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Skandalöse Erlösung
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Skandalöse Erlösung

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»Es besteht keine Notwendigkeit, dass Ihr Euch Umstände bereitet. Bleibt hier und genießt den Schatten.«

Claudia drehte sich um und spazierte auf das Haus zu, ohne Ihrer Gnaden die Chance zu geben weiterzusprechen. Ihre Lippen zuckten und ihre Augen brannten vor der Anstrengung Tränen zurückzuhalten. Sie würde nicht vor ihren Standesgenossen weinen. Sie atmete tief ein und umrundete das Zelt.

Sie krachte in einen harten Körper, Sekunden bevor starke Hände ihre Hüfte umfassten. Verflixt, sie hätte besser aufpassen sollen wo sie hingeht.

»Lady Akford.«

Sie blickte beim Klang seiner vertrauten Stimme auf. Claudias Haut kribbelte, wo Lord Shillingtons starke Hände sie hielten. »Entschuldigen Sie. Ich … Vergeben Sie mir.« Wärme drang in ihre Mitte.

Er ließ sie los, bot aber seinen Arm an. »Wie ich mich erinnere, haben Sie mir einen Spaziergang durch die Gärten versprochen.«

Ihre Kehle schnürte sich bei seiner Nettigkeit zu. Er scheute nicht vor ihr zurück, obwohl er jeden Grund dazu hatte. Sie versuchte die Enge in ihrer Kehle zu ignorieren, verlor aber den Kampf gegen ihre Tränen daraufhin. Sie wandte sich ihm wieder zu, hoffte, dass er dies nicht bemerkt hatte.

»Was bekümmert Sie?« Er kam näher.

Ein Krieg der Emotionen tobte in ihr. Freude über die Nettigkeit, die ihr gezeigt wurde, Trauer wegen der hasserfüllten Worte, die sie Momente zuvor gehört hatte. Sie wischte mit dem Rücken ihrer behandschuhten Hand eine fehlgeleitete Träne weg und straffte ihre Schultern, bevor sie seinen Arm nahm. »Ich war lediglich von Gedanken abgelenkt. Schenken Sie dem keine Beachtung.«

Lord Shillington führte sie auf einen Gartenweg. »Das Wetter ist perfekt, um spazieren zu gehen.«

»In der Tat, das ist es.« Sie hob ihr Kinn an, aalte sich in der Wärme der Sonne.

Einige Momente vergingen ohne Konversation, während er sie tiefer in den Garten führte. Es war eine angenehme Stille und sie zog etwas an Behaglichkeit daraus.

Als sie ihren Blick auf ihn neigte, nahm sie sein blondes gewelltes Haar, den kantigen Kiefer und die tiefbraunen Augen auf. Er war ein eindrucksvoller Mann, groß und schlank mit breiten Schultern und einer schmalen Hüfte. Ihr Blick legte sich auf seine Lippen und sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie es wäre ihn wieder zu küssen. Nicht wie vorige Nacht, sondern eher ein Kuss mit Gefühl. Ein Kuss, der von ihm begonnen wurde.

Sein Verdruss über ihre Zudringlichkeit überraschte sie noch immer. Sie hatte nie einen Mann gekannt, der bei den Avancen einer Frau wütend geworden ist. Fehlte ihm Erfahrung mit Frauen? Oder fand er sie selbst nicht nach seinem Geschmack? In Wahrheit wusste sie beinahe nichts über ihn. Eine Situation, die sie berichtigen wollte. »Bitte erzählen Sie mir ein bisschen über sich, Lord Shillington.« Eine leichte Röte zog sich über sein Gesicht.

»Zum Beispiel?« Seine Stimme enthielt ein leichtes Zittern.

»Oh, ich weiß nicht. Über Ihre Familie, Ihre Hobbies.« Ob Sie jemals eine Dame geküsst haben …

»Ich habe eine Schwester und zwei jüngere Brüder. Mein Vater ist der Earl of Voxton.« Er blickte zu ihr herüber, ein kleines Lächeln zog an seinem Mund. »Haben Sie irgendwelche Geschwister?«

»Nein. Ich war ein Einzelkind. Ich habe mir schon Brüder und Schwestern gewünscht, aber es hat nicht sollen sein.«

»Ich habe mir gewünscht, dass meine Geschwister verschwinden.« Er gluckste. »Natürlich war das, als ich nur ein Junge war und nur ab und zu. Ich würde mir jetzt niemals wünschen, dass sie verschwinden.«

Sie lächelte, nahm Notiz von der Art und Weise, wie er sich zu entspannen schien. Seine Schritte waren selbstbewusster und das Zittern, das sie zuvor in seiner Stimme entdeckt hatte, war verschwunden. »Gute alte Geschwisterrivalität vermute ich.«

»Ja. Es ist einfach sich zu wünschen, dass einer verschwindet, wenn sie eine Kröte in dein Bett legen oder dein liebstes Spielzeug verstecken. Jedoch kann ich ganz und gar keine Unschuld vortäuschen. Ich habe Paroli geboten.«

»Oh!« Sie legte ihre freie Hand auf ihre Brust. »Das Grauen.« Sie schoss ihm ein amüsiertes Lächeln zu. »Es scheint, dass ich die Glückliche bin. Aber dann kann ich mir vorstellen, dass Ihre Geschwister auch da waren, um Ihnen Gesellschaft zu leisten, wenn sich die Einsamkeit breit machte, oder ein Alptraum Sie aus Ihrem Schlummer gezogen hat. Möglicherweise gibt es keine Glücklichen, nur Menschen mit verschiedenen Umständen, die alle versuchen diese grausame Welt zu überleben.« Sie nagte an ihrer Lippe, fürchtete, dass sie erneut zu viel gesagt hatte.

»Ja, möglicherweise.« Er stolperte, zog ihren Körper mit einem Ruck zu seinem. Ihre behandschuhte Handfläche kam an der soliden Wand seiner Brust zu liegen, als sie ihr Gleichgewicht wiedererlangte. Er blickte sich auf dem Boden um, sein Gesicht flammend rot. »Vergeben Sie mir. Da muss etwas auf dem Pfad gewesen sein.«

War das Unsicherheit, was sie in der Tiefe seiner Augen sah? Wie dem auch sei, er schien verlegen zu sein und sie hatte nicht das Verlangen sein Unbehagen zu steigern. Sie entfernte ihre Hand von seiner Brust und ergriff einmal mehr seinen Arm. »Es gibt nichts zu vergeben. Lassen Sie uns unseren Weg fortsetzen und Sie können mir von Ihren Hobbys erzählen.« Sie drückte leicht seinen Arm.

»Ich vermute nicht, dass sich meine Hobbys sehr von denen anderer Gentlemen unterscheiden. Ich reite gerne, besuche Rennen und meine Clubs.« Er führte sie näher an eine Baumgruppe.

»Ich finde auch Gefallen an Reitsport. Es scheint, dass wir etwas gemeinsam haben.«

»Ich verpasse selten meinen abendlichen Ausritt. Wenn ich es muss, sorgt mein Stallmeister dafür, dass meinem Pferd Bewegung verschafft wird. Beauty wäre ansonsten nicht zu beherrschen.«

»Beauty ist Ihr Pferd?« Sie blickte amüsiert zu ihm hoch.

»In der Tat. Meine Schwester, Jane, hat ihm den Namen gegeben. Ich hatte nicht das Herz ihren Vorschlag zurückzuweisen.«

Es war, als ob er zwei Seiten hatte. Er hatte eine Freundlichkeit und Unbeholfenheit an sich, die sie begeisterte. Nichtsdestotrotz konnte sie nicht ignorieren, wie attraktiv und maskulin er war.

Sie mochte nicht für einen Ehemann auf dem Markt sein, aber sie vermutete, dass er einen prächtigen Bettgefährten abgeben würde. Aufregung raste bei dieser Idee durch ihre Adern. Sie kam ein bisschen näher, atmete seinen würzigen Geruch ein, während sie seine Gesichtszüge studierte. Vielleicht könnte er ihr Liebhaber sein.

KAPITEL 4

Henry konnte nicht leugnen wie sehr er Lady Akfords Gesellschaft genoss. Noch konnte er sich an das letzte Mal erinnern, dass er eine Dame in solch einfache Konversation verwickelt hat. Etwas an ihr beruhigte ihn und machte, dass er sein Privatleben mit ihr teilen wollte. Er vergaß beinahe wie gefährlich die Dame sein konnte, während sie die Pfade entlang spazierten. Sicherlich hatte eine Dame wie sie kein ehrliches Interesse an ihm.

Er blickte auf Lady Akford, nahm ihre feinen Gesichtszüge auf. Es wäre einfach ihr ins Garn zu gehen. Sie hatte ihn bereits halbwegs eingefangen mit ihrem ungezwungenen Lächeln und tristen Augen. Sein Herz fühlte mit bei dem Skandal und dem noch immer weitergehenden Klatsch, den sie aushielt. Ein Drang ihr zu helfen erfüllte ihn, ungeachtet der Konsequenzen, die erfolgen könnten. Er hatte das seltsame Verlangen die Umstände ihrer Vergangenheit zu verstehen. Ihre Fehltritte zu vergeben, komme, was wolle.

Eine Marmorbank kam in Sicht, eingebettet bei einem Brunnen. »Könnten wir uns für ein Weilchen hinsetzen?«

»Das würde mir gefallen.« Lady Akford richtete ihren Sonnenschirm so aus, dass mehr von ihrem Gesicht enthüllt wurde.

Sie war in der Tat eine eindrucksvolle Frau, mit den Gesichtszügen einer Porzellanpuppe und den Kurven einer Verführerin. Feine Linien mussten erst noch in ihr Gesicht schleichen, ihre Augen bestachen mit deren katzenartiger Neigung und smaragdgrüner Färbung. Ihr herrliches rotbraunes Haar stach aus der Menge heraus. Wenn er raten müsste, würde er sagen, dass sie nicht einen Tag älter als fünfundzwanzig war. Kein Zweifel, sie könnte ihre Auswahl an den Gentlemen in der feinen Gesellschaft haben, wenn nicht dieser verfluchte Skandal wäre, der ihren Ruf verdorben hat.

Sobald sie sich in einer Anhäufung gelben Tafts auf der Bank niedergelassen hatte, setzte er sich neben sie. Die vorige Nacht blitzte in seinem Verstand auf. Sie hatten sich eine ähnliche Bank geteilt, als sie über ihre Vergangenheit weitergeplappert hat, bevor sie ihn geküsst hatte. Ein Teil von ihm sehnte sich danach, dass sie es noch einmal tat. Dass sie ihre zarten rosa Lippen auf seine brachte, seinen Mund neckte und ihn anflehte sie ihren Schmerz vergessen zu lassen. Er blinzelte der tollkühnen Idee zuwider.

»Worüber denken Sie nach?« Lady Akford neigte ihr Kinn in seine Richtung.

Er zuckte, da er erwischt wurde, wie er sie studierte, räusperte sich dann. »I-Ich habe daran gedacht, was Sie letzte Nacht gesagt haben.« Nicht die ganze Wahrheit, aber es würde genügen.

»Oh. Ich entschuldige mich für meine Worte … und Handlungen. Ich fürchte ich war sehr betrunken und habe mich völlig zum Narren gemacht.« Ihre Wangen erblühten hochrot, aber sie hielt seinen starren Blick fest. »Ich mache übermäßigen Genuss nicht zur Gewohnheit, das versichere ich Ihnen.«

»Denken Sie nicht weiter darüber nach.« Er tätschelte ihre in einem Glacéhandschuh steckende Hand, bevor er sich davon abhalten konnte. »Ich will verstehen, warum Sie zu Lord Luvington gegangen sind, nachdem Ihre Trauerzeit geendet war. Warum haben Sie nicht Ihre Familie aufgesucht?« Er war ein verfluchter Schwachkopf. Das eine Thema, das er nicht mit ihr bereden sollte, und er hat die Tür einfach ganz weit aufgeworfen. Er blickte weg, schalt sich innerlich für seine Dummheit.

Lady Akford schlug ihre Augen auf den Boden nieder. »Es ist eine ziemlich—«

»Da bist du ja«, rief eine heitere feminine Stimme.

Lady Wexil spazierte auf sie zu, während sie ihren Fächer in der Luft schwang. Er blickte auf Lady Akford. Sie nagte an ihrer Unterlippe, machte keine Anstalten weiterzusprechen. Ein Seufzer der Erleichterung glitt von seinen Lippen. Er wollte die Antwort auf seine Nachfrage nicht wissen, wollte seine Freunde nicht mit ihr besprechen, und jetzt würde er das nicht tun müssen. Dem Himmel sei Dank für die Ablenkung.

»Ich habe überall nach meiner lieben Cousine gesucht.« Lady Wexil stand schließlich neben der Bank. »Ich entschuldige mich, Lord Shillington, aber ich muss einfach Lady Akford fortziehen.«

»Natürlich.« Henry stand auf und streckte seine Hand aus, um Lady Akford auf die Füße zu helfen. Als sie ihre Hand in seine legte, überfiel ihn ein Trommelfeuer aus Kribbeln. Etwas an der gefährlichen Schönheit erreichte ihn. Wagte er dies weiter zu erkunden?

»Ich danke Ihnen, Lord Shillington.«

Er konnte seine Aufmerksamkeit nicht von ihr ziehen, als sie mit Lady Wexil plauschend davon ging. Der Schwung ihrer Hüften hypnotisierte ihn, hielt seine Aufmerksamkeit als Gefangener, während der Singsang ihrer Stimme sich um ihn hüllte. Als sie um eine Biegung im Pfad verschwand, erlaubte er es sich zurück auf die Bank zu sinken.

Er schloss seine Augen gegen die Sonne des späten Nachmittags und ließ sein Kinn in seiner Handfläche ruhen. Er war ein verfluchter Dummkopf. Man konnte es nicht anders nennen. Lady Akford bezauberte ihn. Er konnte sich genauso wenig von ihr abwenden, wie er die Sonne am Untergehen hindern konnte. So sehr er es sich auch wünschte.

»Erzähl mir nicht, dass du jetzt das Sonnenbaden anfängst, Shillington.«

Keerys Stimme riss Henry aus seinem entspannten Zustand. Seine Brust zog sich zusammen, als er seine Schwester, Lady Jane, am Arm des Schwerenöters bemerkte. Er stand hastig auf, um seine Schwester zu retten, obwohl sie seine Hilfe nicht zu wollen schien. »Jane, was machst du hier draußen? Alleine?«

»Ich bin nicht allein. Eher das Gegenteil. Wie du sehen kannst, bin ich mit Lord Keery zusammen und meine Magd ist in angemessenem Abstand hinter uns.«

Er schoss Keery einen mürrischen Gerichtsausdruck zu, als der Schurke es wagte zu kichern, wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder Jane zu. »Gleichwohl, erlaube mir dich zum Haus zurückzubringen.«

Jane ließ ihre Finger von Lord Keerys Arm fallen. Sie bot einen Knicks dar. »Ich danke Ihnen für den angenehmen Spaziergang, Lord Keery.«

»War mir ein Vergnügen.« Keery blinzelte Jane zu. Er kam auf Henry zu und lehnte sich näher hin, um nahe seines Ohrs zu flüstern: »Entspann dich. Ich habe kein Interesse an deiner Schwester.« Er richtete sich auf und wandte sein verwegenes Grinsen auf Jane. »Guten Tag, my Lady.«

Henry blickte Keery prüfend an, bot dann Jane seinen Arm an. Sie blitzte ihn an, aber ließ ihre Finger trotzdem auf seinem Ärmel ruhen. Er wandte seinen Rücken dem Haus zu, als Keery in die entgegengesetzte Richtung weiterging.

Ihre Magd musste erst noch in Sichtweite kommen. Er würde sich bei der nächstmöglichen Gelegenheit um die Dienerin kümmern. Man muss sich das vorstellen, seine kleine Schwester war mit einem ruchlosen Schwerenöter bei einem Spaziergang und ihre Magd, die zunächst einmal keine angemessene Anstandsdame darstellte, war nirgendwo zu sehen. Das war gewissenlos. Mit einem solchen Verhalten würde sie sich als Thema des neuesten Ondit wiederfinden, und eher früher als später.

Er drehte seinen Kopf, nagelte sie mit ihrem Blick fest. »Jane, du darfst nicht mit Lord Keery verkehren, außer du wirst angemessen begleitet. Sogar dann würde ich es vorziehen, wenn du dich nicht auf ihn einlässt. Der Mann hat einen Ruf und das weißt du sehr wohl.«

Jane schlug ihn mit ihrem Fächer. »Du bist anmaßend, Bruder. Ich habe dir gesagt, dass meine Magd bei uns war. Überdies ist Lord Keery dein Freund. Er würde mir kein Leid antun.«

»Deine Magd ist nirgendwo zu sehen.« Henry trug zur Schau wie er sich umblickte. »Sprich, wo ist sie hingegangen?«

»Es tut mir leid ich weiß es nicht recht. Nichtsdestotrotz ist nichts abseits des Gewöhnlichen vorgefallen. Lord Keery war ein perfekter Gentleman. Er hat mich nur begleitet, weil Lady Gillian krank wurde, während wir spazieren waren. Ich versichere dir, es war nicht mehr als eine Nettigkeit.«

»Mein Freund zu sein macht ihn nicht zu einem guten Verehrer.« Henry bezweifelte sehr, dass Keerys Handlungen ehrenhaft gewesen waren. Er konnte nur hoffen, dass der Wüstling gedankenvoll gehandelt hat, um die Zuneigung irgendeiner anderen Dame zu gewinnen. Seine liebe Schwester hatte überhaupt keine Ahnung von Männern.

Ungeachtet ihrer vorigen drei Gesellschaftssommer, musste sie noch jemandes Aufmerksamkeit erlangen. Sie wäre wehrlos gegen die Reize eines erfahrenen Schwerenöters. War das, was mit Lady Akford passiert ist? War sie vor all diesen Jahren hilflos gegen Luvingtons Avancen gewesen?

Jane zerrte an seinem Arm. »Möglicherweise solltest du dich mehr über deine eigene Begleitung sorgen und weniger über meine. Was machst du mit dieser  … dieser …. Oh, du weißt sehr wohl, was sie ist.«

Er brachte sie zum Stehen und drehte sich, um sie anzublicken. »Lady Akford ist eine gute Frau, die in ihrer Jugend einen Fehler gemacht hat. Wärst du alleine mit Lord Keery gefunden worden, wärst du in der gleichen Position. Unwiderruflich ruiniert.«

Janes Wangen brannten. »Sie ist eine Dirne. Jeder sagt das.«

Ihre Einschätzung verstimmte ihn mehr, als er zugeben mochte. Der Muskel in seinem Kiefer zuckte, als er darum kämpfte seine ansteigende Wut zu mindern. »Lady Wexil und Duchess Abernathy denken nicht so, genauso wenig wie ich. Der Rest der feinen Gesellschaft liegt falsch.«

»Wie du wünschst, Bruder.« Janes Augen blitzten vor Entrüstung auf. »Das ändert nichts an der Tatsache, dass sie in den Augen der feinen Gesellschaft ruiniert ist. Du bist der Erbe einer Grafschaft, ein Vicomte um Himmels willen. Du brauchst eine angemessene Ehefrau und solltest deine Zeit damit verbringen nach einer zu suchen.«

»Ich bin mehr befasst mit deinen Aussichten.« Henry drehte sich um und brachte sie zurück in Bewegung.

Obwohl er es nicht zuzugeben wünschte, hatte Jane Recht. Er musste heiraten, aber sie lag falsch bei Lady Akford. Verärgerung brandete in ihm auf. Was, wenn seine Schwester Recht hatte? Die Tatsache, dass er Lady Akford nicht mit ganzem Herzen verteidigen konnte, diente nur dazu ihn weiter zu wurmen.

Claudia lehnte sich auf dem Sofa in Vivians Ankleidezimmer zurück, während ihre Cousine über die neueste Mode schnatterte. Vivian hatte zwei neue Ballkleider von Mrs. Brudette in Auftrag gegeben und streckte nun eines zu Claudia hin. Die scharlachrote und schwarze Seide fiel in Plissees und Kaskaden, die im Kerzenlicht erstrahlten. Eine pflaumenlila Robe aus Seide und Spitze im ähnlichen Stil hing hinter Vivian.

»Sie sind so ansprechend, dass ich, als ich sie gesehen habe, dich einfach holen musste. Wie werde ich jemals zwischen den beiden auswählen? Der Ball wird über uns kommen, bevor wir es wissen und ich muss eines davon tragen.« Vivian umarmte das Rot und Schwarze an ihrer Brust. »Welches bevorzugst du?«

Claudia konnte das mentale Bild von Lord Shillington, wie er sie über die Tanzfläche wirbelte, nicht aufhalten. Wann hatte ein Mann zuletzt ihr Interesse so vollständig ergriffen? Ihr Herz zog sich bei der Antwort zusammen. Julian, vor sechs Jahren. Sie hatte ihn von ganzem Herzen geliebt. Eine flatterhafte Träumerei. Das war völlig anders. Sie liebte Lord Shillington nicht, sie schwärmte lediglich für ihn. Sie würde sich selbst nie wieder erlauben zu lieben. Die Empfindung führte nur zu Herzschmerz und sie hatte davon bereits genug gehabt.

»Claudia.«

Sie riss sich beim Klang ihres Namens aus ihrer Grübelei. »Das Rote steht dir gut.« In Wahrheit würde jede der Roben umwerfend an ihrer Cousine aussehen. Claudia sagte nur das Erste, was ihr in den Sinn kam und Vivian hielt zufällig gerade das Rote.

»Ich stimme dir durchaus zu. Dann ist es beschlossen.« Vivian drapierte die Robe über einen Ohrensessel, setzte sich schließlich neben Claudia. »Du bist abgelenkt, meine Liebe.«

Sie erzwang ein Lächeln. »Überhaupt nicht.«

»Du konntest noch nie lügen. Jetzt erzähl mir was dich so beschäftigt?«

Sie konnte Vivians Einschätzung nicht bestreiten; Claudia war immer eine schreckliche Lügnerin gewesen. Sie begegnete dem starren Blick ihrer Schwester. »Ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«

»Seit wann versteckst du Dinge vor mir?« Vivian verlagerte sich, um näher bei ihr zu sitzen. »Es gab eine Zeit, da hast du mir alles erzählt. Es scheint es ist mir misslungen zu bemerken, dass du jetzt Geheimnisse für dich behältst.«

Vivian war wie ein Jagdhund auf einer Fuchsjagd, wenn sie etwas zu wissen wünschte. Sie würde auf ihrem Kurs nicht verweilen, bis sie ihre Beute gefangen hatte. Es gab keinen anderen Ausweg. Claudia würde ehrlich sein müssen. »Lord Shillington.« Ein Seufzen schwebte zwischen ihren Lippen heraus. »Ich habe an Lord Shillington gedacht.«

»Ich wusste es! Ich habe euch beide gestern Abend zusammen das Musikzimmer verlassen sehen. Dann diesen Morgen im Frühstückszimmer …« Vivians Augen funkelten. »Ich habe dann etwas vermutet, aber nachdem ich euch heute Nachmittag wieder zusammen gefunden habe … Oh, Claudia, ich freue mich so für dich.« Sie griff nach ihr und nahm eine von Claudias Händen in ihre, ein breites Lächeln zog ihre Lippen in die Länge. »Ich wusste du würdest deine Meinung ändern.«

»Meine Meinung über was ändern?« Claudia klappte ihren Fächer auf. Sie mochte die Wendung nicht, die diese Unterhaltung nahm.

»Heirat, du dumme Gans.« Vivian drückte ihre Hand.

»H-heiraten. Herrgott nein.« Claudia fühlte, wie das Blut aus ihrem Gesicht verschwand. Von all den Dingen, die Vivian hätte sagen können, hätte sie dies nicht vermutet.

Vivian ließ ihre Hand los, legte ihren Kopf leicht schief, als Verwirrung ihre Augen flutete. »Wenn du nicht Heirat im Sinn hast, dann was?«

Claudia wedelte schneller mit ihrem Fächer, ihr Herz schlug wild. »Ich habe dir gesagt, ich werde nie wieder heiraten.«

»Warum beschäftigt Lord Shillington dann deine Gedanken?« Vivian starrte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an.

»Ich habe Lust ihn als Liebhaber zu nehmen.« Claudia starrte ihre Cousine an, forderte sie heraus die Idee anzuzweifeln.

Vivian sprang vom Sofa auf. »Ein Liebhaber? Haben dich alle guten Geister verlassen? Du bist eine junge Witwe. Du brauchst einen Ehemann.«

»Komm schon, Vivian. Du bist eine verheiratete Dame. Du weißt was zwischen einem Mann und einer Frau passiert.«

Claudia starrte ihre Cousine an, teilweise wegen ihrer Reaktion amüsiert und teilweise verärgert. Vivian hatte sie in all ihren Jahren niemals verurteilt. Sogar als Julian darin versagt hatte für sie zu kämpfen und sie gezwungen war Akford zu heiraten, hat Vivian zu ihr gestanden.

»Ja, ein verheirateter Mann und eine verheiratete Frau. Was du vorschlägst ist … ist skandalös. Hattest du davon nicht bereits genug in deinem Leben?«

Claudia stand auf, um der hoch gewachsenen Vivian zu begegnen. »Ich bin eine Witwe und ich beabsichtige meine neugefundene Freiheit zu genießen. Witwen nehmen viel öfter Liebhaber, als du zugeben magst. Deinen Kopf in den Sand zu stecken hält diese Praxis nicht auf. Was das Verursachen eines Skandals betrifft, das ist kein Thema, ich werde sehr diskret sein.«

Vivian stand auf und ging durch das Zimmer auf und ab. »Das mag wahr sein, aber Lord Shillington ist nicht die Art Mann, der Liebhaberinnen nimmt. Sein Ruf ist unbefleckt und er ist der Erbe einer Grafschaft. Er wird darauf setzen zu heiraten. Merk dir meine Worte.«

Claudia umarmte ihren mulmigen Bauch. »Wir werden sehen.« Ihre Stimme brach, verriet ihren Mangel an Zuversicht.

KAPITEL 5

Aufgrund ihrer früheren Unterhaltung wettete Claudia, dass Lord Shillington plante einen abendlichen Ausritt zu machen. Sie beabsichtigte sich zu ihm zu gesellen. Gekleidet in ihrem smaragdfarbenen Reitkleid mit passendem Bonnet saß sie auf ihrem Pferd, suchte das sie umgebende Gebiet ab. Als sie und Vivian gemeinsam geritten waren, haben sie die westliche Seite des Grundstücks durchquert, hinein in den Wald, sind dann dem Fluss gefolgt. Es schien eine genauso geeignete Strecke zu sein wie jede andere.

Sie stieß ihr Pferd heftiger an, als sie beabsichtigt hatte, und das Pferd startete in einem Galopp. Mit einem Ruck ergriff sie die Zügel ein wenig fester und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit geradeaus. Auch wenn sie es nicht schaffen sollte Lord Shillington zu finden, würde sich der Ausritt als vergnüglich erweisen. Warme Sommerluft hüllte sich um sie, wie die Umarmung eines Geliebten und sie lehnte sich hinein. Es konnte nichts Befreienderes geben, als auf einem gut trainierten Pferd durch das Land zu brausen.