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Old Firehand
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Old Firehand

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Mein Auge folgte ihr, bis die letzte Falte ihres Kleides verschwunden war, und dann ?berkam mich eine Bitterkeit, wie ich sie in meinem ganzen Leben noch nicht empfunden hatte. Ganz gewi? war nur ich allein Schuld an der Unbill, die mir widerfahren; aber warum war ich doch nur so besonnen und ?berlegsam! Ein Wenig J?hzorn, ein Wenig Leichtsinn ist oft nicht so ganz am unrechten Platze.

So dachte ich in meinem Unmuthe und erhob mich endlich, um denselben im Handel vielleicht zu vergessen.

Als ich mich mit dem N?thigen versehen hatte und dem Wirthe die geforderte Summe vorz?hlte, fragte er:

»Wollt Ihr f?r diese Nacht nicht dableiben? Man wird bei mir gut bedient!«

»Danke; schw?rme nicht f?r Eure Bude.«

»K?nntet aber doch dableiben, Mann, nicht blos f?r heute, sondern f?r morgen und ?bermorgen und immer. Ich brauche einen Boardkeeper, der nicht gleich d‘reinspringt, wenn er einen Tritt bekommt oder zwei. In unserem Gesch?fte ist die Ambition oft ein recht ?berfl?ssiges und sch?dliches Ding. Wie gesagt, Ihr k?nntet hier bleiben; denn ich meine, Ihr seid der beste Mann dazu.«

Eigentlich h?tte ich den scharfsinnigen Landlord (Gastwirth) par figura belehren sollen, da? er sich sehr in mir geirrt habe; doch war die Offerte wirklich mehr l?cherlich als ?rgerlich, und so lie? ich ihn ruhig stehen und trat in‘s Freie, wo Swallow immer noch meiner wartete.

Der Abend hatte sich mittlerweile ?ber das Thal gebreitet, und es war ziemlich dunkel geworden. Mir war die Lust vergangen, an meiner urspr?nglichen Absicht, zu bleiben, festzuhalten. Pferd und Reiter hatten sich ausgeruht, und so konnte es heute noch ein St?ck in die offene Prairie hineingehen, wo es sich jedenfalls angenehmer schlafen lie? als in dem nach Petroleum duftendem Thale. Zuvor aber trieb es mich die kurze Strecke abw?rts, nach dem Wohngeb?ude zu, welches ich am Nachmittage von der H?he aus gesehen.

Der Weg f?hrte dem Flusse entlang, und was ich vorher nicht bemerkt, das fiel mir jetzt, wo meine Aufmerksamkeit nicht von der sch?nen Begleiterin in Anspruch genommen wurde, sofort auf, n?mlich da? in der N?he des Wassers sich der Oelgeruch verst?rkte und der Flu? also eine nicht unbedeutende Quantit?t des Brennstoffes mit sich f?hren m?sse.

Der Geb?udecomplex lag vollst?ndig schwarz vor mir, aber als ich eine leichte Kr?mmung des Weges hinter mir hatte und nun das Herrenhaus von vorn nehmen konnte, fiel heller Lichtesglanz von der Veranda her?ber, und ich sah, da? dort eine kleine Gesellschaft versammelt sei. Ich sprang vom Pferde, welches ich an eine Fenzstange band und schlich mich leise ?ber die dunklen Stellen des Vorplatzes bis an das niedere Mauerwerk, in welches die Tr?ger der leichten Ueberdachung befestigt waren.

Noch nie in meinen Leben hatte ich den Lauscher gemacht; aber heute trieb mich ein unbestimmtes und bisher ungekanntes Etwas zum unerlaubten Beobachten, und mit Genugthuung bemerkte ich die Gesuchte, welche, von einem leichten Hauskleide umflossen, in einer der H?ngematten lag. Eben war sie im Begriff, dem in ihrer N?he sitzenden Forster eine Auseinandersetzung zu machen.

»Es ist ein unn?tzes und l?sterliches Unternehmen, dear uncle, und Du hast Dir die Sache wohl nicht richtig berechnet.«

»Lerne uns doch das Calculiren nicht, M?dchen. Die Preise sind nur de?halb so gedr?ckt, weil die Quellen zu viel liefern. Wenn wir also, Einer wie der Andere, das Oel so einen Monat lang ablaufen lassen, so mu? es dann wieder theuer werden und wir machen Gesch?fte, gute Gesch?fte, sage ich Dir. Und diesen Coup werden wir ausf?hren; es ist so beschlossen, und ein Jeder wird sein Versprechen halten.«

»Mir scheint nur, Ihr habt die Quellen dr?ben im alten Lande und sonst wo noch dabei au?er Acht gelassen. Euer Verhalten wird die dortige Concurrenz sofort zur ?u?ersten Anstrengung anspornen, und Ihr selbst gebt also dem jetzt noch schlafenden Gegner die Waffen in die Hand. Uebrigens sind auch hier in den Staaten die aufgestapelten Vorr?the so gro?, da? sie f?r sehr geraume Zeit zureichen.«

»Du kennst den Bedarf nicht und hast also auch kein Urtheil, wie Ihr Frauen ja ?berhaupt gar nicht denken solltet. Denn so oft Ihr‘s thut, gerathet Ihr auf Irrwege.«

»Das m??te denn doch sehr bewiesen werden, und ich glaube grad —«

»Der Beweis liegt nahe,« unterbrach er sie. »Hast Du nicht vorhin erst gestanden, da? Du Dich in dem Woodsman oder was der Mensch eigentlich war, get?uscht hast? H?tte mir nie gedacht, da? es Dir in solcher Gesellschaft gefallen k?nne!«

Ich sah sie tief err?then; aber sie antwortete schnell:

»Von einer T?uschung ist keine Rede; denn ich sagte nur, da? er mir erst anders geschienen habe, und zwischen Schein und bewiesener Wirklichkeit pflege ich einen Unterschied zu machen.«

Forster wollte Etwas erwiedern, kam aber nicht dazu; denn in demselben Augenblicke geschah ein Donnerschlag, als sei die Erde unter uns mitten aus einander geborsten. Der Boden erzitterte, und als ich das Auge erschrocken seitw?rts wandte, sah ich im obern Theile des Thales, da, wo der Bohrer th?tig gewesen sein mu?te, einen gl?henden Feuerstrom fast f?nfzig Fu? in die H?he steigen, welcher flackernd oben breit auseinanderflo? und, wieder zur Erde niedersinkend, mit rei?ender Schnelligkeit das abfallende Terrain ?berschwemmte. Zugleich drang ein scharfer, stechender, gasartiger Geruch in die Athmungswerkzeuge, und die Luft schien von leichtfl?ssigem, ?therischem Feuer erf?llt zu sein.

Ich kannte dieses furchtbare Ph?nomen; denn ich hatte es im Kanawhathale in seiner ganzen Schrecklichkeit gesehen und stand mit einem einzigen Sprunge mitten unter der vor Schreck fast todesstarren Gesellschaft.

»Lichter aus, Lichter aus! Der Bohrer ist auf Oel getroffen, und Ihr habt beim Aufsteigen des Strahles Feuer in der N?he gehabt. Lichter aus, sonst brennt in zwei Minuten das ganze Thal!«

Ich sprang von einem der brennenden Armleuchter zum andern; aber da oben im Zimmer brannten die Lampen auch, und dr?ben vom Store her sah ich ebenfalls Lichtschimmer. Dazu hatte die Fluth des hochaufspr?henden Oeles, welches sich mit unglaublicher Raschheit ?ber das ganze obere Thal ausbreitete, jetzt den Flu? erreicht, und nun galt es, Alles einzusetzen f?r das nackte, blo?e Leben. —

»Rettet Euch! Lauft, lauft um Gottes Willen! Sucht die H?hen zu gewinnen!«

Mich um weiter Niemand k?mmernd, ri? ich Ellen empor in meine Arme und sa? im n?chsten Augenblicke mit ihr im Sattel. Das M?dchen, die Gr??e der Gefahr nicht erkennend, str?ubte sich mit Aufbietung aller Kr?fte gegen die Umschlingung; aber wie man in solchen Augenblicken stets Riesenkraft besitzt, so verschwand auch diese Anstrengung fast ganz unter der St?rke, mit welcher ich sie festhielt, und in rasendem Laufe trug Swallow, dessen Instinct die F?hrung des Z?gels oder den Gebrauch der Sporen ?berfl?ssig machte, uns stromabw?rts.

Der Bergpfad, welcher mich nach New-Venango gef?hrt hatte, war uns verschlossen; denn der Gluthstrom war schon an ihm vor?bergefluthet. Nur abw?rts konnten wir Rettung finden; aber ich hatte am Tage Nichts einer Stra?e Aehnliches bemerkt und im Gegentheile gesehen, da? die Felsw?nde so eng zusammentraten, da? sich der Flu? nur sch?umend den Ausweg erzwingen konnte.

»Sagt, Mi?,« rief ich in ?ngstlicher Hast, »giebt es einen Weg, welcher hier unten aus dem Thale f?hrt?«

»Nein, nein!« st?hnte sie unter der krampfhaften Anstrengung, von mir loszukommen. »La?t mich fahren, sage ich Euch, la?t mich fahren!«

Ich konnte nat?rlich auf ihre Worte nicht h?ren und musterte mit Aufmerksamkeit den nahe zusammentretenden Horizont, welchen die beiden schroff aufstrebenden H?henz?ge bildeten. Da f?hlte ich einen Druck in der G?rtelgegend, und zugleich rief das M?dchen:

»La?t mich los! Gebt mich frei, oder ich sto?e Euch Euer eigenes Messer in den Leib!«

Sie hatte das Bowiemesser an sich gerissen. Aber ich hatte keine Zeit zu einer langen Auseinandersetzung, sondern vereinte mit einem raschen Griffe ihre beiden Handgelenke in meiner Rechten, w?hrend ich mit dem linken Arme sie immer fester umschlo?.

Die Gefahr wuchs mit jeder Secunde. Der gl?hende Strom hatte die Lagerr?ume erreicht und nun sprangen die F?sser mit Kanonenschu? ?hnlichem Knalle und ergossen ihren sofort in heller Lohe brennenden Inhalt in das auf diese Weise immer mehr anwachsende und immer rascher vorw?rtsschreitende Feuermeer. Die Atmosph?re war zum Ersticken hei?; ich hatte das Gef?hl, als koche ich in einem Topfe siedenden Wassers, und doch wuchsen Hitze und Trockenheit mit solcher Rapidit?t, da? ich innerlich zu brennen vermeinte. Fa?t wollten mir die Sinne schwinden; aber es galt nicht blos mein Leben, sondern noch viel mehr dasjenige meiner kostbaren B?rde.

Es war mir in diesen entsetzlichen Augenblicken zu Muthe, als habe ich das herrlichste Gut der ganzen, weiten Sch?pfung, den gr??ten Schatz des Himmels und der Erde dem flammenden Orkus entf?hrt und m?sse nun meinen herrlichen Raub sch?tzen und bergen vor den nachspr?henden Blitzen und Gluthen der Unterwelt. Trotzdem ich kaum noch eines Gedankens m?chtig war durchzuckte mich doch die Erkenntni? der ersten, allgewaltigen Liebe, und Rettung, Rettung mu?te ich finden f?r sie und sollte ich selbst zehnmal, nein, tausendmal dabei zu Grunde gehen!

»Swallow, voran, voran, Swall —!«

Ich konnte nicht weiter sprechen, und das brave Thier ras‘te ja auch mit fast unm?glicher Geschwindigkeit dahin. Soviel sah ich; diesseits des Flusses war kein Ausweg. Die Flammen beleuchteten die Felsw?nde ja hell genug, um sehen zu k?nnen, da? dieselben nicht zu erklimmen seien; deshalb in‘s Wasser, in‘s Wasser – hin?ber auf die andere Seite!

Ein leiser Schenkeldruck – ein Sprung des gehorsamen Mustangs, und hochauf schlugen die Wellen ?ber uns zusammen. Ich f?hlte neue Kraft, neues Leben durch die Adern pulsiren, aber das Pferd war unter mir verschwunden. Doch das war jetzt gleich; nur hin?ber – immer hin?ber! Ich schwamm wie noch nie, nie in meinem ganzen Leben – mit einer Angst, so furchtbar – so furchtbar, nicht f?r mich, sondern f?r sie – sie – sie – — —. Da schnaufte es hinter mir – — »Swallow, Du treuer, wackerer, bist Du‘s? – Hier ist das Ufer – — wieder auf‘s Pferd – fort – fort!«

So ging es weiter. Fast wahnsinnig vor Aufregung und Ueberanstrengung ritt, sprang, lief und kletterte ich, ohne mehr zu wissen, was ich that; aber endlich – endlich war‘s erreicht, und ich sank mit meiner B?rde nieder.

Nach einigen Augenblicken der dringendsten Erholung trug ich sie mehrere hundert Schritte weiter in die sichere Nacht hinein. Der Himmel gl?nzte blutig roth, und der Brodem des entfesselten Elementes cumulirte in dichten, schwarzen, von purpurnen Lichtern durchbrochenen Ballen ?ber dem Heerde der Verw?stung. Aber ich hatte keine Zeit zu diesen Betrachtungen; denn vor mir lag, das Messer noch krampfhaft festhaltend, das M?dchen, so bleich, so kalt und starr, da? ich sie todt glaubte, ertrunken im Wasser, w?hrend ich sie den Flammen entrei?en wollte.

Das leichte Gewand war durchn??t und legte sich eng an die wunderbar sch?ne Gestalt; auf dem bewegungslosen Angesichte spielten die d?stern Reflexe der ?ber den Rand der Ebene emporspr?henden Feuerstrahlen; der Mund, welcher am Tage so herzlich gelacht, war geschlossen; das Auge, dessen gro?er, voller Blick mir so tief in die Seele gedrungen, lag verborgen unter den gesunkenen Lidern; die reine, klangvolle Stimme – doch nein und abermals nein, sie konnte, sie durfte nicht gestorben sein! Ich nahm sie in die Arme, strich ihr das lange, reiche, aufgel?ste Haar aus der Stirn, rieb ihr die zarten Schl?fe, legte, um der regungslosen Brust Athem zu geben, meinen Mund auf ihre Lippen, rief sie bei den z?rtlichsten Namen, die ich jemals geh?rt, und – da ging ein Zittern ?ber ihren K?rper, erst leise, dann immer bemerkbarer; ich f?hlte das Klopfen ihres Herzens, trank den Hauch ihres Athems, sah die langen, seidenen Wimpern sich ?ffnen – sie lebte, sie erwachte, sie war dem Tode entgangen!

Ich dr?ckte sie an das Herz und k??te vor seliger, unendlicher Freude die sich mehr und mehr erw?rmenden Lippen. Da mit einem Male ?ffnete sie weit, weit das Auge und starrte mir mit unbeschreiblichem Ausdrucke in das Angesicht; dann belebte sich der wiederkehrende Blick, und mit einem lauten Schrei des Entsetzens wand sie sich los und sprang empor.

»Wo bin ich? Wer seid Ihr? Was ist mit mir geschehen?« rief sie.

»Ihr seid gerettet, Mi?, aus der Gluth da unten.«

Beim Klange meiner Stimme und dem Anblicke des noch immer hochlodernden Brandes kehrte ihr die Besinnung zur?ck. —

»Herr, ich verachte Euch!«

Ich konnte nicht sofort eine Antwort finden, so unerwartet kamen mir diese Worte, und nur nach einigem Z?gern erwiederte ich:

»Ich verstehe Euch nicht!«

»Das begreife ich. Wer keine Ehre hat, wird R?cksicht nie verst?ndlich finden. Und es ist nicht blos Das, sondern Ihr seid auch feig!«

»Das verstehe ich noch weniger!«

»Ist‘s etwa nicht feig, eine wehrlose Dame —«

Sie stockte; tiefes Roth bedeckte ihr Gesicht bis zum Nacken herab, und mit einer Miene der Entr?stung, vor welcher ich fast zur?ckweichen konnte, trat sie hart an mich heran und rief:

»W?rt Ihr ein Mann, so w?rde ich Genugthuung von Euch verlangen, blutige Genugthuung; aber Ihr f?rchtet die Streiche wie ein Schulknabe, und so m?gt Ihr gehen. Aber nehmt Euch in Acht, mir einmal vor den Lauf meiner B?chse zu kommen; denn dann halte ich Euch f?r das, f?r was Euch Forster erkl?rt hat – einen Coyote – Mein Gott, Forster – und ich stehe hier!«

Jetzt erst kam ihr die vollst?ndige Erinnerung und mit einem kreischenden Weherufe st?rzte sie fort, dem Felsenabsturze zu.

Mit einigen raschen Spr?ngen hatte ich sie erreicht und fa?te sie bei beiden H?nden.

»Bleibt, Mi?, bei Allem, was Euch heilig ist. Ihr seid verloren, wenn Ihr Euch in dieses Feuermeer wagt!«

»La?t mich, Elender. Ihr habt die Gefahr gekannt; Ihr konntet sie retten, Alle, Alle, und habt es nicht gethan. La?t fahren, oder Ihr schmeckt Euern eigenen Stahl!«

Noch immer war das Messer in ihrer Hand geblieben. Sie merkte es erst jetzt, da ich sie bei derselben gefa?t hielt und wandte alle Kraft auf, um sich los zu machen. Wollte ich ihr die Hand nicht brechen, so mu?te ich nachgeben. Die Rechte frei bekommend, entri? sie auch die Linke meinem Griffe, und ich f?hlte einen kleinen Gegenstand zwischen meinen Fingern. Sie merkte den Verlust nicht und eilte l?ngs des Bergrandes von dannen.

Schon wollte ich ihr folgen, da ert?nte aus einiger Entfernung leichter Hufschlag. Ich blieb stehen und lauschte.

»Swallow!«

Ein lautes, freudiges Wiehern antwortete, und im n?chsten Augenblicke stand das treue Pferd, das K?pfchen liebkosend an meiner Schulter reibend, vor mir.

»Swallow, mein lieber, lieber Swallow,« rief ich, das Thier vor Freude umarmend, »auch Du bist gerettet? Du kommst zur?ck, trotzdem ich Dich verlassen habe im Augenblicke der Gefahr, und die, an der ich fast ?ber menschliches Verm?gen gethan habe, sie nennt mich feig und ehrlos, droht mir mit der Waffe und flieht mich wie einen schmutzigen Yambarico! Und doch wollen wir diesen Ring, den ich ihr gegen meinen Willen abgestreift habe, aufbewahren, Swallow. Wir m?ssen sie wiederfinden, und dann wird sich‘s vielleicht entscheiden lassen, ob Dein Herr Nichts weiter ist als ein ver?chtlicher – — Coyote!«

»Uff!« rief mein Begleiter; »mein wei?er Bruder hat Recht. Hier ist der rothe Mann geritten. La? uns sehen, was er hier gewollt hat.«

»Winnetou, der gro?e H?uptling,« erwiederte ich, »ist weise und hat das Auge des gro?en Geistes. Er sieht sehr wohl, was sein b?ser Bruder hier gewollt hat; aber er versucht, mich auf die Probe zu stellen.«

Ueber das scharfgezeichnete Angesicht des Indianers glitt ein fl?chtiges L?cheln, als er, noch immer auf die Spur geb?ckt, antwortete:

»Und was denkt der wei?e Freund von dieser F?hrte?«

»Der Mann, welcher hier geritten ist, hat seine Gef?hrten gesucht. Auf jedem H?gel hat er sein Pferd angehalten, um sich nach ihnen umzusehen, und wir m?ssen also vorsichtig sein, wenn wir nicht unsere Scalps verlieren wollen.«

Winnetou – denn dieser, von welchem ich Swallow erhalten hatte, war es – richtete sich empor und ma? mich mit einem langen, verwunderten Blicke.

»Mein bleicher Bruder kennt mich. Er hat mit mir den Lasso um die H?rner des B?ffels geworfen und den B?r des Gebirges in der H?hle get?dtet; er ist an meiner Seite gestanden gegen die Uebermacht des Ar rapahu‘s und hat die Mandans im Blute zu meinen F??en gesehen; er z?hlte die Scalps an den W?nden meines Wigwams und sieht die Locken meiner Feinde an meinem G?rtel hangen. Winnetou hat seinen Stamm verlassen, um die gro?en H?tten der Wei?en zu sehen, ihre Feuerrosse und ihre Dampfcanoes, von denen ihm der Freund erz?hlt hat; aber sein Haupt wird von keinem Messer ber?hrt werden!«

»Der gro?e H?uptling der Apachen hat Recht,« nickte ich ihm zu und fuhr, auf die Spuren deutend, fort: »Aber hat er auch bemerkt, da? dieses Pferd hier m?de gewesen ist?«

Statt aller Antwort folgte er, sein Thier am Lasso f?hrend, der F?hrte weiter und blieb endlich, auf den Boden zeigend, stehen.

»Hier hat er ausgeruht,« und mit gespannter Miene setzte er hinzu: »Wird mein Bruder sehen, auf welchem Pfade er sich befindet?«

Ich untersuchte den Boden sorgf?ltig. Das Pferd war angepflockt gewesen und hatte die halbd?rren B?schel des Prairiegrases abgefressen; der Reiter hatte am Boden gelegen und mit dem K?cher gespielt. Dabei war ihm der Schaft eines Pfeiles zerbrochen, und er hatte die beiden Bruchst?cke ganz gegen die gew?hnliche Vorsichtigkeit der Indianer liegen gelassen. Ich hob sie auf, um sie zu betrachten. Es war kein Jagd- sondern ein Kriegspfeil gewesen.

»Er befindet sich auf dem Kriegspfade; aber er ist noch jung und unerfahren; denn sonst h?tte er die verr?therischen St?cke versteckt, und die Spuren seines Fu?es sind nicht die eines erwachsenen Mannes.«

Winnetou gab durch einen beif?lligen Laut seine Zufriedenheit kund. Bei unsrer ersten Begegnung war er mir so zu sagen Lehrer gewesen und hatte mich gew?hnt, auf die unscheinbarste Kleinigkeit zu achten, da dies bei den vielf?ltigen Gefahren der Prairie unumg?nglich nothwendig ist. Jetzt nun benutzte er jede Gelegenheit, um zu erfahren, ob seine Lehren von Erfolg gewesen seien.

Ein Blick auf die weiterlaufenden Eindr?cke gen?gte, uns zu zeigen, da? der Mann erst vor ganz Kurzem den Platz wieder verlassen habe; denn die Kanten derselben waren noch scharf, und die gestreiften oder zerdr?ckten Halme hatten sich noch nicht vollst?ndig wieder erhoben. Winnetou breitete seine Decke aus und streckte sich, nachdem er das Pferd gefesselt hatte, auf dieselbe nieder.

Ich folgte ihm und zog zwei Cigarren aus der Seitentasche meines Jagdhemdes. Es waren die letzten von einigen Dutzend, welche ich vor mehreren Wochen in Provo mitgenommen hatte. Sie waren f?r eine besondere Gelegenheit stecken geblieben; da sich aber nichts Dergleichen einzustellen schien, so konnten sie ebenso gut auch jetzt verraucht werden.

Mit sichtbarer Begierde griff der brave Indianer zu, als ich ihm die Eine derselben hinreichte, und wer die Enthaltsamkeit kennt, welche der Westen einem Jeden auferlegt, der wird ahnen, mit welcher Wonne wir uns dem seltenen Genusse hingaben, ich, die blauen Ringeln mit innigem Behagen ausblasend, Winnetou aber, den Rauch nach Indianerweise erst hinunterschluckend und dann durch die Nase von sich gebend.

So verging eine geraume Zeit, w?hrend welcher kein Wort gewechselt wurde. Schweigsamkeit geh?rt selbst unter Gef?hrten zur Haupttugend, und ich beabsichtigte keineswegs, mir durch unzeitige Sprachseligkeit die Freundschaft und Achtung meines Begleiters zu verscherzen.

Endlich, nachdem die Cigarre l?ngst verraucht und der letzte Rest derselben dann hinter den Lippen des Indianers verschwunden war, erhob er sich, und in kurzer Zeit ritten wir wieder, den K?rper tief herabgebeugt und das forschende Auge am Boden, neben einander her.

Unsre Schatten wurden l?nger und l?nger; der Abend begann zu dunkeln und wir waren nun gezwungen, abzusteigen, wenn wir die F?hrte nicht verlieren wollten. Aber ehe ich vom Pferde stieg, griff ich zum Fernrohre, um die Ebene vorher noch einmal abzusuchen.

Wir hielten grad auf einer der zahlreichen wellenf?rmigen Erhebungen, welche sich in jenem Theile der Prairie wie die Wogen eines erstarrten Meeres an einander legen, und es war mir de?halb ein ziemlich freier Ausblick gestattet.

Kaum hatte ich das Glas am Auge, so fiel mir eine lange, grade Linie auf, welche sich von Osten her l?ngs des n?rdlichen Horizontes bis zum entferntesten westlichen Punkte hinzog. Voll Freuden gab ich Winnetou das Rohr und zeigte ihm die Richtung an, in welche er es zu f?hren hatte. Nachdem er einige Zeit hindurchgesehen, zog er es mit einem neugierigen »Uff« wieder ab und blickte mich mit fragendem Ausdrucke an.

»Wei? mein Bruder, was f?r ein Pfad das ist? Es ist nicht der Weg des Buffalo, auch hat ihn nicht der Fu? des rothen Mannes ausgetreten.«

»Ich wei? es. Kein B?ffel kann die Strecke laufen, welche dieser Pfad durchf?hrt, und kein Indsman (Indianer) vermag, ihn durch die Prairie zu ziehen. Es ist der Pfad des Feuerrosses, welches mein Bruder heut‘ noch sehen wird.«

Rasch hob er das Rohr wieder empor und betrachtete mit regem Interesse den durch die Linsen naheger?ckten Schienenstrang. Pl?tzlich aber sah ich einen Zug der Ueberraschung ?ber sein ausgewettertes Gesicht gehen, und im n?chsten Augenblicke war er abgesessen und zog sein Pferd raschen Laufes hinunter in das Wellenthal.

Nat?rlich mu?te dieses Beginnen einen sehr triftigen Grund haben, und ich ahmte de?halb sein Verhalten ohne Verzug nach.

»Da dr?ben am Pfade des Feuerrosses liegen die rothen M?nner,« rief er. »Sie stecken hinter dem R?cken der Erhebung; aber ich sah eins ihrer Pferde!«

Er hatte wohlgethan, unsern erh?hten Standpunkt sofort zu verlassen, da wir auf demselben leicht bemerkt werden konnten. Zwar war die Entfernung selbst f?r das scharfe Gesicht eines Indianers eine sehr bedeutende; aber ich hatte w?hrend meiner Streifereien mehrere Male in den H?nden dieser Leute Fernrohre gesehen. Die Cultur schreitet eben unaufhaltsam vorw?rts, und indem sie den Wilden immer weiter zur?ckdr?ngt, bietet sie ihm doch die Mittel, sich bis zum letzten Manne gegen ihre Gewalt zu vertheidigen.

»Was sagt mein Freund zu der Absicht dieser Leute?« fragte ich.

Er schwieg. Augenscheinlich fiel es ihm schwer, sich ihr Verhalten zu erkl?ren. Sie befanden sich auf dem Kriegspfade und hatten doch keine Wache aufgestellt. Sie mu?ten also wissen, da? in ziemlichem Umkreise kein Feind vorhanden sei, und da sie bei ihrer jedenfalls nicht bedeutenden Anzahl einen weiten Zug nicht vorhaben konnten, so wu?te er mir keine Antwort zu geben. Mir hingegen schien ihr Vorhaben unschwer zu errathen, und, das Rohr aus seiner Hand nehmend, forderte ich ihn auf, mich hier zu erwarten und schlich mich vorsichtig vorw?rts.

Obgleich ich fast ?berzeugt sein konnte, da? sie von unsrer N?he keine Ahnung hatten, suchte ich so viel wie m?glich Deckung zu behalten und gelangte dadurch so weit an sie heran, da? ich, am Boden liegend, sie z?hlen und beobachten konnte.

Es waren ihrer drei und sechszig, s?mmtlich mit den Kriegsfarben bemalt und sowohl mit Pfeilen als auch mit Feuerwaffen bewehrt. Die Zahl der angepfl?ckten Pferde war bedeutend h?her, und dieser Umstand bekr?ftigte meine Ansicht. —

Da h?rte ich einen leisen Athemzug hinter mir. Rasch das Messer ziehend, drehte ich mich um. Es war Winnetou, den es nicht bei den Pferden gelitten hatte.

»Uff!« klang es von seinen Lippen. »Mein Bruder ist sehr k?hn, soweit voranzugehen. Es sind Ogellalla‘s, der k?hnste Stamm der Sioux, und dort liegt Parranoh, der wei?e H?uptling.«

Erstaunt sah ich ihn an.

»Der wei?e H?uptling?«

»Hat mein Freund noch Nichts geh?rt von Parranoh, dem grausamen H?uptling der Athabaskah? Niemand wei?, wo er hergekommen; aber er ist ein gewaltiger Krieger und im Rathe des Stammes unter die rothen M?nner aufgenommen worden. Als die grauen H?upter alle zu Manitou, dem gro?en Geiste gegangen, hat er das Calummet erhalten und viele Scalps gesammelt. Dann ist er aber von dem b?sen Geiste verblendet worden, hat seine Krieger f?r Niggers gehalten und fliehen m?ssen. Jetzt wohnt er im Rathe der Ogellalla‘s und wird sie zu gro?en Thaten f?hren.«

»Kennt mein Bruder sein Angesicht?«

»Winnetou hat seinen Tomahawk mit ihm gemessen; aber der Wei?e ist voller T?cke; er k?mpft nicht ehrlich.«

»Er ist ein Verr?ther; ich sehe es. Er will das Feuerro? halten und meine Br?der t?dten und berauben.«

»Die wei?en M?nner?« fragte er erstaunt. »Er tr?gt doch ihre Farbe! Kann er das Ro? halten?«