Фауст. Трагедия / Faust. Eine Tragödie

Фауст. Трагедия / Faust. Eine Tragödie
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Фауст. Трагедия / Faust. Eine Tragödie
Faust alleinWie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,Der immerfort an schalem Zeuge klebt,Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!Darf eine solche Menschenstimme hier,Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.Du rissest mich von der Verzweiflung los,Die mir die Sinne schon zerstören wollte.Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schonGanz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,Und abgestreift den Erdensohn;Ich, mehr als Cherub, dessen freye KraftSchon durch die Adern der Natur zu fließenUnd, schaffend, Götterleben zu genießenSich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen.Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.In jenem sel’gen AugenblickeIch fühlte mich so klein, so groß,Du stießest grausam mich zurücke,Ins ungewisse Menschenloos.Wer lehret mich? was soll ich meiden?Soll ich gehorchen jenem Drang?Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,Sie hemmen unsres Lebens Gang.Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen,Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.Die uns das Leben gaben, herrliche GefühleErstarren in dem irdischen Gewühle.Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem Flug,Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,Dort wirket sie geheime Schmerzen,Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;Du bebst vor allem was nicht trifft,Und was du nie verlierst das mußt du stets beweinen.Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt;Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;Den, wie er sich im Staube nährend lebt,Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt.Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand,Aus hundert Fächern, mir verenget;Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,In dieser Mottenwelt mich dränget?Hier soll ich finden was mir fehlt?Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,Daß überall die Menschen sich gequält,Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? —Was grinsest du mir hohler Schädel her?Als daß dein Hirn, wie meines, einst verwirret,Den leichten Tag gesucht und in der Dämmrung schwer,Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.Ihr Instrumente freylich, spottet mein,Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel.Ich stand am Thor, ihr solltet Schlüssel seyn;Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.Geheimnißvoll am lichten TagLäßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.Du alt Geräthe das ich nicht gebraucht,Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.Du alte Rolle, du wirst angeraucht,So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.Weit besser hätt’ ich doch mein weniges verpraßt,Als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!Was du ererbt von deinen Vätern hastErwirb es, um es zu besitzen.Was man nicht nützt ist eine schwere Last,Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?Warum wird mir auf einmal lieblich helle?Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht.Ich grüße dich, du einzige Phiole!Die ich mit Andacht nun herunterhole,In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,Erweise deinem Meister deine Gunst!Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach.Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen,Die Spiegelfluth erglänzt zu meinen Füßen,Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,An mich heran! Ich fühle mich bereitAuf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit.Dieß hohe Leben, diese Götterwonne!Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?Ja, kehre nur der holden ErdensonneEntschlossen deinen Rücken zu!Vermesse dich die Pforten aufzureißen,Vor denen jeder gern vorüber schleicht.Hier ist es Zeit durch Thaten zu beweisen,Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,In der sich Phantasie zu eigner Quaal verdammt,Nach jenem Durchgang hinzustreben,Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließenUnd, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.Nun komm herab, krystallne reine Schaale!Hervor aus deinem alten Futterale,An die ich viele Jahre nicht gedacht.Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,Erheitertest die ernsten Gäste,Wenn einer dich dem andern zugebracht.Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen,Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht.Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.Den ich bereitet, den ich wähle,Der letzte Trunk sey nun, mit ganzer Seele,Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
BürgermädchenDa sieh mir nur die schönen Knaben!Es ist wahrhaftig eine Schmach,Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,Und laufen diesen Mägden nach!Zweyter Schüler zum erstenNicht so geschwind! dort hinten kommen zwey,Sie sind gar niedlich angezogen,’s ist meine Nachbarin dabey;Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.Sie gehen ihren stillen SchrittUnd nehmen uns doch auch am Ende mit.ErsterHerr Bruder nein! Ich bin nicht gern genirt.Geschwind! daß wir das Wildpret nicht verlieren.Die Hand, die Samstags ihren Besen führt,Wird Sontags dich am besten caressiren.BürgerNein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister!Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.Und für die Stadt was thut denn er?Wird es nicht alle Tage schlimmer?Gehorchen soll man mehr als immer,Und zahlen mehr als je vorher.Bettler singtIhr guten Herrn, ihr schönen Frauen,So wohlgeputzt und backenroth,Belieb’ es euch mich anzuschauen,Und seht und mildert meine Noth!Laßt hier mich nicht vergebens leyern!Nur der ist froh, der geben mag.Ein Tag den alle Menschen feyern,Er sey für mich ein Aerndetag.Andrer BürgerNichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen,Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrey,Wenn hinten, weit, in der Türkey,Die Völker auf einander schlagen.Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen ausUnd sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;Dann kehrt man Abends froh nach Haus,Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.Dritter BürgerHerr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn,Sie mögen sich die Köpfe spalten,Mag alles durch einander gehn;Doch nur zu Hause bleib’s beym Alten.Alte zu den BürgermädchenEy! wie geputzt! das schöne junge Blut!Wer soll sich nicht in euch vergaffen? —Nur nicht so stolz! es ist schon gut!Und was ihr wünscht das wüßt’ ich wohl zu schaffen.BürgermädchenAgathe fort! ich nehme mich in AchtMit solchen Hexen öffentlich zu gehen;Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht,Den künftgen Liebsten leiblich sehen.Die AndreMir zeigte sie ihn im Krystall,Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall,Allein mir will er nicht begegnen.SoldatenBurgen mit hohenMauern und Zinnen,Mädchen mit stolzenHöhnenden SinnenMöcht’ ich gewinnen!Kühn ist das Mühen,Herrlich der Lohn!Und die TrompeteLassen wir werben,Wie zu der Freude,So zum Verderben.Das ist ein Stürmen!Das ist ein Leben!Mädchen und BurgenMüssen sich geben.Kühn ist das Mühen,Herrlich der Lohn!Und die SoldatenZiehen davon.
Er setzt die Schaale an den Mund.
Glockenklang und Chorgesang.
Chor der EngelChrist ist erstanden!Freude dem Sterblichen,Den die verderblichen,Schleichenden, erblichenMängel umwanden.FaustWelch tiefes Summen, welch ein heller Ton,Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?Verkündiget ihr dumpfen Glocken schonDes Osterfestes erste Feyerstunde?Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,Gewißheit einem neuen Bunde.Chor der WeiberMit SpezereyenHatten wir ihn gepflegt,Wir seine TreuenHatten ihn hingelegt;Tücher und BindenReinlich umwanden wir,Ach! und wir findenChrist nicht mehr hier.Chor der EngelChrist ist erstanden!Selig der Liebende,Der die Betrübende,Heilsam’ und übendePrüfung bestanden.FaustWas sucht ihr, mächtig und gelind,Ihr Himmelstöne mich am Staube?Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der GlaubeDas Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben,Woher die holde Nachricht tönt;Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.Sonst stürzte sich der Himmels-Liebe KußAuf mich herab, in ernster Sabathstille;Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle,Und ein Gebet war brünstiger Genuß;Ein unbegreiflich holdes SehnenTrieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,Und unter tausend heißen Thränen,Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.Dieß Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,Der Frühlingsfeyer freyes Glück;Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,Vom letzten, ernsten Schritt zurück.O! tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!Chor der JüngerHat der BegrabeneSchon sich nach oben,Lebend Erhabene,Herrlich erhoben;Ist er in WerdelustSchaffender Freude nah;Ach! an der Erde Brust,Sind wir zum Leide da.Ließ er die SeinenSchmachtend uns hier zurück;Ach! wir beweinenMeister dein Glück!Chor der EngelChrist ist erstanden,Aus der Verwesung Schoos.Reißet von BandenFreudig euch los!Thätig ihn preisenden,Liebe beweisenden,Brüderlich speisenden,Predigend reisenden,Wonne verheißendenEuch ist der Meister nah’,Euch ist er da!Vor dem Thor
Spaziergänger aller Art ziehen hinaus.
Einige HandwerksburscheWarum denn dort hinaus?AndreWir gehn hinaus auf’s Jägerhaus.Die ErstenWir aber wollen nach der Mühle wandern.Ein HandwerksburschIch rath’ euch nach dem Wasserhof zu gehn.ZweyterDer Weg dahin ist gar nicht schön.Die ZweytenWas thust denn du?Ein DritterIch gehe mit den andern.VierterNach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihrDie schönsten Mädchen und das beste Bier,Und Händel von der ersten Sorte.FünfterDu überlustiger Gesell,Juckt dich zum drittenmal das Fell?Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.DienstmädchenNein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.AndreWir finden ihn gewiß bey jenen Pappeln stehen.ErsteDas ist für mich kein großes Glück;Er wird an deiner Seite gehen,Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.Was gehn mich deine Freuden an!AndreHeut ist er sicher nicht allein,Der Krauskopf, sagt er, würde bey ihm seyn.SchülerBlitz wie die wackern Dirnen schreiten!Herr Bruder komm! wir müssen sie begleiten.Ein starkes Bier, ein beizender Toback,Und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack.
Faust und Wagner.
FaustVom Eise befreyt sind Strom und Bäche,Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;Der alte Winter, in seiner Schwäche,Zog sich in rauhe Berge zurück.Von dorther sendet er, fliehend, nurOhnmächtige Schauer körnigen EisesIn Streifen über die grünende Flur;Aber die Sonne duldet kein Weißes,Ueberall regt sich Bildung und Streben,Alles will sie mit Farben beleben;Doch an Blumen fehlts im Revier,Sie nimmt geputzte Menschen dafür.Kehre dich um, von diesen HöhenNach der Stadt zurück zu sehen.Aus dem hohlen finstren ThorDringt ein buntes Gewimmel hervor.Jeder sonnt sich heute so gern.Sie feyern die Auferstehung des Herrn,Denn sie sind selber auferstanden,Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,Aus der Straßen quetschender Enge,Aus der Kirchen ehrwürdiger NachtSind sie alle ans Licht gebracht.Sieh nur sieh! wie behend sich die MengeDurch die Gärten und Felder zerschlägt,Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,So manchen lustigen Nachen bewegt,Und, bis zum Sinken überladenEntfernt sich dieser letzte Kahn.Selbst von des Berges fernen PfadenBlinken uns farbige Kleider an.Ich höre schon des Dorfs Getümmel,Hier ist des Volkes wahrer Himmel,Zufrieden jauchzet groß und klein:Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.WagnerMit euch, Herr Doctor, zu spazierenIst ehrenvoll und ist Gewinn;Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren,Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,Ist mir ein gar verhaßter Klang;Sie toben wie vom bösen Geist getriebenUnd nennen’s Freude, nennen’s Gesang.Bauernunter der Linde. Tanz und Gesang.
Der Schafer putzte sich zum Tanz,Mit bunter Jacke, Band und Kranz,Schmuck war er angezogen.Schon um die Linde war es vollUnd alles tanzte schon wie toll.Juchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!So ging der Fiedelbogen.Er druckte hastig sich heran,Da stieß er an ein Madchen an,Mit seinem Ellenbogen;Die frische Dirne kehrt sich umUnd sagte: nun das find’ ich dummJuchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!Seyd nicht so ungezogen.Doch hurtig in dem Kreise ging’s,Sie tanzten rechts sie tanzten linksUnd alle Röcke flogen.Sie wurden roth, sie wurden warmUnd ruhten athmend Arm in Arm,Juchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!Und Hüft’ an Ellenbogen.Und thu mir doch nicht so vertraut!Wie mancher hat nicht seine BrautBelogen und betrogen!Er schmeichelte sie doch bey Seit’Und von der Linde scholl es weit:Juchhe! Juchhe!Juchheisa! Heisa! He!Geschrei und Fiedelbogen.Alter BauerHerr Doctor, das ist schön von euch,Daß ihr uns heute nicht verschmäht,Und unter dieses Volksgedräng’,Als ein so Hochgelahrter, geht.So nehmet auch den schönsten Krug,Den wir mit frischem Trunk gefüllt,Ich bring’ ihn zu und wünsche laut,Daß er nicht nur den Durst euch stillt;Die Zahl der Tropfen, die er hegt,Sey euren Tagen zugelegt.FaustIch nehme den Erquickungs-Trank,Erwiedr’ euch allen Heil und Dank.Das Volk sammelt sich im Kreis umher.
Alter BauerFürwahr es ist sehr wohl gethan,Daß ihr am frohen Tag erscheint;Habt ihr es vormals doch mit unsAn bösen Tagen gut gemeynt!Gar mancher steht lebendig hier,Den euer Vater noch zuletztDer heißen Fieberwuth entriß,Als er der Seuche Ziel gesetzt.Auch damals ihr, ein junger Mann,Ihr gingt in jedes Krankenhaus,Gar manche Leiche trug man fort,Ihr aber kamt gesund heraus,Bestandet manche harte Proben;Dem Helfer half der Helfer droben.AlleGesundheit dem bewährten Mann,Daß er noch lange helfen kann!FaustVor jenem droben steht gebückt,Der helfen lehrt und Hülfe schickt.Er geht mit Wagnern weiter.
WagnerWelch ein Gefühl mußt du, o großer Mann!Bey der Verehrung dieser Menge haben!O! glücklich! wer von seinen GabenSolch einen Vortheil ziehen kann.Der Vater zeigt dich seinem Knaben,Ein jeder fragt und drängt und eilt,Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.Du gehst, in Reihen stehen sie,Die Mützen fliegen in die Höh’;Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,Als käm’ das Venerabile.FaustNur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.Hier saß ich oft gedankenvoll alleinUnd quälte mich mit Beten und mit Fasten.An Hoffnung reich, im Glauben fest,Mit Thränen, Seufzen, HänderingenDacht’ ich das Ende jener PestVom Herrn des Himmels zu erzwingen.Der Menge Beyfall tönt mir nun wie Hohn.O könntest du in meinem Innern lesen,Wie wenig Vater und SohnSolch eines Ruhmes werth gewesen!Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,Der über die Natur und ihre heilgen Kreise,In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,Mit grillenhafter Mühe sann.Der, in Gesellschaft von Adepten,Sich in die schwarze Küche schloß,Und, nach unendlichen Recepten,Das Widrige zusammengoß.Da ward ein rother Leu, ein kühner Freyer,Im lauen Bad, der Lilie vermähltUnd beyde dann, mit offnem Flammenfeuer,Aus einem Brautgemach ins andere gequält.Erschien darauf, mit bunten Farben,Die junge Königin im Glas,Hier war die Arzeney, die Patienten starben,Und niemand fragte: wer genas?So haben wir, mit höllischen Latwergen,In diesen Thälern, diesen Bergen,Weit schlimmer als die Pest getobt.Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,Sie welkten hin, ich muß erlebenDaß man die frechen Mörder lobt.WagnerWie könnt ihr euch darum betrüben!Thut nicht ein braver Mann genug;Die Kunst, die man ihm übertrug,Gewissenhaft und pünctlich auszuüben.Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,So wirst du gern von ihm empfangen;Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.FaustO! glücklich! wer noch hoffen kannAus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen.Was man nicht weiß das eben brauchte man,Und was man weiß kann man nicht brauchen.Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut,Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern!Betrachte wie, in Abendsonne-Glut,Die grünumgebnen Hütten schimmern.Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.O! daß kein Flügel mich vom Boden hebt,Ihr nach und immer nach zu streben.Ich säh’ im ewigen AbendstrahlDie stille Welt zu meinen Füßen,Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,Den Silberbach in goldne Ströme fließen.Nicht hemmte dann den göttergleichen LaufDer wilde Berg mit allen seinen Schluchten;Schon thut das Meer sich mit erwärmten BuchtenVor den erstaunten Augen auf.Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;Allein der neue Trieb erwacht,Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken,Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leichtKein körperlicher Flügel sich gesellen.Doch ist es jedem eingeboren,Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,Wenn über uns, im blauen Raum verloren,Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;Wenn über schroffen FichtenhöhenDer Adler ausgebreitet schwebt,Und über Flächen, über Seen,Der Kranich nach der Heimat strebt.WagnerIch hatte selbst oft grillenhafte Stunden,Doch solchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!Da werden Winternächte hold und schön,Ein selig Leben wärmet alle Glieder,Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen;So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.FaustDu bist dir nur des einen Triebs bewußt,O lerne nie den andern kennen!Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,Die eine will sich von der andern trennen;Die eine hält, in derber Liebeslust,Sich an die Welt, mit klammernden Organen;Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust,Zu den Gefilden hoher Ahnen.O giebt es Geister in der Luft,Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben,So steiget nieder aus dem goldnen DuftUnd führt mich weg, zu neuem buntem Leben!Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!Und trüg’ er mich in fremde Länder,Mir sollt’ er, um die köstlichsten Gewänder,Nicht feil um einen Königsmantel seyn.WagnerBerufe nicht die wohlbekannte Schaar,Die, strömend, sich im Dunstkreis überbreitet,Dem Menschen tausendfältige Gefahr,Von allen Enden her, bereitet.Von Norden dringt der scharfe GeisterzahnAuf dich herbey, mit pfeilgespitzten Zungen;Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,Und nähren sich von deinen Lungen;Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen,So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen,Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,Und lispeln englisch, wenn sie lügen.Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt,Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!Am Abend schätzt man erst das Haus. —Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?FaustSiehst du den schwarzen Hund durch Saatund Stoppel streifen?WagnerIch sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.FaustBetracht’ ihn recht! für was hältst du das Thier?WagnerFür einen Pudel, der auf seine WeiseSich auf der Spur des Herren plagt.FaustBemerkst du, wie in weitem SchneckenkreiseEr um uns her und immer näher jagt?Und irr’ ich nicht, so zieht ein FeuerstrudelAuf seinen Pfaden hinterdrein.WagnerIch sehe nichts als einen schwarzen Pudel,Es mag bey euch wohl Augentäuschung seyn.FaustMir scheint es, daß er magisch leise Schlingen,Zu künft’gem Band, um unsre Füße zieht.WagnerIch seh’ ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,Weil er, statt seines Herrn, zwey Unbekannte sieht.FaustDer Kreis wird eng, schon ist er nah!WagnerDu siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,Er wedelt. Alles Hunde Brauch.FaustGeselle dich zu uns! Komm hier!WagnerEs ist ein pudelnärrisch Thier.Du stehest still, er wartet auf;Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;Verliere was, er wird es bringen,Nach deinem Stock ins Wasser springen.FaustDu hast wohl recht, ich finde nicht die SpurVon einem Geist, und alles ist Dressur.WagnerDem Hunde, wenn er gut gezogen,Wird selbst ein weiser Mann gewogen.Ja deine Gunst verdient er ganz und garEr, der Studenten trefflicher Scolar.Sie gehen in das Stadt-Thor.
Studirzimmer
Faust mit dem Pudel hereintretend.
FaustVerlassen hab’ ich Feld und Auen,Die eine tiefe Nacht bedeckt,Mit ahndungsvollem heil’gem GrauenIn uns die bessre Seele weckt.Entschlafen sind nun wilde Triebe,Mit jedem ungestümen Thun;Es reget sich die Menschenliebe,Die Liebe Gottes regt sich nun.Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!An der Schwelle was schnoperst du hier?Lege dich hinter den Ofen nieder,Mein bestes Kissen geb’ ich dir.Wie du draußen auf dem bergigen Wege,Durch Rennen und Springen, ergetzt uns hast,So nimm nun auch von mir die Pflege,Als ein willkommner stiller Gast.Ach wenn in unsrer engen ZelleDie Lampe freundlich wieder brennt,Dann wird’s in unserm Busen helle,Im Herzen, das sich selber kennt.Vernunft fängt wieder an zu sprechen,Und Hoffnung wieder an zu blühn,Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,Ach! nach des Lebens Quelle hin.Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen,Die jetzt meine ganze Seel’ umfassen,Will der thierische Laut nicht passen.Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnenWas sie nicht verstehn,Daß sie vor dem Guten und Schönen,Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;Will es der Hund, wie sie, beknurrenAber ach! schon fühl’ ich, bey dem besten Willen,Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.Aber warum muß der Strom so bald versiegen,Und wir wieder im Durste liegen?Davon hab’ ich so viel Erfahrung.Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,Wir lernen das Ueberirdische schätzen,Wir sehnen uns nach Offenbarung,Die nirgends würd’ger und schöner brennt,Als in dem neuen Testament.Mich drängt’s den Grundtext aufzuschlagen,Mit redlichem Gefühl einmalDas heilige OriginalIn mein geliebtes Deutsch zu übertragen.Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.
Geschrieben steht: „im Anfang war das Wort!”Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,Ich muß es anders übersetzen,Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.Bedenke wohl die erste Zeile,Daß deine Feder sich nicht übereile!Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe.Mir hilft der Geist! auf einmal seh’ ich RathUnd schreibe getrost: im Anfang war die That!Soll ich mit dir das Zimmer theilen,Pudel, so laß das Heulen,So laß das Bellen!Solch einen störenden GesellenMag ich nicht in der Nähe leiden.Einer von uns beydenMuß die Zelle meiden.Ungern heb’ ich das Gastrecht auf,Die Thür’ ist offen, hast freyen Lauf.Aber was muß ich sehen!Kann das natürlich geschehen?Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit?Wie wird mein Pudel lang und breit!Er hebt sich mit Gewalt,Das ist nicht eines Hundes Gestalt!Welch ein Gespenst bracht’ ich ins Haus!Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß.O! du bist mir gewiß!Für solche halbe HöllenbrutIst Salomonis Schlüssel gut.Geister auf dem GangeDrinnen gefangen ist einer!Bleibet haußen, folg’ ihm keiner!Wie im Eisen der Fuchs,Zagt ein alter Höllenluchs.Aber gebt Acht!Schwebet hin, schwebet wieder,Auf und nieder,Und er hat sich losgemacht.Könnt ihr ihm nützen,Laßt ihn nicht sitzen!Denn er that uns allenSchon viel zu Gefallen.FaustErst zu begegnen dem Thiere,Brauch’ ich den Spruch der Viere:Salamander soll glühen,Undene sich winden,Silphe verschwinden,Kobold sich mühen.Wer sie nicht kennteDie Elemente,Ihre KraftUnd Eigenschaft,Wäre kein MeisterUeber die Geister.Verschwind’ in FlammenSalamander!Rauschend fließe zusammenUndene!Leucht’ in Meteoren-SchöneSilphe!Bring’ häußliche HülfeIncubus! incubus!Tritt hervor und mache den Schluß.Keines der ViereSteckt in dem Thiere.Es liegt ganz ruhig und grins’t mich an,Ich hab’ ihm noch nicht weh gethan.Du sollst mich hörenStärker beschwören.Bist du GeselleEin Flüchtling der Hölle?So sieh dies Zeichen!Dem sie sich beugenDie schwarzen Schaaren.Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.Verworfnes Wesen!Kannst du ihn lesen?Den nie entsprossnen,Unausgesprochnen,Durch alle Himmel gegossnen,Freventlich durchstochnen.Hinter den Ofen gebanntSchwillt es wie ein Elephant,Den ganzen Raum füllt es an,Es will zum Nebel zerfließen.Steige nicht zur Decke hinan!Lege dich zu des Meisters Füßen!Du siehst daß ich nicht vergebens drohe.Ich versenge dich mit heiliger Lohe!Erwarte nichtDas dreymal glühende Licht!Erwarte nichtDie stärkste von meinen Künsten!Mephistopheles tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.