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”Und du Umar, tust nichts anderes als sie zu provozieren… Seit ich unter diesem Dach lebe, habe ich noch nie jemanden gesehen, der an den Hofpfosten gefesselt war. Kann es sein, dass du, seit der Qā’id um die Hand von Nadira angehalten hat, uns immer wieder daran erinnerst, wer in diesem Haus und im ganzen Dorf befiehlt? Jeder spricht über deine Schwester, viel mehr als je zuvor über dich. Aber im Grunde, mein Geliebter, seid ihr zwei gleich… stur und immer bereit, dem anderen sein eigenes Wort aufzuzwingen. Außerdem habt ihr euch von diesem Tag an beide verändert… Es ist ihr zu Kopf gestiegen, aber du bist vom Weg deines Vaters abgekommen. Ich vermisse auch den Umar, den ich kannte.“
„Willst du mir damit andeuten, dass ich auf Nadira eifersüchtig bin? Dass ich befürchte, meine Stellung als wichtigste Person in diesem Haus zu verlieren?”
“Nicht nur im Haus, sondern im ganzen Rabad.”
“Ich eifersüchtig auf Nadira; was für ein Unsinn!” schloss Umar und lachte nervös, um sein Unbehagen angesichts der Wahrheit zu verbergen, von der auch ein Teil seiner selbst wusste.
„Herr, der Wächter auf der Terrasse bittet mit Ihnen zu sprechen.“ unterbrach eine Magd hinter der Tür des Raumes.
Umar stand auf und dankte für sein Glück, das ihn von diesem unbequemen Gespräch erlöste.
Ghadda hielt ihn jedoch am Arm zurück und fragte:
„Habe ich mich respektlos verhalten?“
Aber er näherte sich ihr und küsste sie mit einem zarten Blick auf die Stirn.
Umar bedeckte seinen Kopf und die Schultern mit einem weiten Kamelhaar-Schal und verließ das Haus. Er war im Begriff, dorthin zu gehen, wo die Treppe zur Terrasse ging, als er sah, dass der für die Bewachung des Verurteilten zuständige Wachmann, das Christenmädchen beschimpfte. Diese lag auf dem Boden, und nun, mit unbedecktem Kopf, schützte sie ihr Gesicht und schrie, während der Wachmann sie mit dem gleichen Seil schlug, mit dem Corrado am Vortag geschlagen wurde. Corrado hingegen war immer noch bewusstlos.
Umar hielt inne und da die Worte seiner Frau noch immer frisch in seinem Gedächtnis nachhallten, befahl er der Wache, als ob er es sich selbst beweisen wollte, dass er auf niemanden eifersüchtig war:
„Idris, lasst diese arme Unglückliche in Ruhe!“
“Aber Umar, ich habe ihr jetzt schon dreimal gesagt, dass sie sich dem Jungen nicht nähern darf… Und gerade eben nutzte sie das ṣalāt des Sonnenuntergangs, um es wieder zu tun!»
„In Ordnung… aber rühr sie nicht an! Schick sie lieber nach Hause.“
In diesem Moment erhob sich Apollonia ein wenig, blieb aber auf ihren Knien und saß auf ihren Fersen.
„Lasst mich wenigstens im Hof bleiben. Ich werde auch brav in der Nähe der Mauer bleiben.» bat sie voller Tränen.
„Tu was du willst!“ liquidierte Umar sie ungeduldig, und verärgert, sie immer noch nicht los geworden zu sein.
Auf die Terrasse angekommen, lenkte die Wache sofort seine Aufmerksamkeit auf die letzten Kurven der Straße von Qasr Yanna, nur wenige Schritte vom Rabad entfernt.
„Da kommen drei Männer zu Pferde.“
„Zu dieser Stunde? Es werden Reisende sein, die den falschen Weg eingeschlagen haben. Sie hätten die Nacht in Qasr Yanna verbringen können… warum sollten sie sich in der Dunkelheit und bei dieser Kälte auf den Weg machen?»
„Heute Nacht ist klarer Himmel, ich fürchte, es wird Frost geben.“
Umar dachte einen Moment an den Gefangenen, wandte sich dann aber wieder den sich nähernden Fremden zu.
„Umar, den Drapierungen nach muss meines Erachtens nach mindestens einer dieser Reiter eine wichtige Person sein.“
„Es war gut, dass du mich gewarnt hast, Mezyan. Wenn es jemand wichtiges ist, ist es nur richtig, dass er meine Gastfreundschaft erfährt.“
Umar ging in den Hof hinab und schaute auf Corrado und sagte dann zur Wache:
„Idris warte noch ein paar Stunden bis nach dem adhān der Nacht und lass ihn dann gehen.“
Als Antwort verneigte dieser seinen Kopf zustimmend.
Nach den letzten Wetterüberlegungen hätte Umar Corrado schon eher befreien wollen, aber er glaubte, dass es seinem Ruf zugutekommen würde, wenn diese Fremden eine solche Machtdemonstration sehen würden.
Der Schuldeintreiber des Qā’id erwartete sie dann am Eingang und sah sie ankommen, während die letzten Lichtstrahlen im Westen verschwanden.
Wie die Wache auf der Terrasse gut gesehen hatte, war einer der drei fein gekleidet; sicher war er ein Edler. Umar stellte sofort fest, dass die drei keine Berber, sondern eher Araber waren. Auf der anderen Seite unterschied, über das Aussehen hinaus, einen Mann berberischer Herkunft wenig bis gar nichts von einem mit arabischer Abstammung, wären da nicht die berberische Sprache, die im Familienkreis neben der arabischen Sprache gesprochen wurde und die Überreste einer alten und der islamischen Welt fremde Kultur, die von den Arabern importiert worden war.
Derjenige, den er als einen Edlen ansah, trug einen Mantel mit einer weißen Kapuze aus feinem Damast; Umar hatte solch einen noch nie gesehen. Er stieg von seinem Pferd und einer der Drei, aber nicht der, auf den bisher seine Aufmerksamkeit gerichtet war, sagte:
„Wir suchen das Haus von Umar Ibn Fuad.“
„Ich bin Umar. Was kann ich für euch tun?”
„Wisst ihr, wen Ihr vor euch habt, Umar?“ fragte der Mann und bezog sich auf den Mann, den sie begleiteten.
„Sie werden es mir schon sagen.“
Dann sagte er zu seinem Mann im Hof:
„Idris, kümmere dich um die Pferde!“
Umar lud sie dann ein, nach drinnen zu kommen. Er hatte keine Ahnung, wen er vor sich hatte, aber er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass seine Gastfreundschaft auf dem äußerlichen Auftreten des Gastes beruhte. Er setzte voraus, dass er auf jeden Fall einen angenehmen ansehnlichen Mann vor sich hatte und glaubte, dass er ihn noch bevor er sich vorgestellt hatte, in sein Haus einladen müsste.
In dem üblichen gut ausgestatteten Raum mit Teppichen und Kissen, jetzt mit einem kleinen angezündeten Kohlebecken in der Mitte, erwies Umar ihm die Ehre, indem er das Beste von dem gab, was er hatte. Er dachte, er könne den drei vertrauen, da sie zusammen mit ihren Mänteln und Taschen auch die Schwerter an die Dienerschaft übergeben hatten, ohne dass dies von jemandem verlangt worden wäre.
Nun konnte Umar sie im Licht des Feuers und der Lampen besser betrachten. Der Mann, der der Herr der anderen beiden zu sein schien, war etwa vierzig Jahre alt, hatte ein gepflegtes Aussehen, ein feines Gesicht und eine feine Nase, und er hatte auch das Charisma derer, die sich ihres Platzes in der Welt bewusst waren. Er sprach auch langsam und schloss oft wissentlich die Augen. Die beiden anderen waren fast gleich gekleidet, mit langen schwarzen Tuniken und weißen Socken, aber einer von beiden trug ein großes Goldmedaillon um den Hals.
Sich gegenübersitzend vergingen einige Minuten, bevor jemand anfing zu sprechen. Umar entschied sich dann, das Eis zu brechen, um herauszufinden, ob er ein paar Geschäfte machen konnte:
„Du bist reich! Was bist du, ein Perlenhändler?”
Dieser antwortete lachend:
„Meine Agenten haben in diesem Jahr mein Einkommen durch den Handel mit Perlen deutlich gesteigert.“
“Ich hätte gesagt, dass du ein Qā’id wärst, wenn es nicht so wäre, dass ein Qā’id mit Eskorte und mit seinem Hof reisen würde.”
„Salim, Bruder… mein Name ist Salim.“
„Nun, Salim… welches Geschäft hat dich in mein Haus gebracht?“
Tatsächlich hätte Umar gerne gefragt, warum sie die Nacht nicht in Qasr Yanna verbracht hatten, anstatt sich bei Sonnenuntergang auf den Weg zu machen, um nur wenige Kilometer zurückzulegen. Er befürchtete jedoch, dass seine Frage falsch interpretiert werden könnte, fast so, als ob er sie fragte, warum sie nicht zu Hause geblieben wären.
“Steht dieser Mann, den du an diesen Pfahl gefesselt hast, … zum Verkauf? Ich hatte den Eindruck, dass er einen außergewöhnlichen Körperbau besitzt.”
“Du bist also ein Sklavenhändler!”
„Ich bin ein Mann, der nach wertvollen Perlen unter den Menschen sucht, Bruder.“
Sofort keimte in Umar der Gedanke auf Corrado an diesen Mann zu verkaufen. Dann fiel ihm ein, dass die Christen im Rabad keine Sklaven waren, obwohl sie seinem Haus dienten, und er konnte sich nicht selbst zum Herrn über ihr Leben machen. Also antwortete er:
„Ich fürchte, dass es im Rabad keine dieser Perlen gibt. Hier bestellt jeder sein eigenes Land und betet zwischen seinen eigenen Mauern… mit Ausnahme der vier, die in diesem Haus dienen.”
„Ich weiß aber, dass du eine Perle von seltener Schönheit unter diesem Dach versteckst und dass es sich dabei nicht um eine der vier Dienerinnen handelt.“
Umar wurde ernst und verstand, dass sich der andere auf Nadira bezog, und antwortete:
„Die Perle, von der du sprichst, steht und stand auch nie zum Verkauf.“
“Aber ich weiß, dass der Qā’id von Qasr Yanna sich eilte, sie zu kaufen, Bruder.”
“Deshalb wirst du verstehen, welche Art von Mensch sie schützt…”
“Ich fürchte niemanden… noch weniger den Qā’id, und das deshalb, weil ich niemandem schaden möchte… auch wenn ich dazu die Macht hätte. Trotzdem habe ich von zwei Saphiren gehört, die in einer wunderbaren Umrandung eingebettet sind; von einem Mädchen mit paradiesischem Aussehen, von einem Traum, der die Brust zerspaltet. Der Qā’id kann alles haben, was er will… und er bekommt immer das Beste. Ich bin jedoch ein Perlenhändler - wie du es gesagt hast - und ich erkenne an, dass andere Qā’id und Herren ein Vermögen für solche Perlen zahlen würden. Der Ruhm der Augen von Nadira, wenn dies ihr richtiger Name ist, hat sich über ganz Zentral-Sizilien verbreitet, aber ich bitte dich um nichts… nur darum sie sehen zu dürfen. Nun, da Ibn al-Ḥawwās sich ein so kostbares Geschenk gemacht hat, werden die anderen es ihm sicherlich nachmachen wollen, und ich werde es sein, der diese Seltenheit unter den Mädchen der Insel und der Überseegebiete finden wird.“
“Was willst du also?”
„Nur das Hellblau sehen, von dem man so viel spricht.“
Er schloss seine Augen und rezitierte mit einem halben Lächeln:
“Der Himmel von Nadira, die Grenzen ihrer Augen.”
Umar rieb sich nervös die Hände. Der Antrag war ihm verdächtig, obwohl er im Grunde nicht so schwer zu erfüllen war, da es sich um keine Verletzung der Ehre oder Moral handelte. Der Hausherr war nachdenklich, hin und her gerissen zwischen Eifersucht auf seine Schwester und der Angst, einen wichtigeren Mann als ihn zu enttäuschen. Der andere hatte von Anfang an verstanden - oder vielleicht wurde es ihm berichtet -, was Umars Schwachpunkt war. Bei einem anderen hätte dieser Mann mit guten Handelsfähigkeiten Geld angeboten, aber Umar glaubte nicht an die Reichtümer, wie ein Geizhals es tun würde; für ihn war der Stolz der wahre Schlüssel, um ihn verletzlich zu machen.
„Umar, mein Bruder, jetzt, da du der Schwager des Qā’id bist, hast du sicherlich schon darüber nachgedacht, wie du deine neue Stellung sichtbar machen und wie du als solcher deinen Respekt einfordern kannst…“
Umar sah ihn verwirrt an, im Grunde dachte er genau daran, seit Ali Ibn al-Ḥawwās den Rabad besucht hatte.
“Mein Mantel, hast du jemals einen solchen gesehen?” fragte Salim, da er bemerkt hatte, dass Umar ihn bestaunt hatte.
“Ich vermute, er kommt aus sehr weiter Ferne.”
Der andere lachte und bezog auch seine Männer in diese Geste ein.
“Das sagt viel über dich aus, Bruder. Hast du jemals den Fuß aus dem Rabad gesetzt?”
“Ich besuche ständig den Markt von Qasr Yanna. Dort gibt es eine große Anzahl von Menschen: Viele Gläubige, aber auch christliche Bauern, die das Land innerhalb der Stadtmauern bestellen und sogar Judenhandwerker aus Qa’at an-Nisā’
gibt es dort. Alles ist dort zu finden: Vom Schwefel der Bergwerke über Salz aus den Ablagerungsstätten, vom Zucker, der aus dem Zuckerrohr gewonnen wird, bis hin zum Reis der Reisfelder. Und die Gärten der Stadt und ihre Quellen… es lohnt sich, sie zu besuchen.”
“Aber Qasr Yanna ist nur eine halbe Stunde von diesem Dorf entfernt!” reflektierte der Mann mit dem Medaillon.
“Vielleicht bergauf, Bruder!” antwortete der andere in dem Versuch, Umar zu verspotten.
“Mein lieber Umar, das Tuch meines Mantels stammt aus den Fabriken in Balarm
. Warst du schon einmal in Balarm?»
Salim nutzte die Kunst des Handelns erfolgreich aus, doch Umar verkaufte keine materiellen Güter, sondern etwas, das der Schuldeintreiber des Qā’id bereits besaß: seinen Stolz. So wie ein Kaufmann in seinem Kunden das Bedürfnis erweckt, das Objekt besitzen zu müssen, das er ihm verkaufen will, demütigte Salim Umar und machte ihm klar, dass es notwendig ist, eine andere Person zu werden. Eine, die stolz ihre Verwandtschaft mit dem Qā’id zeigt und ihre neue Stellung zur Schau stellt. Er ließ ihn die Tatsache abwägen, dass er nie in Balarm gewesen war, und machte ihn so klein… klein wie jeden Bewohner eines ländlichen Dorfes, obwohl er ein Beamter des Qā’id war. Jetzt würde Salim ihm die Lösung vorschlagen, indem er sich auf den Stolz stützen würde, den er so geschickt zerschlagen hatte und der ein neues Leben brauchte.
“Der Mantel ist dein, Bruder! Du brauchst genauso eine Bekleidung, die dich nicht unbemerkt lässt.”
“Das ist zu kostbar als dass du es hergeben kannst.”
“Du scherzt, Umar? Ich habe Hunderte von Stoffen dieser Art…, die meine Schneiderinnen gut zu verarbeiten wissen. Ich, um was bitte ich denn. Nur um einen Blick auf die Augen eines Mädchens… Denk dran, das ist das Einzige, was du besitzt und was es Wert ist zu zeigen… und du hältst sie hinter verschlossenen Türen…”
Daraufhin nickte Umar der Dienerin zu, die an der Tür stand und eine große, mit Wasser gefüllte Terrakotta-Kanne trug.
“Lass Nadira herkommen.”
Die Magd verließ daraufhin den Raum.
Die vier blieben lange Minuten in der Stille zurück und warteten darauf, dass das Mädchen, das so viel Neugier in dem Fremden erweckt hatte, zu ihnen kam. Umar nahm nervös ein Stück Brot vom Teller in der Mitte, tunkte es in den Honig und führte es dann in seinen Mund.
Nach kurzer Zeit betrat Nadira, die die ganze Zeit nach dem letzten Streit mit ihrem Bruder in ihrem Zimmer geblieben war, den Raum. Sie trug noch das schöne grüne Kleid mit den gelben und blauen Verzierungen, das sie am Nachmittag getragen hatte und wie üblich bedeckte sie in Anwesenheit von fremden Männern ihr Gesicht.
Jala und Ghadda, verwirrt und neugierig, standen an der Tür.
“Ist es sie, die das Herz von Ibn al-Ḥawwās gefangen genommen hat?” fragte Salim und wandte sich Umar zu.
“In Person… meine Schwester Nadira.”
Salim stand auf, während die beiden anderen sich ansahen, verloren in der Atmosphäre, die plötzlich strahlend geworden war.
Nadira stand in der Mitte des Raumes, starrte Umar an und versuchte zu verstehen, was dieser Gast von ihr wollte und welche Rolle er dabei spielte.
“Komm, Mädchen, komm näher!” sagte Salim und unterstrich seine Einladung mit der Hand.
Umar nickte ihr zu, und sie erkannte, dass sie ihm Vertrauen konnte, und machte zwei Schritte nach vorn.
Nun verlor sich der Blick Salims in den Augen des Mädchens, aber er sah sie so intensiv an, dass sie die Augen senkte, da sie sich unwohl fühlte, als ob der Akt des Blickes eines Mannes eine echte Bedrohung darstellen könnte.
Nach ein paar Sekunden sagte Umar:
“Die ganze Nacht wird dir nicht reichen, um deine Augen zu sättigen.”
Und dann wendete er sich an Nadira:
“Das kann genügen, Schwester.”
Doch Salim unterbrach:
“Nein, Mädchen, warte einen Moment! Und du, Umar, ich würde verrückt werden, wenn ich dich nicht um noch etwas bitten würde.»
“Sag.”