht gehorchst, so trifft dich mein Zorn, und ich werde dich nie mehr grüßen.« Abul Hasan antwortete: »Gott bewahre, – o Königin aller Sklaven! – Gott bewahre mich vor deinem Zorn!« Sie verließ hierauf den Laden und ritt davon, nachdem sie sich schon aller Herzen bemeistert und jeden Verstand geraubt hatte. Ali blieb sitzen, er wußte nicht, ob er auf der Erde oder im Himmel wandle. Doch ehe noch der Tag verflossen war, kam eine Sklavin zu Abul Hasan und sagte: »Mein Herr Abul Hasan! Im Namen Gottes komme du mit deinem Freund Ali zu meiner Gebieterin Schems Annahar, der Freundin des Fürsten der Gläubigen, Harun Arraschid.« Abul Hasan stand auf und sagte zu Ali: »Im Namen Gottes, mein Herr!« Sie folgten dann der Sklavin, die weit voranging und welche sie in den Palast des Kalifen führte. Hier zeigte sie ihnen die Wohnung Schems Annahars. Der Jüngling sah eine Wohnung, als wäre sie von Genien gewohnt; er fand darin die mannigfaltigsten Teppiche, Kissen und Divans, wie er solche noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Als er und Abul Hasan daselbst Platz genommen, brachte man ihnen einen Tisch mit den köstlichsten Speisen, und eine schwarze Sklavin blieb zu ihrer Bedienung vor ihnen stehen. Es wurde aufgetragen, was nur laufen und fliegen konnte: von säugenden Schafen, gestopften Hähnen, Tauben und Wachteln, nebst anderen süßen und sauren Speisen. Der junge Mann aß und war vor Erstaunen ganz außer sich; sie verzehrten die besten Speisen und tranken die köstlichsten Weine. Als sie satt waren, brachte man ihnen zwei goldene Waschbecken, sie wuschen ihre Hände; dann brachte man Weihrauch, sie beräucherten sich; dann brachte man ihnen in Goldgefässen kristallene Becher, welche mit Edelsteinen besetzt waren, und gefüllt mit Ambra, Moschus und Rosenwasser; sie parfümierten sich damit und setzten sich nieder. In einer kurzen Weile hieß sie die Sklavin aufstehen und führte sie in einen anderen Saal, dessen Kuppel von hundert Säulen getragen wurde; die Füße der Säulen waren mit vergoldeten Tieren und Vögeln verziert, der Boden war mit seidenen Teppichen belegt. Als die beiden sich setzten und den Saal näher betrachteten, fanden sie, daß der ganze Grund von Gold war, auf welchem weiße und rote Rosen gestickt waren; aus demselben Stoff war die Decke der Kuppel. Auch waren allerlei Gemälde und chinesische Gefäße aus Gold und Kristall mit prachtvollen Edelsteinen besetzt, im Saale. Am oberen Ende desselben waren viele Fenster, und vor einem jeden stand ein Divan mit der feinsten Stickerei überzogen und jeder von einer anderen Farbe; diese Fenster gingen in einen Garten, dessen Boden dem Grund der Teppiche glich. Rings umher floß Wasser aus einem großen Teich in einen kleineren; die Ufer des Teichs waren mit Narzissen, Basiliken und anderen seltenen Pflanzen, in goldenen, mit Edelsteinen verzierten Vasen besetzt.

Die Bäume in diesem Garten waren dicht ineinander geschlungen, die Früchte auf ihnen waren so reif, daß sie bei jedem Säuseln des Windes auf die Oberfläche des Wassers fielen. Eine Menge Vögel ließ sich auf dem Garten nieder, sie schlugen ihre Flügel zusammen und unterhielten sich miteinander durch ihr Gezwitscher, das in allen möglichen Tönen erschallte. An beiden Seiten des Teiches waren Stühle von Ebenholz, mit Silber ausgelegt, aufgestellt; auf jedem Stuhl saß ein Mädchen, das glänzender war als die Sonne, kostbar gekleidet, mit einer Laute oder einem anderen Instrument vor sich; es vereinte sich so der Gesang der Mädchen mit dem der Vögel und das Säuseln des Windes mit dem Plätschern des Wassers. Bald blies der Wind eine Rose auf, bald warf er eine Frucht herunter.

Während Ali und Abul Hasan ihre Augen und ihre Gedanken an dieser Pracht und Schönheit weideten und sie halb nach dem Saal und auf den Tisch richteten, ja ganz hingerissen von der Anmut und Lieblichkeit, wie von der großartigen Zusammenstellung aller dieser Gegenstände, in das höchste Erstaunen versetzt waren, wendete sich Ali, Sohn des Bekkar, zu Abul Hasan und sagte zu ihm: »Wisse, mein Freund, der größte Weise und der Verständigste, der nur gesunde Sinne hat, muß alles dies auch schön finden und davon entzückt und hingerissen werden; wieviel mehr ein Mensch in meiner Lage, dessen Herz von Liebe überfließen will; doch beraubt mich alles, was ich gesehen nicht des Wortes, und noch bleibt mir Kraft zu fragen übrig: Wie hoch muß wohl der Rang dessen sein, der ein so herrliches Gut und so große Macht besitzt?«

Als Abul Hasan dies aus dem Munde Alis hörte, antwortete er ihm: »Wisse, daß auch mir die ganze Sache ein Geheimnis ist; doch werden wir bald die Wahrheit entdecken. Es wird nicht lange dauern, so sind wir am Ziel und das Geheimnis wird sich dir lösen.« Während sie so das Schönste und Üppigste sahen und besprachen, erschien eine Sklavin und befahl den Mädchen, welche auf den Stühlen saßen, zu singen; eine von ihnen stimmte ihre Laute und sang:

»Ehe ich noch die Liebe kannte, ward ich unversehens an ihn gefesselt, und das Feuer der Trennung glühte mir in meiner Brust und in meinem Herzen; auch gegen meinen Willen enthüllten meine Tränen jedermann mein Geheimnis.«

Ali rief aus: »Sehr schön!« Die Sklavin sang weiter:

»Mit der entferntesten Hoffnung neige ich mich liebend zu dir. Doch was helfen den Liebenden Sehnsuchtsseufzer, deren kältester ein Feuerbrand ist?«

Der Jüngling seufzte tief und sagte: »O Mädchen, du hast ausgezeichnet wahr und schön gesungen!« Er wiederholte dann die Verse und bat sie, weiter zu singen. Da sprach sie:

»O du, zu dem meine Liebe immer wächst, bemächtige dich meines Herzens, wie du willst; lösche durch deine Nähe die Flamme eines Herzens, das Entfernung und Trennung zerfließen machte. Nimm, was du willst, an Schuld und Lohn: mir bleibt doch kein anderer Lohn, als der Märtyrertod.«

Ali weinte aufs neue und wiederholte die Verse. Auf einmal erhoben sich alle Mädchen, stimmten ihre Instrumente und sangen im Chor folgende Verse:

»Gott ist groß! Nun ist der Vollmond aufgegangen und vereint ist die Geliebte mit dem sie so innig Liebenden. Wer hat je die Sonne und den leuchtenden Vollmond im Garten der Ewigkeit oder in der Welt beisammen gesehen?«

Ali und Abul Hasan blickten überrascht auf die Mädchen, doch vergrößerte sich ihre Überraschung, als sie die Sklavin, die bei Abul Hasan im Laden war, und sie hierher gebracht hatte, an dem Ende des Gartens erblickten; ihr folgten zehn Sklavinnen, welche einen großen, aus gediegenem Silber gegossenen Thron trugen, diesen stellten sie zwischen die Bäume und sich selbst hinter ihn. Nach ihnen kamen 20 Mädchen wie der Vollmond, mit mancherlei Instrumenten in den Händen, und in Kleidern, die von Juwelen und Perlen strahlten; sie sangen alle zusammen, als hätten sie nur eine Stimme, bis sie den Thron erreichten; hier stellten sie sich zu beiden Seiten auf, ohne das Spiel zu unterbrechen.

Sie waren so ausgezeichnet in ihrer Kunst, daß es Ali und Abul Hasan vorkam, als wenn sich der ganze Palast mit ihnen bewege. Es kamen dann noch andere zehn Mädchen, deren Schönheit unmöglich zu beschreiben ist; ihre Kleider und Juwelen wetteiferten mit ihrer Schönheit. Diese blieben an der Tür stehen, dann kamen noch zehn, die den vorigen ganz ähnlich waren, und in ihrer Mitte Schems Annahar.

Diese strahlte unter anderen Mädchen wie die Sonne unter den Wolken hervor. Sie trug lange Locken und hatte einen blauen, goldgestickten Mantel umgeworfen, der wohl erraten ließ, welche kostbaren Kleider und Juwelen darunter verborgen sein müßten; sie ging langsamen Schrittes majestätisch einher, bis sie den Thron erreichte, auf den sie sich setzte.

Ali konnte sie nun näher betrachten, sah dann den Spezereihändler an, biß sich auf die Finger, daß sie beinahe vom Gelenk fielen, und sagte: »Nachdem man so etwas gesehen, hilft alles Erzählen nichts mehr, und wenn man Überzeugung hat, schwindet der Zweifel!« Er sprach dann folgende Verse:

»Hier ist der Anfang meines Elends, hier beginnt mein langdauernder Gram und mein Liebesschmerz. Nach diesem Anblick kann mein Herz keinen Augenblick mehr seine frühere Ruhe behaupten. O Seele, beim allmächtigen Gott! sage diesem durch Liebespein geschwächten Körper Lebewohl und verlasse mich in Frieden!«

Er sagte dann zu dem Spezereihändler: »Du hast mir keine Wohltat erzeigt: hättest du mir vorher etwas von diesen Herrlichkeiten gesagt, ich würde mein Herz darauf vorbereitet und gestärkt haben, daß es die Geduld nicht verliere.« Er fing dann an zu weinen; seine Augen füllten sich mit Tränen wie ein See, und er blieb wie ein Wahnsinniger vor ihm stehen. Da sagte der Spezereihändler zu ihm: »Ich habe nur Gutes mit dir beabsichtigt; ich fürchtete, dir die Wahrheit zu sagen, weil du sonst vor allzu großer Liebe und Sehnsucht verhindert werden konntest, dich mit ihr zu vereinigen und sie zu sehen, Sei aber standhaft, mache dir Mut, sei frohen Herzens und nicht verzagt, sie wird dir bald entgegenkommen.« Ali fragte dann: »Nun, wer ist sie denn?« Der Spezereihändler antwortete: »Es ist Schems Annahar, die Sklavin des Raschid, und der Ort, in dem du dich aufhältst, ist sein neuer Palast, der unter dem Namen »Palast der ewigen Freuden« bekannt ist. Ich habe viel List anwenden müssen, bis ich euch hier vereinigte. Nun möge Gott ein gutes Ende herbeiführen!« Ali blieb ganz betroffen, dann sagte er zu Abul Hasan: »Wisse, daß die Vorsicht vor allem gebietet, sein Leben zu schonen und die Erhaltung desselben im Auge zu haben. Du hast mir nun mein Leben geraubt, sei es durch eine gewaltsame Liebe oder durch die Hand des mächtigen Sultans.« Er schwieg dann, das Mädchen aber blickte zu ihm nach dem Fenster der Kuppel hinauf, und in ihren Blicken lag Liebe und Schmerz; auch er drückte mit seinen Augen und Mienen seine Liebe aus, und so sprach die Zunge der Liebe zwischen ihnen, obschon sie beide schwiegen, und enthüllte ihnen gegenseitig das Innerste ihres Herzens. Nachdem sie so einander eine Weile betrachtet hatten, befahl Schems Annahar der ersten Mädchenreihe, welche die Laute spielte, sich auf ihre Stühle zu setzen. Sie ließ dann durch Sklavinnen Stühle unter die Fenster der Kuppel, an denen Ali und der Spezereihändler sich befanden, bringen und befahl den Mädchen, die mit ihr herauskamen, sich auf diese Stühle zu setzen. Als sie saßen, winkte sie einer derselben und befahl ihr zu singen; diese stimmte ihre Laute und sang folgende Verse:

»Der Geliebte neigte sich zur Geliebten hin, und die Liebe machte aus beiden Herzen ein Einziges.«

»Sie stehen am Meer der Liebe, es ist ein süßes Meer, darum mache reichen Vorrat. Als sie da standen und Tränen über ihre Wangen flossen, sagten sie: die Schuld liegt nicht am Geschick, sondern an dem, der an diesem Meer vorübergeht.«

Sie sangen dabei auf eine Weise, daß der Gefühlvolle entzückt und der Kranke geheilt werden mußte. Ali war tief gerührt, wandte sich zu einem der Mädchen und bat sie, folgende Verse zu singen:

»Wegen der großen Entfernung, o Geliebte! haben meine Augen nur Tränen geerbt. O Freude und Glück meiner Augen! o du Ziel meiner Wünsche und meines Glaubens! habe Mitleid mit dem Betrübten und Verzweifelten, dessen Augen in seinen Tränen untergehen, dessen Liebe sein Innerstes füllt, so lang es Sehnsucht und Seufzer gibt.«

Als das Mädchen nach Ali‘s Wunsche diese Verse in einem zärtlichen Ton gesungen, wandte sich Schems Annahar zu einer anderen und hieß diese folgende Verse singen:

»Ich seufze nach dem, der gewiß auch seufzen würde, wenn er, wie ich, liebeskrank wäre; nach dem, den ein Teil meiner Sehnsucht schon seines Verstandes berauben würde. Dem barmherzigen Gott will ich klagen und keinem andern, daß mein Herz nicht besitzen kann, was es allein wünscht. Kein Mensch und kein Engel würde meine Leiden ertragen können.«

Das Mädchen sang diese Verse sehr schön mit einer zarten Stimme. Der junge Mann bat dann wieder eine andere, folgende Verse zu singen:

»Er sah deine beiden Augen und seufzte; es drückte ihn die schöne Geduld, er schmachtete und wurde liebeskrank; unter allen Menschen verlangt er nur nach dir.«

Als das Mädchen diese Verse mit vieler Kunst gesungen, seufzte Schems Annahar und sagte dem ihr am nächsten sitzenden Mädchen: Singe folgende Verse:

»Wenn du meine Seufzer nicht hörst, so weißt du nicht, was Mitleid ist. Bei deiner Liebe, bald ist meine Geduld zu Ende, und wie lang werde ich wohl noch Geduld haben müssen.«

Das Mädchen sang, und die beiden Liebenden schwammen in Entzücken und bewiesen sich gegenseitig die heißeste Liebe. Ali bat zuletzt noch einmal ein Mädchen, das in seiner Nähe saß, folgende Verse zu singen:

»Die Zeit der Vereinigung wird zu eng nach dieser Verstellung (Verheimlichung der Liebe in der Tat). Ihr seid ja so schön, und Schönheiten pflegen doch nicht, sich lange entfernt zu halten.«

Während das Mädchen dies sang, vergoß er viele Tränen und seufzte ununterbrochen. Als Schems Annahar diese Verse hörte und seine Tränen sah, konnte sie sich nicht mehr länger zurückhalten; sie stand auf, um nach dem Saal zu gehen. Ali ging ihr bis zur Tür entgegen und streckte seine Arme nach ihr aus: sie umarmten sich an der Tür: wer noch niemals sah, wie die Sonne den Mond umarmte, sah nie zwei schönere Menschen beisammen, als diese beiden! Ihre Kraft verließ sie endlich, sie fingen an zu wanken; alle Mädchen umgaben sie und legten sie auf die Polster im Saal, sie brachten Rosenwasser und Moschuspulver und bespritzten sie damit, bis sie wieder zu sich kamen und so schön und blühend waren, wie zuvor. Schems Annahar wandte sich dann zur Rechten und zur Linken, und suchte den Spezereihändler, der sich hinter den Mädchen verborgen hatte. Als sie nach ihm fragte und er hervortrat, grüßte sie ihn und hieß ihn willkommen und dankte vielmal und sagte ihm: »Deine Güte gegen mich hat den höchsten Gipfel erreicht, ich weiß nicht, wie ich dich belohnen soll; du stehst niemand nach, wenn es sich darum handelt, als Mann eine schöne Tat zu vollbringen.« Er ward so schamrot, daß er den Kopf zur Erde neigte. Sie sagte dann zu Ali: »Mein Herr, wenn auch deine Liebe den höchsten Gipfel erreicht hat, so ist doch gewiß die meinige nicht geringer! Es bleibt nichts übrig, als auf Gottes Ratschlüsse zu vertrauen und bei seinen Versuchungen standhaft zu bleiben.« Ali antwortete: »O meine Gebieterin! meine Vereinigung mit dir und dein Anblick können das Feuer der Sehnsucht in mir nicht löschen und das, was ich empfinde, nicht vertreiben; ich wiederhole, was ich schon gesagt habe: daß ich nur mit dem Tode aufhören werde, dich zu lieben; nur wenn mein Herz vergeht, wird auch meine Liebe vergehen.« So weinten dann beide und es flossen die Tränen wie zerstreute Perlen über ihre Wangen, die dadurch einer mit Regentropfen behängten Rose glichen. Abul Hasan sagte dann: »Eure Lage ist zart und euer Zustand wunderbar; wenn ihr in der Nähe schon so seid, was wollt ihr in der Entfernung beginnen? Seid munter und verscheucht den Kummer! Liebende müssen ihre Zeit, wie eine Beute, schnell benützen.« Sie hörten auf zu weinen, und Schems Annahar machte der ersten Sklavin ein Zeichen: diese ging schnell weg und kam mit zwei Sklavinnen wieder, die ein silbernes Tischchen trugen, das sie vor Ali und den Spezereihändler setzten. Schems Annahar ging auf sie zu und sagte: »Nach einer solchen Unterredung darf man wohl durch fröhlichen Scherz sich erheitern.« Sie setzten sich dann zu Tische, und Schems Annahar fing an zu essen und dem Ali Speisen vorzulegen, während er ihr manchen Bissen in den Mund schob. Als sie genug gegessen hatten, ward der Tisch weggetragen; man brachte dann ein silbernes Waschbecken mit einer goldenen Kanne, sie wuschen ihre Hände und gingen wieder auf ihren Platz. Schems Annahar winkte wieder einer Sklavin; diese blieb eine Weile weg, kam dann mit drei Sklaven zurück, welche drei goldene Platten brachten; auf jeder derselben war ein Trinkgefäß aus Kristall, mit Gold verziert und mit köstlichem Wein gefüllt. Es war jedem eine Platte vorgestellt. Hierauf befahl Schems Annahar zehn Sklavinnen, sich an unsere Seite zu stellen, auch ließ sie zehn Sängerinnen kommen; alle übrigen mußten sich entfernen. Sie nahm dann einen Becher, füllte ihn und ließ ein Mädchen folgende Verse singen:

»Ich gebe mein Leben hin für den, der meinen Gruß lachend erwidert, und nach der Verzweiflung mir wieder Luft zur Vereinigung gegeben. Sobald er erscheint, entdeckt die Sehnsucht meine Geheimnisse, und zeigt denen, die mich tadeln, was ich im Herzen trage; die Tränen meiner Augen bilden eine Scheidewand zwischen mir und dem Geliebten, als wenn die Tränen ihn eben so liebten, wie ich!«

Sie trank den Becher aus, füllte einen anderen mit Wein und reichte ihn ihrem geliebten Ali. Er nahm ihn und bat eine Sklavin, folgende Verse zu singen:

»Wie dieser Wein, fließen auch meine Tränen; was meine Augen vergießen (blutige Tränen) gleicht dem, was der Kelch enthält. Ich weiß wirklich nicht, ob meine Augen Wein vergießen, oder ob ich meine Tränen getrunken.«

Der junge Mann trank, und Schems Annahar füllte einen dritten Becher und reichte ihn Abul Hasan; dieser nahm ihn an, und sie ergriff eine Laute von einem der Mädchen und sagte: »Ich werde zu diesem Becher singen; es ist das wenigste, was ich für dich tun kann.« Sie sang dann folgende Verse:

»Die wunderbaren Tränen zittern auf seinen Wangen und das Feuer der Liebe brennt in seiner Brust. Wenn die Freunde nahe sind, weint er aus Furcht vor ihrer Entfernung, so daß Tränen fließen, sie mögen nahe oder ferne sein.«

Die zwei Liebenden schwebten in Entzücken. Sie sang mit so vieler Kunst und mit solch himmlischer Stimme, daß Ali einem Vogel glich, dem man seine Flügel geraubt, so schön harmonierte ihr Gesang mit ihrem Spiele. Als sie so eine Weile beisammen waren, kam eine Sklavin gleich einer Biene herbeigeflogen, zitterte dabei wie die Spitze eines Dattelbaums und rief: »O meine Gebieterin! die Diener des Fürsten der Gläubigen sind an der Tür mit Masrur, Afif und Wasif.« Alle sanken fast in den Boden vor Schrecken und vor Furcht; der Mond ihrer Freuden verdüsterte sich und die Sterne ihrer Wonne gingen unter; sie fürchteten, es möchte schon alles entdeckt sein.

Schems Annahar lachte über die Furcht Alis und Hasans, und sagte zu ihrer Sklavin: »Halte sie ein wenig zurück, daß sie nichts merken!« Wiewohl ungern stand sie auf, ließ die Kuppel und den Saal schließen und die Vorhänge an den Fenstern herunterrollen, ging hinunter in den Garten, und die beiden, Ali und der Spezereihändler, blieben, wo sie bisher waren. Schems Annahar ließ die Stühle wegbringen, setzte sich auf ihren Stuhl und ließ sich durch eine Sklavin ihre Füße kneifen und gab endlich die Erlaubnis, die Angemeldeten näherkommen zu lassen. Diese erschienen, von zwanzig Dienern begleitet, im schönsten Aufzug, die Schwerter an einem goldenen Gürtel an ihrer Seite, sie brachten ihr den schuldigen Gruß, sie erwiderte ihn und kam ihnen freundlich und ehrerbietig entgegen. Sie fragte dann Masrur, was er neues bringe, und dieser antwortete: »Der Fürst der Gläubigen grüßt dich, läßt sich nach deinem Wohl erkundigen und dir seine Sehnsucht anzeigen. Er wird heute einen fröhlichen Tag zubringen und wünscht ihn diese Nacht mit dir zu beschließen; bereite dich daher zu seiner Ankunft vor und laß deinen Palast ausschmücken.« Sie antwortete: »Ich gehorche Gott und dem Fürsten der Gläubigen!« Sie ließ dann durch ein Mädchen ihre Haussklavinnen rufen, und als diese kamen, verteilte sie solche in den Garten und den Palast, um den Leuten zu zeigen, daß sie, wie ihr befohlen, Vorkehrungen treffen lasse. Im Palast fehlte nichts an Teppichen und an anderen Ausschmückungen. Sie sagte dann den Dienern: »Geht nun mit Gottes Schutz und Vertrauen! Berichtet dem Fürsten der Gläubigen, was ihr gesehen, und sagt ihm, er solle nur ein wenig verziehen, bis sein Zimmer und sein Lager in Ordnung gebracht seien.« Die Diener gingen fort, Schems Annahar aber kehrte zu ihrem Geliebten und seinem Freunde zurück, die wie Vögelchen vor Angst zitterten. Sie drückte Ali fest an sich, weinte dabei heftig und sagte: »O mein Herr, dieser Abschied wird meinen Tod herbeiführen! Gott gebe mir Geduld, bis ich dich wiedersehe, oder er nehme mir das Leben nach deiner Entfernung!« Sie setzte hinzu: »Was dich betrifft, so wirst du unversehrt und ungesehen von hier wegkommen; du kannst leicht deinen Liebesgram verbergen, so daß dich niemand durchschaut! Aber ich gehe meinem Unheil und meinem bösen Geschick entgegen. Der Kalif wird wohl merken, daß ich, aus Gram über deine Trennung, nicht wie sonst gegen ihn bin. Mit welcher Stimme soll ich vor ihm singen, mit welchem Herzen bei ihm sein, mit welcher Kraft ihn bedienen, mit welchem Witze ihn und die, welche er mitbringt, unterhalten und zufriedenstellen?« Abul Hasan sagte ihr:

»Ich beschwöre dich, dich in Geduld zu fassen und dir diese Nacht so viel Mut als möglich zu machen, Gott wird in seiner Güte euch wieder vereinen.« Während sie so sprachen, kam eine Sklavin und fragte: »O meine Gebieterin, die Diener sind schon wieder zurück und du bist noch hier?« Sie sagte: »Wehe dir! eile und bringe diese beiden schnell in das Sommerhaus, das in den Garten geht, und wenn es dunkel wird, so sorge dafür, daß sie wegkommen!« Die Sklavin sprach: »Ich werde pünktlich gehorchen.« Schems Annahar sagte ihnen dann Lebewohl und verließ sie in Verzweiflung. Die Sklavin nahm hierauf die beiden, brachte sie in das Sommerhaus, das von der einen Seite in den Garten und von der anderen nach dem Tigris hinausgeht, ließ sie dort niedersitzen, schloß die Tür und ging fort.

Schehersad erzählte weiter: Als die Sklavin sie in das Sommerhaus gebracht, ging sie weg. Abul Hasan und Ali blieben allein; es ward schon Nacht und sie wußten nicht, was aus ihnen werden sollte und wie sie gerettet werden könnten. Als sie nach dem Garten hinabblickten, sahen sie mehr als hundert Diener, wie Hochzeiter in den schönsten Farben gekleidet, jeden mit einem goldenen Gürtel, an dem ein Schwert hing. Ihnen folgten mehr als hundert Sklaven, mit weißen Wachskerzen in der Hand. In ihrer Mitte war der Kalif Raschid zwischen Masrur und Wafif, vor Trunkenheit hin und her schwankend. Hinter ihm kamen zwanzig Sklavinnen mit Wachskerzen, kostbar gekleidet; Juwelen glänzten an ihrem Hals und bedeckten ihren Kopfputz. Andere auf ihren Lauten spielende Sklavinnen, an deren Spitze Schems Annahar ging, kamen diesen zwischen den Bäumen entgegen. Schems Annahar küßte die Erde vor dem Kalifen Raschid, und dieser hieß sie willkommen, indem er ihr ein angenehmes Leben und ein freudiges Herz wünschte; er stützte sich auf ihren Arm und ging bis zum silbernen Thron, auf den er sich setzte. Schems Annahar ließ dann die Stühle an der Seite des Teichs aufstellen, und der Kalif befahl den Sklavinnen, welche mit ihm gekommen waren, sich darauf zu setzen. Als alle Platz genommen, setzte sich Schems Annahar ihm gegenüber. Er sah sich eine Weile im Garten um und ließ dann die Fenster der Kuppel öffnen. Er war zur Rechten und zur Linken von so vielen Lichtern umgeben, daß die Nacht zum Tag und die Finsternis in Glanz verwandelt ward. Die Diener holten dann die Trinkgefäße herbei. Ich erblickte hier eine Pracht von Edelsteinen, erzählt uns Abul Hasan, der Spezereihändler, was mir nie die glühendste Phantasie gezeigt hatte. Mir war‘s, als wenn ich träumte. Ali war ganz verwirrt von dem Glanz, den er sah. Seine Bewegungen waren matt, er schaute mit gebrochenen Augen umher, sein Herz war krank und zerrissen. Abul Hasan sagte zu ihm: »Siehst du den König?« Er antwortete: »Ja, und damit unser Unglück! Uns rettet nichts mehr vom Untergang. Doch mich töten vor allem die Liebe, die sich meiner bemächtigt, die Trennung nach der Vereinigung, die Furcht, die Gefahr unseres Aufenthalts, die Schwierigkeit der Rettung. Gott allein muß ich um Hilfe anflehen in meinem Zustand.« Abul Hasan antwortete: »Nur Geduld kann helfen, bis Gott deinen Kummer mildert.« Er sah dann wieder nach dem Kalifen hin, wie dieser sich eben zu einer der Sklavinnen von seinem Gefolge wandte und ihr zu singen befahl. Diese spielte auf ihrer Laute und sang dabei folgende Verse:

»Hätte man je Wangen gesehen, die von den herunterrieselnden Tränen grünten, so würden die meinigen Grünes hervorbringen. Obschon ich nur Tränen weine, ist es mir doch, als ob mit ihnen alle meine Lebensgeister schwänden! Und weil ich nirgends mehr Ruhe finden kann, rief ich schon dem Tode: sei mir willkommen.«

Die beiden im Sommerhaus sahen auf Schems Annahar, die bei diesen Versen zu zittern begann und auf ihrem Stuhl im Ohnmacht fiel. Die Sklavinnen sprangen ihr bei und trugen sie weg. Ali wandte kein Auge von ihr ab. Als der Spezereihändler ihn ansah, lag auch er in Ohnmacht auf seinem Gesicht, mit starren Gliedern. Abul Hasan sagte dann: »Das Schicksal hat gut gegen diese beiden gehandelt, indem es sie gleichgestellt hat.« Es überfiel ihn aber bald darauf eine große Angst; auch kam jetzt eine Sklavin und rief: »Steht auf, die Welt wird uns zu eng; ich fürchte, die heutige Nacht wird unsere Auferstehungsnacht werden!« Der Spezereihändler erwiderte ihr: »Wie kann man mit dem jungen Manne in diesem Zustand aufstehen?« Sie begoß Ali hierauf mit Rosenwasser und rieb ihm seine Hände, bis er zu sich kam. Sein Freund, der Spezereihändler, sagte zu ihm: »Erwache schnell, ehe du untergehst, und auch uns mit ins Verderben stürzest!« Sie trugen ihn dann vom Sommerhäuschen weg; die Sklavin öffnete eine kleine eiserne Tür, die auf einen Kanal führte, dann klatschte sie in die Hände, und es kam ein Boot mit einem Ruderer herbei; dieses bestiegen Ali und der Spezereihändler nebst der Sklavin. Der liebende Jüngling streckte die eine Hand nach dem Schlosse aus, legte die andere auf sein Herz und sprach mit schwacher Stimme folgende Verse:

»Ich strecke zum Abschied eine schwache Hand aus, und legte die andere auf die Glut, die in meinem Herzen brennt. Möge doch diese Zusammenkunft mit euch nicht die letzte sein, und dieser Genuß eurer Reize nicht der einzige bleiben!«

Der Schiffer ruderte mit den dreien rasch davon.

Als sie über den Strom gesetzt und ans Land gestiegen waren, sagte die Sklavin zu den anderen: »Ich kann nicht länger mit euch gehen und muß euch jetzt verlassen.« Ali war also Hasan allein überlassen, jener war noch so schwach, daß er sich kaum bewegen konnte. Dieser wiederholte immer: »Wir werden verderben, wir sind hier nicht sicher vor den Vorüberwandelnden, welche uns bemerken werden.« Er peinigte mit solchen Vorwürfen noch lange den Jüngling; endlich ermannte er sich, doch gelang es ihm kaum, weiter zu schreiten. Der Spezereihändler hatte aber in jener Gegend mehrere Freunde; zu einem von diesen, dem er vertrauen konnte und bei dem er sich sicher fühlte, lenkte er seine Schritte. Er klopfte an einer Türe, der Herr des Hauses erschien sogleich und freute sich, wie er Abul Hasan erkannte. Er brachte die beiden in seine Wohnung, und als sie auf den Polstern ruhten, fragte er sie, woher sie in so später Stunde kämen. Der Spezereihändler antwortete: »Ich hatte mit jemanden ein Geschäft, von dem ich gehört hatte, daß er nach meinem Vermögen lüstern wäre. Da ich in der Nacht zu ihm gehen mußte, nahm ich diesen Herren – er deutete dabei auf Ali – mit mir, aus Furcht vor Überlistung. Da wurde diesem Herren unwohl, und ich wußte im Augenblick nicht wohin mit ihm: wir nahmen daher unsern Weg zu dir, um uns bei dir zu erholen.« Der Mann erzeigte ihnen hierauf alle Ehre und ließ sie trefflich bedienen. Sie blieben die ganze Nacht bei ihm. Als der Morgen anbrach, verließen sie das gastliche Haus und gingen an den Fluß; sie mieteten ein Boot, um über den Strom zu setzen und sich nach Hause zu begeben. Ali folgte dem Spezereihändler in sein Haus; hier warf ihn Liebe, Verdruß und Mattigkeit darnieder. Nach einer guten Weile erwachte er; inzwischen ließ jener das Haus in Ordnung bringen, um Ali zu ergötzen und aufzuheitern; denn er sagte zu sich: Ich weiß ja alles, was mit ihm und seiner Geliebten vorgeht, und wie sehr diese Trennung ihn schmerzt! Dann lobte er Gott für seine Rettung aus der Gefahr, in der er geschwebt hatte, und gab Almosen für diese Huld. Zu dem erwachten Ali sagte er aber: »Sei guten Muts!« Ali antwortete: »Tu, was du für gut findest, ich widersetze mich dir nicht.« Der Spezereihändler ließ dann seine Knaben und Freunde kommen, auch bestellte er Sängerinnen; so kam der Abend heran, da wurden Wachskerzen angezündet und man lebte lustig und guter Dinge. Als aber die Sängerinnen Verse sangen, fiel Ali aufs neue in Ohnmacht, bis die Morgenröte heranbrach; da kam er wieder zu sich, nachdem alle die Hoffnung verloren hatten, ihn wieder am Leben zu sehen. Ali wünschte dann nach Hause zu gehen, und der Spezereihändler wollte seinen Wünschen nicht widersprechen, aus Furcht von den unglücklichen Folgen. Seine Knaben brachten ihm sein Maultier, das er bestieg, und sein Freund folgte ihm. Als dieser ihn ruhig in seinem Hause sah, lobte er den erhabenen Gott und pries seinen Namen! Er fuhr dann fort, Ali zu trösten, aber dieser war seiner selbst nicht mehr Herr: er wandte ihm weder Herz noch Ohren zu. Dann nahm Abul Hasan Abschied von ihm.

Als er weggehen wollte, sagte Ali zu ihm: »O mein Freund! hast du keine Nachricht von meiner Geliebten? Du hast gesehen, in welchem Zustand sie war, als wir den Garten verließen, wir müssen uns doch nach ihr erkundigen.« Abul Hasan antwortete: »Ihre Sklavin wird gewiß zu uns kommen und Nachricht von ihr bringen.« Er verließ endlich Ali und ging in seinen Laden, wo er auf eine Botschaft wartete; aber die Sklavin kam nicht. Er brachte die Nacht zu Hause zu. Nach der Morgenabwaschung ging er in die Wohnung Alis, den er in seinem Bette fand; viele Leute besuchten diesen und umringten sein Lager; auch Ärzte waren darunter, von denen jeder ein anderes Mittel zur Heilung anordnete. Als Ali Abul Hasan sah, neigte er sich zu ihm, hieß ihn willkommen und lächelte ein wenig. Abul Hasan näherte sich ihm ehrerbietig und erkundigte sich nach seinem Befinden, fragte ihn, wie er die Nacht zugebracht, und setzte sich zu ihm, bis die vielen Leute sich entfernt hatten. Da frug er ihn, was dieser Zustand bedeute? Ali antwortete: »Meine Diener haben ausgesagt, ich wäre krank und kraftlos; da ich, wie du wohl siehst, zu Hause blieb, kamen die Leute, mich zu besuchen, und ich konnte sie doch nicht fortschaffen. Jetzt sage mir, hast du die Sklavin gesehen?« Abul Hasan verneinte, doch machte er ihm Hoffnung, im Laufe des Tages sie noch zu sehen. Ali fing heftig zu weinen an, und sprach folgende Verse:

»Ich habe meine Liebe verborgen, bis sie zur höchsten Flamme entglüht; nun haben meine Tränen offenbart, was ich sorgfältig verheimlicht. Als ich aber sah, wie meine Tränen meine Liebe laut verkündet haben, gab auch ich jede Scham auf, denn Offenheit ist noch das Beste. Nun enthülle ich vollends, was meine Tränen verborgen ließen, und doch ist das, was ich gar nicht aussprechen kann, das Größte und Höchste.«

Er sagte dann: »Mein Schicksal hat mich in ein Unglück gestürzt, das ich wohl hätte umgehen können; ich sehe nicht, wie ich dem Tode entrinnen kann; ich finde keine Ruhe mehr, um die Todesschmerzen zu mildern, keine Freude mehr, meinen Kummer zu lindern.« Abul Hasan sagte ihm: »Vertraue Gott, er wird dich heilen! Du bist nicht der erste noch der einzige, dem so etwas widerfährt.« So unterhielten sie sich noch eine Weile, dann verließ ihn Abul Hasan, um auf den Bazar zu gehen und seinen Laden zu öffnen; ehe er noch recht fertig damit war, kam die Sklavin und grüßte ihn; aber ihre Schönheit war verschwunden und ihr Herz gebrochen. Er fragte sie nach ihrer Herrin, nachdem er sie bei sich willkommen geheißen und ihr erzählt hatte, wie es ihm und seinem Freunde bis jetzt gegangen. Die Sklavin hörte ihn mit Erstaunen an und sagte: »Meine Herrin befindet sich auch in dem schrecklichsten Zustand. Sobald ihr weggegangen wart, und ich mit pochendem Herzen an eurer Rettung zweifelte, kehrte ich wieder in die Kuppel zurück, wo ich meine Herrin auf dem Boden liegend fand, ohne daß sie jemand erkannte, noch auf das hörte, was man zu ihr sprach. Der Fürst der Gläubigen saß ihr zu Häupten, doch konnte niemand Nachricht von dem geben, was sie so peinigte; und so wußte er nicht, was er daraus machen sollte. Sie blieb bis Mitternacht in diesem Zustand. Die Diener umgaben sie von allen Seiten; die einen freuten sich, die anderen weinten über sie. Endlich erwachte sie und stand auf. Arraschid fragte sie, was ihr fehle, als sie seine Stimme vernahm, küßte sie seine Füße und sagte: O Fürst der Gläubigen! Gott nehme mein Leben für das deinige hin! Mir ist infolge einer Indigestion unwohl geworden, und mir war, als brenne ein Feuer in meinem Körper; ich fiel vor Schmerzen in Ohnmacht und wußte nicht mehr, wo ich war. Der Kalif fragte sie dann: Was hast du den Tag über getan? Sie erzählte ihm gerade das Gegenteil von dem, was sie getan, stellte sich wieder krank, forderte Wein und trank ihn; dann bat sie den Fürsten der Gläubigen, daß die unterbrochenen Lustbarkeiten wieder beginnen sollten. Als er wieder seinen Platz eingenommen und ihr befohlen hatte, sich in der Kuppel niederzulassen und keine Unruhe mehr zeigte, ging ich zu ihr hinein; sie fragte mich nach euch, und ich erzählte ihr, was aus euch geworden, und wiederholte ihr die Verse Alis; sie weinte, und eine Sklavin mit Namen Lihazuluschak (Blick der Liebenden) sang folgende Verse:

»Bei meinem Leben! nach der Trennung von euch ist das Leben mir nicht mehr süß. O wüßte ich doch, wie ihr nach mir leben werdet! Es ziemt mir wohl, nach eurem Verlust Blut zu weinen, wenn ihr meinetwillen Tränen geweint.

Sie verfiel dann wieder in ihren früheren Zustand; vergebens rüttelte ich sie hin und her. Ich zog sie an den Füßen und spritzte Rosenwasser auf ihr Gesicht, bis sie erwachte. Ich sagte ihr: Du wirst dich diese Nacht in das Verderben stürzen, samt allen, die in deinem Hause sind. Bei dem Leben deines Geliebten! sei mutig und fasse Geduld, und stündest du auch auf den Kohlen des Ghadha. Sie antwortete: Kann ich dabei mehr als sterben? Nur im Tode finde ich bei diesem Zustand Ruhe.« Während wir so sprachen, sang ein anderes Mädchen, mit Namen Falakulmahdjur (die Morgenröte des Getrennten) folgende Verse:

»Man sagt: vielleicht bringt Geduld zuletzt Ruhe; aber ich erwidere: wie ist nach der Trennung von ihm Geduld möglich? Er hat bei der letzten Umarmung ein festes Bündnis mit mir geschlossen, die Bande der Geduld zu zerreißen.«

Sie fiel wieder in Ohnmacht. Der Fürst der Gläubigen lief erschrocken auf sie zu; als er sie sah, bemerkte er, daß ihre Seele sich von ihr trennen wolle; er ließ den Wein wegtragen und befahl den Mädchen, in ihren Harem zurückzukehren, er aber blieb die ganze Nacht bei ihr. Am Morgen kam sie erst wieder zu sich; da ließ der Fürst der Gläubigen Ärzte rufen und befahl ihnen, sie zu pflegen, und merkte nicht, daß sie liebeskrank ist. Er blieb bei ihr, bis er sie wieder für gestärkter hielt, und kehrte dann mit beunruhigtem Herzen wegen ihrer Krankheit in seinen Palast zurück, ließ aber viele Diener bei ihr. Sie war jedoch kaum allein, so befahl sie mir zu dir zu gehen, um mich nach meinem Herrn Ali, Sohn des Bekar, zu erkundigen.«

Als Abul Hasan die Rede der Sklavin hörte, sagte er ihr: »Ich habe dir schon erzählt, wie es ihm geht; grüße sie also, bemühe dich, sie zu überreden, ihren Zustand zu verbergen; ich aber werde Ali von allem, was du mir gesagt, benachrichtigen.« Sie dankte Abul Hasan, sagte ihm Lebewohl und ging. Abul Hasan verbrachte den Rest des Tages mit Kaufen und Verkaufen, ging dann zu Ali und fand ihn noch ebenso, wie er ihn verlassen hatte; er starrte ihn an, hieß ihn willkommen und sagte: »Mein Herr! ich habe nichts getan zu deiner Erleichterung, und doch habe ich dir eine so schwere Last aufgebürdet, daß mein ganzes Leben bis zu meiner letzten Stunde dir dafür verpfändet bleibt.« Er antwortete ihm: »Genug davon; könnte ich mein Leben für das deinige hingeben, ich würde es gerne tun, und wäre es mir möglich, dich mit meinem Auge zu retten, ich würde es nicht schonen.« Abul Hasan erzählte ihm dann, daß das Mädchen gekommen, und was sie ihm alles berichtet. Dies tat Ali sehr weh; er jammerte, klagte und weinte, und sagte: »Was läßt sich da tun bei einer so wichtigen Angelegenheit?« Er bat dann Abul Hasan, bei ihm zu übernachten, was dieser auch annahm; er schlief aber sehr wenig, und als die Morgenröte leuchtete, verließ er Ali und ging wieder nach seinem Laden. Er wollte ihn eben öffnen, als er die Sklavin davor stehen sah; er ging auf sie zu, und sie winkte und grüßte ihn ehrerbietig. Sie war von ihrer Herrin gesandt, um sich nach dem Wohle Alis zu erkundigen. Abul Hasan tat eine gleiche Frage nach dem Wohl ihrer Herrin. Das Mädchen sagte: »Sie ist noch immer in dem gleichen Zustand, ja in noch schlimmerem. Ich habe hier einen Brief, den sie an Ali geschrieben; sie hat mir empfohlen, eine Antwort zurückzubringen, und überhaupt zu tun, was du mir befehlen würdest. Abul Hasan führte sie nun nach Alis Haus, trat aber zuerst allein ein und ließ die Sklavin außen stehen. Als Ali ihn sah, fragte er, was es neues gebe? Abul Hasan antwortete: »Gutes. Die Sklavin deines Freundes ist draußen; ihr Herr hat sie mit einem Briefchen zu dir geschickt, worin er seine Sehnsucht nach dir ausdrückt und sich entschuldigt, daß er dich noch nicht besucht habe; wenn du es ihr erlaubst, so wird sie vor dir erscheinen.« Er winkte ihm dabei mit dem Auge, und Ali sagte: »Gut, sie komme!« Als er das Mädchen sah, erkannte er sie, sein Herz pochte und freute sich, als sie zu ihm trat. Er fragte sie dann, ihr zunickend: »Wie befindet sich dein Herr? Gott schenkt ihm Gesundheit!« Sie nahm ihr Briefchen heraus und gab es ihm; er küßte es, ehe er es las, reichte es dann Abul Hasan, den seine Hand war so schwach, daß er sie kaum ausstrecken konnte. Abul Hasan öffnete dann das Briefchen und las darin folgende Verse:

»Was ich meinem Boten gesagt, wird dir meinen Zustand beschreiben. Begnüge dich mit dem, was er dir hinterbringt, statt mich zu sehen. Du hast ein Herz verlassen, das vor Sehnsucht und Liebesqual vergeht, und ein Auge, das nur mit Wachen vertraut ist. Sei geduldig im Unglück; niemand kann die Fügungen des Schicksals von sich abwehren. Sei frohen Mutes: denn bist du auch meinem Auge fern, wirst du doch nie aus meinem Herzen weichen: pflege deinen hinsiechenden Körper und nimm meine Spur als Leitung.«

Dann in Prosa folgendes: »Mein Herr! Wenn ich dir mit den Fingern schreibe, und mit der Zunge rede und meine Gedanken ausspreche, so muß ich dir sagen, daß ich von einem Herzen, von einem Geist und einem Körper spreche, welche nicht mehr wären, wenn ich nicht wünschte, dir zu zeigen, in welchen Zustand sie durch dich gekommen, denn mein Körper könnte dieses Ziel nicht erreichen, wäre nicht die Lust, dir die Sehnsucht zu beschreiben, die seit deiner Trennung mich peinigt. Wer mich sieht, bedarf meiner Schilderung nicht; doch, in kurzem, mein Zustand ist folgender: Ich habe ein Auge, das immer wacht; ein Herz, das immer nachdenkt; eine Brust, von der die Wehmut nicht scheidet; eine Seele, die immer phantasiert; Gedanken, die nur einen kranken Körper zur Wohnung haben und an einem seufzenden Herzen vorübergehen. Mir ist, als hätte ich nie Gesundheit gekannt und wäre immer krank gewesen, als hätte ich nie frisch ausgesehen und nie ein vergnügtes Leben genossen! O möchte ich doch nicht vergessen sein, und nur einem Klagenden klagen und nur gegen einen Weinenden weinen!«

»Möge Gott uns doch durch Wiedervereinigung erfreuen, er möge allen helfen, die wehklagen! Und nun, mein Herr und Gebieter! beglücke mich mit einer edlen Antwort: sie wird als mein Freund mir Gesellschaft leisten und als Vertrauter mich trösten. Sei nur fein geduldig, bis uns Gott Mittel zur Wiedervereinigung gibt. Grüße auch Abul Hasan.«

Diese Worte, die selbst ein leeres Herz mit Wehmut erfüllen konnten, wie vielmehr ein volles, rührten Abul Hasan so, daß, wenn er sich nicht gescheut, er alles entdeckt hätte; so aber mußte er die Wahrheit verbergen. Er sagte nur zu Ali: »Der Mann hat sehr schön und zierlich geschrieben, beeile dich also zu antworten.« Da sagte Ali mit schwacher Stimme. »Mit welcher Zunge soll ich sprechen und mit welcher Hand schreiben; meine Schwäche und mein Jammer nehmen immer zu.« Doch setzte er sich endlich und legte Papier vor sich und sagte zu seinem Freund: »Lege ihren Brief vor mich hin!« Er öffnete ihn dann, sah eine Weile hinein und schrieb wieder bis er fertig war; dann gab er das, was er geschrieben hatte, Abul Hasan und sagte: »Sieh es einmal durch und gib es dann der Sklavin.« Abul Hasan nahm es und las folgendes:

Am Namen Gottes, des Barmherzigen! Ich erhielt einen Liebesbrief vom Monde, der sein Licht in meine Augen goß. Dieser Brief wird immer schöner, je länger mein Auge auf ihm ruht, als wären seine Worte von Blumen zusammengestellt. Er hat einen Teil meiner Leiden erleichtert, die durch deinen Verlust so schwer auf mir lasten. Meine unbeschreibliche Liebe ist dir nicht verborgen, und mein ungeheuerer Kummer entgeht dir nicht. Mein Herz und mein Auge, jenes weint vor Liebesflammen und dieses zerfließt vor ewigem Wachen. Meine Tränen hören nicht auf zu fließen, und die Flamme meiner Sehnsucht erlischt nie. Bei meiner Liebe und meiner Hoffnung, ich habe nicht zu viel gesagt: Nach unserer Trennung habe ich meine Liebe nie mehr einem anderen Gegenstand zugewendet.«

»Dein Briefchen, o meine Gebieterin! ist mir zugekommen und hat meiner Seele Ruhe gebracht, die Gram und Liebesschmerz ermüdet haben; es hat ein Herz geheilt, das Sehnsucht und Liebe krank gemacht; es hat eine Zunge wieder zum Reden gebracht, die lange geschwiegen; es hat das düstere Nachdenken wieder in Fröhlichkeit verwandelt und wie ein grüner Garten das Auge erfreut. Als ich dessen Inhalt verstanden und seine Worte und seinen Sinn erwogen hatte, ward ich, je mehr ich darin las, desto inniger erfreut. Dann wiederholte ich oft dessen Sinn, der mir wieder entschlüpfte, und fand immer neue Gedanken darin. Dann ward mir die Trennung wieder schmerzlicher, meine Krankheit nahm wieder zu, meine Sehnsucht verdoppelte sich, meine Pein ward heftiger, die Liebe größer, bedrängter das Herz, die Sorgen mehrten sich, das Auge ward wachend, der Körper ermattet, die Hoffnung abgeschnitten, die Entfernung gewiß, die Brust umstrickt und der Verstand geraubt. Kurz, meine Lage ist so, daß meine Leiden noch alle meine Klagen übertreffen.«

»Meine Klagen ertönen nicht, den Schmerz zu löschen, sondern nur um von einer übermäßigen Sehnsucht zu überzeugen. Mein Herz bleibt durch die Trennung vernichtet, bis die Wiedervereinigung seinen Brand löschen und ihm volle Genesung bringen wird. Friede sei mit dir!«

Diese Worte drangen Abul Hasan ins Herz und ihr Sinn kostete ihm viele Tränen; erst als er zu müde war, hörte er auf zu weinen. Sein Herz ward gerührt und aufgeregt, und nur nach vieler Anstrengung beruhigte er sich wieder. Er gab den Brief der Sklavin; als sie ihn nahm, sagte ihr Ali: »Komm zu mir her!« Sie ging zu ihm, und er sagte ihr: »Sage deinem Herrn, daß ich wohl bin, daß ich aber liebeskrank, und daß die Sehnsucht mir Mark und Bein aufzehrt. Sage ihm, daß ich ein unglücklicher Mensch bin, den das Schicksal mit seinen Unfällen heimgesucht.« Seinen Worten folgten viele Tränen; Abul Hasan und die Sklavin weinten auch; dann nahm die Sklavin Abschied, ging gerührt und weinend fort. Abul Hasan begleitete sie eine Strecke Wegs und sagte ihr dann Lebewohl, weil er in seinen Laden ging. Als Abul Hasan wieder in seinem Laden saß, war sein Herz so aufgeregt, daß er anfing über das Schicksal der beiden Liebenden nachzudenken; er starb fast vor Kummer ihretwillen, denn er wußte nicht, ob es mit ihnen ein gutes Ende nehmen würde. Er blieb in diesem Zustand bis zum folgenden Tag, wo er wieder zu Ali ging. Da er, wie gewöhnlich, viele Leute bei ihm fand, wartete er, bis diese weggegangen. Er erkundigte sich dann nach seinem Befinden, und Ali fing zu klagen an. Abul Hasan sagte ihm: »Ich habe nie eine Liebe wie die deinige gesehen, noch von einer solchen gehört. Ein solcher Liebesschmerz und leidender Zustand finden sich gewöhnlich nur bei unerwiderter Liebe; da du aber von der, die du liebst, wieder geliebt wirst, was würdest du tun, wenn du ein Mädchen liebtest, die dir nicht hold wäre, oder an jemand dein Herz schenktest, das dich hinterginge? Wahrlich, wenn du in einem solchen Zustand verharrst, wird der Mond deines Geheimnisses sich verdüstern, und deine Liebe jedermann bekannt werden! Zerstreue dich doch! Steh‘ auf, besuche Gesellschaften, reite spazieren! Trage diese Sache mit Ergebung, und überlege sie mit Ernst!« Abul Hasans Rede machte Eindruck auf ihn; er dankte ihm dafür, und als Abul Hasan dies sah, verließ er ihn und ging wieder in seinen Laden. Nun aber hatte Abul Hasan einen Freund, der alle seine Angelegenheiten kannte, und dem selbst nicht das verborgen geblieben, was zwischen ihm und Ali vorgefallen war. Dieser kam nun zu Abul Hasan in den Laden und fragte ihn nach dem Mädchen; er täuschte ihn und sagte, sie sei krank, und weiter wüßte er nichts von ihr, das übrige wisse nur Gott. Er fuhr dann fort: ich habe gestern an mich selbst gedacht und will dir heute alles mitteilen. Du weißt, daß ich ein angesehener Mann bin, der mit den ersten Männern und Frauen viele Geschäfte macht. Da ich nun nicht sicher bin, das Verhältnis dieser beiden jungen Leute entdeckt zu sehen, was den Verlust meines Lebens und meines Vermögens nach sich ziehen würde, ja das Unglück meiner Kinder und meiner ganzen Familie ausmachte, da ich mich ferner jetzt nicht mehr von ihnen zurückziehen kann, nachdem ich einmal so weit gegangen, so habe ich mich entschlossen, meine Geschäfte hier zu ordnen, nach Baßrah zu gehen, dort zu bleiben und abzuwarten, wie es ihnen hier gehen wird, und was Gott über sie bestimmt. Schon ist die Liebe so heftig zwischen diesen beiden jungen Leuten, daß sie, ohne dadurch zugrunde zu gehen, nicht mehr voneinander getrennt werden können. Als Vertraute haben sie eine Sklavin, die alle ihre Geheimnisse weiß. Wie leicht aber könnte diese einen Groll oder Überdruß gegen sie fassen, ihr Geheimnis aufdecken und sie ins Verderben stürzen; darum ist es gut, wenn ich schnell ausführe, was ich beschlossen, ehe ich mit untergehe; ich würde sonst vor Gott und vor den Menschen einst keine Entschuldigung finden.« Der Freund erwiderte: »Du hast mir da eine wichtige Sache entdeckt. Vor dergleichen Dingen fürchtet sich der Kluge, und es scheut sich der Verständige; ich sehe die Sache nicht anders an, wie du. Gott stehe dir bei gegen das, was du befürchtest, und verleihe einen guten Ausgang, auch bleibe der Gegenstand unsres Gesprächs ein Geheimnis.«

Nach diesem Gespräch zwischen dem Spezereihändler und seinem Freund, dem Juwelier, ging dieser wieder seinem Geschäft nach, während Abul Hasan mit Eifer seine Angelegenheiten ordnete und abreiste. Als der Juwelier nach vier Tagen wieder in Abul Hasans Laden gehen wollte, fand er ihn geschlossen; er suchte dann die Wohnung Alis auf und sagte zu einem von dessen Dienern: »Melde mich bei deinem Herrn!« Ali ließ ihn vor sich, und der Juwelier fand ihn auf einem Kissen liegend; als er ihn sah, sprang er auf und kam ihm freundlich entgegen. Der Juwelier entschuldigte sich, ihn nicht früher besucht zu haben; Ali dankte ihm herzlich und fragte ihn dann, ob ihm vielleicht etwas Wichtiges zugestoßen? Da sagte der Juwelier: »Wisse, zwischen mir und Abul Hasan herrscht seit langer Zeit nicht nur die engste Geschäftsverbindung, sondern auch die innigste Freundschaft. Ich liebte ihn sehr, vertraute ihm alle meine Geheimnisse, und wußte, daß es mir nicht nachteilig sein würde; ebenso waren seine Geheimnisse bei mir sicher. Nun hatte ich einige Tage viel mit meinen Gesellschaftern zu verkehren, so daß ich Abul Hasan nicht sehen konnte. Als ich meiner Gewohnheit nach ihn wieder besuchen wollte, fand ich seinen Laden geschlossen, und einer seiner Nachbarn sagte mir, er sei in Geschäften nach Baßrah gereist, die er persönlich besorgen müsse; ich konnte aber mit dieser Antwort nicht zufrieden sein. Da ich weiß, daß es keine vertrauteren Freunde gibt, als euch beide, so dachte ich, daß ich bei dir, seinem Freunde, genau und ausführlich die Wahrheit vernehmen werde; ich komme also zu dir, mich vielmals entschuldigend, um mich nach Abul Hasan zu erkundigen.« Als Ali die Worte des Juweliers hörte, wurde er ganz blaß, zitterte an Leib und Seele, und sagte: »Ich habe von dem allem nichts gewußt, ehe du mir dies sagtest, ja nicht ein Wort davon gehört. Und ist es so, wie du sagst, so erschreckt mich dies sehr, es macht mich krank und schwächt alle meine Glieder.« Die Tränen erstickten seine Stimme, mit der er folgende Verse sprach:

»Schon habe ich über mein Elend geweint, als meine Freunde noch nahe waren: da ich nun auch von ihnen getrennt bin, muß ich ewig über sie weinen. Was soll ein Mann tun, dessen Tränen zwischen Lebendigen und Toten geteilt sind?«

Er neigte dann seinen Kopf eine Weile, erhob ihn hierauf gegen einen seiner Diener und befahl diesem: »Geh in Abul Hasans Wohnung und erkundige dich, ob er zu Hause oder abgereist ist, wie dieser Mann erzählte. Alsdann frage, wohin er gegangen und weshalb er abgereist ist.« Der Diener entfernte sich, der Juwelier aber unterhielt sich mit Ali, der bald seiner Rede zuhörte, bald sich abwandte, bald ihn etwas fragte. Endlich kam der Diener zurück und berichtete: »Mein Herr! ich habe nach Abul Hasan gefragt und seine Leute haben mir gesagt, er sei vor zwei Tagen nach Baßrah gegangen; auch sah ich eine Sklavin an der Tür seines Hauses stehen, die nach ihm fragte; als sie mich sah, erkannte sie mich, obwohl ich sie nicht kenne. Sie fragte mich: Bist du nicht der Diener des Ali, Sohn Bakars? Ich bejahte dies; übrigens glaube ich, daß sie von vornehmen Leuten einen Brief an dich hat; sie steht vor der Tür.« Ali befahl, sie hereinzuführen. Es erschien ein über jede Beschreibung erhabenes schönes Mädchen. Der Juwelier erkannte sie sogleich nach der Beschreibung Abul Hasans. Das Mädchen näherte sich Ali, grüßte ihn und sagte ihm etwas insgeheim; nur im Verlauf des Gespräches hörte der Juwelier, wie Ali dem Mädchen schwor, daß er nichts davon gewußt; dann nahm die Sklavin Abschied von ihm und ging. Ali war ganz verwirrt, es war, als brenne ein Feuer in ihm. Der Juwelier dachte: hier ist Gelegenheit, ein Gespräch mit Ali anzuknüpfen und sagte: »Ohne Zweifel wird aus dem Hause des Kalifen etwas von dir begehrt, oder du hast Geschäfte mit dem Hause des Kalifen?« Ali antwortete: »Woher weißt du dies?« Der Juwelier sagte: »Ich kenne diese Sklavin.« Jener fragte: »Wem gehört sie denn?« Dieser antwortete: »Sie gehört Schems Annahar, der Sklavin des Raschid, welche die Vornehmste, die Verständigste und Schönste unter allen ist; ich habe einmal einen ihrer Briefe gesehen.« Der Juwelier beschrieb dann Ali, wie sie so schön in Versen und in Prosa schreiben könne; dieser war darüber so betrübt, daß der Juwelier fürchtete, er möchte sterben. Als Ali wieder zu sich kam, sagte er zu dem Juwelier: »Ich beschwöre dich bei Gott, sage mir die Wahrheit, woher weißt du das alles? Ich lasse dich nicht, bis du mir die Wahrheit gestanden.« Der Juwelier antwortete ihm: »Damit du an mir nicht zweifelst und mich nicht ungehorsam findest, auch keinen Verdacht gegen mich schöpfst, der dir Kummer bereiten könnte; damit du dich nicht schämst, und dir überhaupt nichts verborgen bleibe: so schwöre ich dir hier bei Gott, daß ich dich nicht verraten und dir nie einen guten Rat vorenthalten werde«. Er erzählte ihm darauf, was er wußte, und sagte ihm, daß er nur zu seinem Besten zu ihm gekommen, aus Liebe zu ihm und aus Besorgnis für sein Wohl; er versicherte ihm wiederholt, daß er Leben und Vermögen für ihn aufzuopfern bereit wäre, und daß er nach der Abreise Abul Hasans ihm Gesellschaft leisten wolle, auch sein Geheimnis treu bewahren und sein Herz erleichtern werde. Er sagte ihm noch weiter: »Sei nur guten Muts und fröhlich!« Ali dankte dem Juwelier und sagte: »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll; ich lasse dich mit Gott und deiner Männlichkeit.« Er sprach dann folgende Verse:

»Wenn ich auch sagen wollte, daß ich nach seiner Trennung mich noch zu fassen wüßte, so würden meine Tränen und meine ungeheuere Magerkeit mich Lügen strafen. O ich möchte nur wissen, ob meine Tränen gleich Regengüssen fließen, wegen der Entfernung des Freundes oder der Geliebten! Immer fließen meine Tränen wegen der Trennung des Freundes und der Geliebten!«

Er schwieg hierauf eine Weile, dann sagte er: »Weißt du, was die Sklavin gesagt?« Der Juwelier verneinte. Da sagte Ali: »Sie glaubt, ich habe Abul Hasan veranlaßt, wegzureisen, und sei mit ihm darüber einverstanden; in dieser Meinung ging sie fort, denn sie wollte mich nicht anhören und nicht an meine Unwissenheit glauben. Ich weiß nun nicht, was ich tun soll, denn sie war schon gewöhnt, Abul Hasan anzuhören und seiner Rede zu folgen.« Der Juwelier sagte: »Ich habe dies bemerkt, doch werde ich dir beistehen.« Ali erwiderte: »Wie ist dies zu hoffen bei ihrer großen Schüchternheit?« Der Juwelier antwortete: »Ich werde mich bemühen, dir zu helfen und mit Gottes Beistand, mit seiner großen Huld und Weisheit es so einzurichten suchen, daß das Geheimnis nicht entdeckt wird und kein Unglück daraus entstehe. Mache dir nur das Herz nicht schwer; bei Gott! ich lasse nichts Mögliches unversucht, um die Erfüllung deiner Wünsche herbeizuführen.« Dann bat der Juwelier, entlassen zu werden. Ali sagte: »Du hast einen schönen Anfang gemacht; wisse, daß ich deine Gefühle teile, die Vereinigung mit der Geliebten von deiner Freundschaft, das Verschweigen meines Geheimnisses von deiner Männlichkeit erwarte, und den Trost ihrer Nähe als ein Geschenk deiner Gewandtheit ansehe.« Er umarmte den Juwelier, küßte ihn, und der Juwelier verließ ihn.

Als er von Ali Abschied genommen hatte und weggegangen war, wußte er nicht, wohin sich wenden, was beschließen und was unternehmen, und dem Mädchen zu wissen zu tun, daß er mit ihrem Verhältnis vertraut sei; er ging in Nachdenken versunken weiter, als er einen offenen Brief auf dem Weg fand; er nahm ihn und las darin: »Im Namen Gottes, des Barmherzigen und Allmilden!«

»Der Bote kam mit froher, erquickender Nachricht, doch ich glaubte immer, es sei nur ein Wahn. Ich konnte mich nicht freuen, ward nur noch trauriger, weil ich wußte, daß meine Leute dich nicht verstanden.«

»Ich habe gehört, mein Herr! – den Gott erhalten möge! – wie die Bande des Vertrauens sich gelöst und unser brieflicher Verkehr unterbrochen worden ist. Hast du ein Unrecht begangen, so bewahre ich dir doch meine Treue, und hast du mein Vertrauen getäuscht, so werde ich das deinige mit Geduld und Nachsicht bewahren; und ist dein Freund auf deinen Befehl weggegangen, so hast du doch jemand, der dasselbe treu bewahrt und dir ein wahrer Freund ist. Er ist nicht der erste Gegenstand meiner Zuneigung, den mir das Schicksal entreißt. Gott möge deinem Herzen baldige Aufheiterung und schnelles Heil senden! Friede sei mit dir!«

Während der Juwelier dieses Briefchen las und darüber nachdachte, wer es wohl verloren habe, kam eine Sklavin, ganz außer sich vor Schrecken, sah sich auf allen Seiten um, bückte sich dann zur Erde; da sie aber sah, daß der Juwelier den Brief in der Hand hielt, ging sie auf ihn zu und sagte: »Mein Herr! ich habe diesen Brief fallen lassen, sei so gut und gib ihn zurück.« Der Juwelier antwortete ihr nicht und ging seines Weges fort; sie folgte ihm, bis er an sein Haus kam, da trat sie mit ihm hinein und sagte: »O Herr! ich weiß nicht, was dieser Brief dir nützen kann: du weißt nicht, von wem er kommt, noch an wen er gelangen soll; warum nimmst du diesen Brief?« Der Juwelier hieß das Mädchen sich setzen und sagte: »Schweige, sei ruhig und höre mich an! Ist dies nicht die Schrift deiner Herrin Schems Annahar, die an Ali schreibt?« Das Mädchen ward ganz blaß, zitterte und sagte: »Er hat uns und sich selbst geschändet. Die Heftigkeit der Liebe hat ihn in das Meer des Unsinns geworfen, so daß er seine Leiden seinen Freunden geklagt, ohne an die Folgen zu denken!« Sie wollte dann weggehen; der Juwelier aber fürchtete, daß, wenn sie in diesem Zustande weglaufe, es auf Ali ein schlechtes Licht werfen und seine ganze Sache verderben könnte; er sagte ihr also: »O du! die menschlichen Herzen stehen sich gegenseitig als Zeugen gegenüber. Es ist möglich, alles zu verheimlichen, was verborgen bleiben soll, nur die Liebe nicht, die kann nicht verborgen bleiben; da gibt es zu viele Beweise, die sie verraten, und zu viele Zeugen, die von ihr sprechen, da gibt es kein anderes Mittel, als guten Rat anzuhören um nicht zu verderben. Du hast Abul Hasan im Verdacht, während er ganz unschuldig ist, und hast etwas von ihm vermutet, das weit von ihm entfernt ist. Was Ali betrifft, der hat keines eurer Geheimnisse offenbart, der hat nichts entdeckt, und du hast ihm in deiner Rede Unrecht getan. Ich werde dir etwas sagen, was dich erfreuen und deine Brust erweitern wird. Dein Mißtrauen wird verschwinden, seine Unschuld aber klar werden; doch mußt du mir versprechen, mir nichts von eurem Zustande zu verbergen; denn ich weiß Geheimnisse zu bewahren, bei Gefahren standhaft zu bleiben, für den Freund tätig zu sein, in allem aber als ein wackerer Mann zu handeln.« Sie war durch die Rede des Juweliers erfreut und sagte. »Ein Geheimnis, das du bewahrst, ist nicht verloren; ich werde dir einen Schatz anvertrauen, den man nur dem, der es verdient, zeigen kann; sage nur alles ganz klar heraus, Gott und seine Engel sind mir dann Zeugen, daß ich dir alles mitteilen werde.«

Als der Juwelier dem Mädchen dasselbe erzählt hatte, was er Ali erzählt, und ihr sagte, daß er soeben Ali besucht habe, setzte er noch hinzu: »Das gefundene Briefchen beweist, daß ich‘s gut meine in dieser Sache und daß ich nicht im Sinne habe, als Störer in ihrer Liebe aufzutreten.« Die Sklavin hörte ihm mit Staunen zu und ließ ihn nochmals schwören, daß er ihr Geheimnis treu bewahren wolle. Der Juwelier ließ sie auch schwören, daß sie ihm nichts verheimlichen wolle, nahm den Brief und versiegelte ihn; die Sklavin sprach: »Ich werde Ali sagen, meine Herrin habe mir einen versiegelten Brief gegeben und wünsche eine Antwort darauf, die ich dann auch mit deinem Siegel versiegeln werde; nun gehe ich zu ihm und komme wieder zu dir, ehe ich ihr seine Antwort bringe.« Sie nahm jetzt Abschied vom Juwelier und ließ seinem Herzen ein brennendes Feuer zurück. Sie ließ nicht lange auf sich warten und kam mit einem versiegelten Brief in der Hand zurück, in dem geschrieben war: »Im Namen Gottes, des Barmherzigen und Gnädigen!