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Три товарища / Drei Kameraden
Три товарища / Drei Kameraden
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Три товарища / Drei Kameraden

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»Bitte sehr.«

Er verbeugte sich.

»Es ist doch ein Tisch für sechs Personen, mein Herr«, sagte er entschuldigend.

»Schon recht. Bringen Sie nur den Kognak.«

Das ganze Unternehmen erschien mir plötzlich lächerlich. Was wollte ich hier? Und was wollte ich von dem Mädchen? Ich wußte nicht einmal, ob ich sie in all dem Durcheinander überhaupt wiedererkennen würde. Ärgerlich schüttete ich meinen Kognak hinunter.

»Salute!« sagte jemand hinter mir.

Da stand sie und lachte. Ich war plötzlich verwirrt. Das Mädchen sah ganz anders aus, als ich es in Erinnerung hatte. Es wirkte wie eine schmale, junge Amazone, kühl, strahlend, sicher und unangreifbar. Das wird nie etwas mit uns, dachte ich und sagte:

»Wo sind Sie denn nur so geisterhaft hergekommen? Ich habe doch die ganze Zeit die Tür beobachtet.«

Sie zeigte nach rechts hinüber.

»Dort drüben ist noch ein Eingang. Aber ich habe mich verspätet. Warten Sie schon lange?«

»Gar nicht. Höchstens zwei, drei Minuten. Ich bin auch erst eben gekommen.«

»Wollen wir hier bleiben?« fragte ich.

Sie sah mich belustigt an.

»Ich fürchte, Cafés sind überall gleich.« Ich schüttelte den Kopf.

»Wenn sie leer sind, sind sie besser. Wir könnten am besten in eine Bar gehen.«

»In eine Bar? Gibt es denn Bars, die am hellen Tage offen sind?«

»Ich weiß eine«, sagte ich. »Sie ist allerdings sehr ruhig. Wenn Sie das mögen…«

»Manchmal schon…«

Ich blickte auf. Ich konnte im Augenblick nicht feststellen, wie sie das meinte. Ich hatte nichts gegen Ironie, wenn sie nicht gegen mich ging; aber ich hatte ein schlechtes Gewissen.

»Also gehen wir«, sagte sie. Ich winkte dem Kellner.

»Drei große Kognaks«, brüllte er. »Drei Mark dreißig!«

Das Mädchen drehte sich um.

»Drei Kognaks in drei Minuten? Ganz schönes Tempo!«

»Es sind noch zwei von gestern dabei.«

Ich sah sie an. Sie erschien mir wie aus einer andern Welt. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, was sie war und wie sie lebte.

Die Bar war sicherer Boden für mich. Fred, der Mixer, stand hinter der Theke und polierte gerade die großen Gläser für Kognak, als wir hereinkamen. Er begrüßte mich, als sähe er mich zum erstenmal und hätte mich nicht vor zwei Tagen noch nach Hause bringen müssen. Der Raum war leer bis auf einen Tisch. Dort saß, wie fast immer, Valentin Hauser. Ich kannte ihn vom Kriege her; wir waren in derselben Kompanie gewesen.

»Salü, Valentin!« Er blickte auf und nickte.

»Salü, Robby!«

Wir setzten uns in eine Ecke. Der Mixer kam.

»Was möchten Sie trinken?« fragte ich das Mädchen.

»Vielleicht einen Martini«, erwiderte sie. »Einen trockenen Martini.«

»Darin ist Fred Spezialist.«

Fred erlaubte sich ein Lächeln.

»Mir wie immer«, sagte ich.

Die Bar war kühl und halbdunkel. Sie roch nach vergossenem Gin und Kognak. Ich war etwas verlegen und wußte nicht recht, wie ich ein Gespräch anfangen sollte. Ich kannte das Mädchen ja überhaupt nicht, und je länger ich es ansah, um so fremder erschien es mir. Es war lange her, daß ich mit jemand so zusammen gewesen war; ich hatte keine Übung mehr darin. Ich hatte mehr Übung im Umgang mit Männern. Vorhin, im Café, war es mir zu laut gewesen – jetzt, hier, war es plötzlich zu ruhig.

Fred brachte die Gläser. Wir tranken. Der Rum war stark und frisch. Er schmeckte nach Sonne.

»Gefällt es Ihnen hier?« fragte ich.

Das Mädchen nickte.

»Um so besser, daß es Ihnen dann hier gefällt. Wir sind oft hier. Abends ist diese Bude für uns schon fast so eine Art Zuhause.«

Sie lachte.

»Ist das nicht eigentlich traurig?«

»Nein«, sagte ich.

Fred brachte mir das zweite Glas. Er legte eine grüne Havanna dazu auf den Tisch.

»Von Herrn Hauser.« Valentin winkte aus seiner Ecke herüber und hob sein Glas.

Ich nickte ihm zu und hob ebenfalls mein Glas.

»Er ist mein Freund«, sagte ich zu dem Mädchen. »Ein Kamerad aus dem Kriege. Er weiß nicht mehr, was er mit seinem Leben anfangen soll – deshalb freut er sich einfach, daß er noch lebt.«

Sie sah mich nachdenklich an. »Das kann ich gut verstehen«, sagte sie.

Ich blickte auf. »Dafür sind Sie viel zu jung.«

Sie lächelte. Es war ein leichtes, schwebendes Lächeln, das nur in den Augen war.

»Zu jung«, sagte sie, »Ich finde, zu jung ist man nie. Nur immer zu alt.«

Ich schwieg einen Augenblick. Das Mädchen war so sicher und selbstverständlich; ich fühlte mich wie ein Holzblock dagegen. Ich hätte gern ein leichtes, spielerisches Gespräch geführt. Lenz konnte das; bei mir aber wurde es immer schwer.

»Wollen Sie nicht noch einen Martini nehmen?« fragte ich das Mädchen.

»Was trinken Sie denn da?«

»Das hier ist Rum.« Sie betrachtete mein Glas.

»Das haben Sie neulich auch schon getrunken.«

»Ja«, sagte ich, »das trinke ich meistens.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß das schmeckt.«

»Ob es schmeckt, weiß ich schon gar nicht mehr.«

Sie sah mich an. »Weshalb trinken Sie es denn?«

»Rum«, sagte ich, froh, etwas gefunden zu haben, über das ich reden konnte. »Rum hat mit Schmecken nicht viel zu tun. Er ist nicht so einfach ein Getränk – er ist schon mehr ein Freund. Ein Freund, der alles leichter macht. Er verändert die Welt. Und deshalb trinkt man ja« Ich schob das Glas beiseite. »Aber soll ich Ihnen nicht noch einen Martini bestellen?«

»Lieber einen Rum«, sagte sie. »Ich möchte ihn auch mal versuchen.«

»Gut«, erwiderte ich, »aber nicht diesen. Der ist für den Anfang zu schwer. Bring einen Baccardi-Cocktail«, rief ich zu Fred hinüber.

Fred brachte die Gläser. Er setzte auch eine Schale mit Salzmandeln und schwarzgebrannten Kaffeebohnen dazu.

»Laß meine Flasche nur gleich hier stehen«, sagte ich.

Langsam schwand die Unsicherheit, die Worte kamen von selber, und ich achtete nicht mehr so darauf, was ich sagte. Ich trank weiter und spürte, wie die große, weiche Welle herankam und mich erfaßte. Plötzlich war es nicht mehr die Bar – es war eine Ecke der Welt. Das Mädchen war fremd und geheimnisvoll. Ich hörte mich sprechen, aber es war, als wäre ich es nicht mehr, als spräche jetzt ein anderer.

Es war schon dunkel, als ich Patrice Hollmann nach Hause brachte. Langsam ging ich zurück. Ich fühlte mich plötzlich allein und leer. Ich hatte zuviel getrunken, das merkte ich jetzt. Einen schönen Eindruck mußte das Mädchen von mir bekommen haben! Sie hatte es sicher gemerkt. Sie hatte ja selbst fast nichts getrunken.

Aber ich ärgerte mich nicht nur über mich – ich ärgerte mich über alles –, auch über das Mädchen. Sie war ja der Anlaß gewesen, daß ich mich betrunken hatte.

4

Das Wetter wurde warm und feucht, und es regnete einige Tage lang. Dann klärte es sich auf. Als ich am Freitagmorgen in die Werkstatt kam, sah ich Mathilde Stoß auf dem Hof stehen.

»Nu sehen Sie doch mal, Herr Lohkamp! Is doch immer wieder‘n Wunder.«

Ich blieb überrascht stehen. Der alte Pflaumenbaum war über Nacht aufgeblüht.

»Und der Geruch«, sagte Mathilde und verdrehte die Augen, »wunderbar – genauso wie Ihr Rum…«

Ich roch nichts. Aber ich verstand sofort.

»Es riecht mehr nach dem Kundenkognak«, behauptete ich.

Ich schenkte ihr ein Glas Rum ein und ging dann zur Benzinpumpe, Jupp saß schon da. Er hatte vor sich eine Anzahl abgeschnittener Blütenzweige stehen.

»Was soll denn das heißen?« fragte ich erstaunt.

»Für die Damen«, erklärte Jupp. »Wenn sie tanken, gibt‘s so einen Zweig gratis. Habe daraufhin schon neunzig Liter mehr verkauft. Der Baum ist Gold wert, Herr Lohkamp.«

»Du bist ein geschäftstüchtiger Knabe.«

Er grinste. Ich ging zur Grube hinüber, wo Lenz gerade unter dem Ford hervorkroch.

»Robby«, sagte er, »mir ist da was eingefallen. Wir müssen uns mal um das Mädchen von dem Binding kümmern.«

Ich starrte ihn an. »Wie meinst du das?«

»Genau, wie ich es sage. Aber was starrst du denn so? Wie hieß das Mädchen eigentlich noch? Pat, aber wie weiter?«

»Weiß ich nicht«, erwiderte ich.

»Du hast doch ihre Adresse aufgeschrieben!«

»Habe den Zettel verloren.«

»Verloren!« Er sah mich an. »Dilettant! Um so schlimmer! Weißt du denn nicht, was das für ein Mädchen war? Herrgott!« Er starrte zum Himmel. »Läuft uns endlich schon mal was Richtiges über den Weg, dann verlierst du die Adresse!«

»So großartig fand ich sie gar nicht.«

»Weil du ein Esel bist«, erwiderte Lenz, »der nichts kennt, was über das Niveau der Huren aus dem Café International hinausgeht! Du Klavierspieler! Es war ein besonderer Glücksfall, dieses Mädchen! Du hast natürlich keine Ahnung von so was! Hast du dir die Augen angesehen? Natürlich nicht – du hast dein Schnapsglas angesehen. Endlich einmal ein Mädchen, wie es sein muß, schön, natürlich und, was das wichtigste ist, mit Atmosphäre« – er unterbrach sich –, »weißt du überhaupt, was das ist, Atmosphäre?«

Gottfried redete weiter. Er hatte ja keine Ahnung davon, was passiert war und daß jedes Wort von ihm mich traf. Besonders jedes über das Trinken. Er lobte und lobte das Mädchen, und mir wurde bald zumute, als hätte ich wirklich etwas Besonderes verloren.

Ärgerlich ging ich um sechs Uhr zum Café International. Zu meinem Erstaunen herrschte ein Riesenbetrieb, als ich eintrat. Auf der Theke standen Torten und Alois rannte mit einem Tablett voll Kaffeegeschirr ins Hinterzimmer. Ich blieb stehen. Der Wirt klärte mich auf. Heute war im Hinterzimmer die Abschiedsfeier für Rosas Freundin Lilly. Ich schlug mich vor den Kopf. Natürlich, dazu war ich ja eingeladen! Als einziger Mann sogar, wie Rosa bedeutungsvoll gesagt hatte.

Ich ging rasch noch einmal los und besorgte einen Strauß Blumen, eine Ananas, eine Kinderklapper und eine Tafel Schokolade. Rosa empfing mich mit dem Lächeln einer großen Dame. Sie trug ein schwarzes, ausgeschnittenes Kleid und thronte oben am Tisch. Ihre Goldzähne leuchteten. Ich erkundigte mich, wie es ihrer Kleinen ginge, und überreichte für sie die Zelluloidklapper und die Schokolade. Rosa strahlte. Ich wandte mich mit der Ananas und den Blumen an Lilly.

»Meine herzlichsten Glückwünsche!«

»Er ist und bleibt ein Kavalier!« sagte Rosa. »Und nun komm, Robby, setz dich zwischen uns beide.«

Lilly war die beste Freundin Rosas. Sie hatte eine glänzende Karriere hinter sich. Sie war eine Hotelfrau. Sie geht nicht auf den Straßenstrich – sie wohnt im Hotel und macht da ihre Bekanntschaften. Fast alle Huren kommen nicht dazu – sie haben nicht genug Garderobe und auch nie genug Geld. Lilly hatte zwar nur in Provinzhotels gelebt; aber sie hatte fast viertausend Mark gespart. Jetzt wollte sie heiraten. Ihr künftiger Mann betrieb ein kleines Installationsgeschäft. Er wußte alles von ihr, und es war ihm gleichgültig. Für die Zukunft konnte er unbesorgt sein; wenn eines dieser Mädchen heiratete, war es zuverlässig. Sie waren treu. Lilly sollte Montag heiraten. Heute gab Rosa ihr einen Abschiedskaffee. Nach ihrer Hochzeit konnte sie nicht mehr hierher kommen.

Rosa schenkte mir eine Tasse Kaffee ein. Sie legte mir ein mächtiges Stück von Kuchen auf. Ich wußte, was ich zu tun hatte.

»Der ist aber bestimmt nicht im Laden gekauft…«

»Selbstgebacken«, sagte Rosa glücklich.

Sie war eine gute Köchin und hatte gern, wenn man es anerkannte.

Die Unterhaltung hier konnte jedem Damenkränzchen Ehre machen.