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Karawane
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Karawane

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Karawane
Stephen Goldin

Es sind die 1980er Jahre in einer alternativen US-Welt. Die US-Gesellschaft ist unter Lebensmittel- und Treibstoffknappheit, Rassenunruhen und einer Reihe weiterer Probleme zusammengebrochen. Eine Gruppe von Leuten hat vor zu einem anderen Planeten zu fliehen und eine neue Welt zu gründen... sollten sie es schaffen, sicher durch das Land zu kommen und Treibstoff zu stehlen und Banditen abzuwehren, bevor das Raumschiff losfliegt.

Es sind die 1980er Jahre in einer alternativen US-Welt. Die US-Gesellschaft ist unter Lebensmittel- und Treibstoffknappheit, Rassenunruhen und einer Reihe weiterer Probleme zusammengebrochen. Eine Gruppe visionärer Leute hat vor zu einem anderen Planeten zu fliehen und eine komplett neue Welt zu erschaffen. Aber zuerst müssen sie sicher quer durchs Land — indem sie untewegs Treibstoff stehlen und Banditen abwehren müssen— in der Hoffnung, dass Raumschiff zu erreichen bevor es für immer abhebt.

KARAWANE

Ein Roman von

Stephen Goldin

Veröffentlicht von Parsina Press (http://www.parsina.com)

Übersetzung veröffentlicht von Tektime

Caravan Copyright 1975 Stephen Goldin Alle Rechte vorbehalten

Originaltitel: Caravan

Übersetzer: Amaar Hassan

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 (#ud575082f-777e-553c-9a1c-32f9d49acafe)

Kapitel 2 (#u6f88f456-d15e-5728-ada1-42c823225cfb)

Kapitel 3 (#ub1df63ae-e56e-549a-b2cb-726d6e9f6591)

Kapitel 4 (#litres_trial_promo)

Kapitel 5 (#litres_trial_promo)

Kapitel 6 (#litres_trial_promo)

Kapitel 7 (#litres_trial_promo)

Kapitel 8 (#litres_trial_promo)

Kapitel 9 (#litres_trial_promo)

Kapitel 10 (#litres_trial_promo)

Kapitel 11 (#litres_trial_promo)

Kapitel 12 (#litres_trial_promo)

Über Stephen Goldin (#litres_trial_promo)

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Kapitel 1

WASHINGTON- Internationale Meetings eröffneten hier am Montag mit gedrückter und verzweifelter Stimmung aufgrund gestiegener Ölpreise und einer drohenden Weltwirtschaftskrise.

Der geschäftsführende Direktor des internationalen Währungsfonds, H. Johannes Witteveen, sagte eine weltweit anhaltende Rezession und Inflation, sowie noch nie da gewesene finanzielle Belastungen voraus.

Der Präsident der Weltbank, Robert. S. McNamara, sagt eine Hungerepidemie in den armen Ländern voraus, von der insgesamt eine Milliarde Menschen betroffen sein wird, außer die Industrie- und Erdölexportierenden Nationen erhöhen ihre Entwicklungshilfe drastisch - ein Schritt, den wahrscheinlich nur sehr wenige dieser Länder machen werden.

Los Angeles Times

Dienstag, 1.Oktober 1974

* * *

Wir stehen am Rande des Abgrundes und fordern die Schwerkraft heraus uns in die Tiefe zu stürzen. Der Boden ist nicht zu sehen, weil wir so weit nach oben geklettert sind, dass wir ihn aus den Augen verloren haben. Es ist nichts derartig triviales wie eine Rezession; sogar die große Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre würde im direkten Vergleich blass wirken. Was wir erblicken, wenn wir den Abgrund hinab blicken, ist nichts weniger als die komplette Zerstörung unserer gegenwärtigen Zivilisation- und die meisten von uns haben aufgrund ihrer Höhenangst ihre Augen verschlossen.

Wenn man einen Hügel ein kleines Stück weit erklimmt und ausrutscht, wird man sich wahrscheinlich nicht sehr dabei wehtun. Ein Fall aus größeren Höhen aber kann tödlich sein. Wir sind den Hügel des Fortschrittes aber bereits so weit heraufgestiegen, dass uns ein Fall so zerbrechen würde, wie ein Glas, das vom Mount Everest fallen gelassen wird.

Peter Stone

World Collapse

***

Auf dem Schild über dem Schalter stand “Granada Hills Sicherheitscheckpoint”, aber das täuschte nicht über die Tatsache hinweg, dass es sich bei diesem Gebäude um einen verlassenen Supermarkt am Rande eines Einkaufzentrums handelte. Ein Gang nach dem anderen mit nackten Regalen gab stummes Zeugnis über die schlimmen Zeiten ab, die über die Gemeinde hereingebrochen sind. Tatsächlich erschien Peter die leere Höhle, die das Gebäude darstellte, als ein Symbol für den Zusammenbruch der gesamten Zivilisation.

Der Wachmann hinter dem Schalter schaute ihn mit Verdacht an. Peter wusste nicht viel über Schusswaffen, aber die Waffe über der Schulter des Wachmannes erschien ihm groß genug eine Herde wütender Elefanten aufhalten zu können. Peter räusperte sich nervös und klärte seinen Hals. “Ich… Ich möchte Ihrer Gemeinschaft beitreten, wenn das möglich ist” sagte er. “Ich bin 32 und ein guter Arbeiter. Ich kann fast alles erledigen, was erledigt werden muss”.

Der finstere Gesichtsausdruck des Wachmannes war skeptisch. “Wie haben Sie gesagt war Ihr Name nochmal?”

“Peter Smith,” log er. Sein eigener Nachname, Stone, hatte über die Jahre zu viel an negativer Bedeutung gewonnen und er nannte ihn daher auch niemandem mehr. Er hatte auch so schon genug Schwierigkeiten unbemerkt durchzukommen, ohne sich weiter vorstellen zu müssen.

“Smith, was? Kann irgendjemand in Granada Hills für Sie bürgen?”

“Ähm, nein, ich bin gerade angekommen. Ich bin seit den letzten paar Monaten mit dem Fahrrad von San Francisco aus unterwegs und hier schien mir ein guter Ort mich niederzulassen”.

s”Wie stehen die Dinge dort oben?”

“Schlecht,” sagte Peter. “Es ist an der ganzen Küste entlang schlecht. Von dem was ich so gesehen habe, ist es bei Ihnen in der Gegend durchschnittlich”.

Der Wachmann grunzte. “Es tut mir Leid, Herr Smith, dass wir Sie hier nicht aufnehmen können. Wir haben schon genug Leute bei uns, ohne dass wir Fremde aufnehmen. Es gibt viele die arbeiten wollen, aber nur begrenzte Ressourcen um alle zu ernähren, wenn Sie verstehen was ich meine.”

“Sicher,” Peter nickte. Die Geschichte war ihm nur allzu bekannt. “In diesem Falle frage ich mich, ob ich Ihnen etwas Essen abkaufen könnte. Ich habe Geld—”

“Granada Hills betreibt Tauschgeschäfte bis der Geldhandel wieder funktioniert. Sollten Sie nichts anderes haben, dann haben Sie Pech. Haben Sie Munition, Batterien, Kerzen, Werkzeuge oder Kupferdraht?” Peter schüttelte seinen Kopf. “Was ist mit ihrem Fahrrad?” Wir können immer ein weiteres Fahrrad gebrauchen.”

“Tut mir Leid, ich brauche es selbst. Es ist nicht unbedingt sehr sicher zu Fuß; das Fahrrad gibt mir zumindest einen kleinen Vorteil.”

Der Wachmann nickte. “Es ist nicht einfach, das stimmt. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals den Tag erleben würde, an dem uns sowas passiert.”

“Hören Sie, gibt es hier irgendwo einen Ort, wo mein Geld akzeptiert wird?” Die Sonne war am sinken und Peter wollte irgendwo vor Nachteinbruch unterkommen. Er hatte in letzter Zeit zu viele schreckliche Erfahrungen im Dunkeln gemacht.

“Versuchen Sie es mit San Fernando; das Letzte was ich hörte war, dass sie immer noch Geld annehmen. Nehmen Sie sich aber vor denen in Acht — das ist ein ziemlich angriffslustiger Haufen dort.”

“Wie komme ich dort hin?”

“Nehmen Sie diese Straße da, Balboa, und fahren Sie ungefähr eine Meile nördlich zum San Fernando Mission Boulevard und dann ein paar Meilen Richtung Osten. Sie können es nicht verfehlen.”

“Danke.” Peter schob gerade sein Fahrrad aus dem Supermarkt raus.

“Viel Glück”, rief ihm der Wachmann nach. “Auch für alles Gold in Fort Knox würde ich jetzt kein Stoner sein wollen.”

Peter fragte sich gedankenverloren, ob es noch Gold in Fort Knox gäbe. Wahrscheinlich gibt es das noch, kam er zu dem Entschluss; Gold war im Moment nicht sonderlich stehlenswert. Die Leute hatten andere, dringendere Bedürfnisse wie Essen, Wasser, Treibstoff und Strom. Wahrscheinlich, dachte er sich, versucht die US-Regierung tapfer so weiterzumachen, als ob nichts ungewöhnliches passieren würde. Sie beschützt wahrscheinlich auch das Gold, und den vermeintlichen Reichtum den es darstellt ,wie ein jungfräulicher Dinosaurier ein Nest unbefruchteter Eier. Und wenn sie überhaupt an den Zusammenbruch denken, dann geben sie wahrscheinlich mir die Schuld dafür — als ob ich was anderes wäre als der Überbringer der Hiobsbotschaft.

Die Karriere als Prophet des Unterganges ist undankbar.

Als er mit seinem Fahrrad den Balboa Boulevard entlang fuhr, schaute sich Peter um und versuchte sich vorzustellen, wie die Nachbarschaft wohl vor 10 Jahren ausgesehen haben mag, bevor der Kollaps sich richtig entfaltete. Zu seiner Linken befanden sich ein weiteres Einkaufszentrum und ein großes Gebäude, welches einem Schild nach mal ein Krankenhaus war; momentan wurde es als Wohnhaus benutzt. Zu seiner Rechten befanden sich Wohnungen, die auch als solche entworfen wurden. Sie waren mal luxuriös, aber jetzt waren sie nur noch heruntergekommen und hässlich. Müll der nicht verbrannt werden konnte, wurde draußen weggeschmissen, säumte die Straßen und erzeugte einen unangenehmen Geruch.

Er kam an einem weiteren verlassen Supermarkt vorbei als er die Chatsworth Straße überquerte und fuhr weiter Richtung Norden. Auf beiden Seiten befanden sich Häuser, sogenannte Ticky-Tacky Würfel, die einmal sehr beliebt waren bei den vorstädtischen Gemeinden. Sie besaßen kleine Grünflächen, die jetzt Gärten waren und keine Wiesen— Kopfsalat, Radieschen, Tomaten und Melonen schienen sehr beliebt zu sein. Die Gärten waren umzäunt—und einige dieser Zäune, bemerkte er, waren Leitplanken, die normalerweise die Freeways in der Mitte trennten. Ein Stoppschild war in einem Garten aufgestellt und in zerfetzten Kleidungsstücken eingehüllt worden und sollte eine provisorische Vogelscheuche darstellen. Es schien auch, dass einige Häuser niedergerissen wurden, um Platz für Maisfelder zu machen. Die grünen Stängel wogten stolz in der Brise.

Hunde streunten auf den Straßen und patrouillierten vor den Häusern. Sie bellten ihn an, als er vorbeifuhr, machten sich aber nicht die Mühe ihm hinterherzujagen, als sie bemerkten, dass er keine Bedrohung für die Gärten ihrer Herrchen darstellte. Es gab einige Ziegen die rumstanden und auch eine große Anzahl an Hühnern, aber Peter konnte keine freilaufenden Katzen erblicken- sie und Kaninchen würden wohl wahrscheinlich eingesperrt und als Nahrungsmittel verwendet werden. Haustiere waren ein Luxus, den man sich nicht mehr leisten konnte. Auch Vögel waren selten; die Kinder der Nachbarschaft werden ohne Zweifel an ihrer Zielfertigkeit mit der Schleuder gearbeitet haben.

Peter fragte sich, was es war, dass ihn immer dazu brachte in Stadzentren rumzuhängen. Städte, das wusste er, waren Todesfallen, die reif waren in der nahen Zukunft an ihrem eigenen Gewicht zu kollabieren und egal wen es dann erwischte, er würde das gleiche Schicksal erleiden Es war die relativ geringe Anzahl an Leuten, die auf dem Land lebten, denen es am besten gehen würde, obwohl sie wahrscheinlich auch gezeichnet sein werden. Jede vernünftige Person sollte es eigentlich begreifen und versuchen sich ein Stück Ackerland zu sichern, bevor das komplette Chaos auf das Land übergreift. Aber Peter war, und war es auch immer, ein Stadtjunge, der von den Städten angezogen wurde, obwohl er wusste, dass es jeden Moment seinen Tod bedeuten könnte.

Mein Problem ist, kam er zu dem Entschluss, dass ich gute Ratschläge erteile, aber wie jeder andere auch, ich mich weigere sie zu befolgen.

Aber vielleicht war es auch damals schon zu spät etwas zu unternehmen, als vor sieben Jahren sein Buch erschien und die Debatten anheizte. Die globalen Kräfte, die er bereits davor vorhergesagt hatte, arbeiteten schon an der Zerstörung der Zivilisation. Die Materialknappheit wurde bereits in den 1970er Jahren spürbar, aber die Reihe an kleinen Krisen eskalierte vor sich hin, ohne dass irgendwelche ernst gemeinten Gegenmaßnahmen getroffen wurden. Die Gespaltenheit der Gesellschaft, in der verschiedene Gruppen gegeneinander auftraten, hat der Menschheit den notwendigen Zusammenhalt entzogen, um ihre Probleme anzugehen. Inflation verkrüppelte die Wirtschaft und Streiks schwächten das Vertrauen der Menschen in das Vorhersehbare.

Es wurden vorher bereits schon viele Bücher darüber geschrieben, dass die Zustände kurz vor Ende des 20. Jahrhunderts kritisch sein würden; sie wurden alle als Untergangsrufe abgetan und als überaus pessimistisch von der großen Mehrheit der Leute eingestuft und auch abgelehnt. Diese Leute behielten den naiven Glauben in die Fähigkeiten der Menschheit wie ein Phönix aus seiner eigenen Asche auferstehen zu können. Und dann erschien World Collapse mit den zu seiner Zeit stärksten und furchteinflößendsten Argumenten. Der damals 25-jährige Peter Stone bewies ohne jeglichen Zweifel, dass die Zivilisation in ein paar Jahren verdammt sein würde, sollten nicht sofort radikale Maßnahmen getroffen werden. Er erläuterte diese Maßnahmen sogar: obligatorische Sterilisierung, verpflichtende Geburtenkontrolle, sofortige Verteilung des Wohlstandes, sofortige Dezentralisierung der Gesellschaft, ein Ende der Einfamilienbehausungen, ein Ende der Haltung von Tieren als Haustiere, welche nicht zum Verzehr gedacht sind , eine erzwungene Verteilung der Bevölkerung, um eine gleichmäßige Bevölkerungsverteilung herzustellen, strenge Essens- und Wasserrationierung, eine komplette Übernahme der Industrie und Arbeit durch die Regierung, komplette Kontrolle der Regierung über das Transportwesen und ein milliardenschweres Sofortprogramm für landwirtschaftliche Nutzung und Kolonialisierung der Meeresböden.

Es war, für ihn zumindest, erstaunlich wie er 95% des Landes praktisch über Nacht gegen sich aufbringen konnte. Während einige Intellektuelle ihn als “das größte Genie unserer Zeit” bejubelten, war das Netteste was einige Leute über ihn sagen konnten “dieser verdammte Sozialist.” Einige waren überzeugt, dass er, nur weil er die offensichtliche Wahrheit aussprach, die Wiedergeburt des Teufels sei. Aber das Buch verkaufte sich millionenfach. Peter dachte, dass es ironisch war, dass sein Buch einer der letzten Bestseller sein würde; kurz nachdem der zwanzigste Druck des Buches erschien, gingen die meisten Druckgewerkschaften in den Streik. So weit Peter wusste, waren sie immer noch am streiken.

Er sammelte Ruhm und Reichtum an, als beides bereits schnell an Wert und Reiz verlor. Er trat bei mehreren TV- Talk Shows auf und erklärte und debattierte seinen Glauben, dass die Zivilisation, nicht nur in den USA, sondern weltweit, am Bröckeln war. Er sagte den Leuten immer wieder, dass er seine Lösungen auch nicht mochte, aber dass drastische Taten folgen müssten, damit ein noch schlimmeres Schicksal abgewendet werden kann. Aber niemand hörte zu. Seine Gegner nannten ihn einen Opportunisten, der Geld an den Problemen und Katastrophen der Welt verdient. Er wurde als Bösewicht, Extremist und Verräter dargestellt.

In der Zwischenzeit wurde alles was er vorausgesagt hatte Wirklichkeit. Die Streiks der Stadtangestellten brachten die städtischen Dienstleistungen zum Zusammenbruch. Die Treibstoffknappheit, welche er vorhersagte, wurde noch akuter durch den finalen Israelkrieg, welcher 93% der arabischen Ölfelder zerstörte. Die Welt wurde über Nacht mit ihrer schlimmsten Energiekrise konfrontiert. Da kein Strom mehr vorhanden war, verschwanden auch nach und nach die Radio- und Fernsehsender aus dem Äther. Und ohne Treibstoff konnten die Lastwagenfahrer Materialien, Versorgungsgüter und Fertigerzeugnisse nicht mehr mit der gewohnten Effizienz transportieren. Die Versorgungslage bei allen Gütern war knapp und wurde immer knapper. Die Versorgungslage bei Kommunikation, Transport und Verteilung- den “großen Drei”, die Peter in seinem Buch aufführte — wurde von Tag zu Tag schlimmer.

Peter bog in den San Fernando Mission Boulevard ein und fuhr weiter. Telefonmasten standen sporadisch am Straßenrand; die meisten aber wurden auf der Suche nach Feuerholz abgehackt. Als er an den Häusern vorbeifuhr, sah er Leute in ihren Gärten arbeiten. Sie würden sich wahrscheinlich mit Kleinigkeiten aufhalten, bis die Wasserversorgung eines Tages zusammenbricht. Peter erschauderte, als er über die Panik nachdachte, die sich unbemerkt unter der Oberfläche aufbaute, wie ein böser Flaschengeist, der nur auf den Tag wartet, an dem er mit Sicherheit freigelassen wird.

Er fuhr unter einer Freewayüberführung durch, überquerte eine Hauptstraße und gelangte schließlich an einem Ort, welcher einst ein Park war Er war drei Blocks lang und einen Block breit. Man hatte hier ebenfalls versucht Mais anzubauen, aber der Versuch wurde von der Masse der Menschen die herzog, durchkreuzt. Der Park war übersät von alten, kaputten Autos, die die Leute in den Park geschoben hatten und jetzt als Quartiere benutzten. Zuerst wunderte sich Peter darüber, wieso sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatten — an Unterkunftsmöglichkeiten herrschte momentan am wenigsten Mangel. Dann aber sah er was sich auf der anderen Straßenseite gegenüber des Parks befand.

Es war die San Fernando Mission, eine der Missionierungseinrichtungen, die im 18. Jahrhundert von Pater Juniperro Serria errichtet wurden und später als El Camino Real bekannt wurden. Als eine katholische Kirche stellte es heute eine der wenigen Organisationen dar, die noch funktionierten. Die Mission agierte als Essensausgabezentrum und fütterte wahrscheinlich Notleidende im Rahmen ihrer Wohltätigkeitsarbeit. Diese Wohltätigkeitsarbeit hat zu der Menge an armen Leuten geführt, die in den Park auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihre Lager aufschlugen.

Peter hegte gemischte Gefühle gegenüber Kirchen. Da er selbst nicht religiös war, tendierte er dazu ihnen zu misstrauen. Es stimmt, sie leisteten gerade sehr gute Arbeit und boten nicht nur vorübergehende Fürsorge an— wie zum Beispiel Essensverteilung — sondern kümmerten sich auch um die spirituellen Bedürfnisse der Menschen und halfen auch dabei die Stimmung hoch zu halten. Als die Situation sich allmählich verschlechterte, wandten sich die Menschen immer mehr der Religion als Trostquelle zu. Das war alles schön und gut, aber Peter konnte nicht anders als sich daran zu erinnern, wie die mittelalterlichen Kirchen sich in einen gigantischen Monolithen verwandelte, der den Verstand betäubte und Aberglaube förderte und erbarmungslos jegliche Individualität unterdrückte. Sollte die Menschheit sich wieder erheben und zahlenmäßig wachsen, dann wäre die Freiheit der Gedanken ein absolutes Muss. Peter befürchtete, dass die Kirchen nur auf kurzer Sicht Linderung erzeugten, aber auf langer Sicht Unterdrückung lieferten.

Er hielt vor der Mission an und stieg vom Fahrrad. Das sah nach der besten Aussicht auf einen Schlafplatz für heute Nacht aus. Er könnte in der Mission essen und sich dann an die Wand lehnen und die ganze Nacht durchschlafen. Die Nächte in Los Angeles konnten richtig kühl werden, waren aber normalerweise nicht unerträglich kalt. Einige seiner wenigen Besitztümer — abgesehen von Geld, was nur ab und zu nützlich war — war die zusammengefaltete Decke in seinem Rucksack. Das würde reichen, um ihn heute Nacht zu wärmen.

Er schob gerade sein Fahrrad in Richtung Mission, als er bemerkte, dass an der westlichen Gebäudeseite etwas vor sich ging. Ein schwarzer Mann mit einem Motorrad wurde von einer Gruppe weißer Jugendlicher belästigt.

“Ich glaube er ist aus Pacoima”, sagte einer der Rowdys. “Kommt her um uns auszuspionieren, um herauszufinden, wo unsere Schwachstellen sind. Wahrscheinlich wollen er und seine Freunde uns heute Nacht überfallen und unseren Treibstoff klauen. Komm schon, Neger, woher hast du das Motorrad?”

Der Schwarze war jung, groß und hager; in besseren Zeiten hätte er ein College Basketballspieler sein können. Er hatte ein rotes Tanktop Shirt und blaue Hosen und trug ein rotes Bandana um seine Stirn. Er hatte einen tiefschwarzen Ziegenbart, einen Schnurrbart und als Frisur hatte er kurze, lockige Haare. Er strahlte große Würde aus. “Fasst das Motorrad an,”sagte er, “und ich werde die Gettysburgansprache in euren kleinen, weißen Ärsche ritzen.” Seine Stimme war so leise, dass sie kaum hörbar war, aber sie strahlte dennoch Macht aus.

Die Bande war für einen Moment überrascht, aber dann lachten sie nervös. Sie waren 9 zu 1 in der Überzahl. “Wer glaubst du, bist du, Nigger, dass du hier vorbeikommen und Befehle erteilen kannst?” fragte der Anführer und kam einen Schritt näher. Der Rest der Bande tat das Gleiche.

Mit einer schnellen Geste langte der Fremde in seine Hosentasche und zog ein Klappmesser heraus und öffnete die Klinge. Seine Hand bewegte sich vor ihn in einem Kreis und erzeugte die Wahrnehmung, als ob die Klinge von selbst schweben würde. “Keine Befehle”, sagt er. “Nur guten Rat.”

Die Rowdies hielten wieder an. Der Einsatz erhöhte sich und sie waren sich unsicher was sie tun sollten. Der Anführer war in der schlechtesten Position— er konnte sein Gesicht nicht vor seinen Leuten verlieren. Also langte er, nachdem er das Klappmesser für einen Moment beäugte, ruhig in seinen Gürtel und zog seine eigene Waffer raus, ein großes Armee-Bayonet mit Holzgriff. “Wenn du Spielchen spielen willst, dann können wir das auch— habe ich Recht, Leute?” Inspiriert von seinem Verhalten, zogen die anderen ihre Messer.

Peter schaute sich um. Niemand im Park konnte sehen was vor sich ging — oder wenn doch, dann taten sie gute Arbeit es zu ignorieren. Er fühlte ein unangenehmes Gefühl im Magenn und sein Speichel im Mund schmeckte säuerlich. Er überprüfte ob sein eigenes Messer griffbereit in der Scheide war, nur für den Fall, dass er es brauchen würde.

Die Bande kreiste um ihr Opfer, tat das aber mit weniger Vertrauen, als sie sonst spüren würden. Das mögliche Opfer war nicht irgendein hilfloser und durch ihre Einschüchterung verängstigter Fremder, sondern ein stark aussehender Mann mit einem scharfen Messer, das er anscheinend auch zu benutzen wusste. Die Gang rückte vorsichtig vor.

Der Schwarze stand seinen Mann und dreht sich langsam und behielt die Leute vor und auch hinter sich stets im Auge. Seine Hand mit dem Messer blieb steif und zeigte direkt auf den Hals des Anführers.

Mit einem lauten, bullenähnlichen Schrei, griff der Anführer an. Der Schwarze wich ihm mit Leichtigkeit zur Seite aus und bewegte sein Handgelenk in einer einfach anmutenden Bewegung— aber als der Anführer sich wieder aufrichtete, konnte Peter sehen, dass der tiefe Schnitt über seinem linken Ohr stark blutete. “Nächster”, sagte der Schwarze und lachte.

Drei andere griffen ihn von verschiedenen Seiten an. Einer von ihnen kassierte einen schnellen Tritt in den Schritt, der ihn sofort einknicken ließ; der Zweite stocherte in die Luft, da sich das vermeintliche Opfer bereits weggedreht hat und dem Dritten mit einer Stichattacke auf dessen Hand bedachte. “Kommt schon,” schreite der Anführer der Gang von der Seite. “Was sind wir, eine Bande Feiglinge? Schnappen wir ihn uns!”

Sie taten sich alle zur gleichen Zeit zusammen, zeigten aber jedoch großen Respekt vor den Fähigkeiten ihres Opfers. Der Schwarze hatte eine höhere Reichweite als die meisten von ihnen und konnte sie deshalb momentan mit seinen Stichen auf Abstand halten, aber er konnte sich nicht für Immer gegen ihre Überzahl wehren.

Peter war kein sehr guter Kämpfer, obwohl er seit dem letzten Jahr bereits einige Kämpfe hinter sich hat. Normalerweise ging er Kämpfen aus dem Weg wo er nur konnte, aber dieser hier war einer, den er nicht ignorieren konnte, wenn er mit seinem Gewissen leben wollte. Er zog sein Messer, stieß einen lauten Schrei aus und griff an.

Die Gang war durch diesen Angriff aus einer neuen Richtung überrascht und reagierte für einen Moment nicht, was Peter den Vorteil gab, den er so dringend benötigte. Er machte einen Gegner mit einem schnellen Messerstich unterhalb der Rippen unschädlich. Er drehte sich zum nächsten Mann und griff dessen Gesicht an und verletzte ihn oberhalb der Augenbraue. Blut strömte aus der Verletzung und in die Augen. Der Gegner konnte dadurch nichts mehr sehen und glaubte dadurch sein Auge verloren zu haben. Er fiel zu Boden und schrie.

Im Gegensatz zu ihnen, zögerte der Schwarze nicht. Sein Messer war damit beschäftigt seine Gegner anzugreifen, was sie dazu brachte in Verteidigung zu gehen. Sie hatten sich jetzt aber von der Peters Überraschungsangriff erholt und führten einen Gegenangriff aus. Peter sah sich selbst zwei übel aussehenden Kerle gegenüber, denen die Mordlust in ihren Augen stand. Ohne das Element der Überraschung auf seiner Seite, waren die anderen beiden die eindeutig besseren Kämpfer. Peter wich langsam von ihnen zurück und fand sich mit seinem Rücken an der Mauer der Mission. Die anderen beiden kamen ihm langsam mit einem fiesen Grinsen näher.

Der Mann zu seiner Linken sprang auf ihn zu. Peter versuchte sich wegzudrehen, war aber nicht schnell genug— das Messer der Angreifers schnitt ihn an der Oberseite seines linken Armes. Peter fühlte einen brennenden Schmerz durch seinen Körper gehen. Blut strömte aus der Wunde und besudelte sein bereits verschmutztes Shirt, aber er hatte nicht genug Zeit darüber nachzudenken- er kämpfte gerade um sein Leben.

Sein Versuch sich wegzudrehen, brachte ihn in eine ziemlich schlechte Position , denn jetzt zeigte seine Linke Seite nach draußen und seine Rechte Seite — zusammen mit seiner Messerhand— zur Mauer. Er musste sich schnell ducken, als der zweite Angreifer diese ungeschützte Stelle bemerkte und seinen Kopf angriff. Die Klinge sauste gerade einmal um Haaresbreite an Peters Haare vorbei.

Aber indem er diesen Angriff gemacht hatte, hatte der Jugendliche sich selbst verwundbar gemacht. Peter rannte nach vorne und rammte sein Messer in den Bauch des Angreifers. Der Mann stieß einen Schmerzensschrei aus und sank langsam zu Boden. Peter zog schnell seine Klinge raus, fiel auf den Boden und rollte sich vom ersten Angreifer weg, der sich jetzt auf ihn stürzte.

Als er auf seine Füße kam, sah er, wie der Mann ihn in geduckter Haltung ansah. Sie umkreisten sich für eine lange Sekunde und dann griff der Mann an. Peter versuchte Matador zu spielen, indem er dem Angriff seitlich auswich und den Angriff versuchte zu parieren, war aber nur zum Teil erfolgreich. Das Messer des anderen schnitt durch sein Shirt und kratzte an seinen Rippen auf der linken Seite. Peter drehte sich um und wich wieder nach hinten zurück.

Der andere witterte einen schnellen Todesschlag und griff wieder an. Er kam nur bis zur Hälfte des Weges zu Peter, bevor er schrie und nach vorne fiel. Ein Klappmesser steckte in seinem Nacken.

Peter sah sich um und begutachtete das Schlachtfeld. Sieben Männer lagen auf dem Boden, die meisten am Leben, aber schwer verwundet. Die restlichen zwei Gangmitglieder flohen die Straße runter. In der Mitte des Platzes, wo am meisten Zerstörung angerichtet wurde, stand der schwarze Mann in aller Ruhe da und bewunderte sein Handwerk. Er schien unversehrt zu sein. Mit einem Grinsen im Gesicht ging er Richtung Peter und zog sein Klappmesser aus dem Hals seines letzten Opfers, wischte es am Shirt des Mannes ab, und klappte es zusammen und steckte es wieder in seine Hosentasche. Dann ging er zu seinem Motorrad und bereitete sich vor wegzufahren.

“Hey,” sagte Peter, “hast du nicht einmal vor mir zu danken?”

Der andere drehte sich um. “Dir danken? Wofür? Für etwas, dass jeder mit etwas Mut hätte tun sollen?”

“Aber es war nicht irgendjemand, sondern ich und ich blute.”

Der Schwarze kam herüber, packte grob Peters verwundeten linken Arm und untersuchte ihn. “ Shiiit, Alter, dass ist nichts weiter als eine Fleischwunde. Es wird verheilen, außer es infiziert sich.” Er hielt inne als ihm ein Gedanke kam. “Wohnst du hier in der Gegend?”

Peter schüttelte seinen Kopf.