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Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen
Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen
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Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen

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Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen
Rosette

Das Aufeinandertreffen zweier einsamer Seelen inmitten der Faszination eines fiktiven schottischen Dorfes ist der Ausgangspunkt einer großen Liebesgeschichte, in der nichts wie eh und je ist. Die Hauptperson - Melisande Bruno - ist das Mädchen der verbotenen Regenbögen, da sie alles nur schwarzweiß sehen kann. Und ihr Gegenpart und gleichzeitig ihre große Liebe ist Sebastian McLaine, ein an den Rollstuhl gefesselter Schriftsteller.

Melisande Bruno flieht vor ihrer Vergangenheit, vor allem gelingt es ihr nicht ihr Anderssein zu akzeptieren: sie wurde mit einer seltenen Sehbehinderung geboren, die ihr nicht ermöglicht Farben zu unterscheiden und ihren größten Traum einen Regenbogen zu sehen zu erfüllen. Ihr neuer Arbeitgeber ist Sebastian McLaine, ein berühmter Schriftsteller von Horror-Romanen, der nach einem mysteriösen Autounfall an den Rollstuhl gefesselt ist. Im Schatten lauert eine Figur, die nur darauf wartet, sich von den Wünschen anderer zu naehren ... Zwei einsame Schicksale verflechten sich, vereint durch ihre dunkelsten Träume, wo nichts so ist, wie es scheint. Ein gotischer Roman, der nur darauf wartet, gelesen zu werden ...

Erstes Kapitel

Ich hob den Blick und reckte mein Gesicht dem sanften Wind entgegen. Diese leichte Brise schien mir Glück zu bringen, fast wie eine gute Fee, ein eindeutiges Zeichen, dass mein Lebensweg eine neue Richtung einschlägt, und dieses Mal sollte der Erfolg nicht ausbleiben.

Ich schloss meine rechte Hand noch fester um den Koffer und setzte meinen Weg mit neuer Entschlossenheit fort.

Mein Ziel war nicht weit entfernt, wenn ich den vertrauenerweckenden Hinweisen des Busfahrers Glauben schenken wollte und ich hoffte, dass sie wirklich ehrlich waren und mir nicht einfach nur Hoffnung machen sollten.

Als ich oben auf dem Hügel ankam, hielt ich inne, zum einen, um wieder zu Atem zu kommen, zum anderen, weil ich meinen Augen nicht traute.

Bescheidener Landsitz? So hatte es Frau McMillian am Telefon genannt, mit ihrer den Bewohnern ländlicher Gegenden so eigenen Naivität.

Da hatte sie sich wohl einen Scherz erlaubt. Sie konnte das nicht ernst gemeint haben, sie konnte doch nicht so einfältig durch diese Welt gehen.

Das Haus ragte ähnlich einem Feenpalast majestätisch und hoheitsvoll in die Höhe. Sollte die Position einst aus dem Wunsch sich im Dickicht und der üppigen Vegetation zu verstecken ausgewählt worden sein, nun … dieser Versuch war offensichtlich kläglich gescheitert.

Ganz plötzlich überkam mich eine tiefe Befangenheit und führte mir die Begeisterung vor Augen, mit der ich die Reise von London nach Schottland und von Edinburgh in diesen malerischen, einsamen und ruhigen Ort in den Highlands angetreten hatte. Dieses Stellenangebot stürzte auf mich ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel, ein himmlisches Geschenk in einem trostlosen und hoffnungslosen Augenblick. Ich hatte mich damit abgefunden von einem Büro in das nächste, noch unbedeutender und trostloser als das vorherige, zu wechseln, als Mädchen für alles, mit der mir eigenen Bestimmung von Trugbildern zu leben. Und dann hatte ich zufällig die Anzeige gelesen und das anschließende Telefongespräch, das einen radikalen Umbruch meines Daseins auslöste, ein unverhoffter aber doch stets herbeigesehnter Umzug. Bis noch vor wenigen Minuten erschien es mir Zauberei…. Aber, alles in allem, was hatte sich geändert?

Ich atmete durch und zwang meine Beine einen Schritt nach dem anderen zu tun. Dieses Mal war mein Gang nicht mehr so triumphierend wie noch einige Minuten zuvor, sondern tapsig und zögerlich. Da kam die echte Melisande wieder zum Vorschein, die weitaus schwerer war als all die Gewichte, mit denen ich vergebens versucht hatte, sie zu ertränken.

So brachte ich das letzte Stück des Weges in einer unvergleichlichen Langsamkeit hinter mich, ich war unendlich froh allein zu sein und niemandem Rechenschaft über den wirklichen Grund meiner Unentschlossenheit ablegen zu müssen. Meine Schüchternheit, mein Schutzmantel mit Eigenleben trotz meiner wiederholten fehlgeschlagenen Versuchen ihn abzulegen, hatte sich wieder einmal in den Vordergrund gedrängt, damit ich ja nicht vergessen sollte, wer ich bin.

Als ob ich das jemals vergessen könnte.

Ich erreichte das eiserne Tor, das mindestens drei Meter Höhe erreichte, und erlitt erneut einen Anfall von lähmender Unschlüssigkeit. Ich biss mir auf die Lippen und überlegte welche Alternativen mir zur Verfügung standen. Ehrlich gesagt, herzlich wenige.

Umzudrehen und wegzulaufen stand außer Frage. Ich hatte die Reisekosten vorgestreckt und so hatte ich nur noch wenig Geld in der Tasche.

Ehrlich gesagt, herzlich wenig.

Und, außerdem, was erwartete mich in London? Nichts. Absolute Leere. Selbst meine Zimmergenossin erinnerte sich nur mit Schwierigkeiten an meinen Namen, bestenfalls verdrehte sie ihn.

Es herrschte eine absolute Stille um mich herum, deren Hall ihrer totalen Starre nur durch das dumpfe Klopfen meines Herzens unterbrochen wurde.

Ich setzte den Koffer auf den Weg und kümmerte mich nicht um mögliche Grasflecken. Was soll’s, mir bedeutete das nichts. Ich war in meinem schwarzweißen Reich eingeschlossen, wo auch nicht der kleinste Farbtupfer Einlass fand.

Und das nicht im übertragenden Sinne.

Ich führte eine Hand an die rechte Schläfe und übte einen leichten Druck mit den Fingerspitzen aus. Ich hatte irgendwo einmal gelesen, dass somit die Anspannung nachlässt und, obwohl ich das dumm und absolut nutzlos fand, führte ich diese Geste trotzdem aus und folgte somit gehorsam einem Ritual, dem ich absolut nicht vertraute, sondern nur einer festen Angewohnheit Respekt zollte. Es war ein angenehmer Trost, Gewohnheiten zu haben. Ich hatte festgestellt, dass sie mich aufheiterten und ich gab niemals eine von ihnen auf. Zumindest nicht in jenem Augenblick.

Ich hatte mich mit Gewalt gegen den normalen Lauf der Dinge gewandt, indem ich mich mit dem Strom mitreißen ließ, und jetzt würde ich alles dafür tun, um zurückgehen zu können.

Ich weinte meinem Zimmer in London nach, dass so klein wie eine Schiffskabine war, dem zerstreuten Lächeln meiner Mitbewohnerin, den Unfug ihrer dickbauchigen Katze und sogar den abblätternden Wänden.

Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, packte meine eine Hand wieder den Lederkoffer, und die andere löste sich von dem Tor, an dem ich mich festgeklammert hatte, ohne es zu merken. Ich wusste nicht, was ich tat – einfach kehrtmachen oder klingeln – aber es ergab sich nie die Möglichkeit das herauszufinden, denn genau in diesem Moment geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Ich schaute nach oben, eine Bewegung hinter einem Fenster im ersten Stock hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ich meinte einen weißen Vorhang zu sehen, der an seinen Platz zurückfiel. Und dann hörte ich eine weibliche Stimme. Die gleiche, die ich einige Tage zuvor am Telefon gehört hatte. Die Stimme von Millicent Mc Millian, und erschreckenderweise war sie auch noch nah, ganz nah.

„Miss Bruno! Das sind doch Sie, oder nicht?”

Ich wendete mich schnell in Richtung, aus der die Stimme kam und hatte die Bewegung am Fenster im ersten Stock schon vergessen.

Eine Frau mittleren Alters von dünner, drahtiger Gestalt und einer sanften Aura redete unaufhörlich weiter und überschüttete mich mit ihrem Redeschwall. Und ich wurde mitgerissen. „Natürlich sind Sie es? Wer könnte es sonst sein? Wir haben hier nicht oft Besuch in Midnight Rose House, und wir haben schon auf Sie gewartet! Hatten Sie eine angenehme Reise? Hatten Sie Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden? Haben Sie Hunger? Durst? Ich nehme an, Sie möchten etwas ausruhen... Ich läute sofort nach Kyle, der Ihnen das Gepäck auf Ihr Zimmer bringt…. Ich habe ein besonders schönes Zimmer für Sie ausgesucht, einfach, aber entzückend, im ersten Stock…”

Ich versuchte, wenn auch mit wenig Erfolg, zumindest eine ihrer Fragen zu beantworten, aber Mrs. Mc Millian gab ihrem ununterbrochenen Redefluss keinen Einhalt.

„Natürlich werden Sie auf der ersten Etage wohnen, wie Herr Mc Laine… Nein, er benötigt keine Hilfe von Ihnen. Er hat ja schon Kyle als Krankenpfleger... In Wirklichkeit ist er so etwas wie der Mann für alle Fälle... Und auch Fahrer... Von wem, weiß man nicht, Herr Mc Laine geht niemals aus….. Ach, ich bin so froh, dass Sie hier sind! Ich hatte etwas weibliche Gesellschaft ganz schön vermisst... Dieses Haus ist etwas furchterregend. Innen zumindest... Hier in der Sonne erscheint alles wundervoll….. Finden Sie nicht auch? Gefällt Ihnen die Farbe? Etwas gewagt, ich weiß… Aber Herr Mc Laine mag es so.”

So, da war es wieder, dachte ich mit Verbitterung. Eine Frage, die ich glücklicherweise nicht beantworten musste.

Ich folgte der Frau ins Innere des Hofes und anschließend in die riesige Eingangshalle des Hauses. Sie schwatzte unentwegt in glockenhellem Tonfall. Ich beschränkte mich darauf hier und da zu nicken und gleichzeitig warf ich schnelle Blicke auf die Räume, die wir durchquerten.

Das Haus war wirklich sehr groß, stellte ich mit Überraschung fest. Ich hatte eine nüchterne, spartanische, männlichere Einrichtung erwartet, wenn man bedenkt, dass der Eigentümer, mein neuer Arbeitgeber, ein alleinlebender Mann war. Offensichtlich war sein Geschmack alles andere als minimalistisch. Die Möbel waren prächtig, prunkvoll, antik.

Achtzehntes Jahrhundert, dachte ich, auch wenn ich kein Experte für Antiquariat war. Ich ging etwas schneller, um die Hausdame, die einem Geparden gleich durch die Räume schlich, nicht zu verlieren.

„Das Haus ist riesig groß” murmelte ich während einer Pause ihres langen Monologs.

Sie warf mir einen Blick über die Schulter zu. „Das ist wahr, Miss Bruno. Aber es ist zur Hälfte geschlossen. Es ist übertrieben groß für eine einzige Person, und überaus anstrengend für meine Wenigkeit. Abgesehen von einer Reinigungsfirma, die für den Großputz engagiert wurde, bin nur ich da. Und Kyle natürlich, aber der hat andere Aufgaben. Und jetzt Sie.”

Endlich hielt sie vor einer Türe an und öffnete sie.

Ich schloss zu ihr auf, etwas außer Atem. Ich keuchte und war erschöpft.

Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen betrat sie das Zimmer vor mir.

„Ich hoffe, es gefällt Ihnen, Miss Bruno. Apropos… liegt der Akzent auf dem O, Brunò, oder Bruno?”

„Bruno. Mein Vater stammt aus Italien” antwortete ich, während meine Augen jeden Winkel des Zimmers musterten.

Mrs. Mc Millian begann aufs Neue mit ihrer Plauderei und erzählte mir verschiedene Anekdoten von ihrer kurzen Zeit in Italien, in Florenz, während ihrer Jugend und den darauffolgenden Missgeschicken als Kunstgeschichtsstudentin und ihrem Kampf mit der lokalen Bürokratie.

Ich hörte ihr nur halb zu, ich war zu aufgeregt, um etwaiges Interesse vortäuschen zu können. Das Zimmer, das sie als einfach bezeichnet hatte, war dreimal so groß wie das Loch, in dem ich in London hauste! Meine anfänglichen Zweifel wurden weggefegt. Ich stellte den Koffer auf die Kommode und betrachtete eingehend das Himmelbett, das genauso antik war wie die restlichen Möbel. Ein Sekretär, ein Schrank, ein Nachttisch, auf dem Holzboden ein Teppich, ein halb geschlossenes Fenster. Ich ging auf es zu und öffnete es weit um den wundervollen Ausblick, der mich umgab, zu genießen. In der Ferne sah man das Dorf, das ich vor kurzem auf meiner Busfahrt gestreift hatte, auf dem Hügel gegenüber gelegen erkannte man ein Stück Fluss, das zu meiner Rechten von einer dichten Vegetation verschlungen wurde, und der Garten unterhalb, wohlgepflegt und mit vielen Pflanzen. „Ich liebe es, mich um den Garten zu kümmern”, setzte die Hausdame unerschrocken ihren Redeschwall fort, während sie sich neben mich stellte. „Ich liebe ganz besonders Rosen. Wie Sie sehen habe ich Ihnen einen Strauß gebracht.”

Ich drehte mich um, und nahm erst jetzt die große Vase auf der Kommode wahr, die mit einem üppigen Strauß Rosen gefüllt war. Ich überbrückte die Distanz zwischen mir und den Blumen und tauchte meine Nase in seine fleischigen Blätter. Der Duft machte mich auf der Stelle benommen und stieg mir zu Kopf, was mir ein leichtes Schwindelgefühl verursachte.

Das erste Mal in meinen zweiundzwanzig Jahren fühlte ich mich zuhause. So als ob ich endlich in einen sicheren und schützenden Hafen eingelaufen wäre.

„Gefallen Ihnen die weißen Rosen? Vielleicht hätten Sie lieber orangefarbene oder rosa Rosen gehabt. Oder gelbe…”

Ich wurde von dieser tückischen Frage wieder auf die Erde zurückgeholt, auch wenn sie ganz unverfänglich und ahnungslos von dieser freundlichen Frau gestellt wurde.

„Mir gefallen alle. Ich habe keine Vorlieben”, murmelte ich und schloss die Augen.

„Ich wette, Ihnen gefallen die roten. Allen Frauen gefallen rote Rosen. Aber mir kamen sie fehl am Platz vor….. ich meine….. Rote Rosen sollten eigentlich nur von einem Verehrer geschenkt werden…. Haben Sie einen festen Freund, Miss Bruno?”

„Nein”. Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch von müdem Klang, gerade so wie jemand, der noch nie eine andere Antwort gegeben hat.

„Wie dumm von mir. Natürlich haben Sie keinen. Wenn Sie einen hätten, wären Sie nicht hier in diesem gottverlassenen Ort, weit weg von Ihrem Liebsten. Ich bezweifle, dass Sie hier jemand finden werden...”

Ich öffnete die Augen wieder. „Ich bin nicht auf der Suche nach einem Verlobten.”

Ihr Gesicht hellte sich auf. „Na, dann werden Sie hier nicht enttäuscht werden. Hier ist es praktisch unmöglich jemanden zu treffen. Sie sind fast alle schon vergeben. Sie verloben sich, kaum dass sie aus den Windeln sind, oder spätestens im Kindergarten… Sie wissen schon wie es in diesen kleinen ländlichen Orten zugeht, Neues und Diverses lässt man nicht an sich herankommen.”

Und ich war divers. Hoffnungslos divers.

„Ich sagte ja schon, das ist kein Problem für mich”, sagte ich mit viel Courage in meinem Tonfall.

„Ihre Haare haben wirklich eine herrliche rote Farbe, Miss Bruno. Beneidenswert würde ich sagen. Einer Schottin würdig, auch wenn Sie keine sind.“

Ich fuhr mit meinen Finger zerstreut durch die Haare und versuchte ein gezwungenes Lächeln aufzusetzen. Ich antwortete nicht, ich war diese Art von Kommentaren schon gewohnt.

Sie fuhr mit ihrem Palaver fort und ich lenkte mich erneut ab, das Gemüt durch schmerzende Erinnerungen überfordert, die sich am langsamsten verflüchtigen, die die widerspenstigen gegen das Verblassen sind, die am schnellsten wieder hochkommen.

Um mich nicht noch einmal von den glühenden Pfeilen der Erinnerung durchstoßen zu lassen, unterbrach ich die Erzählung einer weiteren Anekdote.

„Wie sind meine Arbeitszeiten?”

Die Frau nickte anerkennend, da sie meine Hingabe an die Arbeit erkannt hatte. „Von morgens neun Uhr bis um fünf Uhr nachmittags. Natürlich haben Sie auch eine Mittagspause. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darüber informieren, dass Herr Mc Laine es vorzieht seine Mahlzeiten in seinem Arbeitsraum in völliger Einsamkeit zu sich zu nehmen. Ich fürchte, er wird nicht gerade eine gute Gesellschaft sein.“ Sie deutete eine traurige Grimasse an, und ihr Tonfall nahm einen entschuldigenden Klang an. „Es ist ein sehr verbitterter Mann. Sie wissen schon.... wegen der Tragödie... Er ist wie ein Löwe im Käfig, und glauben Sie mir ... wenn er brüllt, möchte man am liebsten alles liegen und stehen lassen und weglaufen... So wie es die anderen drei Sekretärinnen vor Ihnen gemacht haben... .“ Ihre Augen schienen mich einer lupenscharfen Kontrolle zu unterziehen. „Sie scheinen mir mit mehr gesundem Menschenverstand und praktischem Sinn ausgestattet ... Ich hoffe, Sie werden es ein bisschen länger aushalten, das wünsche ich mir wirklich sehr... .“

„Trotz meiner schmächtigen und zarten Erscheinung, verfüge ich über unendlich viel Geduld, Mrs. Mc Millian. Ich versichere Ihnen, dass ich mein Bestes geben werde, um der Aufgabe gewachsen zu sein.“, versprach ich mit all dem Optimismus, den ich irgendwie zusammenklauben konnte.

Die Frau antwortete mir mit einem breiten Lächeln, ich hatte sie soeben mit meiner feierlichen Aussage erobert. Ich hoffte, nicht die Bärenhaut verkauft zu haben, bevor ich den Bären erlegt hatte.

Die Frau ging immer noch lächelnd zur Tür. „Mister Mc Laine erwartet Sie in einer Stunde in seinem Arbeitszimmer, Miss Bruno. Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Bieten Sie ihm Paroli, das ist der einzige Weg um sich nicht gleich bei der ersten Gelegenheit wegjagen zu lassen.“

Ich blinzelte versunken in der anfänglichen Aufregung. „Liebt er es seine Mitarbeiter in Verlegenheit zu bringen?“

Sie wurde ernst. „Er ist ein harter, aber gerechter Mann. Sagen wir, er mag keine Hasen und setzt alles daran, sie in einem Happen zu verspeisen. Das Problem ist, dass in seiner Gegenwart viele Löwen zu Angsthasen werden...”

Sie grüßte mich mit einem Lächeln und verließ den Raum, ohne den durch ihre letzten Worte erzeugten Wirbelsturm wahrzunehmen, der sich in meinem Kopf einnistete.

Ich ging zum Fenster zurück. Der Wind hatte sich gelegt, und wurde durch eine ungewöhnlich schwüle Hitze ersetzt, der eher für den größten Teil des Kontinents üblich war, als für dieses Gebiet.

Mit Mühe brachte ich meinen Verstand auf Stand-by, indem ich die schädlichen Gedanken losließ. Er war wieder eine leere Seite, unberührt, frisch, frei von allen Sorgen.

Mit der vernichtenden Gewissheit derer, die sich selbst gut genug kennen, wusste ich, dass dieser Frieden relativ war, so vergänglich wie eine Spur im Sand, die nur darauf wartet, von den zurückziehenden Fluten gelöscht zu werden.

Der Empfang von Mrs. Mc Millian durfte mich nicht täuschen.

Sie war eine einfache Angestellte, nicht mehr und nicht weniger als ich selbst. Es war angenehm, sehr angenehm, wenn ich darüber nachdachte, sie auf meiner Seite zu wissen, und dass sie mir mit solcher Spontaneität ein komplizenhaftes Bündnis angeboten hatte, aber ich durfte nicht vergessen, dass mein Arbeitgeber ein anderer war. Mein Aufenthalt in diesem Hause, so angenehm und so anders als jeder Ort, den ich je gekannt habe, hing ganz und gar von ihm ab. Oder vielmehr von dem Eindruck, den ich auf ihn machen würde. Ich. Ich allein. Von ihm wusste ich viel zu wenig, um mich zu entspannen. Ein einzelner Mann, zu einem Gefängnis verdammt, das schlimmer als der Tod war, abgestellt zu einem halbierten Leben, ein einsamer Schriftsteller mit miesem Charakter... Den verschleierte Anspielungen meiner Komplizin zufolge, handelte es sich um einen Mann, der sich daran ergötzte, andere Menschen in Verlegenheit zu bringen, vielleicht liebte er es seine Rachgier an anderen auszuleben, nachdem er es nicht an seinem einzigen Feind tun konnte: dem Schicksal. Blind, mit verbundenen Augen, gleichgültig gegenüber dem auferlegten Leiden um sich herum, in gewissem Sinne demokratisch.

Ich atmete tief durch. Wenn mein Aufenthalt in diesem Haus dazu bestimmt war, von kurzer Dauer zu sein, könnte ich auch auf das Auspacken verzichten. Ich wollte keine Zeit verschwenden.

Ich wanderte immer noch ungläubig durch den Raum. Ich verweilte vor dem Spiegel über der Kommode, und betrachtete traurig mein Gesicht. Meine Haare waren rot, gewiss. Ich wusste das, aber nur, weil andere es mir gesagt hatten, ich war nicht in der Lage, die Farbe zu bestimmen. Ich lebte ein Leben in Schwarz-Weiß, ebenso darin gefangen wie Mr. Mc Laine. Nicht in einem Rollstuhl, aber auf meine Weise inkomplett. Ich legte meine Finger auf eine silberne Bürste, die zusammen mit anderen Hygieneartikeln auf der Kommode lag, ein kostbarer Gegenstand, der mir mit unvergleichlicher Großzügigkeit zur Verfügung gestellt wurde.

Die Augen blieben auf der große Wanduhr hängen, und sie erinnerten mich, fast Unheil verheißend, an den Termin mit dem Hausherrn.

Ich durfte nicht zu spät kommen.

Nicht bei unserem ersten Treffen.

Vielleicht ist es ja auch das letzte, wenn ich nicht in der Lage sein sollte... Wie hatte es Mrs. Mc Millian genannt? Ach, ja. Ihm Paroli bieten. Ein großes Wort für eine Hasenprinzessin. Mein am häufigsten verwendetes Lieblingswort war Entschuldigung, in allen möglichen Varianten, je nach Situation und Umstand. Früher oder später hätte ich mich für meine Existenz entschuldigt. Ich straffte die Schultern, in einem plötzlichen Anfall von Stolz. Ich hätte meine Haut nur teuer verkauft. Ich hätte mir das Recht, das Vergnügen, in diesem Haus, in diesem Zimmer, in dieser Ecke der Welt zu bleiben, schon verdient.

Am Treppenabsatz angelangt, hingen meine Schultern schon wieder, mein Verstand begann zu brüllen, das Herz zu rasen. Meine Gelassenheit hatte wie lange gedauert ...? Eine Minute?

Fast ein Rekord.

Zweites Kapitel

Als ich in der Eingangshalle ankam, wurde ich mir meiner unvermeidlichen Unwissenheit bewusst. Wo war das Arbeitszimmer? Wie sollte ich es finden, wenn ich es gerade so geschafft hatte, bis hierher zu kommen? Kurz bevor ich im Sumpf meiner Verzweiflung versank, wurde ich durch ein willkommenes Einschreiten von Mrs. Mc Millian mit einem breiten Lächeln auf ihrem hageren Gesicht gerettet.

„Miss Bruno, ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen, um Sie daran zu erinnern....“ Sie warf einen Blick auf die Pendeluhr an der Wand. „Welch eine Pünktlichkeit! Sie sind wirklich ein seltenes Juwel! Sind Sie sicher, dass Sie italienische Wurzeln haben, und nicht Schweizer?“ Sie lachte allein über ihren Scherz.

Ich lächelte höflich und versuchte mit ihr Schritt zu halten, während sie die Treppe hinaufstieg. Wir kamen an der Tür zu meinem Schlafzimmer vorbei und gingen offensichtlich auf die schwere Tür am Ende des Gangs zu.

Ohne mit ihrem Geplapper einzuhalten, klopfte sie dreimal sanft an der Tür und öffnete sie einen Spalt.

Ich blieb hinter ihr stehen, mit zitternden Beinen, während sie vorsichtig in den Raum blickte.

„Mister Mc Laine... hier ist Miss Bruno.”

„Ist ja auch höchste Zeit. Sie ist zu spät.” Die Stimme klang rau und unfreundlich.

Die Hausdame brach in rauschendes Lachen aus, wohlwissend der Unzufriedenheit des Hausherrn.

„Nur eine Minute, Sir. Vergessen Sie nicht, dass sie neu in diesem Hause ist. Ich bin Schuld an ihrer Verspätung, weil ...“

„Lassen Sie sie eintreten, Millicent“. Die Unterbrechung war abrupt, fast wie ein Peitschenhieb, und ich schreckte an Stelle der Frau auf, die sich seelenruhig umdrehte und mich anblickte.

„Mr. Mc Laine erwartet Sie, Miss Bruno. Bitte, kommen Sie herein.“

Die Frau trat einen Schritt zurück und gab mir ein Zeichen einzutreten. Ich warf ihr einen letzten besorgten Blick zu. Zur Ermutigung flüsterte sie mir zu. „Viel Glück!“

Und siehe da, sie hatte damit genau das Gegenteil erreicht. Mein Gehirn hatte sich in eine breiige Masse verwandelt, ohne jede Logik oder Gefühl für Zeit und Raum.

Ich wagte einen zögerlichen Schritt in das Zimmer. Bevor ich irgendetwas sehen konnte, hörte ich die Stimme von vorher, die jemanden verabschiedete.

„Du kannst gehen Kyle. Bis morgen. Und sei pünktlich. Ich dulde keine weiteren Verspätungen”.

Ein Mann stand ein paar Meter von mir entfernt, eine groß und starke Erscheinung. Er starrte mich an und nickte mir grüßend zu, in seinen Augen flackerte eine stille Wertschätzung, als er an mir vorbei ging.

„Guten Abend“

„Guten Abend“, antwortete ich, und starrte ihn länger als nötig an, um den Moment, in dem ich mich zur Närrin machen, die Erwartungen von Mrs. Mc Millian und meine törichten Hoffnungen enttäuscht haben würde, noch etwas aufzuschieben.