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Das Ich und das Es / Я и Оно
Ferner, wenn der Name des Verstorbenen sich mit der Bezeichnung eines Tieres, Gegenstandes usw. gedeckt hatte, erschien es manchen unter den angeführten Völkern notwendig, auch diese Tiere und Objekte neu zu benennen, damit man beim Gebrauch dieser Worte nicht an den Verstorbenen erinnert werde. Daraus mußte sich eine nie zur Ruhe kommende Veränderung des Sprachschatzes ergeben, die den Missionären Schwierigkeiten genug bereitete, besonders wo die Namensverpönung eine permanente war. In den sieben Jahren, die der Missionär Dobrizhoffer bei den Abiponen in Paraguay verbrachte, wurde der Name für Jaguar dreimal abgeändert, und die Worte für Krokodil, Dornen und Tierschlachten hatten ähnliche Schicksale[47]. Die Scheu, einen Namen auszusprechen, der einem Verstorbenen angehört hat, dehnt sich aber auch nach der Richtung hin aus, daß man alles zu erwähnen vermeidet, wobei dieser Verstorbene eine Rolle spielte, und als bedeutsame Folge dieses Unterdrückungsprozesses ergibt sich, daß diese Völker keine Tradition, keine historischen Reminiszenzen haben und einer Erforschung ihrer Vorgeschichte die größten Schwierigkeiten in den Weg legen. Bei einer Reihe dieser primitiven Völker haben sich aber auch kompensierende Gebräuche eingebürgert, um die Namen der Verstorbenen nach einer langen Zeit von Trauer wieder zu erwecken, indem man sie an Kinder verleiht, die als die Wiedergeburt der Toten betrachtet werden.
Das Befremdende dieses Namentabu ermäßigt sich, wenn wir daran gemahnt werden, daß für die Wilden der Name ein wesentliches Stück und ein wichtiger Besitz der Persönlichkeit ist, daß sie dem Worte volle Dingbedeutung zuschreiben. Dasselbe tun, wie ich an anderen Orten ausgeführt habe, unsere Kinder, die sich darum niemals mit der Annahme einer bedeutungslosen Wortähnlichkeit begnügen, sondern konsequent schließen, wenn zwei Dinge mit gleichklingenden Namen genannt werden, so müßte damit eine tiefgehende Übereinstimmung zwischen beiden bezeichnet sein. Auch der zivilisierte Erwachsene mag an manchen Besonderheiten seines Benehmens noch erraten, daß er von dem Voll- und Wichtignehmen der Eigennamen nicht so weit entfernt ist, wie er glaubt, und daß sein Name in einer ganz besonderen Art mit seiner Person verwachsen ist. Es stimmt dann hiezu, wenn die psychoanalytische Praxis vielfachen Anlaß findet, auf die Bedeutung der Namen in der unbewußten Denktätigkeit hinzuweisen[48].
Die Zwangsneurotiker benehmen sich dann, wie zu erwarten stand, in betreff der Namen ganz wie die Wilden. Sie zeigen die volle» Komplexempfindlichkeit «gegen das Aussprechen und Anhören bestimmter Worte und Namen (ähnlich wie auch andere Neurotiker), und leiten aus ihrer Behandlung des eigenen Namens eine gute Anzahl von oft schweren Hemmungen ab. Eine solche Tabukranke, die ich kannte, hatte die Vermeidung angenommen, ihren Namen niederzuschreiben, aus Angst, er könnte in jemandes Hand geraten, der damit in den Besitz eines Stückes von ihrer Persönlichkeit gekommen wäre. In der krampfhaften Treue, durch die sie sich gegen die Versuchungen ihrer Phantasie schützen mußte, hatte sie sich das Gebot geschaffen,»nichts von ihrer Person herzugeben«. Dazu gehörte zunächst der Name, in weiterer Ausdehnung die Handschrift, und darum gab sie schließlich das Schreiben auf.
So finden wir es nicht mehr auffällig, wenn von den Wilden der Name des Toten als ein Stück seiner Person gewertet und zum Gegenstand des den Toten betreffenden Tabu gemacht wird. Auch die Namensnennung des Toten läßt sich auf die Berührung mit ihm zurückführen, und wir dürfen uns dem umfassenderen Problem zuwenden, weshalb diese Berührung von so strengem Tabu betroffen ist.
Die naheliegendste Erklärung würde auf das natürliche Grauen hinweisen, welches der Leichnam und die Veränderungen, die alsbald an ihm bemerkt werden, erregt. Daneben müßte man der Trauer um den Toten einen Platz einräumen, als Motiv für alles, was sich auf diesen Toten bezieht. Allein das Grauen vor dem Leichnam deckt offenbar nicht die Einzelheiten der Tabuvorschriften, und die Trauer kann uns niemals erklären, daß die Erwähnung des Toten ein schwerer Schimpf für dessen Hinterbliebene ist. Die Trauer liebt es vielmehr, sich mit dem Verstorbenen zu beschäftigen, sein Andenken auszuarbeiten und für möglichst lange Zeit zu erhalten. Für die Eigentümlichkeiten der Tabugebräuche muß etwas anderes als die Trauer verantwortlich gemacht werden, etwas, das offenbar andere Absichten als diese verfolgt. Gerade die Tabu der Namen verraten uns dies noch unbekannte Motiv, und sagten es die Gebräuche nicht, so würden wir es aus den Angaben der trauernden Wilden selbst erfahren.
Sie machen nämlich kein Hehl daraus, daß sie sich vor der Gegenwart und der Wiederkehr des Geistes des Verstorbenen fürchten; sie üben eine Menge von Zeremonien, um ihn fernzuhalten, ihn zu vertreiben[49]. Seinen Namen auszusprechen dünkt ihnen eine Beschwörung, der seine Gegenwart auf dem Fuße folgen wird[50]. Sie tun darum folgerichtig alles, um einer solchen Beschwörung und Erweckung aus dem Wege zu gehen. Sie verkleiden sich, damit der Geist sie nicht erkenne[51], oder sie entstellen seinen oder den eigenen Namen; sie wüten gegen den rücksichtslosen Fremden, der den Geist durch Nennung seines Namens auf seine Hinterbliebenen hetzt. Es ist unmöglich, der Folgerung auszuweichen, daß sie, nach Wundts Ausdruck, an der Furcht» vor seiner zum Dämon gewordenen Seele «leiden[52].
Mit dieser Einsicht wären wir bei der Bestätigung der Auffassung Wundts angelangt, welche das Wesen des Tabu, wie wir gehört haben, in der Angst vor den Dämonen findet.
Die Voraussetzung dieser Lehre, daß das teure Familienmitglied mit dem Augenblicke seines Todes zum Dämon wird, von dem die Hinterbliebenen nur Feindseliges zu erwarten haben und gegen dessen böse Gelüste sie sich mit allen Mitteln schützen müssen, ist so sonderbar, daß man ihr zunächst den Glauben versagen wird. Allein so ziemlich alle maßgebenden Autoren sind darin einig, den Primitiven diese Auffassung zuzuschreiben. Westermarck, der in seinem Werke: Ursprung und Entwicklung der Moralbegriffe dem Tabu, nach meiner Schätzung, viel zu wenig Beachtung schenkt, äußert in dem Abschnitt: ›Verhalten gegen Verstorbene‹ direkt:»Überhaupt läßt mich mein Tatsachenmaterial den Schluß ziehen, daß die Toten häufiger als Feinde denn als Freunde angesehen werden[53] und daß Jevons und Grant Allen im Irrtum sind mit ihrer Behauptung, man habe früher geglaubt, die Böswilligkeit der Toten richte sich in der Regel nur gegen Fremde, während sie für Leben und Ergehen ihrer Nachkommen und Clangenossen väterlich besorgt seien.«
R. Kleinpaul hat in einem eindrucksvollen Buche (1898) die Reste des alten Seelenglaubens bei den zivilisierten Völkern zur Darstellung des Verhältnisses zwischen den Lebendigen und den Toten verwertet. Es gipfelt auch nach ihm in der Überzeugung, daß die Toten mordlustig die Lebendigen nach sich ziehen. Die Toten töten; das Skelett, als welches der Tod heute gebildet wird, stellt dar, daß der Tod selbst nur ein Toter ist. Nicht eher fühlte sich der Lebendige vor der Nachstellung des Toten sicher, als bis er ein trennendes Wasser zwischen sich und ihn gebracht hat. Daher begrub man die Toten gern auf Inseln, brachte sie auf die andere Seite eines Flusses; die Ausdrücke Diesseits und Jenseits sind hievon ausgegangen. Eine spätere Milderung hat die Böswilligkeit der Toten auf jene Kategorien beschränkt, denen man ein besonderes Recht zum Groll einräumen mußte, auf die Ermordeten, die ihren Mörder als böse Geister verfolgen, auf die in ungestillter Sehnsucht Gestorbenen wie die Bräute. Aber ursprünglich, meint Kleinpaul, waren alle Toten Vampire, alle grollten den Lebenden und trachteten, ihnen zu schaden, sie des Lebens zu berauben. Der Leichnam hat überhaupt erst den Begriff eines bösen Geistes geliefert.
Die Annahme, die liebsten Verstorbenen wandelten sich nach dem Tode zu Dämonen, läßt offenbar eine weitere Fragestellung zu. Was bewog die Primitiven dazu, ihren teuren Toten eine solche Sinnesänderung zuzuschreiben? Warum machten sie sie zu Dämonen? Westermarck glaubt, diese Frage leicht zu beantworten[54].»Da der Tod zumeist für das schlimmste Unglück gehalten wird, das den Menschen treffen kann, glaubt man, daß die Abgeschiedenen mit ihrem Schicksal äußerst unzufrieden seien. Nach Auffassung der Naturvölker stirbt man nur durch Tötung, sei es gewaltsame, sei es durch Zauberei bewirkte, und schon deshalb sieht man die Seele als rachsüchtig und reizbar an; vermeintlich beneidet sie die Lebenden und sehnt sich nach der Gesellschaft der alten Angehörigen – es ist daher begreiflich, daß sie trachtet, sie durch Krankheiten zu töten, um mit ihnen vereinigt zu werden…«
«… Eine weitere Erklärung der Bösartigkeit, die man den Seelen zuschreibt, liegt in der instinktiven Furcht vor diesen, welche Furcht ihrerseits das Ergebnis der Angst vor dem Tode ist.«
Das Studium der psychoneurotischen Störungen weist uns auf eine umfassendere Erklärung hin, welche die Westmarcksche miteinschließt. Wenn eine Frau ihren Mann, eine Tochter ihre Mutter durch den Tod verloren hat, so ereignet es sich nicht selten, daß die Überlebende von peinigenden Bedenken, die wir» Zwangsvorwürfe «heißen, befallen wird, ob sie nicht selbst durch eine Unvorsichtigkeit oder Nachlässigkeit den Tod der geliebten Person verschuldet habe. Keine Erinnerung daran, wie sorgfältig sie den Kranken gepflegt, keine sachliche Zurückweisung der behaupteten Verschuldung vermag der Qual ein Ende zu machen, die etwa den pathologischen Ausdruck einer Trauer darstellt und mit der Zeit langsam abklingt. Die psychoanalytische Untersuchung solcher Fälle hat uns die geheimen Triebfedern des Leidens kennen gelehrt. Wir haben erfahren, daß diese Zwangsvorwürfe in gewissem Sinne berechtigt und nur darum gegen Widerlegung und Einspruch gefeit sind. Nicht als ob die Trauernde den Tod wirklich verschuldet oder die Vernachlässigung wirklich begangen hätte, wie es der Zwangsvorwurf behauptet; aber es war doch etwas in ihr vorhanden, ein ihr selbst unbewußter Wunsch, der mit dem Tode nicht unzufrieden war und der ihn herbeigeführt hätte, wenn er im Besitze der Macht gewesen wäre. Gegen diesen unbewußten Wunsch reagiert nun der Vorwurf nach dem Tode der geliebten Person. Solche im Unbewußten versteckte Feindseligkeit hinter zärtlicher Liebe gibt es nun in fast allen Fällen von intensiver Bindung des Gefühls an eine bestimmte Person, es ist der klassische Fall, das Vorbild der Ambivalenz menschlicher Gefühlsregungen. Von solcher Ambivalenz ist bei einem Menschen bald mehr, bald weniger in der Anlage vorgesehen; normalerweise ist es nicht so viel, daß die beschriebenen Zwangsvorwürfe daraus entstehen können. Wo sie aber ausgiebig angelegt ist, da wird sie sich gerade im Verhältnis zu den allergeliebtesten Personen, da, wo man es am wenigsten erwarten würde, manifestieren. Die Disposition zur Zwangsneurose, die wir in der Tabufrage so oft zum Vergleich herangezogen haben, denken wir uns durch ein besonders hohes Maß solcher ursprünglicher Gefühlsambivalenz ausgezeichnet.
Wir kennen nun das Moment, welches uns das vermeintliche Dämonentum der frisch verstorbenen Seelen und die Notwendigkeit, sich durch die Tabuvorschriften gegen ihre Feindschaft zu schützen, erklären kann. Wenn wir annehmen, daß dem Gefühlsleben der Primitiven ein ähnlich hohes Maß von Ambivalenz zukomme, wie wir es nach den Ergebnissen der Psychoanalyse den Zwangskranken zuschreiben, so wird es verständlich, daß nach dem schmerzlichen Verlust eine ähnliche Reaktion gegen die im Unbewußten latente Feindseligkeit notwendig wird, wie sie dort durch die Zwangsvorwürfe erwiesen wurde. Diese im Unbewußten als Befriedigung über den Todesfall peinlich verspürte Feindseligkeit hat aber beim Primitiven ein anderes Schicksal; sie wird abgewehrt, indem sie auf das Objekt der Feindseligkeit, auf den Toten, verschoben wird. Wir heißen diesen im normalen wie im krankhaften Seelenleben häufigen Abwehrvorgang eine Projektion. Der Überlebende leugnet nun, daß er je feindselige Regungen gegen den geliebten Verstorbenen gehegt hat; aber die Seele des Verstorbenen hegt sie jetzt und wird sie über die ganze Zeit der Trauer zu betätigen bemüht sein. Der Straf- und Reuecharakter dieser Gefühlsreaktion wird sich trotz der geglückten Abwehr durch Projektion darin äußern, daß man sich fürchtet, sich Verzicht auferlegt und sich Einschränkungen unterwirft, die man zum Teil als Schutzmaßregeln gegen den feindlichen Dämon verkleidet. Wir finden so wiederum, daß das Tabu auf dem Boden einer ambivalenten Gefühlseinstellung erwachsen ist. Auch das Tabu der Toten rührt von dem Gegensatz zwischen dem bewußten Schmerz und der unbewußten Befriedigung über den Todesfall her. Bei dieser Herkunft des Grolles der Geister ist es selbstverständlich, daß gerade die nächsten und früher geliebtesten Hinterbliebenen ihn am meisten zu fürchten haben.
Die Tabuvorschriften benehmen sich auch hier zwiespältig wie die neurotischen Symptome. Sie bringen einerseits durch ihren Charakter als Einschränkungen die Trauer zum Ausdruck, anderseits aber verraten sie sehr deutlich, was sie verbergen wollen, die Feindseligkeit gegen den Toten, die jetzt als Notwehr motiviert ist. Einen gewissen Anteil der Tabuverbote haben wir als Versuchungsangst verstehen gelernt. Der Tote ist wehrlos, das muß zur Befriedigung der feindseligen Gelüste an ihm reizen, und dieser Versuchung muß das Verbot entgegengesetzt werden.
Westermarck hat aber recht, wenn er für die Auffassung der Wilden keinen Unterschied zwischen gewaltsam und natürlich Gestorbenen gelten lassen will. Für das unbewußte Denken ist auch der ein Gemordeter, der eines natürlichen Todes gestorben ist; die bösen Wünsche haben ihn getötet. (Vgl. die nächste Abhandlung dieser Reihe: ›Animismus, Magie und Allmacht der Gedanken‹.) Wer sich für Herkunft und Bedeutung der Träume vom Tode teurer Verwandter (der Eltern und Geschwister) interessiert, der wird beim Träumer, beim Kind und beim Wilden die volle Übereinstimmung im Verhalten gegen den Toten, gegründet auf die nämliche Gefühlsambivalenz, feststellen können.
Wir haben vorhin einer Auffassung von Wundt widersprochen, welche das Wesen des Tabu in der Furcht vor den Dämonen findet, und doch haben wir soeben der Erklärung zugestimmt, welche das Tabu der Toten auf die Furcht vor der zum Dämon gewordenen Seele des Verstorbenen zurückführt. Das schiene ein Widerspruch: es wird uns aber nicht schwer werden, ihn aufzulösen. Wir haben die Dämonen zwar angenommen, aber nicht als etwas Letztes und für die Psychologie Unauflösbares gelten lassen. Wir sind gleichsam hinter die Dämonen gekommen, indem wir sie als Projektionen der feindseligen Gefühle erkannten, welche die Überlebenden gegen die Toten hegen.
Die nach unserer gut begründeten Annahme zwiespältigen – zärtlichen und feindseligen – Gefühle gegen die nun Verstorbenen wollen sich zur Zeit des Verlustes beide zur Geltung bringen, als Trauer und als Befriedigung. Zwischen diesen beiden Gegensätzen muß es zum Konflikt kommen, und da der eine Gegensatzpartner, die Feindseligkeit – ganz oder zum größeren Anteile, unbewußt ist, kann der Ausgang des Konfliktes nicht in einer Subtraktion der beiden Intensitäten voneinander mit bewußter Einsetzung des Überschusses bestehen, etwa wie man einer geliebten Person eine von ihr erlittene Kränkung verzeiht. Der Prozeß erledigt sich vielmehr durch einen besonderen psychischen Mechanismus, den man in der Psychoanalyse als Projektion zu bezeichnen gewohnt ist. Die Feindseligkeit, von der man nichts weiß und auch weiter nichts wissen will, wird aus der inneren Wahrnehmung in die Außenwelt geworfen, dabei von der eigenen Person gelöst und der anderen zugeschoben. Nicht wir, die Überlebenden, freuen uns jetzt darüber, daß wir des Verstorbenen ledig sind; nein, wir trauern um ihn, aber er ist merkwürdigerweise ein böser Dämon geworden, dem unser Unglück Befriedigung bereiten würde, der uns den Tod zu bringen sucht. Die Überlebenden müssen sich nun gegen diesen bösen Feind verteidigen; sie sind von der inneren Bedrückung entlastet, haben sie aber nur gegen eine Bedrängnis von außen eingetauscht.
Es ist nicht abzuweisen, daß dieser Projektionsvorgang, welcher die Verstorbenen zu böswilligen Feinden macht, eine Anlehnung an den reellen Feindseligkeiten findet, die man von letzteren erinnern und ihnen wirklich zum Vorwurf machen kann. Also an ihrer Härte, Herrschsucht, Ungerechtigkeit und was sonst den Hintergrund auch der zärtlichsten Beziehungen unter den Menschen bildet. Aber es kann nicht so einfach zugehen, daß uns dieses Moment für sich allein die Projektionsschöpfung der Dämonen begreiflich mache. Die Verschuldungen der Verstorbenen enthalten gewiß einen Teil der Motivierung für die Feindseligkeit der Überlebenden, aber sie wären unwirksam, wenn nicht die letzteren diese Feindseligkeit aus eigenem entwickeln würden, und der Zeitpunkt ihres Todes wäre gewiß der ungeeignetste Anlaß, die Erinnerung an die Vorwürfe zu wecken, die man ihnen zu machen berechtigt war. Wir können die unbewußte Feindseligkeit als das regelmäßig wirkende und eigentlich treibende Motiv nicht entbehren. Diese feindselige Strömung gegen die nächsten und teuersten Angehörigen konnte zu deren Lebzeiten latent bleiben, das heißt sich dem Bewußtsein weder direkt noch indirekt durch irgendeine Ersatzbildung verraten. Mit dem Ableben der gleichzeitig geliebten und gehaßten Personen war dies nicht mehr möglich, der Konflikt wurde akut. Die aus der gesteigerten Zärtlichkeit stammende Trauer wurde einerseits unduldsamer gegen die latente Feindseligkeit, anderseits durfte sie es nicht zulassen, daß sich aus letzterer nun ein Gefühl der Befriedigung ergebe. Somit kam es zur Verdrängung der unbewußten Feindseligkeit auf dem Wege der Projektion, zur Bildung jenes Zeremoniells, in dem die Furcht vor der Bestrafung durch die Dämonen Ausdruck findet, und mit dem zeitlichen Ablauf der Trauer verliert auch der Konflikt an Schärfe, so daß das Tabu dieser Toten sich abschwächen oder in Vergessenheit versinken darf.
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Примечания
1
Jung (1912 und 1913).
2
Frazer (1910, Bd. 1, 53):»The totem bond is stronger than the bond of blood or family in the modern sense.«
3
Dieser knappste Extrakt des totemistischen Systems kann nicht ohne Erläuterungen und Einschränkungen bleiben: Der Name Totem ist in der Form Totam 1791 durch den Engländer J. Long von den Rothäuten Nordamerikas übernommen worden. Der Gegenstand selbst hat allmählich in der Wissenschaft großes Interesse gefunden und eine reichhaltige Literatur hervorgerufen, aus welcher ich als Hauptwerke das vierbändige Buch von J. G. Frazer, Totemism and Exogamy, 1910, und Bücher und Schriften von Andrew Lang (The Secret of the Totem, 1905) hervorhebe. Das Verdienst, die Bedeutung des Totemismus für die Urgeschichte der Menschheit erkannt zu haben, gebührt dem Schotten J. Ferguson McLennan (1869/70). Totemistische Institutionen wurden oder werden heute noch außer bei den Australiern bei den Indianern Nordamerikas beobachtet, ferner bei den Völkern der ozeanischen Inselwelt, in Ostindien und in einem großen Teil von Afrika. Manche sonst schwer zu deutende Spuren und Überbleibsel lassen aber erschließen, daß der Totemismus einst auch bei den arischen und semitischen Urvölkern Europas und Asiens bestanden hat, so daß viele Forscher geneigt sind, eine notwendige und überall durchschrittene Phase der menschlichen Entwicklung in ihm zu erkennen.
4
Frazer (1910, Bd. 1, 54).
5
Dem Vater, der Känguruh ist, wird aber – wenigstens durch dieses Verbot – der Inzest mit seinen Töchtern, die Emu sind, freigelassen. Bei väterlicher Vererbung des Totem wäre der Vater Känguruh, die Kinder gleichfalls Känguruh, dem Vater würde dann der Inzest mit den Töchtern verboten sein, dem Sohne der Inzest mit der Mutter freibleiben. Diese Erfolge der Totemverbote ergeben einen Hinweis darauf, daß die mütterliche Vererbung älter ist als die väterliche, denn es liegt Grund vor anzunehmen, daß die Totemverbote vor allem gegen die inzestuösen Gelüste des Sohnes gerichtet sind.
6
Fußnote: Sowie der meisten Totemvölker.
7
Fußnote: Die Anzahl der Totem ist willkürlich gewählt.
8
Fußnote: Auf diesen Punkt hat erst kürzlich Storfer in seiner Studie: Zur Sonderstellung des Vatermordes (1911) nachdrücklich aufmerksam gemacht.
9
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 77 ff.), nach R. H. Codrington (1891).
10
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 124).
11
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 130 f.), nach P. G. Peckel (1908).
12
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 146 ff.), nach Rev. L. Fison.
13
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 189).
14
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 388), nach Junod.
15
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 424).
16
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 76).
17
Fußnote: Frazer (1910, Bd. 2, 117), nach C. Ribbe (1903).
18
Fußnote: Crawley (1902, 401), nach Leslie (1875).
19
Fußnote: Elfte Auflage, 1910-11. – Daselbst auch die wichtigsten Literaturnachweise.
20
Fußnote: Diese Verwendung des Tabu kann auch als eine nicht ursprüngliche in diesem Zusammenhange beiseite gelassen werden.
21
Fußnote: Vgl. darüber die erste und die letzte Abhandlung dieses Buches.
22
Fußnote: Frazer (1911, 136).
23
Fußnote: Beide, Lust und Verbot, bezogen sich auf die Berührung der eigenen Genitalien.
24
Fußnote: Auf die Beziehung zu den geliebten Personen, von denen das Verbot gegeben wurde.
25
Fußnote: Nach einem trefflichen Ausdruck von Bleuler.
26
Fußnote: Vgl. meine in diesen Aufsätzen bereits mehrmals angekündigte Studie über den Totemismus. (IV. Abhandlung dieses Buches.)
27
Fußnote: Third edition, Part II, Taboo and the Perils of the Soul (1911).
28
Fußnote: Frazer (1911, 166).
29
Fußnote: Frazer (1914, Bd. 1, 295), nach Low (1848).
30
Fußnote: Frazer (1911, 181), nach Dorsey.
31
Fußnote: Frazer (1911, 169-74). Diese Zeremonien bestehen in Schlagen mit den Schilden, Schreien, Brüllen und Erzeugung von Lärm mit Hilfe von Instrumenten usw.
32
Fußnote: Frazer (1911, 166), nach Müller (1857).
33
Fußnote: Zu diesen Beispielen s. Frazer (1911, 165-90), ›Manslayers tabooed‹.
34
Fußnote: Frazer (1911, 132).»He must not only be guarded, he must also be guarded against.«
35
Fußnote: Frazer (1911, Bd. 1, 368-70).
36
Fußnote: Frazer (1911, 134-5), nach einem Pakeha Maori (1884).
37
Fußnote: Frazer (loc. cit.), nach Brown (1845).
38
Fußnote: Frazer (loc. cit.).
39
Fußnote: Kaempfer (1727), bei Frazer (1911, 3 f.).
40
Fußnote: Frazer (1911, 5), nach Bastian (1874-75).