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Das glück ist nah
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Das glück ist nah

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– “Na und, Lin?”

– “Lin… so nennt mich meine ältere Schwester. Nur sie. Das schon seit der Kindheit.

– “Und es macht dir nichts aus?”

– “Nein, ich mag es”.

– “Na sehen sie, das heißt, ich habe richtig geraten”, lächelte der alte Mann wieder, aber jetzt war es gutmütig.

– “Da gibt es nicht viel zu erzählen”, Linda schüttelte den Kopf. – “Die Situation ist banaler, als Sie sich vorstellen können”.

– “Das glaube ich nicht”, sagte Onkel Gi, und Linda sah ihn überrascht an. -“Sehen Sie, Lin. Was passiert ist, muss eine Vorgeschichte gehabt haben. Wir bemerken es oft nicht oder wollen es nicht bemerken. Es scheint uns, dass das Ereignis isoliert ist. Als ob es separat geschehen wäre, von alleine. Tatsächlich ist das, was passiert ist, nur die Spitze des Eisbergs. Das letzte Glied miteinander verbundener Ereignisse. Und die Gründe für das, was passiert, liegen oft in der Vergangenheit. Kürzlich und manchmal fern. Aber wir wollen uns damit nicht auseinandersetzen. Wir vereinfachen das.

– “Ich weiß nicht.” Linda zuckte mit den Schultern. “Ich wurde einfach getäuscht. Verraten, beraubt, könnte man sagen”.

– “So so. Und das wurde, wie ich es verstehe, von einer nahestehenden Person getan”?

– “Woher wissen Sie das?”

– “Deduktive Methode”, lachte Onkel Gi. – “Eine sehr logische Annahme. Deinem leicht zu lesenden Lebensstil nach zu urteilen, würdest du kaum einem Fremden vertrauen, oder?”

Linda nickte.

– “Uuund …“, sagte Herr Bayer.

– “Mein… Freund.. ich weiß nicht wie ich ihn jetzt nennen soll.. Wir treffen uns mit ihm… ähm… wir trafen uns ungefähr sechs Monate lang. Nicht oft. Einmal in zwei Wochen. Wir haben in Motels übernachtet. Kurz gesagt, er bat um einen Kredit für eine dringende Autoreparatur, er sagte, es gehe um Leben und Tod, er würde von der Arbeit entlassen, wenn er es nicht repariere… Und ich, Dummkopf, habe ihm geglaubt”.

– “Am Ende also kein Geld, kein Mann”.

– “Ja. Aber es geht nicht einmal ums Geld. Im Gegenteil, es geht ums Geld, aber eher darum, dass ich Idiot das Geld bei meiner Schwester ausgeliehen habe, mit welcher ich schon länger keinen Kontakt habe. Es war… sehr schwierig, mich selbst dazu zu überwinden. Und sie ging auf mich zu. Ich habe ihr versprochen, ihr heute alles zurück zu geben und jetzt das. So viel Geld kann ich in einem Monat nicht verdienen. Und mit meinen aktuellen Schulden…”

– “Um welche Summe geht es?”

– “Zweitausend”.

– “Hmmm…” Onkel Gi verschränkte die Finger und sah seinen Gesprächspartner nachdenklich an. – “Einerseits ist die Situation natürlich unangenehm”, – bemerkte er nach kurzem Schweigen, – “aber andererseits nicht so katastrophal. Es wurde ja keine Million im Casino verzockt”.

– “Für mich ist es fast wie eine Million”.

– “Warum ist Ihr Verhältnis zu Ihrer Schwester so angespannt?”

– “Es würde lange dauern, das zu erklären. Wir hatten einen großen Streit mit ihr nach meiner Scheidung. Ja, und unsere Mutter stand immer an ihrer Seite. Irina hat ihr eigenes Leben. Ganz anders als meins. Unsere Interessen ähneln sich auch nicht”.

– “Lin, um Gottes willen, entschuldigen Sie die Frage, aber da wir uns darauf geeinigt haben, offen zu sprechen: Was ist mit Ihnen passiert? Ich erinnere mich sehr gut an diese süße, blühende junge Frau im Bus. Es ist… wie lange her? Zwei Wochen? Und si e sehen ganz anders aus”.

Eine Hitze schoss vor Scham in Lindas Kopf. Sie errötete unwillkürlich.

– “Wirklich”, blitzte sie auf, “ist es so auffällig?! Gott, was für eine Schande!”

– “Sie müssen verstehen, ich verurteile Sie überhaupt nicht”, fuhr Herr Bayer fort. “Der Mensch ist schwach und Versuchungen ausgesetzt. Aber fragen Sie sich:

Ist es das, wonach Sie gestrebt haben? Wird Trinken helfen, wenigstens ein Problem zu lösen, und was bringt Alkohol, außer einem kurzzeitigen Vergessen? Scheuen Sie sich nicht zu fragen. Und beantworten Sie sich das ehrlich”.

Lindas Wangen glühten weiter. Sie konnte nicht einmal aufblicken. “Warum bin ich hierher gekommen?” – dachte sie. “Um verletzende Worte zu hören?!”

– “Ich werde Ihnen hier auf keinen Fall Moral predigen”, fuhr Onkel Gi unterdessen fort.

– “Ich dränge Sie nur dazu, sich selbst zu verwirklichen. Ich versuche Sie dazu zu bringen, die Gründe zu analysieren, die Sie zu dieser Existenz geführt haben. Denn, tut mir leid, Lin, aber es ist schwer, es Leben zu nennen. Haben Sie Kinder?”

– “Ja”, sagte Linda mit kaum hörbarer Stimme.

– “Maya. Teenager”.

– “Ich nehme an, mit euch beiden läuft es auch nicht so gut?” – Mr. Bayer hielt inne und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort: – “Bitte sehen Sie sich alles von außen an. Haben Sie keine Lust, etwas zu verändern? Und sich drastisch zu verändern. Wenn Sie versuchen, die Probleme so zu lösen, dann stimmt etwas nicht, stimmen Sie zu?”

– “Ich denke, ich werde gehen …”

– “Hören Sie. Ich möchte Sie nicht beleidigen oder in irgendeiner Weise erniedrigen. Ich möchte sie zu Bewusstheit bringen. Wenn Sie sich nicht um sich und Ihr Leben kümmern, wird sich nichts ändern! Mindestens tausend alte Männer wie ich können Ihnen Wahrheiten erzählen. Sie müssen das auch nicht annehmen! Aber! Fragen Sie sich das alles selbst und beantworten sie sich diese Fragen ehrlich”.

– “Ich weiß nicht. Ich bin verwirrt”.

– “Sie sind noch so jung”, Onkel Gi schüttelte den Kopf. -“Oh, ich hätte gerne Ihr Alter”, kicherte er. -“Ich würde Berge versetzen! Ich sage meinem Sohn immer – nimm dir Zeit, halte einen Moment inne, versuche nicht, dein Leben zu überholen, du verpasst die besten Momente, an die du dich später mit einem schmerzenden Gefühl in deinem Herzen erinnern wirst und bitter bereust, dass du sie nicht geschätzt hast genau in diesem Moment. Und Sie auch, Lin. Sie haben die Kraft, sie haben die Energie. Es bleibt nur, es in die richtige Richtung anzuwenden. Sie sind der Herr ihres eigenen Schicksals. Wer hält sie davon ab, alles zu ändern?”

–"Okay…Sie haben wahrscheinlich recht… ich sollte darüber nachdenken… eine Entscheidung treffen.”

– “In Ordnung. Nur müssen Sie die Entscheidung nicht morgen und nicht am Montag treffen”.

– “Sondern wann?”

– “Jetzt. Genau in dieser Sekunde und Minute.

– “Aber…”

– “Nein. Einwände werden nicht akzeptiert. Sie teilen mir sofort mit, dass Sie bereit sind, Ihr Leben zu ändern, und Sie werden damit beginnen, buchstäblich in dieser Minute. Ich werde Ihnen für die erste Zeit einen Aktionsplan schreiben. Und Sie werden diesen befolgen. Aber versprechen Sie mir zuerst, dass Sie eine innere Entscheidung getroffen haben. Und Sie weichen nicht davon ab, bis sie glücklich sind”.

– « Wow. Gleich so?”

– “Es geht nur so. Ich sehe, wie viele würdige Menschen sich des gewöhnlichen Glücks berauben. Aus verschiedenen Gründen, aber meistens – wegen ihres eigenen Missverständnisses der Möglichkeiten. Da Sie mir vertraut haben, möchte ich Ihnen helfen. Oder besser gesagt, alles so machen, dass Sie sich selbst helfen”.

– “Und was soll ich machen?”

– “Jetzt – versprechen sie mir, ein neues Leben zu beginnen. Egal wie pathetisch es klingen mag. Und machen Sie sich gleich bereit – Sie werden in naher Zukunft viele Versprechungen machen müssen. Und vor allem, Sie müssen sie auch erfüllen. Wird gegen diese Bedingung verstoßen, wird unser gemeinsames Vorhaben aufgelöst – denken Sie immer daran!”

– “Irgendwie ungewöhnlich. Seltsam”.

– “Keine Angst, Lin. Entscheiden Sie sich”.

– “Naja..wahrscheinlich. Ich verspreche es”.

– “Ich höre die Härte in Ihrer Stimme nicht”.

– “Ich…” Linda räusperte sich, ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. -“Ich verspreche es”, sagte sie klar und laut.

Onkel Gi nickte und grinste zufrieden.

– “Ich verlasse jetzt das Büro”, sagte er. – “Ich werde Sie alleine lassen. Und Sie rufen ihre Schwester an”.

– “Oh Gott”, sagte Linda erschrocken.

– “Wozu denn? Was soll ich ihr…”

– “Überlegen Sie, was Sie ihr sagen werden… Oder verlassen Sie sich auf Inspiration, vielleicht finden Sie selbst die richtigen Worte”.

Onkel Gi stand auf, lehnte sich an den Tisch und ging mit einem aufmunternden Lächeln an der verwirrten Linda vorbei zum Ausgang. Sekunden später klickte der Verschlussriegel. Linda war allein in dem großen Büro.

– “Lin… sprich, ich kann dich nicht hören!… Irgendwas mit der Verbindung! Lass mich dich zurückrufen!”

– “Nein! Ich bin nur… still”.

– “Lin!”

– “Ira, ich… ich weiß nicht, wie ich es sagen soll”.

– “Was ist los mit dir?”

– “Ich, wahrscheinlich… Ich habe mich geirrt, Ira. Total geirrt. Aber es ist nicht wichtig. Ich kann dir heute kein Geld geben. Und ich werde es wahrscheinlich morgen nicht können. Ich wurde betrogen. Aber ich werde es dir zurückgeben, ich werde sparen und es zurückgeben, hörst du?”

– “Ich höre, ich höre. Ja, es ist keine Tragödie. Lass die Schulden, Schulden sein. Deine Stimme klingt komisch, mir kommt es vor als wäre sie etwas düster”.

– “Es ist einfach alles viel zu viel im Moment. Kannst.. kannst du wirklich warten?”

– “Kein Problem, Schwesterchen. Ich kann so lange warten, wie lange es eben dauern wird. Vor allem, wenn es uns hilft, zumindest eine gewisse Kommunikation aufzubauen””.

– “Willst du das wirklich?”

– “Natürlich! Wir sind doch Schwestern! Warum leben wir wie zwei Fremde?!”

– “Weiß nicht”.

– “Und ich weiß es nicht!”

– “Tut mir leid, dass ich mich einmische, aber Mutter hat mir erzählt, dass du und Maya große… Meinungsverschiedenheit habt”.

– “Maya befindet sich mitten in der Pubertät”.

– “So wie ich dich kenne, glaube ich nicht, dass es nur das ist. Ihr seid beide prinzipientreu. Ich mache mir Sorgen um sie. Und natürlich auch um dich”.

– “Geht schon vorbei”.

– “Und wenn nicht, Lin? In diesem Alter muss man auf sie aufpassen. Und, wenn Maya ihre Großmutter nicht angelogen hat, redet ihr nicht mal miteinander”.

– “Die kleine Schlange”.

– “Lin, Liebes, erinner dich mal an uns in ihrem Alter. Wie zickig wir waren. Ja, aber jetzt hat sich die Welt verändert. Du kannst nicht alles von selbst laufen lassen”.

– “Und was schlägst du vor?”

– “Sprecht euch aus. Versucht, einander zu verstehen. Du bist doch Mutter, Lin. Sei klüger, mach den ersten Schritt… Weißt du was! Ich habe eine Idee. Wenn du mit Maya wieder verstehst, brauchst du die Schulden bei mir nicht zu begleichen. Kauf ihr von diesem Geld modische Klamotten. Ein Geschenk von ihrer Tante. Aber versprich mir, dass ihr miteinander reden werdet und versucht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Versprochen?”

“… du wirst in nächster Zeit viel versprechen müssen!” – Linda erinnerte sich an die letzten Worte ihres neuen “Mentors” und sagte laut:

– “Ja, Ira, ich verspreche es. Man könnte sagen, ich schwöre es feierlich”.

– “Super, das freut mich. Und nach all dem, könnten wir uns doch irgendwo treffen und ein Eis essen gehen.”

– “Machen wir”.

– “Wunderbar! Nun, bis dann. Und grüß Maya!”

Linda legte auf und setzte sich etwas bestürzt in einen weichen Sessel; Während des Gesprächs ging sie ängstlich im Büro umher.

“Was war das denn jetzt? dachte sie verwirrt. “Wirklich…”

Die Tür öffnete sich langsam und Onkel Gi erschien auf der Schwelle.

Energisch ging er zum Tisch und warf dem Gast einen flüchtigen Blick zu.

– “Und wie lief es?” fragte er, als er sich auf seinen Platz setzte. – “Hat es funktioniert?”

Linda sah ihn verwirrt an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, also nickte sie nur.

– “Was habe ich gesagt”, sagte Herr Bayer zufrieden. -“Dann lassen Sie mich Ihnen die nächsten Punkte unseres Plans vorlesen…”

Krieg und Frieden

Linda kehrte in einer Art halbtauben Zustand nach Hause zurück. Mehr als einmal ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass das alles gar nicht mit ihr passiert. Als würde sie sich von der Seite betrachten, wie eine Schauspielerin auf der Bühne. Allerdings ist die Schauspielerin nicht sehr talentiert, da sie den Text ständig vergisst.

Ich muss mich zusammenreißen, dachte Linda. “Das ist längst überfällig. Aber – einfacher gesagt, als getan!”.

Sie betrat ihre Wohnung mit der festen Absicht, ein Gespräch von Herz zu Herz mit Maya zu führen. Sie hatte keine Zweifel, dass sie den ersten Schritt tun und ihre Tochter zu einem schwierigen Gespräch bringen könnte. Immerhin ist sie die Mutter. Und eine echte Mutter. Weil sie sich ernsthaft Sorgen um das Schicksal ihres Kindes macht.

Aber natürlich war Maya nicht zu Hause: Wo hat man gesehen, dass ein vierzehnjähriger Teenager abends in seinem Zimmer sitzt? Linda hat sie nicht angerufen – was würde ein Telefongespräch bringen? Sie fragte sie per SMS, wann sie kommt – Maya antwortete, dass sie gegen 10 zu Hause sei. Naja, immerhin. Immerhin hat sie geantwortet. Und Linda hatte es Ira versprochen. Und sie glaubte fest daran, dass das Versprechen gehalten werden muss. Natürlich nicht wegen der erlassenen Schulden. Überhaupt nicht wegen ihnen. Sondern um sich selbst zu beweisen, dass sie in ihrem Leben etwas wert ist. Auch in so einem zerlegtem Zustand.

“Mama”, stöhnte sie. – “Wie bin ich nur zu diesem Punkt gekommen? Wie habe ich bloß zulassen können, dass mein Schicksal sich so verdreht?”

Sie hörte mit einiger Besorgnis auf ihre Gefühle. Linda befürchtete, die Sache sei zu weit gegangen, beruhigte sich aber allmählich – das selbe störende notorische Jucken, das man in letzter Zeit nur noch durch Schlürfen einer Flasche loswerden konnte, verschwand spurlos. Das heißt, sie konnte sich das Trinken ganz ruhig vorstellen, als einen distanzierten Vorgang. Und nicht als sofortiges Allheilmittel für alle Sorgen, wie es gestern war. Und vorgestern. Das war ein ermutigendes Zeichen. Linda hat also noch nicht den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt.

Onkel Gi bezeichnete den nächsten Punkt im Plan als “die Organisation eines optimalen Lebensprozesses”. Es klang irgendwie zu offiziell, aber tatsächlich enthielt dieser Absatz nichts so schwer Verständliches. Zunächst musste Linda die Hauptarbeit erledigen. Onkel Gi bestand nicht direkt darauf, dass Linda kündigte. Seine Hilfe positionierte er generell als Beratung. Das heißt, Linda muss alle wichtigen Entscheidungen selbst treffen.