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Ille mihi
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Ille mihi
Elisabeth Heyking von

Elisabeth von Heyking

ILLE MIHI

Erster Band

Als halbwüchsiges Mädchen hatte sich Ilse in einen Leutnant verliebt. In Deutschland ist der erste beinahe immer ein Leutnant. Dieser war Dragoner. Was Wunder also, daß zu jener Zeit der Himmel Ilse besonders schön dünkte, mahnte er sie doch an eine geliebte blaue Uniform; was Wunder auch, daß sie, wenn die ersten Sterne zu funkeln begannen, flugs nach dem Orion suchte – dies ferne Gestirn erschien ihr ja nur wie das himmlische Abbild einer glänzenden Schärpe und zweier Epauletten und Sporen, das eigens für sie allabendlich am nachtblauen Himmelszelt angezündet wurde! – Den Leutnant unter den Sternen kannte Ilse viel besser wie den lebenden Leutnant auf Erden. Diesen kannte eigentlich nur Papa, vom Club her, wo sich abends die Herrenwelt des Städtchens traf – und da er Papa grüßte, hatte es sich allmählich so gemacht, daß er auch Ilse grüßte.

In jenem fernen Frühling stand Ilse viel an den Fenstern des Eckhauses der Reh- und Breitenstraße, das sie mit ihrem alten Vater und dem alten Hausfräulein Greiner, genannt Greinchen, bewohnte. Gegenüber erstreckte sich ein weiter Garten voll blühender Büsche und hoher rauschender Räume, und in einem umgitterten Gehege dicht an der Straße liefen da viel zahme Rehe und Hirsche umher; furchtlos streckten sie das schwarze feuchte Geäse zwischen den Stäben hervor, ließen sich füttern und auf der braunen weichen Decke streicheln. Ilse hatte dies als kleines Mädchen täglich getan, und wenn sie jetzt so häufig am Fenster stand und hinausschaute, glaubten der alte Vater und das alte Hausfräulein nicht anders, als daß ihre Blicke den Rehen galten und freuten sich ob ihres noch so kindlichen Sinnes. – Aber nicht den Tieren des Waldes, die hier in behäbiger Gefangenschaft einstmalige Freiheit vergaßen, schenkte Ilse so reges Interesse, nein, sie spähte die Breitestraße hinab, durch die, von der Kaserne kommend, das Dragonerregiment morgens früh, blink und blank mit klingendem Spiel zum Exerzierplatz auszog und durch die es einige Stunden später, heiß und verstaubt, zurückzukehren pflegte.

Manchmal geschah es, daß der blaue Leutnant Ilse oben am Fenster gewahrte; dann zog er die Zügel plötzlich scharf an und benutzte unmerklich die Sporen, so daß sein schwarzes Pferd, erstaunt ob so unsanfter Behandlung, unruhig zu tänzeln begann, wodurch der tadellose Sitz seines Reiters so recht zur Geltung kam; der grüßte dabei mit eleganter Bewegung zum Fenster hinauf, als wolle er sagen: ein wildes Roß zu bändigen, läßt mir noch immer Muße, nach einem hübschen Mädchen zu blicken.

Nach solchem Morgengruß lag auf dem ganzen Tag ein festlicher Glanz für Ilse.

Doch noch andere Gelegenheiten fand sie, den blauen Helden ihrer Träume zu erblicken.

Soweit Ilse zurückdenken konnte, war sie alle Nachmittage mit der alten Hausdame spazieren gegangen. Diese hegte eine besondere Vorliebe für die stille vornehme Rosalienstraße, in der eine erstaunliche Anzahl wohlhabender alter Jungfern und Witwen wohnte und ein durch Kaffeevisiten und die Beobachtung der Nächsten mild gewürztes Dasein führten. Zu letzterem Zweck hatten sie an denjenigen Parterrefenstern ihrer Häuser, hinter denen sich ihre Lieblingssitzplätzchen befanden, kleine in die Straße hinausspringende Spiegel anbringen lassen, in denen sie die wenigen Leute, die unten vorübergingen, bequem sehen konnten. Ilse haßte schon als Kind die Straße mit den kleinen Spiegeln, hinter denen die alten Damen wie Spinnen lauerten; sie hatte damals sogar eine Neigung gezeigt, vor jedem der kleinen Scheiben die Zunge herauszustrecken, bis ihr bedeutet worden, daß dies ein Körperteil sei, den sittsame kleine Mädchen nur dem Arzt auf Verlangen weisen dürfen. – Jetzt aber dünkte sie die Langweile der Rosalienstraße, in deren Einöde sich nur selten eine blaue Uniform wagte, ganz unerträglich. Mit viel List gelang es ihr, Greinchen manchmal die Breitestraße hinabzuführen, an deren Ende sich die große gelbe Dragonerkaserne erhob. Ihr gegenüber lag eine kleine schäbige Konditorei, und Ilse, die sonst gar nicht gern Kuchen aß, erklärte nun häufig ein besonderes Verlangen nach einer bestimmten Tortenart zu empfinden, die nirgends so gut wie dort zu haben sei. Solch kindlichen Wunsch erfüllte Greinchen natürlich gern, und während Ilse in dem ärmlichen Laden langsam und mit Überwindung ein Stück Torte nach dem anderen verzehrte, spähte sie nach der Kaserne – und wirklich traf es sich bisweilen, daß sie den Leutnant dort ein- oder ausgehen sah.

Auch entdeckte Ilse in ihrer Seele ein plötzliches warmes Interesse an den Predigten des Militärpfarrers Schmidt, die dieser Sonntags früh um acht Uhr, in der Stadtkirche auf dem Marktplatz mit dem Obelisken, vor den von ihren Offizieren geführten Dragonern zu halten pflegte. Alle Sonntag Morgen ging sie nun dorthin. Ilses Liebe gebot eben über Opferfreudigkeit mannigfaltigster Art!

Auf diesen schwachen Grundlagen hatte Ilse, mit der Genügsamkeit frühester weiblicher Jugend, die vor Greifbarerem beinahe ängstlich zurückschreckt, ein traumhaft zartes Zauberschloß in ihrer Phantasie errichtet. Fein wie Spinnengewebe waren seine Wände, vor jedem Hauch rauher Alltäglichkeit wäre das duftige Gebilde zerronnen – und doch war es in seiner durchsichtigen Körperlosigkeit die eine große geheimnisvolle Realität ihres Daseins geworden. Ein in völliger Einsamkeit aufgewachsenes Kind, führte sie in diesem selbst ersonnenen Märchenlande ihr eigentliches Leben; was sich da zutrug, erschien ihr viel wahrer wie das, was man Wirklichkeit nannte, und die traumhaften Harmonien, die sie dort vernahm, übertönten des Alltags gleichmäßig leiernde weise; durch jene Gefilde schwebte ja auch ein blauer Märchenprinz, der auf Erden ein Dragoneroffizier war.

Und welch seltsame Möglichkeiten malte sich Ilse doch aus, wenn sie abends spät im Dunkeln noch einmal ans offene Eckfenster trat. Drüben im Garten schliefen dann längst die Rehe, aber den Fliederduft und das raunende Rauschen der Bäume wehte der Nachtwind ihr zu. Geheimnisvolle Lieder glaubte sie zu vernehmen, süße Töne, die sie wie auf weichen Schwingen in ferne Sphären trugen. Ihr Herz dehnte sich dabei in einer unendlichen Sehnsucht – wonach sie sich aber sehnte, hätte sie nicht zu sagen vermocht. Worte gab es dafür nicht, nur in leisen Melodien – die von selbst aus ihres Wesens Tiefen auf ihre Lippen stiegen, erzählte sie es alles der lauschenden Nacht. Es war in ihr ein beinahe schmerzhaft starkes Empfinden der Frühlingsschönheit da draußen, ein unbewußter Wunsch, dies Empfinden noch irgendwie bis zur Unerträglichkeit zu steigern, ein hilfloses Tasten in lauter Unbekanntem, ein Bedürfnis der Hingabe, der Aufopferung, der Selbstvernichtung. Aber strahlende Persönlichkeiten, hehrste Aufgaben müßten es sein, für die sie das eigene Ich darbringen würde. Mit dem kränklichen Papa abends Patiencen legen, Greinchen die Strickwolle wickeln, das waren keine Dinge, für die man sich begeistern konnte – und Begeisterung – ja Begeisterung war das Element ihrer Seele. Im Schwung und ergriffen von etwas Großem – da würde sie alles vermögen, da würde Opfer Wonne sein.

Von Kriegsgefahren war zu jener Zeit, wie so oft im Frühjahr, mal wieder die Rede auf der Welt. Ilse durchfuhr das Wort wie eine scharfe Klinge; sie sah sofort im Geiste das blaue Regiment stolz und glänzend ausrücken, sah es in steter Gefahr weiter ziehend durch feindliches Land, sah den blauen Ritter in mörderischer Schlacht. Aber – nicht allein sollte er da sein – nein, als Marketenderin, als barmherzige Schwester, irgendwie würde es ihr gelingen, bei ihm zu stehen, und irgendwie würde sie die ihm bestimmte Kugel auffangen, würde sich schützend vor ihn werfen und sein Leben durch Hingabe des ihren retten! Und bei dem Gedanken an solch Sterben, für ein des Sterbens wertes Ziel, glaubte sie nicht banges Trauergeläut zu vernehmen, sondern ihre Seele war erfüllt vom siegreichen Klang einer jubelnden Fanfare.

Eine verspätete, in nüchterne Jahrzehnte verschlagene Romantikerin mußte wohl die kleine Ilse sein, mit der regen, Gaukelbilder schaffenden Phantasie, der nach großen Erlebnissen dürstenden Seele, der schwärmenden Begeisterung – doch daß sie es war, ahnte sie nicht, war sich selbst noch größtes Geheimnis, wußte auch nicht, daß wem die Fähigkeit jauchzenden Jubels gegeben, ebenso die des grenzenlosen Verzweifelns eigen zu sein pflegt.

Statt eines Krieges brachte dann aber der Frühling einen verspäteten Ball. Von einigen Familien wurde er im Klub des Städtchens arrangiert. Es war das erste derartige Fest, das Ilse mitmachen durfte. Ganz plötzlich hatte Papa den Entschluß gefaßt, sie hinzuführen. Papa auch war es, der ihr dort einen Herrn von Zehren vorstellte – ein belangloser, älterer Herr, wie es Ilses siebzehn Jahren schien – der Besitzer eines großen Gutes, wie Papa ihr nachher erzählte. Herr von Zehren führte Ilse korrekt und würdevoll durch die verschiedenen Touren einer Française, und führte sie ebenso zum Souper. Er sprach dabei von dem ethischen Werte des die Gesinnungen befestigenden Landlebens; er schilderte den segensreichen, zurückhaltenden Einfluß, den Großgrundbesitzersfrauen berufen seien, auf die dem zügellosen Stadtleben zustrebende ländliche Bevölkerung auszuüben; er erwähnte, daß seine eigene Mutter das Muster einer also tätigen Landedeldame sei. Ilse schaute ihn bei diesen Worten zum erstenmal näher an: er mußte doch wohl jünger sein, wenn er noch solch eine Mutter besaß. Sie selbst hatte längst keine mehr. – Ein Gefühl der Einsamkeit überschlich sie da mitten im Balle, und es fuhr ihr durch den Sinn, wie schön es sein müßte, gerade heute eine Mutter zu haben. Aber das alles war nur wie ein Vorbeihuschen von Schatten. Nichts von all den neuen Eindrücken dieses Abends zählte ja neben dem einen langen Walzer, den sie mit dem blauen Märchenprinzen tanzte. Der allein war Wirklichkeit, weil er Traum war. Und er würde ewig unvergeßlich bleiben! Als sie längst daheim in ihrem weißen Bettchen lag, glaubte sie noch des Walzers Weise zu hören. Dies sanfte Wiegen, dies wehmütig Süße, das also war des unbekannten Lebens Melodie? Und wie seltsam war doch das Gefühl gewesen, das sie beschlichen hatte, als er zuerst beim Tanz den Arm um sie gelegt – anders wie bei all den anderen – beinah, ja beinah wie ein bißchen Angst. Aber wovor? War es vielleicht eher Angst um ihn? Er gehörte ja einem heldenhaften, aber so gefahrvollen Berufe an! Jeden Augenblick konnte das Vaterland sein Leben fordern! Was für ein Idealist war doch solch ein Dragonerleutnant! Und welch schmerzliche Seligkeit müßte es sein, um ihn sorgen und zittern zu dürfen!

Während der nächsten Tage war eine große erwartungsvolle Unruhe in Ilse; immer wieder eilte sie zum Eckfenster, summte leise des Walzers Melodie vor sich hin und spähte hinab auf die Straße – aber die eine blaue Uniform, nach der sie Ausschau hielt, kam nicht vorüber.

Statt dessen kam Herr von Zehren Papa zu besuchen, und Papa behielt ihn zu Tisch da. In aller Eile gab Greinchen für Friedrich ein Paar frische weiße Baumwollhandschuhe zum Servieren heraus und ließ noch schnell ein Gericht einschieben – eine Büchse Schoten und gewickelte Eierkuchen als Beilage – und das Kompott wurde als süße Speise serviert mit Waffeln vom Konditor, die das Stubenmädchen atemlos geholt hatte.

Bei dieser Gelegenheit erfuhr Ilse, daß ihr Vater Herrn von Zehrens Mutter früher gekannt hatte. Wie tätig sie damals war, hob auch er hervor. Ja, solch eine energische Frau! welch Glück für den Mann, welch Beispiel einem ganzen Hauswesen! Greinchens gutmütiges Bulldoggengesicht nahm dabei einen ganz ungewohnt bissigen Ausdruck an, und Ilse dachte an die eigene tote Mutter – ob die wohl auch energisch gewesen? Sie wußte eigentlich gar nichts von ihr.

Und dann wandte sich Herr von Zehren mit der Frage zu ihr, ob sie das Landleben liebe? Ilse, die die Gabe besaß, bei Worten immer gleich Bilder zu sehen, erblickte im Geiste einen mit gelben Narzissen besäten Wiesengrund, durch den, unter überhängenden Erlen, ein Flüßchen plätscherte, zwei Menschen schritten Hand in Hand am Wasser entlang, zwei Menschen, die in Ilses Märchenland stets zusammen wandelten. »Oh ja!« antwortete sie inbrünstig, nur die selbst beschworene Vision sehend, »das Landleben müßte … himmlisch sein«. »Das freut mich sehr«, sagte Herr von Zehren so feierlich, als ob er Begleitworte zu einer Kirchengrundsteinlegung spräche.

Und wieder vergingen einige Tage, was konnte nur geschehen sein, daß er gar nicht mehr vorbei kam? War er krank oder verunglückt? Einen schrecklichen Sturz draußen in der Setzallee des Waldes, wo die Offiziere ihre Pferde trainierten, sah Ilse sogleich vor sich, aber dann sagte sie sich, daß solches Begebnis doch im ganzen Städtchen längst bekannt geworden und auch zu ihr gedrungen wäre. Und dann kam die Erklärung.

Das Abendessen war eben abgetragen worden, Greinchen hatte die Brille aufgesetzt und aus ihrem Arbeitskorb die defekte Damastserviette genommen, die sie heute noch stopfen wollte, da trat Friedrich ein, der alt war wie alles in diesem Haushalt und überreichte Papa die Abendpost. Der schaute zuerst ein bißchen in die Zeitungen, dann öffnete er den einen Umschlag der dabei lag. Ilse konnte sehen, daß er eine gedruckte Anzeige enthielt.

»Schau, schau«, sagte Papa, nachdem er sie gelesen, »der hat sich also verlobt«. Er schob das Blatt Ilse hin: »Ein hübscher flotter Kerl – ich glaub, du hast neulich auf dem Ball auch mal mit ihm getanzt – die Familie der Braut kenn ich dem Namen nach – reiche Industrielle vom Rhein – für ‚nen armen Leutnant höchst erfreulich, wirklich höchst erfreulich! – Ja, und nun Ilse, reich mir die Karten her – ich will dir noch einmal die Myrtenpatience zeigen, aber du mußt auch wirklich acht geben, daß du sie endlich lernst.

Tagelang nachher ging die arme kleine Ilse mit dem Gefühle umher: »So etwas überlebt man nicht«. Ältere Menschen würden ob dieses Glaubens gelächelt haben, mit ein bißchen wehmütiger Sehnsucht nach den eigenen Jahren, da solch Empfinden noch möglich war; aber keine älteren Menschen erfuhren ja, daß dem Kind eine Welt vernichtet worden, wenn auch nur eine geträumte Welt. Ilse besaß niemand, mit dem sie sich aussprechen konnte, die Wirklichkeit, die sie umgab, war für Gefühlsgeständnisse wenig geeignet – vielleicht war das mit ein Grund, daß sie sich so leicht ein Märchenschloß geschaffen hatte. So versenkte sie sich ganz in das, was ihre siebzehn Jahre für einen lebenslänglichen Kummer hielten. – Was wäre denn das auch für ein Gefühl, das nicht lebenslänglich wäre? fragte sie sich mit der Intransigenz der Jugend, die nur Werden und noch nie Vergehen erlebt hat.

Als sie dann aber bemerkte, daß die Tage sich aneinander reihten, ohne den erwarteten Tod zu bringen, ja daß sogar der anfängliche Appetitmangel und die Schlaflosigkeit vor der Macht der Zeit wichen, sagte sie sich: »Ich bin offenbar zum Sterben zu gesund und vielleicht ist das gut so, denn für den armen kränklichen Papa wäre es doch hart, ganz allein mit Greinchen zurück zu bleiben, aber aller Hoffnung und Lebensfreude bin ich gestorben, für mich kann es nur noch ein Dasein strengster Pflichterfüllung geben«. Und wie einst das Zauberschloß des blauen Ritters so malte sie sich nun die graue Stadt des Entsagens aus. Zwischen Papa und Greinchen würde sie die vielen, vielen Jahre vorüber schleichen sehen, und je älter Greinchen würde, desto mehr würde es ihr zufallen, die Damastservietten zu stopfen und aufzupassen, daß die Fenster ganz so blitzblank geputzt würden, als ob es sich je noch verlohnen könnte, durch ihre Scheiben hinauszublicken. Ja, so würde des Lebens Melodie werden! Keine wiegende, wehmütig süße Walzerweise – nein, eintönig knarrend wie ein Göpel, den müde Pferde im Kreise drehen.

Ilses Interesse an den Rehen des gegenüber liegenden Gartens, den Torten des schäbigen Konditorladens und den frühen Predigten Pastor Schmidts war völlig geschwunden, und wenn sie jetzt von weitem das Pferdegetrappel ausrückender Schwadronen vernahm, so schloß sie eiligst das Eckfenster, setzte sich ans Klavier und übte Tonleitern, mit aller Kraft ihrer schlanken Finger. Es war überhaupt merkwürdig, wie sehr in dieser Zeit der alte Flügel sie anzog, von dem sie mal gehört, daß er noch von der Mutter ihrer Mutter stamme. Als sei er ihr einziger Freund. Ein Freund, von dem sie dunkel ahnte, daß er Töne für alle leiden berge, wenn es nur gelänge, sie ihm zu entlocken. Suchend tastete sie nach dem, was in den Saiten schlummern mochte, in schmerzlichem Bedürfnis sich selbst auszusprechen, wußte nicht, daß dieser künstlerische Drang, für inneres Erleben eine besondere Sprache zu finden, ein ererbtes Gut war, von der einstmaligen Besitzerin des Flügels auf sie, die Enkelin, übergegangen. – In Einsamkeit stand sie vor all dem sich unbewußt leise in ihr Regendem. Der wohlmeinende, aber stets kränkelnde Papa, das um dessen Gesundheit dauernd besorgte Greinchen waren wohl nicht die geeigneten Menschen, dem Kinde sein inneres Wesen zu erklären und seinen Lebensweg so zu leiten, daß die Anlagen, die ihm durch Abstammung überkommen sein mochten, Entfaltung fänden. – So kam es, daß Ilse weniger noch von sich wußte als andere Siebzehnjährige, und bei der völligen Abgeschiedenheit, in der sie gelebt, auch gar nicht ermessen konnte, welcher Boden künftig ihrer Entwicklung gedeihlich sein würde.

So vergingen einige Monate, die Ilse so schrecklich lang schienen, wie die Zeit nur die noch ganz Jungen dünkt.

Dann erhielt sie einen Heiratsantrag von Herrn von Zehren.

Sie erhielt ihn durch Papa übermittelt, denn der Bewerber war ein korrekter Mann und hatte sich vor allem der väterlichen Zustimmung vergewissert.

»Ich brauche dir nicht erst zu versichern, daß du in deinen Entschließungen völlig frei bist«, sagte Papa, »aber ich kann nicht umhin, zu bemerken, wie sehr ich hoffe, daß du den ehrenvollen Antrag dieses ernsten Mannes wohl überlegen wirst«.

»Möchtest du denn nicht lieber, daß ich immer bei dir und Greinchen bliebe?« fragte Ilse.

»Wie könnte ich etwas so Unvernünftiges wünschen«, erwiderte Papa, »ich bin alt und krank, und in Herrn von Zehrens Händen wüßte ich dich sicher geborgen, wenn ich mal die Augen schließe. Seine Charaktereigenschaften bieten die Gewähr für ein solides, fest begründetes Familienglück«. Dann sprach Papa weiter von der materiellen Lage, die durchaus befriedigend und sicher sei. »Seit dem Tode seines einzigen Bruders ist Herr von Zehren Besitzer des Fideikommisses Weltsöden im Kreise Sandhagen, das er mit Hilfe seiner Mutter selbst bewirtschaftet. Er hat mir klar und offen über die dortigen Verhältnisse Aufschluß gegeben; es scheint ein Besitz zu sein, aus dem sich mit Kapital noch viel machen ließe. Und du hast ja das Vermögen deiner Mutter. Auch an künftige politische Betätigung denkt Herr von Zehren. – Auf eines freilich muß ich dich aufmerksam machen: er ist ein pflichteifriger Mann, gewohnt sich selbst nie zu schonen – als solcher wird er auch große Anforderungen an seine Frau stellen. Ein Leben ohne Verantwortung wie bisher wirst du dort nicht führen können: Du wirst großen Pflichten und Aufgaben gegenüber stehen.« Was Papa beinahe widerstrebend, um der Forderung unparteiischer Sachlichkeit zu genügen, hinzugesetzt hatte, und was manch anderes Mädchen abgeschreckt hätte, das war nun gerade für Ilse das Entscheidende. Hohe Pflichten und Aufgaben? Die wünschte sie sich ja! Nach einer Enttäuschung wie der jüngst erlebten, konnte es ja gar nichts anderes mehr für sie geben, – das Leben sollte hart und schwer sein und viel von ihr fordern, sie war bereit, großen Zwecken zu dienen. – An Herrn von Zehren selbst dachte sie dabei kaum – es erschien ihr wie eine Erleichterung und Rechtfertigung, daß sie für ihn so gar nichts von dem empfand, was ihre Phantasie für den Helden ihrer einstmaligen Träumereien erfüllt hatte.

So erklärte sie ihrem sichtlich erfreuten Vater ihre Bereitwilligkeit, die Werbung des ernsten pflichteifrigen Mannes anzunehmen.

Papa eilte aus dem Eckzimmer, wo die Unterredung stattgefunden und kehrte alsbald mit Herrn von Zehren zurück. Ilse hatte sich sein Erscheinen nicht so unmittelbar vorgestellt, und nun ward ihr doch etwas bang zumute, besonders als Papa sagte: »Jetzt sprecht Euch aus, liebe Kinder, ich will nicht stören«, und sie mit dem Fremden allein ließ.

Herr von Zehren kam mit langen Schritten zu ihr ans Eckfenster und ergriff ihre Hand. Er war sehr lang und sehr mager, und seine hagere Gestalt mit den abschüssigen Schultern endete in einem auffallend kleinen Kopfe. Er nahm in Wahrheit wenig Platz ein, aber Ilse war, als fülle er plötzlich das ganze Zimmer mit seiner Gegenwart. Unwillkürlich trat sie noch dichter ans Fenster zurück.

»Die Antwort, die mir soeben übermittelt worden ist, beglückt mich unendlich«, begann er. Sie wußte nicht, was darauf zu sagen und schwieg daher. Er fuhr fort: »Ich heiße Theophil, liebe IIse, willst du mich so nennen?«

»Ja, Herr von Zehren,« antwortete sie, »ich werde Sie Theophil nennen, wenn Sie es wünschen.«

Er lächelte, wie mädchenhaft scheu sie doch war!

»Aber du mußt auch du zu mir sagen«, sagte er.

»Ja, das werde ich wohl müssen, … aber … meinen Sie wirklich … schon jetzt?«

»Ich bitte dich darum!« Plötzlich beugte er sich von seiner ganzen langen Höhe herab, und sie hatte die Empfindung, als sei sie unter die Klinge eines scharfen Taschenmessers geraten, das auf sie niederklappte. Sie hielt den Atem an. – Es tat aber nicht weh. Er hatte sie auf die Haare geküßt, und ein bißchen von dem Kuß hatte noch gerade ihre Stirn gestreift. Es war eine gleichgültige Empfindung … eigentlich gar keine. – »Bei den meisten Dingen ist offenbar die Angst vorher das Schlimmste«, philosophierte Ilse innerlich, »was verheiratet sein eigentlich ist, weiß ich nicht, und hab ja auch niemand, den ich fragen könnte – aber damit wird es wohl ebenso gehen!«

»Hast du mich denn etwas gern?« hörte sie indessen Herrn von Zehren fragen.

»Nicht so sehr wie Papa und Greinchen«, antwortete sie sofort, »ich kenne Sie, … dich ja auch noch nicht so lange.« Und dann setzte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend, hinzu: »Wenn Sie aber meinen, daß das nicht genug ist, um sich zu verheiraten, so sagen Sie es mir bitte, nicht wahr? Ich habe so ein Gefühl, als ob es beim Heiraten vieles geben mag, was Sie besser wissen müssen als ich!«

Es war doch erquickend, solcher Unberührtheit in unserer Zeit zu begegnen, dachte er und sagte: »Du empfindest genau, wie man es von einem wohlerzogenen Mädchen unserer Gesellschaft nur wünschen kann, liebe Ilse. Wir erwarten ja auch von der Frau, die wir heiraten, eine andere Art Gefühle wie … wie … nun wie von den anderen. Und Liebe? – Nun, die findet sich bei gut gearteten, pflichtbewußten Frauen ganz von selbst in der Ehe.«

Am Abend dieses Tages schrieb Herr von Zehren seiner Mutter: »Sie ist in allem noch sehr jung, beinahe ein Kind, aber voll der besten Absichten und sicherlich leicht lenkbar, so daß alles Unerwünschte, genial Künstlerische, was etwa von der singenden Großmutter auf sie übergegangen sein könnte, ohne Mühe im Keim zu ersticken sein wird. Möchte es Dir, verehrteste Mutter, gelingen, sie zu modeln, daß sie Dir möglichst ähnlich werde! Ihre Gesundheit, nach der Du fragst, scheint mir vortrefflich: sie hat tadellose Zähne und volles Haar; sie ist noch recht mager, aber von ihrem guten Appetit konnte ich mich überzeugen und ich hörte, wie Fräulein Greiner sie ob ihres üblichen zehnstündigen Schlafes neckte; ich hielt es für richtig, da gleich zu erwähnen, daß in Weltsöden Winters um sechs und Sommers um fünf aufgestanden wird. Das Vermögen, das sie von ihrer Mutter direkt geerbt hat, das aber, wie Du weißt, vom alten Herzog Bernhard, ihrem morganatischen Großvater, stammt, ist größer noch, als wir dachten – so bildet es immerhin eine Entschädigung für die durch die Großmutter so sehr gestörte Ahnenreihe. Die Zinsen hat der Vater nicht, wie ihm freistand, verausgabt, sondern sie alljährlich zum Kapital geschlagen. Ich werde es jetzt, bei der Urbarmachung von Wüste Teufelstrift, gut verwenden können. – Der Vater scheint mir recht abgängig zu sein, und von ihm hat sie ja auch noch mal ein Erkleckliches zu erwarten. Väterlicherseits hat sie nur ganz entfernte Verwandte, wie Du wohl schon aus dem Gotha ersehen haben wirst; mütterlicherseits sind überhaupt keine vorhanden, was unter den gegebenen Verhältnissen ja eine Erleichterung ist.«

Gleich nach der Verlobung reiste Herr von Zehren auf sein Gut zurück, und Ilse hatte die Empfindung, als sei eigentlich gar nichts Besonderes geschehen, nur daß sie an einem ihrer schlanken Finger einen glatt goldenen Reif, ihren künftigen Trauring, trug, der die Tendenz hatte, leicht herabzurutschen, und daß Greinchen sie häufig lang und innig ansah, sich die Augen wischte und flüsterte: »So eine glückliche Braut, das ist doch was zu Schönes«.

Und dann fuhr Papa mit ihr auf einige Tage nach Berlin. Dort sollte sie verschiedene Verwandte ihres Verlobten kennen lernen und mit ihrer künftigen Schwiegermutter zusammentreffen, die es bereitwillig übernommen hatte, für Ilse die Ausstattung auszusuchen »wie sie sich für Weltsöden schicke«. – Dieser Begegnung ging Ilse mit sehnsüchtig pochendem Herzen entgegen, denn wie nun auch das Verheiratetsein sich erweisen mochte, eine Mutter zu besitzen, mußte unter allen Umständen schön sein!

Die verwitwete Frau von Zehren, geb. von Saßmacken, war beinahe ebenso lang wie ihr langer Sohn, aber wo er vertrocknet und verwittert war, hatte sie sich ausgedehnt, nicht zu Rundungen, sondern zu weiten Flächen. Es war alles groß an ihr, mit Ausnahme der Augen, die klein, schlau und wie versteckt hinter den weiten Backenflächen lagen. Die laute, häufig in polterndes Lachen übergehende Stimme erweckte zuerst nur den Eindruck ländlich ungenierter Derbheit; sie schien zu sagen: »Ich habe stets so laut sein dürfen, wie ich wollte, denn ich erscholl ja immer nur über eigenen Feldern«. Sie konnte aber auch bisweilen eine zweite Klangart annehmen, die weniger bieder, sondern mehr hart und herrisch war.

Mit kräftig zupackenden Händen, die an breiten Gelenken saßen, faßte Frau von Zehren ihre künftige Schwiegertochter bei den Schultern, zog sie ans Licht und sagte: »Also dich hat sich mein Theophilchen ausgesucht? na, laß dich mal anschauen«.

Ilse hatte dabei die Empfindung, als würde sie von einem Elefanten inspiziert; es beruhigte sie, sich dabei zu erinnern, daß diese Dickhäuter in der Naturgeschichtsstunde als gutmütige Tiere geschildert wurden – besonders rührende Geschichten gab es ja über ihre Freundlichkeit gegen die kleinen Kinder in Indien – doch als sie zu Frau von Zehren aufschaute und in ihre kleinen Augen blickte, erinnerte sie sich plötzlich, gelesen zu haben, daß die Elefanten bisweilen auch sehr böse werden können und dann in der Wut alles niedertreten.

Die Schwiegermutter war doch ganz anders, als sich Ilse eine Mutter vorgestellt hatte!

Frau von Zehren ihrerseits äußerte, nach diesem ersten Zusammentreffen mit der künftigen Schwiegertochter, zu ihren beiden Schwägerinnen, Askania und Lidwine, die für die große Gelegenheit ebenfalls nach Berlin gekommen waren: »Wenn man von der Ilse abrechnet, was die Schneiderin an Spitze und Chiffon hinzu getan hat, so bleibt für mein Theophilchen wenig genug übrig.«

»Aber im wesentlichen ist es doch eine erfreuliche Partie, liebe Gottliebe,« warfen die Fräulein von Zehren schüchtern ein. Sie waren magere, eingeschrumpfte alte Jungfern; in ihrer Jugend hatte man ihnen die sich ihnen bietenden Heiratsmöglichkeiten ausgeredet, »damit das Geld nicht aus der Familie gehe«; jetzt lebten sie abwechselnd in Weltsöden und in dem benachbarten adligen Stift zum heiligen Dornenkranze, dem sie angehörten, und die Familie, der man sie einst geopfert, war zu ihrem Götzen geworden. Sie darbten und sparten an allen Ecken, um dem in Theophils hagerer Person verkörperten Begriff dereinst etwas mehr hinterlassen zu können.

Am Abend dieses Tages gab Frau von Zehren in einem der großen Berliner Hotelrestaurants zu Ehren der Verlobten ein Diner, bei dem sie die Zehrensche und Saßmackensche Verwandtschaft vereinigte.

Man konnte sofort erkennen, zu welcher der beiden Familien die Einzelnen gehörten. Die Zehren waren alle dürr und zusammengeschrumpft, die Saßmacken dagegen breit und auseinanderfließend, so daß die ewig hungrig ausschauenden Zehren wie verwitterte Felsen zwischen den weiten Flächen der wohlgenährten Saßmacken hervorragten. Die Herren hatten alle das Johanniterkreuz aus weißem Tuch auf den Frack geheftet; ein paar Damen trugen Diamanten in geschmacklosen Goldfassungen, andere begnügten sich mit Broschen aus Hirschzähnen; Tante Askania und Tante Lidwine aber hatten, wie bei allen ganz feierlichen Anlässen, die blank getragenen Schwarzseidenen angelegt, in denen sie dereinst auch begraben sein wollten, und auf ihren verkümmerten Busen ruhte, gleich einem Symbol der Entsagung, das silberne von einem Dornenkranz umschlungene Kreuzabzeichen ihres Stiftes.

Laute Stimmen hatten sie alle; die Männer sprachen, als kommandierten sie auf Exerzierplätzen, die Frauen, als trieben sie Mägde auf Gutshöfen zur Arbeit an. Papas Stimme konnte Ilse in dem Gedröhne gar nicht vornehmen. Wie fein und schmal er doch mit seinem welken, leidenden Gesicht neben Frau von Zehren aussah! Und Ilse, für die Papa bis dahin eigentlich nur eine entfernte, geheimnisvolle Respektsperson gewesen war, empfand da plötzlich und zum erstenmal ein Gefühl naher Zusammengehörigkeit. Sie hätte dem gern nachgesonnen, aber da stand schon der Onkel Zehren-Kummerfelde – Eiffel-Zehren, wie man ihn nannte – in seiner ganzen Länge auf, klopfte ans Glas und erklärte schnarrend, daß in den hier vertretenen altpreußischen Familien von jeher jedwedes Lebensereignis zuerst einen Blick zum Throne hervorgerufen habe, und daß dieser Geist noch heute in ihnen allen lebendig sei – und in diesem Sinne fordere er die Anwesenden auf, mit ihm zu rufen: Seine Majestät, der König, Er lebe hoch! hoch! hoch! – Alle Anwesenden waren aufgesprungen; die ältere Generation stimmte in das Hoch schallend ein; die jüngeren Herren dagegen schrien eifrig: Hurra, Hurra, Hurra!

Kaum hatte sich der Onkel Zehren-Kummerfelde gesetzt, so erhob sich der Vetter Zehren-Kandau und bewillkommnete die Braut in der »Familie«. Dies Wort mußte sicher mit lauter großen Buchstaben geschrieben sein, so feierlich wurde es ausgesprochen. Und Ilse erfuhr, daß die Zehren viel älter landeingesessen seien als das Herrscherhaus, zu dessen Throne sie bei allen Gelegenheiten emporblickten; sie hörte, wie Thilo und Witold Zehren einst der Schrecken der Straßen gewesen waren, und die Reisenden des Mittelalters Gott mit Zähren um Schutz vor den Zehren angefleht hatten; sie hörte, daß alle Zehrensche Burgen und Güter im dreißigjährigen Kriege zerstört worden seien, und noch heute die Wüste Teufelstrift öde und verlassen an der Stelle läge, wo einst blühende Gehöfte gestanden, die die Kaiserlichen und Schweden niedergebrannt hatten. Das erste Haus, was nach jenen Schreckensjahren von dem einzig überlebenden Zehren, Kaspar Zehren, wieder aufgebaut worden war, hatte er dann »Weltsöden« genannt. Und Segen hatte auf diesem Hause gelegen, es war zum Stammsitz des seitdem weitverzweigten Geschlechts geworden, die jüngeren Linien Zehren-Kummerfelde, Zehren-Kandau, Zehren-Wansen waren aus ihm hervorgegangen. Ja wahrlich, Gottes Verheißung: Dein Same soll sein wie Sand am Meere, war an den Zehren in Erfüllung gegangen! – Sie alle hatten dann als Staatsbeamte und Militärs, vor allem aber als Landjunker, jene kernigen Eigenschaften besessen, von denen man wohl sagen darf, daß die Größe Preußens auf ihnen beruht, erklärte der Redner mit biederer Selbstgefälligkeit, und ihre Frauen hatten sämtlich auch noch zum guten alten Schlag gehört, wo die Frau in den Interessen des Mannes aufgeht und nichts eigenes mehr kennt; eine jede von ihnen hatte auch das Hab und Gut der Familie wacker gemehrt. – Als Schlußeffekt erwähnte dann Vetter Zehren-Kandau, daß ein Ahnherr eine vom Landesfürsten einst beabsichtigte Standeserhöhung abgelehnt habe, weil kein Menschgeborener einen Zehren zu erhöhen vermöchte.

Die Rede sollte eigentlich Ilse gelten, aber es war eine Eigentümlichkeit aller Zehren, daß sie stets auf die eigene Bedeutung zu sprechen kamen, und als der Kandausche Vetter sich setzte, hatte er so viel Rühmliches über »die Familie« gesagt, daß Papa, der nun aufstand und auf sie sprechen wollte, kaum Neues mehr hervorzuheben fand. So entstand denn ein allgemeines Hochrufen und Anstoßen auf das Brautpaar. Dabei fiel Ilses neuer Ring, der die Tendenz hatte herabzugleiten, von ihrem schlanken Finger nieder und rollte auf den Tisch. »Ich glaube, wir müssen ihn wirklich etwas enger machen lassen,« sagte sie zu Theophil, aber Frau von Zehren warf ein: »Trag ihn doch vorläufig auf dem Zeigefinger, denn in Weltsöden sollst du mir schon dicker werden, da rutscht er nicht mehr herunter; Zehrensche Eheringe halten fest.«

Nach dem Essen stand man noch etwas bei Kaffee und Zigarren herum, und es wurde die blöde Glücksstimmung zur Schau getragen, in der sich die Menschen bei Verlobungen nun einmal gefallen, als habe noch niemand je von unglücklich ablaufenden Ehen gehört. Über den Likörgläsern machten Onkel und Vettern mit geröteten Gesichtern allerhand täppische Späße und flüsterten in wohl vernehmlichen stimmen Theophil all die zarten Neckereien ins Ohr, die, nach ihrem ländlich derben Geschmack, der Gelegenheit zu entsprechen schienen. Während dem wurde Ilse von Tanten und Basen gemustert und beurteilt und bekam noch viel über Weltsöden und die Familie zu hören.

Aber es wurde bald aufgebrochen, denn eigentlich war man sich doch ganz fremd. Die des Stadtlärms ungewohnten Landdamen gähnten schon längst verstohlen vor sich hin und sehnten sich, schlafen zu gehen, während die Herren im Gegenteil nur darauf brannten, den Frack mit dem keuschen weißen Kreuze gegen unscheinbarere Tracht zu vertauschen, um dann den angebrochenen Abend in Berliner Lokalen möglichst fidel zu beschließen.

»Heiliger Theophil, du mußt mit!« riefen die Jüngeren.

»Kindings, das schickt sich doch nicht für einen Bräutigam!« warf Onkel Eiffel-Zehren ein.

»Ach was! Nicht wahr, er darf doch? Du gibst ihm Urlaub, Cousinchen?« wandten sich einige Vettern lärmend an Ilse. Und ein ganz junger sagte beruhigend mit verschwommenen weinseligen Äuglein: »wir werden schon auf ihn achtgeben.«

»Achtgeben? Das hat unser Theophil doch nicht nötig,« rief ein anderer.

Während die Gesellschaft noch also im Hotelflur stand, und Mäntel und Hüte aus der Garderobe gebracht wurden, trat von der Straße kommend ein großer, schlanker Mann durch die Drehtüre ein. Sobald er Theophil erblickte, kam er auf ihn zu, und sie begrüßten sich wie alte Bekannte.

»Also Sie sind wieder in Deutschland?« fragte Herr von Zehren, »ich vermutete Sie in Petersburg?«

»Ach nein, von dort bin ich längst fort,« antwortete der Fremde. »Zuletzt war ich in Japan und augenblicklich habe ich einige Wochen Urlaub. – Doch Sie selbst? was führt Sie nach Berlin? ich dachte, Sie lebten jetzt ganz auf Ihrem Gute?«

»Allerdings, seit dem Tode meines Bruders ist das ja meine erste Pflicht,« antwortete Zehren gemessen, »denn nichts kann auf dem Lande die Aufsicht des Herrn ersetzen. Aber ich habe mich verlobt, und meine Mutter hat gerade heute hier ein Familiendiner für uns gegeben. Sie müssen meine Braut kennen lernen,« und sich zu Ilse wendend, sagte er: »Erlaube mir, dir Baron von Walden vorzustellen.«

Der Fremde verbeugte sich tief vor Ilse, und als er sie dann anblickte, fuhr sie plötzlich zusammen. Beinahe erschrocken, wo hatte sie denn schon solche Augen gesehen? und woher kam ihr sein ganzes Wesen so bekannt vor? woran erinnerte er sie nur? – Wie ein verblaßtes, aus weiter Vergangenheit auftauchendes Bild sah sie da, während eines kurzen Augenblicks, das Gesicht des blauen Ritters ihrer frühesten Träume noch einmal vor sich – aber schon war es fern, fern, wie in dichtem Nebel zerflossen. – Glich Herr von Walden etwa jenem? – Seltsam! sie konnte sich jetzt auf die einst so wohlbekannten Züge nicht mehr genau besinnen – es war, als habe der Fremde sie da in dieser Sekunde aus ihrem Gedächtnis verwischt.

»Wer war denn das?« fragte sie, als er sich empfohlen hatte und starrte ihm nach wie einer rätselhaften Vision.

»Wolf von Walden?« sagte Herr von Zehren gleichgültig, »oh, den kenn ich schon lange. Er kam auf die Universität ein Semester ehe ich abging, und jetzt ist er in der Diplomatie.«

»Wolf von Walden,« wiederholte Ilse leise, als sei es eine geheimnisvolle Zauberformel, deren verborgenen Sinn sie hinter dem melodischen Klange suche, »Wolf von Walden – ich habe doch den Namen noch nie gehört.«

»Nein, wahrscheinlich nicht,« antwortete Herr von Zehren, »er stammt nämlich aus einer Familie Siebenbürger Sachsen und erst er ist als ganz junger Mensch nach Deutschland zurückgewandert.«

»Warum tat er das denn?« fragte Ilse, und es war ihr dabei, als zwänge sie fremder Wille zu fragen.

»Na, vermutlich, weil die Deutschen sich dort nicht sonderlich wohl fühlen,« erwiderte Herr von Zehren. »Und er ist jemand, der sich gern betätigen und hervortun möchte. Schon als Student hatte er allerhand hohe Ziele und Ideen, schwärmte für ein Großdeutschland und solche gute Dinge.«

»Oh, das finde ich schön,« sagte Ilse wie träumend, »jemand, der von weither zu seiner ursprünglichen Heimat zurückkehrt und nun etwas ganz Großes für sie leisten möchte.«

»Na ja,« antwortete Zehren gönnerhaft, »ist ja auch ganz nett – aber eigentlich haben wir in Deutschland Deutsche genug.«

»Morgen um acht Uhr holst du mich ab,« hatte Frau von Zehren nach dem Diner zu Ilse gesagt, »hier in der Stadt sind die Leute ja alle Langschläfer, da findet man früh die Läden leer und kann in Ruhe aussuchen.«

Und so geschah es. Frau von Zehren hatte eine lange Liste all dessen aufgestellt, was in Weltsöden fehlte, und danach wurde nun Ilses Ausstattung zusammengesetzt. Dieses Ergänzungsverfahren war zwar praktisch und den Begriffen Zehrenscher Weltordnung wohl angemessen, aber für Ilse bot es wenig Befriedigung; sie konnte kein Interesse an all diesen vereinzelten Stücken gewinnen, die zu lauter ihr unbekannten Sachen passen sollten. Und während Frau von Zehren Heißwasserkannen und Linoleumteppiche für einige Fremdenzimmer bestellte, wo diese Dinge gerade schadhaft geworden sein sollten, schweiften Ilses Gedanken weit ab. was konnten das wohl für große Ziele sein, die für Deutschland zu erreichen waren? fragte sie sich sinnend. Und ihre Phantasie malte ihr abenteuerliche Entdeckungszüge in dunkle Erdteile aus und Verhandlungen mit wilden schwarzen Häuptlingen, worin diese, gegen einige Schnüre Glasperlen, weite Gebiete zur Besiedlung an blonde germanische Männer abtraten. – Über solche Bilder sah sie gar nicht die Emailwaschgeschirre, die Frau von Zehren für Dienstboten kaufte.

In einem Laden aber erwachte doch ihr Interesse. Da hatte man ihr weiße Möbel mit großblumigen Kretonnebezügen gezeigt, und sie rief: »So möchte ich mein eigenes Schlafzimmerchen haben!« Aber Frau von Zehren antwortete mit entschiedenem und alles weitere abschneidendem Tone: »Euer Schlafzimmer ist überhaupt fix und fertig. Es ist dasselbe, was mein seliger Mann und ich bewohnt haben, und wo auch mein Theophilchen geboren wurde. Die Einrichtung ist noch wie neu, Nußbaum mit hellbraunem Rips und Straminborten, die ich alle selbst zu meiner Aussteuer gestickt habe. Man war zu meiner Zeit fleißig mit der Nadel.«

Danach überließ Ilse alles ganz der Schwiegermutter, was diese selbstverständlich zu finden schien. Auch Theophil gab ja in allem seiner Mutter nach; er hatte sonst recht entschiedene Ansichten, wie Ilse allmählich erkannte, aber vor einer Einsprache der herrischen alten Dame wichen sie sofort. – Frau von Zehren verstand es eben meisterhaft, sich überall Geltung zu verschaffen; sogar die Berliner Ladenkommis flogen bei den Befehlen dieser Landedeldame mit der lauten Stimme, den langen flachen Hängebacken, listigen Äuglein und großen groben Händen, die so genau Leinwand auf Wert oder Unwert zu befühlen verstanden. – Als sie aber einmal in einem Laden nicht rasch genug bedient wurde, sah sie den Verkäufer durchbohrend an und sagte: »Guter Mann, sie scheinen nicht zu wissen, mit wem sie zu tun haben: Ich bin die Frau von Zehren auf Weltsöden.« – Und merkwürdigerweise wirkte es auf den verdutzten Jüngling, als habe sie gesagt: Ich bin der Polizeipräsident von Berlin.

Die mit Besorgungen angefüllten Berliner Tage glitten an Ilse vorüber wie der wirre Fiebertraum einer kranken Wirtschaftselevin. Allerhand ernsthafte, langweilige Dinge, Kupferkasserollen und Staubtücher, Spirituslampen und Bettvorleger, die alle seltsam bedrohliche Fratzen zu schneiden schienen, zogen da in feierlicher Polonaise vorüber. Sie wußten, das wichtigste für eine Ehe waren sie. Und Frau von Zehren erwies sich als unermüdlich in der Beschaffung dieser sicheren Grundlagen des neuen Hausstandes. Sie ließ Ilse dabei kaum zu Atem kommen, denn sie sagte: »Unnütz solle man nicht in den teueren Berliner Hotels herumhocken und nicht mehr als durchaus nötig gutes Geld vom Lande an die Städter verausgaben.«

Als Ilse dann wieder mit Papa zurück war in ihrem heimatlichen Städtchen, ging auch dort die Zeit schneller vorüber als je zuvor, und plötzlich war der Herbst und mit ihm der Hochzeitstag gekommen. – Ilse hatte einmal nach Weltsöden geschrieben, wie schön es doch sein würde, eine kleine Hochzeitsreise nach Italien zu machen, aber Theophil antwortete, daß er dazu leider keine Zeit haben werde, da er die Arbeiten in Wüste Teufelstrift selbst überwachen müsse. Frau von Zehren, der ihr Sohn offenbar Ilses Brief mitgeteilt hatte, schrieb ihrerseits: »Sie halte nichts vom faulen Herumlungern in welschem, katholischem Lande als Beginn eines norddeutschen Ehelebens – die Ehe sei kein Spaß, sondern die Übernahme ernster Pflichten gegen Land und Bevölkerung, man solle daher auch dort beginnen, wo man von rechtswegen hingehöre.«

Ernste Pflichten. Ja, ja, die wollte Ilse ja auch übernehmen, waren es denn nicht gerade die, die sie zuerst angelockt hatten? Ja – ja – aber – sie war doch vielleicht schon etwas weniger pflichtenthusiastisch als damals bei der Verlobung – und es blieb doch recht schade, daß die Reise nach Italien aufgegeben werden mußte.

Von ihrem Hochzeitstag erinnerte sie sich wenig. Wenn sie später daran zurück dachte, war es mehr ein theoretisches Rekonstruieren, wie es alles gewesen sein mußte. Die vielen Zehren und Saßmacken, die geschäftige Aufregung von Greinchen, der längs des gutmütigen Bulldoggengesichts beständig Tränen herabsickerten, die Feierlichkeit des alten Friedrich. Die Trauung hatte in der Stadtkirche auf dem Marktplatz stattgefunden. Theophils neun lange und eckige Nichten hatten mit allzu hohen Stirnen und straff zurückgekämmtem weißblonden Haar als Brautjungfern hinter ihr gestanden; die eine hatte gerade ein Gerstenkorn und die andere eine entzündete Oberlippe. Dann mußte wohl das Dejeuner gekommen sein mit den Reden und dem Vorlesen der von allerhand Ilsen meist unbekannten Menschen gesandten stereotypen Glückwunschtelegramme. – All das war unpersönlich und konnte bei vielen anderen Hochzeiten genau ebenso gewesen sein.

Nur an einen Augenblick erinnerte Ilse sich später als an ihr eigenstes Erlebnis. Als sie schon ihr Reisekleid angehabt hatte, blieb sie noch einmal am Fenster des Eckzimmers stehen und schaute hinüber zu dem großen Garten; die alten Bäume rauschten im Herbstwind, und die Rehe hatten sich eng aneinander gedrängt, unter ihrem Schutzdach vor dem beginnenden Regen geborgen. Papa war hereingekommen, um ungestört von ihr Abschied zu nehmen und da, ganz plötzlich, hatte sie sich ihm in die Arme geworfen, wie noch nie im Leben, mit einer sinnlosen, rasenden Angst im Herzen, die wie ein Ertrinken war. Sie hatte kein Wort herauszubringen vermocht, so sehr schüttelte sie ein krampfartiges Weinen. Und Papa hatte auch die Fassung verloren. Er klopfte sie unablässig auf die Schulter und sagte in einem fort: »Es ist ja gar nicht so schlimm, es ist ja gar nicht so schlimm.« Und bei diesen immer wiederholten Worten mußte Ilse, ebenso unvermittelt wie sie geweint, nun auf einmal lachen – denn gerade so und mit demselben Tonfall hatte ihr Papa einst zugeredet, wie sie als Kind krank gewesen und die Arznei nicht hatte nehmen wollen: »Sie schmeckt gar nicht so bitter, sie ist wirklich nicht so bitter.«

In diesem Augenblick hatte Frau von Zehren ins Zimmer geschaut und ungeduldig gemahnt: »Ilse, Ilse, es ist die höchste Zeit, der Wagen wartet.« Als sie aber das tränenüberströmte Gesicht ihrer Schwiegertochter erblickt, hatte sie sie mit kräftig zugreifenden Händen bei den Schultern gepackt und gerufen: »Ich glaub gar, du weinst? Du gehst doch in dein Glück! So einen Mann wie mein Theophilchen kriegt wahrhaftig nicht jedes Mädchen!« »Sie müssen das Kind entschuldigen,« hatte Papa sanft geantwortet.

Dann hatte Ilse plötzlich mit Theophil im geschlossenen Wagen gesessen, und in dem stärker und stärker gegen die Scheiben klatschenden Regen war es die Breitestraße hinunter und zum Bahnhof gegangen. In dem Eisenbahnkupee, als der Zug aus der Halle gerollt war, und die Stadt mit der nächsten ihr noch wohlbekannten Waldumgebung verschwand, und die Gegend fremd, wie ein neues Leben, wurde, hatte das krampfartige Weinen Ilse noch einmal gepackt, stumm und unbeholfen saß Herr von Zehren ihr gegenüber, in dem großkarrierten Reisemantel und einer ebensolchen Mütze, die für seinen Kopf etwas zu weit war. Seine langen, ungelenken Beine sprangen über den Sitzplatz weit vor, so daß seine mageren Kniee ihr Kleid streiften. Er tat ihr plötzlich leid, so daß sie noch schluchzend sagte: »Du mußt mir nicht böse sein.« Und Theophil antwortete feierlich: »Ich achte deine Gefühle, liebes Kind; sie sind mir eine Bürgschaft für die Zukunft, denn eine anhängliche Tochter wird sicher auch eine pflichttreue Frau werden.« – Da schlug Ilses Weinen unvermittelt in Lachen über, und sie rief: »Oh Theophil, genau dasselbe hat ja der Pastor heute früh bei der Trauung gesagt.« – »Ja,« antwortete er gemessen, »es war eine gute Rede – und nun – da wir ja hier allein sind, gestattest du wohl, daß ich mir eine Zigarre anzünde, ich kam nach dem Dejeuner nicht mehr dazu, und sie fehlt mir nach dem Essen.«

Abends spät trafen sie in Berlin ein. Dort wollten sie die Nacht bleiben und am nächsten Morgen weiterreisen nach Weltsöden.

Und nun war der nächste Morgen gekommen, wie auch solche Morgen schließlich einmal kommen. – Sie standen unten im Bahnhof Friedrichstraße. Ihr Mann nahm die Billette und gab das Gepäck auf. Er hatte nicht viel Übung im Reisen und schien nervös und hastig. Dadurch dauerte es sehr lange. Sie wartete etwas abseits beim Handgepäck. Mit großen Augen, in denen ein neuer, erschreckter Ausdruck lag, starrte sie vor sich hin. Unaufhörlich fuhren Droschken vor. Koffer, die von dem noch immer niederströmenden Regen durchnäßt waren, wurden von draußen angeschleppt und dann am Gepäckschalter nach den verschiedensten Weltgegenden aufgegeben – arme, zerstoßene, in dem grauen Wetter kläglich aussehende Dinge, die willenlos hierhin, dorthin mußten, nach fremdem Geheiß. Ist man denn selbst etwas so sehr anderes? dachte Ilse.

»Guten Morgen, gnädigstes Fräulein!« tönte es da plötzlich an ihr Ohr.

Überrascht wandte sie sich um.

»Herr von Walden?« sagte sie erstaunt und empfand wieder bei seinem Anblick jenes unerklärliche Gefühl, als habe sie ihn schon lange gekannt und fände ihn wieder.

Er hatte die Zigarette, die er rauchte, fortgeworfen und war zu ihr getreten; sie fühlte, daß er sie forschend betrachtete.

»Welch reizendes Zusammentreffen,« sagte er, »aber kann ich Ihnen nicht vielleicht irgendwie behilflich sein?«

»Oh nein, ich danke Ihnen,« antwortete sie, »ich warte nur … auf … die Billetts. Aber,« setzte sie hastig hinzu, »was tun Sie hier? verreisen Sie?«

»Ja,« antwortete er, »mein Urlaub ist abgelaufen, und ich stehe gerade im Begriff, mich auf meinen neuen Posten zu begeben – nach Marokko.«

»Ach,« rief Ilse sehnsüchtig, »wie schön muß das sein, solche Reisen machen zu können.«

»Ich freu mich auch sehr darauf,« sagte er, »aber Sie selbst, gnädigstes Fräulein, reisen doch auch, was ist denn Ihr Ziel?«

»Wir … wir fahren … nach …«