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»Mit keinem Menschen. Die Witwe, Mrs. Elias, bewohnt ein Parterre fünf Häuser aufwärts von hier. Ich bin einigemal dort gewesen, fand ihn aber so in seine fremden Bücher vertieft, daß ich nur das Notwendigste mit ihm besprechen konnte.«
»Und da behauptetet Ihr vorhin, daß ein Betrüger Gefahr liefe, von Euch schon in der ersten Stunde durchschaut zu werden?!«
»Ihr habt recht. Nun Ihr mir die Augen geöffnet habt, mache ich mir sein Verhalten erst klar und komme da allerdings zu der Ueberzeugung, daß er sich außerordentlich in acht genommen hat, in ein intimes Gespräch mit mir zu geraten.«
»Und wo hat Euer wackerer Vorstand der Office gewohnt?«
»Im Parterre des Hofes rechts nebenan.«
»Wer ist sein Wirt?«
»Ein Händler, ich weiß nicht, womit. Hudson wohnte in Aftermiete. Wollt Ihr noch mehr über ihn wissen? Vielleicht den Polizisten doch noch in das Handwerk pfuschen? Thut das doch ja nicht; Ihr könntet vieles, vielleicht sogar alles verderben!«
Ich will aufrichtig gestehen, daß mich diese wiederholte Warnung ärgerte. Ich war früher auch als Detektive thätig gewesen und hatte meine Aufgabe zur Zufriedenheit gelöst. Vorhin hatte er meine Erzählung gehört, und wenn ich auch nur so wenig wie möglich mich dabei in Erwähnung gebracht hatte, so mußte er doch aus dem Berichte ersehen, daß wir wenigstens keine Hohlköpfe waren. Daß er dennoch meinte, ich könne leicht alles in Frage stellen, verdarb mir vollends die Laune, die schon vorher keine gute gewesen war. Ich machte also kurzen Prozeß, nannte ihm das Hotel, in welchem wir zu finden waren, und ließ ihn mit dem Bewußtsein allein, das zu sein, was ich nicht war, nämlich ein guter Jurist, trotzdem aber doch die beiden Meltons nicht durchschaut zu haben.
Wie staunten Emery und Winnetou, als ich ihnen erzählte, was ich bei dem Advokaten erfahren hatte! Der erstere schlug mit der Faust auf den Tisch, daß es dröhnte, und rief zornig aus:
»Hat man so etwas für möglich gehalten! Jetzt können wir nun anfangen, von neuem hinter den Halunken herzulaufen, nämlich, wenn sie so gütig gewesen sind, eine Spur zu hinterlassen. Und dabei steht noch gar zu erwarten, daß trotz der Mühe, die wir uns dabei geben, und trotz aller Gefahren, die wir laufen, das Geld deiner Schützlinge doch verloren ist! Und das ist ein Jurist! Und der redet davon, daß man ein Wild leichter fängt, als einen Menschen! Der Kerl sollte mir mal einen Grizzlybären fangen! Fliegen, ja, aber keinen Bären! Hält einen fremden Schwindler für seinen Busenfreund, stellt einen zehnfachen Räuber und Mörder in seiner Expedition als Vorstand an und will uns – uns – uns gute Lehren geben! Er mag Gott danken, daß er sich nicht jetzt in diesem Zimmer befindet; ich würde ihn – —!«
Er sprach seine Drohung nicht aus, versetzte dafür aber dem Tische einen zweiten Hieb, daß die Platte auseinandersprang. Winnetou sagte kein Wort. Wenn er ja eine Art von Aerger fühlte, so verbot ihm sein Indianerstolz, ihn sehen oder hören zu lassen.
Es waren noch nicht zwei Stunden vergangen, so erschien ein Bote, um uns in das Verhör zu rufen. Als wir unsere Aussagen gemacht hatten, mußten wir sie beeiden. Winnetou bekam den Eid erlassen. Dann wurden wir ermahnt, uns jetzt stets zur Verfügung der Behörde bereit zu halten. Trotzdem aber waren wir entschlossen, New Orleans zu verlassen, sobald wir das für nötig halten sollten.
Kaum waren wir in unsere gemeinsame Wohnung zurückgekehrt, so brachte der Kellner uns einen Mann, welcher uns zu sprechen verlangt hatte. Es war ein sehr sorgfältig gekleideter und pfiffig aussehender Master bei guten Jahren. Er setzte sich ohne Umstände auf den ihm nächststehenden Stuhl, betrachtete uns der Reihe nach sehr aufmerksam, spuckte einmal tüchtig aus, schob sein Primchen in den andern Backen und fragte Emery:
»Ich schätze, in Euch den sehr honorablen Mister Bothwell vor mir zu sehen?«
»Ich heiße Bothwell,« nickte der Gefragte kurz.
»Und Ihr seid der bekannte Prairiemann, den man Old Shatterhand nennt?« wurde ich gefragt.
»Ja.«
»Und Ihr seid ein Redmann Namens Winnetou?«
Winnetou gab trotz der etwas unhöflichen Ausdrucksweise des Fragers eine Antwort, indem er nickte.
»Well! So bin ich bei den richtigen Leuten,« fuhr der Fremde fort, »und ich hoffe, daß ihr mir die nötige Auskunft geben werdet.«
»Wollt Ihr uns wohl zunächst sagen, wer Ihr seid, Master?« forderte Emery ihn auf. »Oder seid ihr vielleicht gar nichts und habt auch keinen Namen?«
»Ich bin alles und habe alle Namen,« lautete die selbstbewußte Antwort. »Wie ich heiße, kann Euch gleichgültig sein. Es genügt, Euch zu sagen, daß wir die drei Meltons suchen wollen. Ich habe die unter mir stehenden Detektives von allem zu unterrichten und möchte Euch vor allen Dingen ersuchen, die Hand dabei aus dem Spiele zu lassen.«
»Das werden wir außerordentlich gern thun,« erklärte Emery. »Erinnert Euch nur so oft wie möglich an die Weisung, die Ihr uns damit so freundlich erteilt!«
»Also nun meine Fragen! Ihr kennt doch die Meltons genau?«
Wir antworteten dem eingebildeten Patron kaum, sodaß er endlich zornig sich empfahl. Dann meinte Emery:
»Wir müssen die Meltons unbedingt selbst finden. Aber wo haben wir sie zu suchen? Glaubst du, daß Jonathan mit dem Schiffe fort ist?«
»Fällt ihm nicht ein. Er ist an Bord gegangen, nur um den Advokaten irre zu führen,« antwortete ich.
»Und sein Onkel Harry?«
»Ist nicht nach St. Louis. Nach Europa sind sie nicht, denn sie wissen, daß die Telegraphen spielen werden. Nach Afrika und so weiter gehen sie auch nicht, da sie dort Pfefferkörner unter den Rosinen gefunden haben. Es ist am klügsten für sie, zunächst in die Verborgenheit zu gehen und Gras über die Gegenwart wachsen zu lassen, ehe sie es wagen können, sich, ob hier oder dort, unter Menschen zu zeigen. Und wo finden sie die Zurückgezogenheit am schnellsten und besten? Hier in den westlichen Staaten. Ich möchte wetten, daß sie irgendwo droben in den Felsenbergen stecken. Sie können da ein ganzes Jahr und noch länger ungesehen stecken.«
»Möchte dasselbe behaupten. Hoffentlich haben sie eine Spur zurückgelassen!«
»Kein Ereignis und keine That bleibt ohne Spur.
Es gilt nur, sie aufzufinden. Ich werde jetzt zunächst einmal nach den beiden Wohnungen gehen. Vielleicht bemerke ich da den Anfang eines Fadens, den wir aufwickeln können.«
Ich machte mich zu Mrs. Elias auf den Weg, ging aber nicht direkt zur ihr, sondern trat vorher in eine Trinkstube, welche ihrer Wohnung gegenüber lag. Ich wollte versuchen, da etwas zu erfahren. Leider wurde ich von einem alten, schläfrigen Neger bedient, welcher sich erst seit einigen Tagen in dieser Stellung befand; ich richtete also gar keine weitere Frage an ihn. Dennoch freute ich mich nachher, hier eingekehrt zu sein, denn ich saß noch gar nicht lange da, so sah ich unsern Detektive und »Gentleman« drüben aus dem Hause kommen. Er hatte Mrs. Elias gewiß einen Besuch abgestattet, um sich nach Jonathan Melton zu erkundigen.
Ich wartete noch eine Viertelstunde und ging dann hinüber. Die Inschrift eines kleinen Schildes sagte mir, daß die Wohnung wieder oder vielmehr noch zu vermieten sei. Als ich klingelte, öffnete eine ziemlich alte und sehr dicke Mulattin, die mit ihrer undurchsichtigen Gestalt unter der Thür stehen blieb und mich forschend betrachtete. Ich wußte diese Art von Dienstboten zu behandeln, zog den Hut sehr tief und fragte:
»Bitte, Mylady, bin ich so glücklich, Mrs. Elias zu sehen?«
Sie fühlte sich unendlich geschmeichelt, für ihre Herrin gehalten zu werden, und lächelte vor Wonne, daß ihr Gesicht noch einmal so breit wurde.
»Nein,« antwortete sie. »Ich bin nur die Köchin. Mrs. Elias ist im Zimmer. Kommt, Sirrrr!«
»Nehmt vorher meine Karte, Mylady! Man darf nicht unangemeldet zu einer solchen Dame kommen.«
Sie grinste mich wieder glücklich an, nahm die Karte, eilte mir voraus, riß eine Thür auf, trat hinein und sagte so laut, daß ich es hören konnte:
»Hier, Ma‘am, eine Karte von einem sehr, sehr feinen Sirrrr! Wonderful fine! Viel gebildeter als der, der vorhin da war!«
Dann kam sie wieder heraus, ließ mich ein und machte die Thür hinter mir zu. Ich stand vor einer ältlichen Dame, welche mir aus einem wohlwollenden Gesichte mit freundlichen Augen entgegenblickte.
»Verzeihung, Madam! Ich lese, daß hier eine Wohnung zu vermieten ist!«
»Ja«, nickte sie, indem sie ihren Blick zwischen mir und meiner Karte hin und her gehen ließ. »Wie es scheint, seid Ihr ein Deutscher?«
»Allerdings.«
»Das freut mich sehr. Ich bin eine Landsmännin von Euch. Bitte, macht mir das Vergnügen, Euch zu setzen! Die Wohnung, welche ich zu vermieten habe, besteht aus vier Räumen. Ist Euch das nicht zu viel?«
Sie hatte das deutsch gesagt. ich sah in ihr gutes, ehrliches Gesicht, und da war es mir unmöglich, sie zu belügen. »Schade doch, ein Deutscher und dennoch ein Lügner!« so sollte sie nicht von mir denken oder gar sagen. Darum antwortete ich:
»Allerdings. Selbst ein einzelner Raum würde mir zuviel sein. Ich komme nicht der Wohnung wegen, Madame.«
»Nicht?« fragte sie erstaunt. »Und doch fragtet Ihr nach ihr!«
»Das war nur ein Vorwand. Nun Ihr aber eine Landsmännin vor mir seid und ich in Euer aufrichtiges Gesicht blicke, darf ich Euch keine Unwahrheit sagen.
Mein Zweck war, mich nach Small Hunter zu erkundigen, welcher bei Euch gewohnt hat.«
»Nach diesem? Seid Ihr etwa auch ein Geheimpolizist?«
Bei dieser Frage verfinsterte sich ihr Gesicht.
»Nein, Madame; ich bin ein Privatmann, habe aber ein so großes und begründetes Interesse an Hunter, daß ich Euch zu großer Dankbarkeit verbunden sein würde, wenn Ihr die Güte haben wolltet, mir Auskunft über Ihn zu geben.«
Da lächelte sie:
»Ich sollte eigentlich nicht, weil Ihr nicht offen zu mir gekommen seid. Da Ihr aber Reue zeigt, will ich trotzdem Euern Wunsch erfüllen. Kennt Ihr Hunter?«
»Besser, als mir lieb ist.«
»Besser – —? als Euch lieb ist – —? So ist‘s wohl wahr, was der Polizist sagte?«
»Was hat er gesagt?«
»Daß Hunter ein Betrüger, ja sogar ein Mörder sei?«
»Das ist wahr.«
»Hilf, Himmel! Einen so gefährlichen Menschen, einen solchen Bösewicht habe ich bei mir wohnen gehabt! Hätte ich das gewußt, ich hätte keine Minute ruhen können, bis er wieder fort gewesen wäre. Es ist schrecklich; es ist geradezu entsetzlich!«
»Der Polizist hat Euch also gesagt, um was es sich handelt?«
»Ja. Hunter heißt eigentlich Melton, hat den echten Hunter ermordet und sich dann hier für diesen ausgegeben, um zu dem Vermögen desselben zu kommen. Ist das wahr?«
»So ungefähr. Ich weiß nicht, ob der Detektive recht gehandelt hat, indem er Euch diese Mitteilungen machte; da Ihr nun aber einmal alles wißt, kann ich mit Euch davon sprechen. Ich selbst bin es gewesen, der die Nachricht von der That hierher gebracht hat. Melton ist ein Schurke. Das Erbe, welches er durch Mord und Betrug an sich gebracht hat, gehört einer armen, braven deutschen Familie, welche in San Francisco in schwerer Bedrängnis lebt. Vielleicht könnt Ihr dazu beitragen, daß die Leute zu ihrem Rechte kommen.«
»Wie gerne würde ich das thun, wenn ich es vermöchte. Was wünscht Ihr von mir?«
»Irgend einen Aufschluß, der es mir ermöglicht, den jetzigen Aufenthalt Meltons zu entdecken.«
»Dasselbe wünschte der Polizist auch von mir.«
»Habt Ihr ihm Auskunft gegeben?«
»Nein, denn der Mann trat so brutal auf, daß er weniger erfuhr, als ich wußte. Ich habe ihm gar nichts gesagt, hätte ihm aber das, was er wissen wollte, auch gar nicht sagen können, weil ich mich darüber selbst in vollster Unwissenheit befinde.«
»Mit wem verkehrte Hunter?«
»Der Advokat Murphy kam einigemal zu ihm, und er ist auch zwei- oder dreimal ausgegangen; wohin, das weiß ich nicht, denke aber, eben zu diesem Advokaten.«
»Weiter kam niemand?«
»Einmal kam ein anderer. Der war wohl Schreiber des Advokaten. Er sah Hunters Diener außerordentlich ähnlich.«
»Hatte Hunter einen Diener?«
»Nur so lange, als er hier in New Orleans blieb. Er hat ihn erst hier engagiert und vor seiner Abreise wieder entlassen.«
»Hm! Was für eine Persönlichkeit war der Diener? Könnt Ihr mir eine genaue Beschreibung von ihm geben?«
Sie folgte dem Wunsche, und ich gelangte dadurch zu der Ueberzeugung, daß dieser sogenannte Diener kein anderer als sein Vater gewesen war.
»Habt Ihr vielleicht gehört, was er mit dem Diener gesprochen hat?« erkundigte ich mich weiter.
»Was ich da gehört habe, waren ganz alltägliche Dinge. Sie flüsterten aber sehr viel miteinander; sie mußten Heimlichkeiten haben, die niemand hören sollte.«
»Womit beschäftigte sich Small Hunter? Da er fast gar nicht ausging, stand ihm viel Zeit zur Verfügung. Hat er diese denn nicht auf irgend eine nützliche Weise verbracht?«
»Nein. Er saß immer am Fenster.«
»Mir aber wurde gesagt, er habe sich mit Studien beschäftigt?«
»Das ist nicht wahr. Nur wenn der Advokat kam, wurden Bücher zur Hand genommen.«
»Ah, dachte es mir! Was hattet Ihr eigentlich für eine Ansicht über den Mann? Es muß Euch doch aufgefallen sein, daß er sich nicht beschäftigte.«
»Ich hielt ihn für krank, für tiefsinnig. Diese Ansicht aber änderte sich dann, als wir bemerkten, daß er nach oben ging, zu der Dame, welche sich über uns eingemietet hat.«
»Wohnt sie allein?«
»Nein. Sie hat zwei Dienerinnen bei sich, welche ich für Indianerinnen halte.«
»Ist sie jung?«
»Ja, und schön.«
»Wie heißt sie?«
»Silverhill.«
»Das ist ein englischer Name.«
»Ja. Doch glaube ich kaum, daß ihre Eltern und Verwandten Yankees oder Engländer sind. Wir hören sie zuweilen mit ihren Dienerinnen sprechen; das ist immer spanisch.«
»Hm! Und bei dieser Dame verkehrte Euer Mietwohner?«
»Erst nach der ersten Woche. Da er stets am Fenster saß, ist sie ihm bei ihren Ausgängen und wenn sie heimkehrte, aufgefallen. Er erkundigte sich bei mir nach ihr; dann machte er ihr seinen Besuch, und von da an war er oft bei ihr.«
»Wußte Advokat Murphy davon?«
»Ich weiß es nicht, glaube es aber auch nicht.«
»Gäbe es sonst vielleicht noch irgend eine Bemerkung oder Mitteilung, welche Ihr mir über den falschen Hunter machen könnt?«
»Wohl nicht. Wenigstens könnte ich mich auf nichts besinnen, was für Euch von Wert sein könnte. Wenn Ihr mich aber noch einmal besuchen wollt, werde ich Euch gern sagen, ob mir noch etwas eingefallen ist.«
»Eurer freundlichen Einladung werde ich wahrscheinlich einmal Folge leisten, falls ich nicht fürchten muß, Euch allzusehr zu belästigen.«